Verwaltungsrecht

Widerruf der Waffenbesitzkarte und Mitbenutzungserlaubnisse, Waffenrechtliche Unzuverlässigkeit, Gröblicher Verstoß, Ausnahme von der Regelvermutung

Aktenzeichen  24 CS 21.2636

Datum:
7.2.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 3142
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WaffG § 45 Abs. 2 und 5
WaffG § 5 Abs. 2 Nr. 5

 

Leitsatz

Verfahrensgang

RO 4 S 21.1250 2021-09-27 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 12.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage vom 14. Juni 2021 gegen den Bescheid des Beklagten vom 21. Mai 2021 hinsichtlich Ziffern I und II sowie die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage hinsichtlich Ziffern V bis VII.
Das zuständige Landratsamt widerrief mit Bescheid vom 21. Mai 2021 die für den Antragsteller erteilten Waffenbesitzkarten (Ziffer I des Bescheids) und seine Mitbenutzungserlaubnisse für 13 Waffen (Ziffer II des Bescheids). Der Antragsteller wurde verpflichtet, die in den Waffenbesitzkarten eingetragenen 9 Waffen bzw. Waffenteile sowie die noch vorhandene Munition binnen drei Wochen nach Zustellung des Bescheids einem Berechtigten oder dem Landratsamt zur Verwertung zu überlassen (Ziffer V des Bescheids). Zugleich wurde dem Antragsteller aufgegeben, dem Landratsamt seine Waffenbesitzkarten, seinen kleinen Waffenschein, seinen Jagdschein sowie seinen EU-Feuerwaffenpass unverzüglich, spätestens drei Wochen nach Zustellung des Bescheids, zurückzugeben (Ziffer VI des Bescheids). In Ziffer VII des Bescheids wurde angeordnet, dass die Waffenbesitzkarten, in die die Mitbenutzungserlaubnisse des Antragstellers eingetragen sind, zum Austrag der Mitbenutzungserlaubnisse beim Landratsamt unverzüglich, spätestens drei Wochen nach Zustellung des Bescheids vorzulegen sind. In Ziffer IX des Bescheids erklärte die Behörde dessen Ziffern V – VII für sofort vollziehbar.
Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antragsteller habe am 10. Oktober 2020 gegen 17:15 Uhr fünf erlaubnispflichtige entladene Langwaffen und zwei erlaubnispflichtige mit Munition gefüllte Kurzwaffen unverschlossen auf der Rücksitzbank eines Pkw‘s zur Polizeidienststelle transportiert, um diese dort abzugeben. Die Waffen und die Munition seien während der Abrissarbeiten an einem Haus gefunden worden. Der Antragsteller habe angegeben, die Staatsanwaltschaft habe das Ermittlungsverfahren mit Zustimmung des Amtsgerichts gemäß § 153 StPO eingestellt mit dem Hinweis, der Antragsteller sei nicht vorbestraft, er habe die Waffen selbst zur Polizei zwecks Sicherstellung verbracht und habe dabei allenfalls fahrlässig gehandelt. Als Jäger und Waffenbesitzkarteninhaber habe der Antragsteller die Vorschriften über den Transport von Schusswaffen kennen müssen. Die Waffen seien nach Schilderung der Polizei unmittelbar zugriffsbereit gewesen, die Pistolen seien sogar geladen und schussbereit gewesen. Er habe daher die Waffen unerlaubt geführt. Außerdem hätte der Antragsteller nach dem Waffenfund, wie es eigentlich naheliegend gewesen wäre, unverzüglich die zuständigen Behörden über den Fund informieren müssen (§ 37c Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 WaffG), was er aber auch unterlassen habe. Dies wäre telefonisch ohne weiteres möglich gewesen. Die Einstellung des strafrechtlichen Verfahrens sei nicht aufgrund einer Unschuldsvermutung, sondern wegen geringer Schuld bzw. mangelndem öffentlichen Interesse erfolgt. Von Seiten des Landratsamtes werde die Wertung der Staatsanwaltschaft, die Tat sei allenfalls fahrlässig begangen worden, nicht geteilt. Als langjähriger Jäger und ehemaliger Betreiber einer Jagdschule habe er wissen müssen, dass er die Waffen unverschlossen außerhalb seines jagdlichen Bedürfnisses im Auto transportiert und dadurch auch unerlaubt geführt habe. Warum eine unverzügliche telefonische Information der zuständigen Waffenbehörde oder der Polizei über den Fund unterblieben sei, sei ebenfalls unverständlich und lasse sich allenfalls durch den Wunsch seines Chefs erklären, die Waffen möglichst schnell von der Baustelle zu entfernen, um so eine mögliche Verzögerung des Arbeitsablaufs auf der Baustelle durch die Sicherstellung der Waffen zu vermeiden. Insofern gehe man von einer vorsätzlichen Begehung aus.
