Verwaltungsrecht

Widerruf einer Waffenbesitzkarte wegen Zugehörigkeit zur Reichsbürgerbewegung – Berufungszulassungsantrag

Aktenzeichen  24 ZB 19.2196

Datum:
14.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 20670
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 19 Abs. 4, Art. 103 Abs. 1
VwGO § 86 Abs. 2, § 108 Abs. 1 S. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 5, § 124a Abs. 5 S. 2
WaffG § 4 Abs. 1 Nr. 2, § 5, § 45 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

1. Mit seinem Vorbringen, dass er die Beweiswürdigung, Rechts- und Tatsachenfeststellung des Gerichts für unzutreffend halte, legt ein Kläger den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils nicht hinreichend dar, wenn er nicht einen die Zulassung der Berufung rechtfertigenden Fehler bei der gerichtlichen Überzeugungsbildung aufzeigt. (Rn. 8 – 11) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag, „zum Beweis der Tatsache, dass der Kläger die Existenz der Bundesrepublik Deutschland anerkennt und deren Rechtsordnung achtet, einschließlich das Waffengesetz für verbindlich anerkennt mit all seinen Pflichten…”, von ihm benannte Zeugen zu vernehmen, kann mit der prozessrechtlich nicht zu beanstandenden Begründung abgelehnt werden, es handele sich bei den Beweisgegenständen um innere Tatsachen, die einem formalen Beweis nicht zugänglich seien. (Rn. 12 – 14) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 7 K 17.2925 2019-07-31 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.250,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Waffenbesitzkarte sowie die hierzu ergangenen Folgemaßnahmen mit Bescheid des zuständigen Landratsamts vom 31. Mai 2017.
Das Verwaltungsgericht hat seine entsprechende Klage mit Urteil vom 31. Juli 2019 abgewiesen.
Dagegen wendet sich der Kläger mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung. Er macht geltend, an der Richtigkeit des streitgegenständlichen Urteils bestünden ernstliche Zweifel. Zudem liege ein Verfahrensmangel vor. Er sei nie Reichsbürger gewesen. Den Antrag auf Ausstellung des Staatsangehörigkeitsausweises habe er gestellt, weil er einen österreichischen Staatsangehörigen adoptieren wolle. Diese Tatsache sei im erstinstanzlichen Urteil gänzlich verkannt worden. Sein gesellschaftliches Engagement sei charakteristisch und schließe im Ergebnis jede Zuordnung seiner Person zur sog. Reichsbürgerbewegung aus. Da das Erstgericht die gestellten Beweisanträge abgelehnt habe, liege ein Verfahrensmangel vor, auf dem das Urteil beruhe. Wären die präsente Zeugin L. sowie die neunundzwanzig weiteren Zeugen und die drei Verwaltungsbeamten vernommen worden, hätte das Erstgericht festgestellt, dass er die Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtsordnung, insbesondere das Waffengesetz, als für sich verbindlich anerkenne und eine Zuordnung zur sog. Reichsbürgerbewegung abwegig sei und ausscheiden müsse.
Der Beklagte – Landesanwaltschaft Bayern – ist dem Antrag entgegengetreten und verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen und auf die vorgelegten Akten des Beklagten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.
1. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 VwGO dargelegt ist und vorliegt (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Das Darlegungsgebot gestaltet das Zulassungsverfahren dahingehend, dass das gerichtliche Prüfungsprogramm im Zulassungsverfahren jedenfalls im Wesentlichen darauf beschränkt ist zu klären, ob der Rechtsmittelführer seine Darlegungslast erfüllt hat und die dargelegten Gründe eine Zulassung der Berufung tragen (BVerfG, B.v. 23.7.2000 – 1 BvR 830/00 – NVwZ 2000, 1163). Vor dem Hintergrund von Art. 19 Abs. 4 GG dürfen allerdings die Anforderungen an die Darlegung nur in einer Weise gestellt werden, dass sie auch von einem durchschnittlichen, nicht auf das gerade einschlägige Rechtsgebiet spezialisierten Anwalt mit zumutbarem Aufwand noch erfüllt werden können (BVerfG, B.v. 8.1.2009 – 2 BvR 758/07 – BVerfGE 125, 104). Dem Darlegungsgebot ist genügt, wenn der dargelegte Zulassungsgrund in der Sache auf einen der gesetzlichen Tatbestände zielt (BVerwG, B.v. 2.10.2003 – 1 B 33/03 – NVwZ-RR 2004, 220). Das Oberverwaltungsgericht muss sich aber nicht aus einem Darlegungsgemenge das heraussuchen, was möglicherweise zur Begründung des Antrags geeignet sein könnte (BVerfG, B.v. 24.8.2010 – 1 BvR 2309/09 – BayVBl. 2011, 338). Unter Anlegung dieser Maßstäbe ist ein Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 VwGO nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Art und Weise dargelegt bzw. liegt nicht vor.
a) Das gilt zunächst für den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils liegen vor, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt worden sind und dadurch Anlass besteht, an der (Ergebnis-)Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zu zweifeln. Schlüssige Gegenargumente liegen vor, wenn der Rechtsmittelführer substanziiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (Kuhlmann in Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 124 Rn. 15 m.w.N.).
Das Verwaltungsgericht hat im angegriffenen Urteil dargelegt, aus welchen Gründen es den Widerruf der Waffenbesitzkarte gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt.1 i.V.m. § 5 WaffG für rechtmäßig und den Kläger für waffenrechtlich unzuverlässig hält (UA S. 10 ff.). Der Senat folgt den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils und nimmt gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO darauf Bezug. Lediglich ergänzend ist im Hinblick auf das Zulassungsvorbringen zu bemerken:
Die Zulassungsbegründung führt aus, das erstinstanzliche Urteil habe die Motivation des Klägers für die Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises gänzlich verkannt. Dies kann dem Zulassungsantrag nicht zum Erfolg verhelfen. Das Verwaltungsgericht ist unter Berücksichtigung der informatorischen Anhörung des Klägers und insbesondere der eindeutigen, schriftlich getätigten vorhergehenden Äußerungen zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger der Reichsbürgerbewegung zugehörig sei (UA S. 14 und S. 17). Im Übrigen bleibt weiterhin unklar, warum der Kläger erst kurz vor der mündlichen Verhandlung über seinen Bevollmächtigten mitteilen ließ, die beabsichtigte Adoption eines österreichischen Staatsangehörigen sei das Motiv für den beantragten Staatsangehörigkeitsausweis im Januar 2017 gewesen. Laut der Niederschrift über die öffentliche Sitzung des Verwaltungsgerichts am 31. Juli 2019 hat das Gericht den Kläger hierzu auch befragt. Auch das gesellschaftliche Engagement des Klägers hat das Verwaltungsgericht zur Kenntnis genommen (UA S. 17 f.).
Mit seinem Vorbringen wendet sich der Kläger gegen die von ihm für unzutreffend gehaltene Beweiswürdigung, Rechts- und Tatsachenfeststellung des Gerichts, ohne indes einen die Zulassung der Berufung rechtfertigenden Fehler aufzuzeigen. Das Gericht entscheidet gem. § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Es würdigt den Prozessstoff auf seinen Aussage- und Beweiswert für die Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen nur nach der ihm innewohnenden Überzeugungskraft. Trotz des besonderen Charakters der Tatsachen- und Beweiswürdigung, der einen Wertungsrahmen eröffnet, ist das Gericht nicht gänzlich frei. Die richterliche Überzeugung muss auf rational nachvollziehbaren Gründen beruhen, d. h. sie muss insbesondere die Denkgesetze, die Naturgesetze sowie zwingende Erfahrungssätze beachten. Ein Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO liegt vor, wenn das Gericht von einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgeht, namentlich Umstände übergeht, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätte aufdrängen müssen, oder wenn die Beweiswürdigung objektiv willkürlich ist, gegen die Denkgesetze verstößt oder einen allgemeinen Erfahrungssatz missachtet (stRspr z.B. BayVGH, B.v. 14.12.2018 – 21 ZB 16.1678 – juris Rn. 20 m.w.N.). Derartige Fehler zeigt das Zulassungsvorbringen nicht auf; sie sind auch nicht ersichtlich. Der Kläger beschränkt sich vielmehr darauf, unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags darauf hinzuweisen, seiner Ansicht nach sei das Verwaltungsgericht zum falschen Ergebnis gekommen.
