Aktenzeichen 19 CS 17.1126
Leitsatz
1 Die für eine Zulassung als Integrationskursträger erforderliche Zuverlässigkeit entfällt nicht erst bei nachgewiesenem strafbarem Verhalten, sondern bereits dann, wenn das Vertrauen in die Ordnungsgemäßheit der Aufgabenerfüllung nachvollziehbar erschüttert ist. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2 Nach der Ausgestaltung des Zulassungsverfahrens in der Integrationsverordnung obliegt es dem Kursträger, die anspruchsbegründenden Voraussetzungen nachzuweisen, also auch die Zuverlässigkeit; der Grundsatz „in dubio pro reo“ ist nicht anzuwenden. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
AN 6 S 17.599 2017-05-16 Bes VGANSBACH VG Ansbach
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000,- Euro festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 16. Mai 2017, durch den das einstweilige Rechtsschutzbegehren auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 20. März 2017 abgelehnt worden ist, bleibt ohne Erfolg. In diesem Bescheid ist unter Anordnung der sofortigen Vollziehung (Nr. 4 des Bescheides) der Widerruf der Zulassung zur Durchführung von allgemeinen Integrations- und Intensivkursen (Nr. 1 des Bescheides), der Widerruf von ergänzenden Zulassungen zur Durchführung von Jugendintegrationskursen, Elternintegrationskursen, Alphabetisierungskursen und Förderkursen sowie zur Abnahme von Tests nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 IntV (Nr. 2 des Bescheides) und der Widerruf der erteilten Zertifikate (Nr. 3 des Bescheides) ausgesprochen worden. Die von der Antragstellerin dargelegten Gründe, auf die der Verwaltungsgerichtshof seine Prüfung nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, rechtfertigen nicht die Abänderung oder Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.
Die Antragstellerin rügt mit ihrer Beschwerde Verfahrensmängel nach § 130 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes). Das Verwaltungsgericht habe die Aufklärung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts, insbesondere eine Vernehmung der Hauptbelastungszeugin Frau K. und den Vorhalt ihr widersprechender Aussagen anderer Zeugen, versäumt. Eine Vielzahl der behaupteten Vorwürfe von Frau K. habe sich nicht bestätigt und sei durch eigenhändig unterzeichnete Aussagen widerlegt worden. Sofern zeitlich nachgehenden Erklärungen bzw. dem Widerruf des Herrn C. (betreffend seine vorherige Erklärung) nicht die erforderliche Glaubwürdigkeit vom Verwaltungsgericht zugemessen worden sei, hätte die Beschwerdeführerin zuvor angehört werden müssen, um ihr Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Herr C. habe den Widerruf seiner Aussage durch eine handschriftliche Erklärung vom 1. Juni 2017, wonach er von Frau K. zu einer Aussage gedrängt worden sei, bekräftigt. Hinsichtlich der behaupteten mündlichen Aussage von Frau T. gegenüber der Antragsgegnerin zum Vorabunterzeichnen der Teilnehmerlisten sei weder eine konkrete Fragestellung dokumentiert, noch sei auszuschließen, dass Frau T. bei der mündlichen Aussage einem Irrtum oder Missverständnis erlegen sei. Frau T. habe vielmehr mit schriftlicher Stellungnahme vom 3. Mai 2017 dementiert, ausgesagt zu haben, dass sie die Teilnehmer vorher unterschreiben lasse. Aufgrund dieser widersprechenden schriftlichen Stellungnahme hätte eine Befragung von Frau T. zu den Umständen der Vor-Ort-Prüfung der Antragsgegnerin erfolgen müssen. Schriftlichen Stellungnahmen der Teilnehmer werde weniger Glauben geschenkt als mündlichen Aussagen von Teilnehmern, bei denen weder die Fragestellung noch die Begleitumstände ermittelt worden seien. Es sei nicht realistisch, dass Teilnehmer sich nach mehreren Monaten an einen bestimmten Kurs erinnern können. Die Situation werde sich eher so darstellen, dass die Teilnehmer letztlich alles bejahten, was man ihnen als suggestive, rhetorische oder indirekte Frage vorsetze. Auch werde der Aktennotiz der Kontaktstelle Migration, wonach die Kontaktstelle von Kursteilnehmern eines bei der Antragstellerin laufenden Alphabetisierungskurses aufgesucht worden sei, Glaubwürdigkeit unterstellt. Eine Überprüfung dieser Angaben und weitere Ermittlungen der Antragsgegnerin seien nicht erfolgt. Die Kursteilnehmer hätten durch Frau K., die einen persönlichen