Verwaltungsrecht

Widerruf der Waffenbesitzkarte, Widerruf sprengstoffrechtlicher Erlaubnisse, Ungültigerklärung des Jagdscheins, Waffenrechtliche Unzuverlässigkeit, Bagatellgrenze, Ausnahmefall

Aktenzeichen  24 CS 21.3067

Datum:
19.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 945
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WaffG § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1, § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b, § 45 Abs. 2 und 5
BJagdG § 18 S. 1, § 17 Abs. 1 S. 2
SprengG § 8a Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b, § 34 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 5

 

Leitsatz

Verfahrensgang

M 7 S 21.4616 2021-11-05 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 14.750,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit des Widerrufs seiner Waffenbesitzkarten und sprengstoffrechtlichen Erlaubnisse sowie der Ungültigerklärung und Einziehung seines Jagdscheins und diesbezüglicher Folgeanordnungen.
Das Amtsgerichts Rosenheim verurteilte den Antragsteller mit seit 15. April 2020 rechtkräftigem Strafbefehl vom 27. März 2020 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe in Höhe von 60 Tagessätzen und entzog ihm seine Fahrerlaubnis. Dem lag zugrunde, dass der Antragsteller mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,73 Promille mit einem Kraftfahrzeug am öffentlichen Straßenverkehr teilgenommen hatte.
Nach Anhörung des Antragstellers widerrief das Landratsamt R. (im Folgenden: Landratsamt) mit Bescheid vom 21. Juni 2021 die Waffenbesitzkarten Nr. … und … sowie die sprengstoffrechtlichen Erlaubnisse Nr. … und … und traf weitere Anordnungen. Zur Begründung führte das Landratsamt aus, der Antragsteller besitze durch die Verurteilung vom 27. März 2020 die erforderliche waffen-, sprengstoff- und jagdrechtliche Zuverlässigkeit nicht mehr. Ein Ausnahmefall sei nicht ersichtlich.
Über die gegen den Bescheid erhobene Klage (Az. M 7 K 21.3881) hat das Verwaltungsgericht München noch nicht entschieden. Den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 21. Juni 2021 hat das Verwaltungsgericht abgelehnt. Die Klage werde voraussichtlich nicht erfolgreich sein, da bei summarischer Prüfung keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids bestünden. Es dürfte der Tatbestand der Regelunzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b Alt. 2 WaffG und § 8a Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b Alt. 2 SprengG einschlägig sein. Beim Delikt der Trunkenheit im Verkehr handele es sich um eine gemeingefährliche Straftat. Es bestünden auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Verurteilung auf einem Irrtum beruhen könnte. Ein Ausnahmefall, der ein Absehen von der Regelvermutung rechtfertigen könnte, sei wohl nicht gegeben.
Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde, der der Beklagte entgegentritt. Der Antragsteller macht geltend, es lägen tatbezogene Umstände vor, die einen Ausnahmefall rechtfertigen würden. Der Antragsteller habe bereits vor Erlass des Strafbefehls seine Blut- bzw. Leberwerte überprüfen lassen, um zu belegen, dass er den Alkoholkonsum nach dem Vorfall komplett eingestellt habe. Deshalb sei die im Rahmen des Fahrerlaubnisverfahrens vorgelegte medizinisch-psychologische Untersuchung auch zu dem Ergebnis gekommen, der Antragsteller werde zukünftig nicht mehr unter Alkoholeinfluss mit einem Fahrzeug am Straßenverkehr teilnehmen. Nachdem keine Bedenken gegen die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis bestanden hätten, sei nicht nachvollziehbar, weshalb weiter von seiner waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit ausgegangen werde. Darüber hinaus handele es sich bei dem strafrechtlichen Verstoß um einen absoluten „Ausrutscher“. Der Antragsteller sei zuvor noch nie strafrechtlich in Erscheinung getreten. Zudem sei zu berücksichtigten, dass die Fahrstrecke, die dem strafrechtlichen Vorwurf zugrunde gelegen habe, äußerst kurz gewesen sei und die Fahrt in den Abendstunden stattgefunden habe, in denen höchst selten andere Verkehrsteilnehmer unterwegs seien. Der Antragsteller habe sich im Rahmen der Kontrolle auch kooperativ verhalten und habe seine Fahrerlaubnis freiwillig abgegeben. Bei der Höhe der verhängten Geldstrafe handele es sich um die unterste Grenze der Regelvermutung. Der Antragsteller habe den Strafbefehl nicht angegriffen, da ihm nicht bekannt gewesen sei, dass sich daraus Auswirkungen auf seine waffen-, sprengstoff- und jagdrechtlichen Erlaubnisse ergeben könnten.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Aus den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass der Beschluss des Verwaltungsgerichts aufzuheben oder abzuändern wäre.
1. Nach § 45 Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1, § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b des Waffengesetzes vom 11. Oktober 2002 (WaffG, BGBl I S. 3970), zuletzt geändert durch Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl I S. 1328), ist eine Erlaubnis nach dem Waffengesetz in der Regel zu widerrufen, wenn der Betreffende wegen einer fahrlässigen gemeingefährlichen Straftat zu einer Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen rechtskräftig verurteilt worden ist. Ein solcher Fall liegt hier mit Erlass des Strafbefehls am 27. März 2020 durch das Amtsgericht Rosenheim unstreitig vor.