b) Die Berufung ist auch nicht aufgrund des vom Kläger behaupteten Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) zuzulassen. Mit seiner Rüge, das Verwaltungsgericht habe den in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag zu Unrecht abgelehnt und hätte die angebotenen Zeugen anhören müssen, zielt der Kläger auf eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Diese Rüge greift im vorliegenden Fall nicht durch. Die Ablehnung eines in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrags verstößt nur dann gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (BVerwG, B.v. 11.6.2014 – 5 B 19.14 – juris Rn. 18; VGH München, B.v. 28.5.2020 – 21 ZB 16.1013 – juris Rn. 11; OVG Münster, B.v. 26.6.2020 – 9 A 939/20.A – juris Rn. 18). Dies ist hier nicht der Fall. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht beantragt, „zum Beweis der Tatsache, dass der Kläger die Existenz der Bundesrepublik Deutschland anerkennt und deren Rechtsordnung achtet, einschließlich das Waffengesetz für verbindlich anerkennt mit all seinen Pflichten, wird beantragt die Vernehmung der präsenten Zeugin…“. Ergänzend zu diesem Beweisantrag hat der Bevollmächtigte des Klägers dem Verwaltungsgericht eine Liste mit weiteren Zeugen, die Gegenstand des Beweisantrags sein sollten, übergeben sowie in Ergänzung dieser Liste noch zwei Mitarbeiter des Landratsamtes sowie einen Gemeindemitarbeiter namentlich als Zeugen benannt.
Diesen Beweisantrag hat das Verwaltungsgericht ausweislich des Sitzungsprotokolls durch einen Beschluss gemäß § 86 Abs. 2 VwGO mit der Begründung abgelehnt, es handele sich bei den Beweisgegenständen um innere Tatsachen, die einem formalen Beweis nicht zugänglich seien. Soweit sich der Antrag darauf beziehen sollte, dass der Kläger gegenüber den benannten Zeugen nicht gegenteilig in Erscheinung getreten sei, könne dies als wahr unterstellt werden. Es sei möglich, dass sich der Kläger gegenüber den Zeugen einwandfrei verhalte und in seinem Umfeld nicht reichsbürgertypisch aufgefallen sei. Daraus würden sich aber keine zwingenden Rückschlüsse auf seine innere Einstellung ableiten lassen. Gleiches hat das Verwaltungsgericht auch in dem angefochtenen Urteil nochmals ausgeführt (UA S. 18).
Diese Begründung für die Ablehnung des Beweisantrages ist prozessrechtlich nicht zu beanstanden. Ein zur Aussage verpflichteter und bereiter Zeuge ist für das hier in Rede stehende Beweisthema als Beweismittel völlig ungeeignet. Denn eine Wahrnehmung des Zeugen ist ausgeschlossen, wenn er allein innere Vorgänge eines Menschen bekunden soll (BeckOK StPO/Bachler § 244 Rn. 78). Im Ergebnis wird die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts, das unter Berücksichtigung der informatorischen Anhörung des Klägers und insbesondere der eindeutigen, schriftlich getätigten vorhergehenden Äußerungen zu dem Ergebnis gelangt ist, dass der Kläger der Reichsbürgerbewegung zugehörig und damit waffenrechtlich unzuverlässig sei (UA S. 14 und S. 17), vom Senat geteilt.
2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 GK und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
3. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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