Rachefeldzug gegen die Antragstellerin führe, zu diesen Vorwürfen instruiert worden sein können. Es sei nicht geklärt worden, welche Teilnehmer bei der Kontaktstelle vorgesprochen hätten, welche Fragen ihnen gestellt wurden und es seien die behaupteten Vorfälle nicht nach Ort und Zeit verifiziert worden. In der Aktennotiz werde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass keine Gewähr für die Richtigkeit der Vorwürfe bestehe. Eine solche Aktennotiz könne daher ohne eigene Ermittlungen des Gerichts nicht zur Grundlage des Beschlusses gemacht werden. Hinsichtlich der haltlosen Behauptung der Verwendung von Spezialstiften bei den Teilnehmerlisten führe das Verwaltungsgericht zwar aus, dass diese Verdachtsmomente nicht hätten aufgeklärt werden können, dass jedoch bereits der Verdacht einer solchen Manipulation schwer wiege. Ebenso stelle das Verwaltungsgericht fest, dass nicht bestätigt werden konnte, dass Teilnehmer zur Unterschrift der Teilnahme an Tagen, an denen kein Unterricht stattfand, aufgefordert worden seien. Gleichwohl sollten durch die vorliegenden Aussagen Zweifel an der Zuverlässigkeit begründet werden. Den Behauptungen werde ohne tatsächliche Beweise ein schwerwiegendes Verdachtsmoment entnommen, während schriftlichen und eigenhändigen Gegendarstellungen und Stellungnahmen keinerlei Glaubwürdigkeit zugemessen werde. Zur Feststellung des Verwaltungsgerichts, es sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die mündliche Prüfung am 12. August 2016 nicht von den unterzeichnenden Prüfern abgehalten worden sei, sei darauf hinzuweisen, dass am 12. August 2016 zwei DTZ-Prüfungen stattgefunden hätten mit mündlichen Prüfungen jeweils am darauffolgenden Tag (13.8.2016). Im Prüfungsprotokoll der einen Prüfung sei lediglich das falsche Datum aufgeführt worden. Bei den mündlichen Prüfungen am 13. August 2017 habe Herr Sch. nur zeitweise hospitiert. Herr Sch. habe in eigenhändig verfasster Erklärung ausgeführt, am 12. August lediglich eine Testprüfung abgehalten zu haben. Dem Beschluss des Verwaltungsgerichts liege daher eine unvollständige bzw. unrichtige Sachverhaltsfeststellung zugrunde. Wegen der vielfältigen Gegendarstellungen sei das Beschwerdegericht verpflichtet, eine Beweisaufnahme, insbesondere eine Vernehmung von Frau K., durchzuführen.
Die Antragsgegnerin ist der Beschwerde entgegen getreten. Sie führt aus, die vorgelegten Stellungnahmen von Herrn C. vom 1. Juni 2017 stünden in diametralem Gegensatz zur ursprünglichen schriftlichen Stellungnahme vom 24. Oktober 2016, der ein telefonischer Kontakt zur Antragsgegnerin vorausgegangen sei, in welchem keinerlei Anlass bestanden habe, an der Glaubwürdigkeit der Aussagen zu zweifeln und eine Not- oder Drucksituation nicht erkennbar gewesen sei. Der spätere Widerruf der Aussage erscheine daher nicht glaubhaft. Auf die Aussage von Frau T. hinsichtlich der vorab geleisteten Unterschriften komme es im Hinblick auf die fotografierte Liste, wonach offensichtlich im Voraus Eintragungen in der Teilnehmerliste vorgenommen worden seien, nicht an. Bei der ersten Konfrontation mit den Unterschriften in der Liste anlässlich eines Besuchs der Antragsgegnerin am 22. September 2016 habe Frau T. die vorab geleisteten Unterschriften mündlich zugegeben. Auch von anderen Stellen und Kursteilnehmern sei bestätigt worden, dass die Teilnehmerlisten ohne entsprechende Unterrichtseinheiten unterschrieben worden seien. Hinsichtlich der mündlichen Prüfung am 12. August 2016 sei darauf hinzuweisen, dass – selbst wenn der Vortrag der Antragstellerin stimme, wonach das Datum der Prüfung im Prüfprotokoll versehentlich falsch sei – es doch eine grobe Nachlässigkeit sei, wenn dies von zwei Prüfern, die Datum und Uhrzeit explizit bestätigen, nicht erkannt worden wäre. Die angebliche Hospitation von Herrn Sch. hätte zumindest unter „besondere Vorkommnisse“ erwähnt werden müssen. Eine Befragung von Prüfungsteilnehmern zu einer einmaligen Prüfung könne auch noch nach Wochen zutreffende Ergebnisse liefern. Unglaubhaft erscheine, dass sich die Angaben der Prüfungsteilnehmer auf eine angebliche „Testprüfung“ am Vortag bezogen hätten. Der Verdacht der Durchführung von Prüfungen mit anderen als den im Prüfprotokoll unterzeichnenden Prüfern werde insgesamt nicht widerlegt.