Mit Schriftsätzen vom 14. Juni 2021 und 28. Juni 2021 erhob der Antragsteller gegen den Bescheid vom 21. Mai 2021 Klage (Az: RO 4 K 21.1156) und stellte einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Az: RO 4 S 21.1250). Mit weiteren Schriftsätzen vom 27. Juli 2021 und 3. September 2021 wurden für beide Verfahren Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe beim zuständigen Verwaltungsgericht gestellt.
Das Verwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 27. September 2021 die aufschiebende Wirkung der Klage hinsichtlich Ziffer V des Bescheids vom 21. Mai 2021 wiederhergestellt. Im Übrigen hat es den Antrag abgelehnt. Dem Antragsteller wurde für das Eilverfahren Prozesskostenhilfe in Höhe von einem Zehntel der Verfahrenskosten ohne Ratenzahlung unter Beiordnung seines Rechtsanwalts gewährt. Im Übrigen wurde der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren abgelehnt. Aufgrund der Tatsache, dass der Antragsteller fünf Langwaffen und zwei geladene und schussbereite Kurzwaffen auf dem Rücksitz seines Pkw‘s ohne die erforderliche Erlaubnis zur Polizei transportiert habe, habe er Waffen unerlaubt geführt und gegen § 2 Abs. 2 und § 13 Abs. 6 WaffG verstoßen. Er habe dadurch den Straftatbestand des § 52 Abs. 3 Nr. 2a, Abs. 4 WaffG erfüllt. Er habe selbst eingeräumt, dass die beiden Pistolen geladen gewesen seien. Sein Vorbringen, dass er diese in einem verschlossenen Behältnis im Kofferraum transportiert habe, werte das Gericht nach der gebotenen summarischen Prüfung als Schutzbehauptung. Zum einen sei dieser Aspekt im behördlichen Verfahren nicht vorgetragen, sondern nun erstmals im gerichtlichen Verfahren ausgeführt worden. Zum anderen sei die konkrete Auffindesituation seitens der Polizeiinspektion dokumentiert. In diesem Zusammenhang sei festgehalten, dass die Waffen auf der Rückbank transportiert worden seien. Zwar sei auf den Lichtbildern erkennbar, dass die Waffen in Textilien eingewickelt gewesen seien. Diesen Lichtbildern und der in der Behördenakte befindlichen Ereignismeldung lasse sich aber gerade nicht entnehmen, dass die Kurzwaffen in einer Kiste im Kofferraum verschlossen gewesen seien. Im Übrigen sei für die waffenrechtliche Zuverlässigkeitsprüfung unerheblich, dass das strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen den Antragsteller nach § 153 StPO eingestellt worden sei, weil das Verfahren eben nicht nach § 170 Abs. 2 StPO aufgrund des fehlenden Tatverdachts eingestellt worden sei, sondern mangels öffentlichen Interesses, sodass der Verstoß nicht widerlegt worden sei. Dahingestellt bleiben könne, ob es sich insoweit um einen gröblichen Verstoß handele. Jedenfalls sei ein wiederholter Verstoß gegeben, denn der Antragsteller habe darüber hinaus auch gegen seine Anzeigepflicht aus § 37c Abs. 1 Nr. 1 WaffG verstoßen. Vorliegend habe es der Antragsteller unterlassen, die zuständige Behörde über den Fund der erlaubnispflichtigen Waffen und Munition zu unterrichten, obwohl ihm dies beispielsweise durch einen Telefonanruf ohne weiteres möglich gewesen wäre. Dem Antragsteller sei es nicht gelungen, durch seine Ausführungen die Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG zu widerlegen. Das Gericht verkenne nicht, dass der Antragsteller die Waffen zur Polizei gebracht habe, nach Einschätzung der Polizei von den grundsätzlich ehrbaren Absichten des Antragstellers auszugehen sei und die Staatsanwaltschaft das Handeln des Antragstellers in ihrer Einstellungsverfügung als fahrlässig beurteilt habe. Als Jäger und Inhaber von Waffenbesitzkarten habe er die Vorschriften über den Transport von Schusswaffen kennen müssen. Dies gelte umso mehr, als der Antragsteller über eine besondere Sachkunde verfüge. Besonders schwer ins Gewicht falle der Aspekt, dass die Kurzwaffen geladen transportiert worden seien. Der Antragsteller habe nicht pauschal davon ausgehen können, dass diese ohnehin nicht funktionstüchtig seien. Eine Weisung seines Vorgesetzten könne den Antragsteller nicht entlasten, da er als Inhaber waffenrechtlicher Erlaubnisse hätte wissen müssen, dass er dieser Weisung nicht habe nachkommen dürfen.
Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Rechtsschutzziel weiter.
Er hat beantragt,
1. den Beschluss vom 27. September 2021 aufzuheben und
2. die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid in Ziffern I und II anzuordnen und hinsichtlich der Ziffern V – VII wiederherzustellen.
In seiner Beschwerdeschrift und den Schriftsätzen vom 2. November 2021, 8. Dezember 2021 und 21. Dezember 2021 wird vorgetragen, das Verwaltungsgericht habe offengelassen, ob das Verhalten des Antragstellers einen gröblichen Verstoß gegen die Vorschriften des Waffengesetzes darstelle. Es habe jedenfalls einen wiederholten Verstoß gegen § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG angenommen. Sein Vorbringen zum Transport der Kurzwaffen in einer Kiste und zudem im Kofferraum des Pkw’s sei keine Schutzbehauptung. Dieser Vortrag sei durch die eidesstattliche Versicherung des Zeugen A., mit dem der Antragsteller den Transport der Waffen durchgeführt habe, glaubhaft gemacht. Weiter könne von einem gröblichen Verstoß nicht ausgegangen werden, weil dem Antragsteller allenfalls ein Fahrlässigkeitsvorwurf zu machen sei. Er habe, wie das Verwaltungsgericht selbst ausführe, mit grundsätzlich ehrbaren Absichten gehandelt. Auch die Staatsanwaltschaft habe ein etwaiges Verschulden als gering eingeschätzt. Deswegen habe das Verwaltungsgericht gerade nicht festgestellt, dass der Antragsteller gröblich gegen das Waffengesetz verstoßen habe. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts, wonach besonders der Aspekt ins Gewicht falle, dass die Kurzwaffen geladen transportiert worden seien, sei in sich widersprüchlich, da es vorher ausdrücklich offengelassen habe, ob es sich um einen gröblichen Verstoß handle. Die Kurzwaffen hätten sich in einem desolaten Zustand befunden, seien nicht funktionsfähig und wären auch nicht zu entladen gewesen. Zudem seien sie zur Sicherheit in einer Kiste und im geschlossenen Kofferraum transportiert worden. Es liege auch kein wiederholter Verstoß im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG vor, da hierfür mindestens zwei voneinander zeitlich abgegrenzte Verstöße erforderlich seien. Zum Hinweis, der Antragsteller habe nach § 37c Abs. 1 WaffG die zuständige Behörde vom Waffenfund informieren müssen, sei vorzutragen, dass im Zusammenhang mit der Abgabe der Waffen bei der Polizeiinspektion dem Antragsteller auf Nachfrage, ob er noch etwas zu veranlassen habe, erläutert worden sei, dass die Polizei die zuständige Behörde von dem Sachverhalt unterrichte. Damit habe sich die Frage nach einer Unterrichtung der zuständigen Behörde für den Antragsteller erledigt gehabt, unabhängig davon, dass diese Frage sich auch deswegen nicht gestellt habe, weil es sich beim 10. Oktober 2021 um einen Samstag gehandelt habe, an dem das Landratsamt ohnehin nicht erreichbar gewesen sei. Die Auffassung, dass eine sofortige Vollziehbarkeit des Bescheides angeordnet werden müsse, überzeuge nicht, weil die Behörde bereits Mitte Dezember 2020 von der Polizei über den Sachverhalt in Kenntnis gesetzt worden sei, aber erst am 21. Mai 2021 den Bescheid erlassen habe. Überspitzt formuliert werde der Antragsteller mit dem Bescheid des Landratsamts dafür sanktioniert, dass er die aufgefundenen Waffen nicht habe liegen lassen, sondern bei der zuständigen Polizeidienststelle in amtliche und sichere Verwahrung gegeben habe.