Der Antragsteller konnte mit seiner Beschwerdebegründung die Auffassung des Verwaltungsgerichts, es handele sich im vorliegenden Fall nicht um einen Ausnahmefall nicht erschüttern. Eine Abweichung von der Regelvermutung kommt im Rahmen des § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG nur dann in Betracht, wenn die Umstände der abgeurteilten Tat die Verfehlung ausnahmsweise derart in einem milden Licht erscheinen lassen, dass die nach der Wertung des Gesetzgebers in der Regel durch eine solche Straftat begründeten Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit des Betroffenen bezüglich des Umgangs mit Waffen und Munition nicht gerechtfertigt sind (vgl. Gade in Gade, Waffengesetz, 2. Aufl. 2018, § 5 Rn. 21). Das Verwaltungsgericht hat sich dabei mit den vom Kläger schon erstinstanzlich vorgetragenen Umständen ausführlich auseinandergesetzt und festgestellt, dass die Tat weder Bagatellcharakter habe noch besondere Tatumstände ersichtlich seien, die zu Gunsten des Antragstellers sprechen würden. Auch dass sich die Tat am Abend ereignet habe, ließe sie nicht in einem milderen Licht erscheinen, da gerade bei Dunkelheit erhöhte Anforderungen an die Aufmerksamkeit des Fahrers zu stellen seien. Es handele sich um ein abstraktes Gefährdungsdelikt und die Gefahr könne sich auch bei Nacht realisieren. Mit dieser Argumentation setzt sich die Antragsbegründung nicht hinreichend auseinander, sondern wiederholt nur den erstinstanzlichen Vortrag. Der Antragsteller zeigt keine Umstände auf, die die Tat in einem so milden Licht erscheinen ließen, dass von der Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b WaffG abgesehen werden könnte. Auch die Umstände, dass die Höhe der gegen den Antragsteller verhängten Geldstrafe die unterste Grenze der Regelvermutung darstellt und der Antragsteller sich möglicherweise der waffenrechtlichen Auswirkungen der Verurteilung nicht bewusst war, hat das Verwaltungsgericht gesehen und zutreffend festgestellt, dass Einwände gegen einen Strafbefehl oder ein Strafurteil im Strafverfahren geltend zu machen sind und das Erreichen der unteren Grenze keinen Ausnahmefall darstellen kann, denn sonst würde die Festlegung einer unteren Grenze ihres Sinnes beraubt. Es ist im Waffengesetz gerade keine Möglichkeit vorgesehen, von der Bagatellgrenze bei einer geringfügigen Überschreitung im Ermessenswege abzusehen (vgl. z.B. § 12a Abs. 1 Satz 4 StAG).
Soweit der Antragsteller vorträgt, es sei zu berücksichtigten, dass ihm die Fahrerlaubnis nach Vorlage eines Gutachtens über eine medizinisch-psychologische Untersuchung wieder erteilt worden sei, kann dies seiner Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Damit sind keine tatbezogenen besonderen Umstände dargelegt, die einen Ausnahmefall i.S.d. § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b WaffG begründen können, denn die Alkoholuntersuchungen und die Begutachtung sind allesamt erst nach der Tat erfolgt. Das Landratsamt hat wegen des Alkoholkonsums des Antragstellers auch keine Eignungszweifel i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 WaffG geltend gemacht, sondern wegen der erfolgten Verurteilung nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b WaffG wegen mangelnder Zuverlässigkeit die waffenrechtlichen Erlaubnisse widerrufen.
2. Die Rechtsgrundlage für die Ungültigerklärung und Einziehung des Jagdscheins ergibt sich aus § 18 Satz 1, § 17 Abs. 1 Satz 2 Bundesjagdgesetz vom 29. September 1976 (BJagdG, BGBl I S. 2849), zuletzt geändert durch Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl I S. 1328) i.V.m. § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b WaffG. Im Falle der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit darf nach § 17 Abs. 1 Satz 2 BJagdG nur ein Jagdschein nach § 15 Abs. 7 BJagdG (Falknerjagdschein) erteilt werden.
3. Die sprengstoffrechtliche Unzuverlässigkeit ergibt sich aus § 8a Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b des Sprengstoffgesetzes vom 10. September 2002 (SprengG, BGBl I S. 3518), vor Bescheiderlass zuletzt geändert durch Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl I S. 1328). Die sprengstoffrechtlichen Erlaubnisse waren daher nach § 34 Abs. 2 Satz 1 SprengG zwingend zu widerrufen.
4. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht ausführlich dargelegt, dass in Fällen einer gesetzlichen Sofortvollzugsanordnung – wie hier in § 45 Abs. 5 WaffG und § 34 Abs. 5 SprengG angeordnet – die Gerichte im Rahmen der Interessenabwägung neben der Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache nur eine Einzelfallbetrachtung im Hinblick auf solche Umstände durchführen, die von den Beteiligten vorgetragen werden und die die Annahme rechtfertigen können, dass im konkreten Fall von der gesetzgeberischen Grundentscheidung ausnahmsweise abzuweichen ist. Das Verwaltungsgericht ist dabei davon ausgegangen, dass der Antragsteller keine solche Umstände vorgetragen hat. Damit setzt sich die Beschwerdebegründung nicht auseinander und zeigt keinerlei Gründe auf, weshalb hier von der gesetzlich vorgesehenen Sofortvollzugsanordnung abgesehen werden sollte.
5. Die Beschwerde ist daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.
6. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nrn. 1.5 Satz 1, 20.3, 50.2 und 50.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, Anhang) und entspricht der Festsetzung des Streitwerts durch das Verwaltungsgericht, gegen die keine Einwände erhoben worden sind.


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