Das Vorbringen der Antragstellerin unter Vorlage von entsprechenden Stellungnahmen und Erklärungen von bei ihr beschäftigten Personen im Beschwerdeverfahren rechtfertigt eine Änderung oder Aufhebung des angegriffenen verwaltungsgerichtlichen Beschlusses vom 16. Mai 2017 nicht. Das Verwaltungsgericht hat seine angefochtene Entscheidung zu Recht nach einer Gesamtwürdigung der dem Widerruf zugrundeliegenden Umstände auf die fehlenden Erfolgsaussichten der Klage der Antragstellerin in der Hauptsache gestützt und dargelegt, dass das von der Antragsgegnerin angenommene und ausreichend im Sinn von § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO begründete besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) der angefochtenen Verfügung im Hinblick auf den Schutz von Kursteilnehmern und der Ordnungsgemäßheit der Prüfungen besteht.
Zwar kann (und muss erforderlichenfalls) im einstweiligen Rechtsschutzverfahren eine Beweiserhebung durchgeführt werden, jedoch steht vorliegend, auch ohne eine solche aufgrund einer Gesamtwürdigung der vorliegenden Umstände mit der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erforderlichen Gewissheit fest, dass der angefochtene und für sofort vollziehbar erklärte Bescheid vom 20. März 2017 und die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtmäßig sind, weil die nach § 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IntV erforderliche Zuverlässigkeit des Kursträgers nicht mehr gegeben ist. Der streitgegenständliche Widerruf der Zulassung als Kursträger ist daher voraussichtlich nicht zu beanstanden. Bei dieser Sachlage überwiegt das öffentliche Interesse an einer ordnungsgemäßen Durchführung von Integrationskursen und aufenthaltsrechtlich relevanten Prüfungen sowie an einem zweckentsprechendem Einsatz öffentlicher Mittel das private Interesse der Antragstellerin, bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens vom Widerruf der Trägerzulassung dispensiert zu werden.
Nach § 43 Abs. 1 und 2 Satz 1 AufenthG wird die Integration von im Bundesgebiet lebenden Ausländern durch ein Grundangebot zur Integration (Integrationskurs) gefördert. Gemäß § 43 Abs. 3 Satz 2 AufenthG wird der Integrationskurs vom Bundesamt für … (Bundesamt) koordiniert und durchgeführt, das sich hierzu privater und öffentlicher Träger bedienen kann. Auch durch die Regelungsermächtigung nach § 43 Abs. 4 AufenthG, die darauf abzielt, bestehende Förderangebote verschiedener staatlicher Einrichtungen und freier Träger aufeinander abzustimmen (vgl. BT-Drs. 15/420, S. 87), wird die zentrale Rolle und Verantwortung des Bundesamtes bei der Durchführung der Integrationskurse deutlich. Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 IntV kann das Bundesamt zur Durchführung der Integrationskurse und des Einstufungstests private oder öffentliche Träger zulassen, wenn sie zuverlässig und gesetzestreu sind, in der Lage sind, Integrationskurse ordnungsgemäß durchzuführen (Leistungsfähigkeit), und ein Verfahren zur Qualitätssicherung und -entwicklung anwenden. Zur Beurteilung der Zuverlässigkeit und Gesetzestreue sind im Zulassungsantrag nach § 19 Abs. 1 IntV nicht nur Erklärungen zu Insolvenzverfahren, Vorstrafen, anhängigen Strafverfahren, staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren und Gewerbeuntersagungen in den letzten fünf Jahren, sondern auch Angaben über bislang durchgeführte oder laufende Förderprogramme oder vergleichbare Maßnahmen zu machen. Nach § 20 Abs. 1 Satz 2 IntV sind bei der Entscheidung über die Erteilung der Zulassung die nach § 19 gemachten Angaben und die Erfahrungen der bisherigen Kooperation des Trägers mit dem Bundesamt zu berücksichtigen. Damit wird deutlich, dass die für eine