Der Antragsgegner – Landesanwaltschaft Bayern – hat beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen und verteidigt den erstinstanzlichen Beschluss.
Soweit der Antragsteller darauf hinweise, dass der 10. Oktober 2021 ein Samstag gewesen sei und deshalb ein Anruf beim Landratsamt nicht erfolgversprechend gewesen wäre, erkläre dies nicht, weshalb er sich dann nicht hilfesuchend telefonisch an die Polizei gewandt habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.
II.
1. Soweit der Antragsteller beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Ziffer V des Bescheids vom 14. Juni 2021 wiederherzustellen, ist der Antrag mangels Rechtschutzbedürfnisses unzulässig, da das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage in seinem Beschluss insoweit wiederhergestellt hat.
2. Die im Übrigen zulässige Beschwerde hat aber keinen Erfolg. Die im Beschwerdeverfahren fristgerecht dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen es nicht, die angefochtene Entscheidung abzuändern oder aufzuheben.
Rechtsgrundlage für den Widerruf der Waffenbesitzkarten bzw. Mitbenutzungserlaubnisse des Antragstellers ist § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG. Danach ist eine Erlaubnis nach dem Waffengesetz zwingend zu widerrufen, ohne dass der Behörde Ermessen eingeräumt wäre, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Einen solchen Versagungsgrund normiert § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG, wonach die Erlaubnis voraussetzt, dass der eine waffenrechtliche Erlaubnis Beantragende die erforderliche Zuverlässigkeit gemäß § 5 WaffG und die persönliche Eignung gemäß § 6 WaffG besitzt. Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen nach § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG Personen in der Regel nicht, die wiederholt oder gröblich gegen Vorschriften des Waffenrechts verstoßen haben.
a. Offenbleiben kann, ob hier ein wiederholter Verstoß nach § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG vorliegt, da nach der summarischen Prüfung im Eilverfahren zumindest ein gröblicher Verstoß im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG vorliegt.
b. Gröblich im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG ist ein Verstoß dann, wenn die Rechtsverletzung gemessen an den genannten Zielsetzungen objektiv schwer wiegt und in subjektiver Hinsicht im Besonderen dem Betroffenen als grobe Pflichtverletzung zuzurechnen ist, sei es, weil er vorsätzlich gehandelt oder sich als besonders leichtsinnig, nachlässig oder gleichgültig gezeigt hat, sodass sich in dem Verstoß die fehlerhafte Einstellung zu waffenrechtlichen Ordnungsvorschriften widerspiegelt (vgl. BVerwG, U.v. 26.3.1996 – 1 C 12.95 – juris Rn. 25; BayVGH, B.v. 21.11.2016 – 21 ZB 15.931 – juris Rn. 10). Ausgangspunkt der Bewertung, ob eine Verletzung von Vorgaben des Waffengesetzes gröblich ist, ist der ordnungsrechtliche Zweck; das Gesetz will das mit jedem Waffenbesitz verbundene Sicherheitsrisiko möglichst geringhalten. Es soll nur bei Personen hingenommen werden, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit der Waffe stets und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen (Heinrich in Steindorf, Waffenrecht, 10. Aufl. 2015, § 5 Rn. 13). Es kommt daher nicht darauf an, ob es sich bei dem Verhalten um eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit handelt und ob diese verfolgt oder geahndet wurde.
Daran gemessen handelt es sich bei dem Verhalten des Antragstellers um einen gröblichen Verstoß, weil es dem Antragsteller auch als Jäger nicht erlaubt war, die Waffen ohne Erlaubnis nach § 13 Abs. 6 Satz 1 WaffG zu führen, d.h. die tatsächliche Gewalt darüber außerhalb der eigenen Wohnung, den Geschäftsräumen, des eigenen befriedeten Besitztums oder einer Schießstätte auszuüben (vgl. Anlage 1 Abschnitt 2 Nr. 4 zu § 1 Abs. 4 WaffenG), da er die Waffen nicht zur befugten Jagdausübung oder im Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten verwendete, sondern lediglich im Rahmen seiner Berufstätigkeit beim Abbruch eines Hauses fremde Waffen aufgefunden hat. Es bedeutet eine gravierende Sicherheitsgefährdung, wenn fünf Langwaffen ohne die hierfür erforderlichen Erlaubnisse auf der Rückbank eines Pkw‘s mitgeführt werden, zumal auch keine Ausnahme von der Erlaubnispflicht nach § 12 Abs. 3 Nr. 2 WaffG vorlag.
Eine Erlaubnis zum Führen von Waffen bedarf nach § 12 Abs. 3 Nr. 2 WaffG nicht, wer diese nicht schussbereit und nicht zugriffsbereit von einem Ort zu einem anderen Ort befördert, sofern der Transport zu einem von seinem Bedürfnis umfassten Zweck oder im Zusammenhang damit erfolgt. Zwar waren die fünf Langwaffen nicht schussbereit, jedoch auf der Rücksitzbank des Pkw‘s zugriffbereit.
Zugriffsbereit ist eine Waffe, falls sie mit wenigen schnellen Handgriffen in Anschlag gebracht werden kann. Sofern keine Munition mitgeführt wird, reicht es aus, wenn die Waffe in einer für den Transport angemessenen Verpackung enthalten ist. Falls Munition mitgeführt wird, sind weitere Vorkehrungen erforderlich, aus denen deutlich wird, dass es sich lediglich um einen Transport handelt. So fehlt es an der erforderlichen Verpackung, wenn eine Waffe ohne Munition im nicht abgeschlossenen Handschuhfach eines Pkw‘s mitgeführt wird (BayObLG, U.v. 25.9.1979 – 4 St 158/79 – RReg 4 St 107/89 – juris Rn. 8). Ebenso fehlt es an der erforderlichen Verpackung, wenn die Schusswaffe ohne Munition in einem Pkw, auf dem Beifahrer- oder Rücksitz liegend oder in einem dort befindlichen unversperrten Aktenkoffer mitgeführt wird (Lehmann, Waffengesetz, Stand Dezember 2021, § 12 Rn. 109). Zwar waren die Langwaffen in Laken und Betthüllen eingewickelt, hierin ist jedoch keine angemessene Verpackung zu sehen. Demnach wäre es einfach gewesen, mit schnellen wenigen Handgriffen die Waffen, die auf dem Rücksitz lagen, in Anschlag zu bringen.
Das Vorbringen des Antragstellers, er habe mit ehrbaren Absichten lediglich fahrlässig gehandelt und die Staatsanwaltschaft habe ein Verschulden des Antragstellers als gering angesehen und daher das Verfahren nach § 153 Abs. 1 StPO eingestellt, ist nicht geeignet, den Vorwurf eines gröblichen Verstoßes gegen das Waffengesetz zu entkräften. Die Ordnungsbehörden sind bei der Beurteilung der persönlichen Zuverlässigkeit in diesem Zusammenhang rechtlich nicht an die Beurteilung in strafgerichtlichen Entscheidungen gebunden. Ebenso wenig trifft der Vortrag zu, dass der Antragsteller dafür sanktioniert wird, dass er die gefundenen Waffen nicht liegengelassen, sondern der zuständigen Polizei in amtliche sichere Verwahrung gegeben hat. Gerade mit seinem sachkundigen Wissen hätte es nahegelegen, statt – wie von seinem Chef angewiesen – die Waffen mit dem Auto zur Polizei zu bringen, die Polizei anzurufen und die Waffen abholen zu lassen.
Auch wenn der Zweck des Transports dem ehrbaren Ziel gedient hat, die Waffen der Polizei zu übergeben, hat der Antragsteller wissen müssen, dass dieser Transport eine gravierende Sicherheitsgefährdung darstellt und gegen die waffenrechtlichen Vorschriften verstößt. Er hat sich zumindest besonders leichtsinnig verhalten und damit seine fehlerhafte Einstellung zu waffenrechtlichen Ordnungsvorschriften gezeigt.
Da schon der Transport der fünf Langwaffen auf der Rücksitzbank einen gröblichen Verstoß nach § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG darstellt, ist es insoweit unerheblich, ob die geladenen Kurzwaffen im Kofferraum waren oder nicht.
c. Soweit das Verwaltungsgericht angenommen hat, ein Ausnahmefall nach § 5 Abs. 2 WaffG liege nicht vor, hat der Antragsteller dies mit seiner Beschwerdebegründung nicht in Frage gestellt.
Die nach § 5 Abs. 2 WaffG eingetretene Vermutung der fehlenden Zuverlässigkeit kann nur bei Vorliegen solcher Umstände als ausgeräumt erachtet werden, die einen Ausnahmefall kennzeichnen. Maßgebend ist dabei der Zweck der Vermutungsregelung. Dieser und auch der des Waffengesetzes insgesamt besteht darin, das mit jedem Waffenbesitz verbundene Sicherheitsrisiko möglichst gering zu halten. Es soll nur bei Personen hingenommen werden, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit der Waffe jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen. Danach kommt ein Abweichen von der Regelvermutung dann in Betracht, wenn die Umstände des Verhaltens bzw. behaupteten Verstoßes die Verfehlung des Betroffenen ausnahmsweise in einem derartig milderen Licht erscheinen lassen, dass die nach der Wertung des Gesetzgebers in der Regel durch eine solche Verfehlung begründeten Zweifel an der für die waffenrechtliche Erlaubnis vorausgesetzten Vertrauenswürdigkeit des Betroffenen bezüglich des Umgangs mit Waffen und Munition nicht gerechtfertigt sind. Erforderlich ist danach eine Würdigung der Schwere der konkreten Verfehlung und der Persönlichkeit des Betroffenen, wie sie in seinem Verhalten zum Ausdruck kommt. Die Waffenbehörde muss eine sorgfältige Einzelfallprüfung vornehmen und im Einzelnen darlegen, warum im vorliegenden Fall die Regelvermutung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit greift und keine Gründe ersichtlich sind, die ein Abweichen von der Regelvermutung rechtfertigen (Heller/Soschinka/Rabe, Waffenrecht 4. Aufl. 2020, Rn. 774f).
Das Verwaltungsgericht wird im Hauptsacheverfahren zu prüfen haben, ob der Bescheid rechtmäßig ist, da das zuständige Landratsamt keine Ausführungen dazu gemacht hat, ob eine Ausnahme von der Regelvermutung vorliegt. Zur Klärung, ob ein Ausnahmefall vorliegen könnte, kommt im Hauptsacheverfahren z.B. die Einvernahme des Zeugen A., der eine auf den 22. Juni 2021 datierte eidesstattliche Versicherung abgegeben hat, wie der Fund und der Transport der Waffen aus seiner Sicht stattfanden, in Betracht.
d. Die Argumentation des Antragstellers, die Behörde habe bereits Mitte Dezember 2020 von dem Fall am 10. Oktober 2020 Kenntnis erlangt, aber bis zum Erlass des Bescheids am 21. Mai 2021 über Monate keine Gefahren gesehen, überzeugt nicht.
Wie sich aus den Akten ergibt, wurde die Behörde erst am 9. Februar 2021 über die Einstellung des Strafverfahrens informiert (Bl. 93 der Behördenakte). Am gleichen Tag wurde die Akte von der Staatsanwaltschaft angefordert, die am 15. Februar 2021 beim Landratsamt einging. Mit Schreiben vom 23. März 2021 wurde der Antragsteller zu dem Vorfall angehört. Der Bevollmächtigte bat um Fristverlängerung und legte seine Stellungnahme am 16. April 2021 vor. Der Bescheid erging am 21. Mai 2021 und damit innerhalb angemessener Bearbeitungszeit.
Zudem widerspräche es sicherheitsrechtlichen Grundsätzen, die Beseitigung einer Gefahr deshalb nicht als besonders dringlich anzusehen, weil die Behörde durch zeitliche Komprimierung des Verwaltungsverfahrens möglicherweise zu einem früheren Zeitpunkt den Widerrufsbescheid einschließlich der Folgeentscheidungen hätte treffen können (BayVGH, B.v. 28.6.2017 – 21 CS 17.196 – juris Rn.15).
Der Antragsteller hat im Übrigen auch nicht überzeugend dargetan, dass private Interessen das von der Behörde und dem Verwaltungsgericht angenommene besondere öffentliche Interesse am Sofortvollzug überwiegen würden.
3. Die Beschwerde ist daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit den Empfehlungen in Nummern 1.5 und 50.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, Anhang) und entspricht der Festsetzung des Streitwerts durch das Verwaltungsgericht, gegen die keine Einwände erhoben worden sind.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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