Zulassung als Integrationskursträger erforderliche Zuverlässigkeit nicht erst bei nachgewiesenem strafbarem Verhalten des Antragstellers entfällt, sondern bereits dann, wenn das Vertrauen in die Ordnungsgemäßheit der Aufgabenerfüllung nachvollziehbar erschüttert ist. Im Hinblick darauf, dass einerseits eine lückenlose Kontrolle des Bundesamtes bei der Durchführung der Integrationskurse durch die Kursträger nicht zu gewährleisten ist und andererseits insbesondere an die erfolgreiche Abnahme von Prüfungen gravierende rechtliche Konsequenzen aufenthaltsrechtlicher und staatsangehörigkeitsrechtlicher Art geknüpft sind, kann dieses Vertrauensverhältnis bereits unterhalb der Schwelle strafbaren Handelns nachhaltig erschüttert sein. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass ein hohes Maß an Zuverlässigkeit Voraussetzung für die Zulassung als Kursträger ist. Nach der Ausgestaltung des Zulassungsverfahrens in der Integrationsverordnung obliegt es dem Kursträger, die anspruchsbegründenden Voraussetzungen nachzuweisen, also auch die Zuverlässigkeit. Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist vorliegend der Grundsatz „in dubio pro reo“ nicht anzuwenden (vgl. insoweit auch 19 I Nr. 2a IntV, wonach sich bereits staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren als schädlich für den Nachweis der Zuverlässigkeit erweisen können).
Nach § 20b Abs. 1 IntV soll die Zulassung mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen, insbesondere wenn der Kursträger seine Mitwirkungspflichten bei der Feststellung der ordnungsgemäßen Kursteilnahme wiederholt verletzt (Nr. 1) oder der Kursträger wiederholt und trotz vorheriger Abmahnung gegen Auflagen und Nebenbestimmungen, die Bestandteil des Zulassungsbescheids sind, verstößt (Nr. 3) oder bei der Durchführung der Tests nach § 17 Abs. 1 IntV das vorgeschriebene Verfahren wiederholt nicht eingehalten wurde (Nr. 6). Indem die angeführten Regelbeispiele den Widerruf für den Fall wiederholter Verstöße vorsehen, machen sie deutlich, dass einzelne Verstöße (aus Gründen der Verhältnismäßigkeit) nicht ausreichen, um einen Widerruf der Trägerzulassung zu rechtfertigen. Werden jedoch – wie vorliegend – mehrere Regelbeispiele erfüllt, steht dies einer wiederholten Verletzung von Pflichten gleich. Auch dann ist das Vertrauen in die Zuverlässigkeit des Trägers nachhaltig erschüttert.
Die Gesamtwürdigung der vorliegenden Umstände ergibt eine fortgesetzte Verletzung der Mitwirkungspflichten bei der Feststellung der ordnungsgemäßen Kursteilnahme (vgl. nachfolgend 1.) und eine Nichteinhaltung des vorgeschriebenen Verfahrens bei der Durchführung der Tests nach § 17 Abs. 1 IntV (vgl. nachfolgend 2.).
1. Die von Frau K. erstellte Fotographie einer Teilnehmerliste (AS 507), in der augenscheinlich neben der Kursleiterin fünf Teilnehmer im Voraus Unterschriften für die Kurstage 29. August bis 2. September 2016 geleistet haben, in Zusammenschau mit den Angaben von Teilnehmern gegenüber der Volkshochschule U. (belegt durch E-Mail vom 21.9.2016, AS 515), wonach sie an mehreren Tagen beim Institut der Antragstellerin unterschreiben mussten und ohne Unterricht nach Hause geschickt wurden, mit dem Schreiben der soziologischen Praxis von Frau V. vom 25. November 2016 (AS 535) und den Angaben der Kontaktstelle für Migration vom 10. Februar 2017 (AS 583), wonach Kursteilnehmer u.a. mitgeteilt haben, auf Teilnahmelisten ohne Unterricht unterschrieben zu haben, belegen, dass, die Antragstellerin als Kursträger wiederholt ihre Mitwirkungspflichten bei der Feststellung der ordnungsgemäßen Teilnahme nach § 20b Abs. 1 Nr. 1 IntV verletzt hat, und sogar, dass nicht geleiteter Unterricht abgerechnet worden ist.
Zu Recht hat das Verwaltungsgericht hinsichtlich des Fotos der vorunterzeichneten Teilnehmerliste darauf hingewiesen, dass diese Aufnahme keinem Beweisverwertungsverbot unterliegt. Die Aufnahme lässt weder eine Verletzung der Privat- oder gar Intimsphäre der Antragstellerin erkennen, noch wird dadurch ein betriebliches Geheimnis tangiert. Das öffentliche Interesse an der Aufklärung des Sachverhalts überwiegt das Interesse der Antragstellerin daran, dass Abrechnungsgrundlagen aus ihrem Geschäftsbereich nur mit ihrem Einverständnis weitergegeben werden (vgl. Geiger in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 86 Rn. 23a m.w.N.).
Die Übereinstimmung der vorab geleisteten Unterschriften mit den Unterschriften auf der zur Abrechnung gestellten Liste belegt, dass zumindest fünf Teilnehmer mit Wissen und Einverständnis der Kursleiterin die Teilnehmerliste vorab unterschrieben haben. Dass Frau T. dies nunmehr bestreitet, vermag den Beweiswert der Ablichtung ebensowenig zu beseitigen wie der Umstand, dass möglicherweise persönliche Gründe Frau K. bewogen haben, dieses Foto zu erstellen und den Sachverhalt gegenüber dem Bundesamt zur Anzeige zu bringen. Auch auf die Leumundsbekundungen, die die Antragstellerin vorgelegt hat, kommt es nicht an.
Der durch das Foto indizierte Sachverhalt einer Praxis des Vorunterzeichnens von Teilnehmerlisten wird bestätigt durch die Angabe der Volkshochschule U. vom 21. September 2016, wonach ca. zehn Teilnehmer eines Jugendintegrationskurses an mehreren Kurstagen beim Institut der Antragstellerin nach Leistung der Unterschrift nach Hause geschickt worden sind, weil kein Lehrer anwesend gewesen ist. Diese Vorgehensweise wird auch in dem Schreiben von Frau V. (soziologische Praxis) vom 25. November 2016 bestätigt, in dem ausführt wird, nach der glaubwürdigen Aussage eines von ihr betreuten syrischen Flüchtlings habe er im Institut der Antragstellerin für ca. 10 bis 15 Einheiten unterschreiben müssen, ohne dass ein Unterricht stattfand. In eine ähnliche Richtung weisen die Aussagen der Kontaktstelle Migration der Stadt U. vom 10. Februar 2017, wonach (wenngleich „ohne Gewähr“ für die Richtigkeit) Teilnehmer sogar gegen Leistung von Geldzahlungen die Teilnehmerliste unterschrieben hätten und dann wieder gegangen seien.
Zwar ist zu berücksichtigen, dass die Zeugen möglicherweise die ausgeschiedene Mitarbeiterin der Antragstellerin (und Anzeigenerstatterin gegenüber dem Bundesamt) Frau K. unterstützen bzw. sich mit ihr solidarisieren wollten, und vielleicht auch durch Angabe nicht stattgefundener Unterrichtseinheiten weitere Zusagen für Unterrichtskontingente erhalten wollten. Beide Motive indizieren jedoch nicht eine Unwahrheit ihrer Angaben. Im Übrigen spricht auch die Vielzahl der Aussagen von verschiedenen Seiten dafür, dass im Institut der Antragstellerin aus Gründen der Abrechnung die Kursteilnahme wiederholt nicht ordnungsgemäß dokumentiert wurde.
Abgesehen davon, dass vorliegend die Indizien für ein betrügerisches Verhalten zu Lasten der öffentlichen Hand sprechen, da die Vergütung für Integrationskurse nach den Abrechnungsrichtlinien sich aus der Summe der tatsächlich wahrgenommenen Unterrichtseinheiten und der entschuldigten Fehlstunden errechnet (§ 9 AbrRL), lassen derart manipulierte Teilnahmelisten eine realistische Erfolgskontrolle der staatlichen Integrationsmaßnahmen nicht mehr zu. Es handelt sich somit nicht um bloße Formalfehler, sondern um gravierende Pflichtverletzungen, die schon für sich allein einen Widerruf der Kursträgerzulassung rechtfertigen (vgl. § 20b Abs. 1 IntV „soll widerrufen werden“).
2. Darüber hinaus hat der Senat davon auszugehen, dass die Antragstellerin bei der Durchführung der mündlichen Prüfung am 12. August 2016 gravierende Verfahrensfehler begangen hat, indem die Prüfungsdokumentation nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht, insbesondere das Prüfungsprotokoll nicht belastbar belegt, zu welchem Tag und vom wem die Prüfung tatsächlich abgenommen wurde. Dass im Rahmen der Vor-Ort-Kontrolle der Prüfungen am 18. November 2016 und am 24. Februar 2017 ebenfalls Beanstandungen festgestellt wurden (u.a. zu geringe Abstände zwischen den Prüflingen, Bearbeitungszeiten für einzelne Prüfungsabschnitte nicht exakt eingehalten), kommt erschwerend hinzu, wenngleich diese Verstöße kein vergleichbares Gewicht haben.
Nach der Einlassung von Frau K. in der E-Mail vom 1. September 2016 wurden Prüfungstermine nicht zu den vorgesehenen Zeitpunkten abgehalten und von nicht lizensierten Prüfern abgenommen (AS 511). Diese Aussage wird gestützt durch die zunächst mündliche und mit Schreiben vom 24. Oktober 2016 schriftlich vorgebrachte Aussage von Herrn C. (AS 549), wonach er entgegen dem Prüfprotokoll (Anlage B3) am 12. August 2016 nicht mündlich geprüft habe, er zur Leistung der Unterschrift im Nachhinein von der Antragstellerin im Supermarkt in der Nähe seines Wohnortes aufgefordert worden sei und er am 21. Oktober von der Antragstellerin wiederum in der Wohnung aufgesucht worden sei, um über den Umgang mit den Behörden instruiert zu werden. Die ursprünglichen Aussagen von Herrn C. erscheinen aufgrund des Detailreichtums und der zunächst mündlich vorgetragenen Aussage, die nach dem Eindruck der Gesprächspartnerin von Seiten der Antragsgegnerin nicht von einer Druck- oder Notsituation geprägt war, als glaubhaft. Demgegenüber wirkt der Widerruf der Aussage von Herrn C. mit Erklärung vom 30. März 2017 (AS 602) als vorgefertigt. Auch die im Beschwerdeverfahren vorgelegte handschriftliche Erklärung vom Juni 2017, wonach er von Frau K. unter Druck gesetzt und zur Aussage bewegt worden sei, erscheint insbesondere unter Berücksichtigung des Zeitablaufs (Aufrechterhaltung der angeblichen Druckbzw. Notsituation für einen Zeitraum von mehreren Monaten) nicht plausibel. Dass die für den 12. August 2016 dokumentierte mündliche Prüfung nicht von den Unterzeichnern des Prüfungsprotokolls abgenommen worden ist, wird schließlich durch eine exemplarische Befragung von vier Prüfungsteilnehmern belegt, von denen zumindest zwei Personen gegenüber der Antragsgegnerin glaubhaft angegeben haben, dass die Antragstellerin – entgegen ihrer Unterschrift auf dem Prüfprotokoll – nicht geprüft habe. Die Gegendarstellung der Antragstellerin, die Prüfungsteilnehmer könnten sich nach mehreren Monaten nicht mehr erinnern oder würden alles bestätigen, was ihnen vorgehalten werde, erscheint demgegenüber nicht überzeugend. Nicht glaubhaft erscheint auch die Einlassung unter Vorlage entsprechender Erklärungen der Honorar-Lehrkraft Herr Sch. vom 8. Juni 2017, am 12. August 2016 habe durch den nicht zugelassenen Prüfer Herr Sch. lediglich eine „Testprüfung“ stattgefunden, die wirkliche Prüfung sei am 13. August 2016 durchgeführt worden und lediglich das Datum sei falsch dokumentiert worden. Sie widerspricht nicht nur der erwähnten Einlassung zweier Prüfungsteilnehmer, die – den Prüfungsteilnehmern bekannte – Antragstellerin habe nicht an der Prüfung teilgenommen, sowie der (nachvollziehbaren) Erfahrung der Antragsgegnerin, wonach Testprüfungen am Tag vor der eigentlichen Prüfung bei den Kursträgern unüblich sind. Sie würde auch voraussetzen, dass das falsche Datum der mündlichen Prüfung beiden unterzeichnenden Prüfern nicht aufgefallen ist; Gründe für eine solche wesentliche und zweifache Fehlleistung sind aber nicht erkennbar.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Nach den unwidersprochenen Angaben der Antragstellerin bemisst sich die für sie ergebende Bedeutung der Sache auf 100.000 Euro, wobei im vorläufigen Rechtsschutzverfahren der Streitwert halbiert wurde (Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO)