Verwaltungsrecht

Widerruf eines Gastschulverhältnisses, Antrag der Eltern auf Widerruf, Rückkehr an die Sprengelschule

Aktenzeichen  M 3 E 21.1933

Datum:
6.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 15817
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123
BayEUG Art. 41

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Antragsgegner zu 1) und 2) werden verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig, bis zum Schuljahresende 2020/2021, zu gestatten, dass der Antragsteller die Sprengelschule „Ährenfeldschule Grundschule G.“ an der Ä.-str. …, … G., besucht.
II. Die Antragsgegner zu 1) und 2) tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,– Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt die Beschulung an der Sprengelschule, der Grundschule „Ährenfeldschule“ in G. (im Folgenden: Sprengelschule), anstelle der aktuellen Beschulung an der Grundschule „G.-bachschule“ ebenfalls in G..
Der Antragsteller besucht im Schuljahr 2020/2021 die 2. Jahrgangsstufe. Er ist Asperger-Autist mit einem Grad der Schwerbehinderung vom 50%.
Die Eltern des Antragstellers stellten am 3. Juli 2020 einen Antrag auf gastweisen Schulbesuch bei der Antragsgegnerin zu 2). Darin beantragten sie die gastweise Beschulung in der G.-Grundschule, da die Sprengelschule größere Klassenstärken habe, was für Autisten schwierig sei. Auch brauche der Antragsteller einen Rückzugsraum, den die G.-bachschule mit zahlreichen leerstehenden Räumen bieten könne. Die Schule sei inklusionsoffen und inklusionserfahren.
Mit Bescheid der Antragsgegnerin zu 2) vom 31. Juli 2020 wurde dem Antragsteller der gastweise Schulbesuch in der G.-bach-Grundschule (im Folgenden: Gastschule) in stets widerruflicher Weise befristet für das Schuljahr 2020/2021 genehmigt.
Mit Schreiben vom 30. Januar 2021, eingegangen bei der Antragsgegnerin zu 2) am 3. Februar 2021, beantragten die Eltern des Antragstellers die Rücknahme des Gastschulantrags für den Antragsteller zum Halbjahr des Schuljahres. Der Antrag enthält eine lange Begründung, in denen aus Sicht der Antragspartei mehrere Probleme mit der gastweise besuchten Grundschule dargelegt werden.
Mit Bescheid vom 26. Februar 2021 lehnte die Antragsgegnerin zu 2) den Widerruf des gastweisen Schulbesuchs ab. Auf den Inhalt des Bescheides wird verwiesen.
Im Anschluss erfolgten Schreiben der Bevollmächtigten des Antragstellers an die Antragsgegnerin zu 2) (Schreiben vom 9. März 2021), die Gastschule und die Sprengelschule. Es wurde Antrag gestellt, den Antragsteller im 2. Schulhalbjahr 2020/2021 in der Jahrgangsstufe 2 in der Sprengelschule aufzunehmen und zu unterrichten infolge eines wichtigen Grundes in entsprechender Anwendung des Art. 43 Abs. 1 Satz 1 BayEUG. Eine psychologische Stellungnahme des Dipl. Psych. N. (Praxis für Psychologie und Hochbegabung) vom 3. März 2021 wurde jeweils beigelegt. Mit Schreiben vom 9. März 2021 wurde durch die Bevollmächtigte des Antragstellers das Staatliche Schulamt im Landkreis Fürstenfeldbruck um schulaufsichtliche Unterstützung gebeten.
Die Antragsgegnerin zu 2) verwies mit Schreiben vom 18. März 2021 an die Bevollmächtigte des Antragstellers auf die Möglichkeit eines Widerspruches gegen den Ablehnungsbescheid vom 26. Februar 2021.
Mit Schreiben vom 23. März 2021 an die Antragsgegnerin zu 2) legte die Bevollmächtigte des Antragstellers Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid der Gemeinde vom 26. Februar 2021 und gegen den Ablehnungsbescheid der Gemeinde vom 18. März 2021 ein. Es wurde ein Antrag auf Genehmigung des Besuchs einer anderen Grundschule (hier Sprengelgrundschule statt Gastschule) aus zwingenden persönlichen Gründen gestellt. Über den Widerspruch wurde noch nicht entschieden.
Mit Schreiben vom 9. April 2021, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht München am selben Tag, beantragt die Bevollmächtigte des Antragstellers,
den Antragsgegner zu 1) und die Sprengelgrundschule im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller vorläufig, bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Widerspruchsverfahren gegen die „Ablehnung der Aufhebung der Gastbeschulung“ durch die Gemeinde Gröbenzell, die Teilnahme am regulären Schulunterricht in der zuständigen Sprengelgrundschule zum 2. Schulhalbjahr ab 12. April 2021 zuzulassen und
die Antragsgegnerin zu 2) im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, über die bei ihr am 11. März 2021 und 23. März 2021 beantragte Rücknahme des Gastschulantrags an der Gröbenbachschule sowie über den Widerspruch vom 23. März 2021 gegen die Ablehnungsbescheide vom 26. Februar 2021 und vom 18. März 2021, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.
Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt, zum 24. August 2020 sei der Antragsteller mit seinen Eltern und dem jüngeren Bruder nach G. in den Schulsprengel der Ä.–Grundschule gezogen. Bei der Schulanmeldung an der Sprengelgrundschule sei den Eltern geraten worden, den Sohn lieber an der G.-bachschule unter Stellung eines Gastschulantrags anzumelden, da die kleineren Klassen für ihn besser geeignet seien. An den 20 Präsenztagen, in denen der Antragsteller im Schuljahr 2020/2021 die Gastschule besucht habe, sei es bis Januar 2021 zu diversen unglücklichen Vorfällen im Umgang mit dem Antragsteller gekommen, unter denen der Schüler bis heute erheblich leide. Wegen des – aus Sicht der Eltern – inklusionsfeindlichen Umfelds und in Folge der gesundheitlichen Beeinträchtigung des Kindes hätten sich die Eltern im Januar 2021 zur Beendigung des Gastschulverhältnisses entschieden. Vor Erlass des Ablehnungsbescheids zum Widerruf des Gastschulverhältnisses hätten die Eltern keine Gelegenheit gehabt, auf die Stellungnahmen der beiden Schulen zu antworten. Vielmehr seien diese Stellungnahmen bis heute der Antragstellerpartei nicht übermittelt worden. Der gastweise Besuch des Antragstellers sei am 31. Juli 2020 befristet für das Schuljahr 2020/2021 genehmigt worden. Ab September 2021 werde der Antragsteller die für ihn zuständige Sprengelgrundschule sowieso besuchen. Die vom Antragsteller aktuelle begehrte Rücknahme des Gastschulantrags sei aus zwingenden persönlichen Gründen des Kindes geboten gemäß Art. 43 Abs. 1 BayEUG in analoger Anwendung. Der Antragsteller sei Asperger-Autist mit überdurchschnittlicher Intelligenz, der bereits die 1. Jahrgangsstufe einer staatlichen Grundschule in München besucht habe. Die Eignung für den Besuch der Regelgrundschule gemäß Art. 41 Abs. 1 Satz 1 BayEUG sei damit unzweifelhaft nachgewiesen. In Folge mehrerer belastender Erlebnisse im laufenden Schuljahr in der Gastschule sei das Vertrauen des autistischen Kindes – für das Routine und Verlässlichkeit extrem wichtig sei – dauerhaft gestört worden. Der Antragsteller befinde sich seit Ende September 2020 in Psychotherapie. Aus Sicht des behandelnden Diplompsychologen sei ein Schulwechsel – weg von der Gastschule – in die zuständige Sprengelschule zum Wohle des Kindes zwingend geboten. Über den seit dem 3. März 2021 bzw. 8. März 2021 allen beteiligten Parteien bekannten Sachverhalt sei trotz mehrfacher Aufforderung bis heute nicht entschieden worden. Es beständen medizinische Gründe des Schülers zum weiteren Besuch der Sprengelschule.
Der Antragsgegner zu 1) beantragt,
den Antrag abzulehnen.
In seiner Stellungnahme vom 21. April 2021 wird unter anderem ausgeführt, nachdem sich die Erziehungsberechtigten des Antragstellers mit der Bitte um schulaufsichtliche Mitwirkung an den Antragsgegner zu 1) gewendet hatten, habe das Schulamt dem Vater des Antragstellers in einem Telefonat die rechtliche und pädagogische Einschätzung des Staatlichen Schulamtes erläutert. Der Widerspruch sei dem Staatlichen Schulamt erst nach Einreichung des streitgegenständlichen Antrags gemäß § 123 VwGO vom 21. April 2021 am 19. April 2021 von der Gemeinde übermittelt worden. Der Antragsteller habe keinen Anspruch auf Zulassung der Teilnahme am regulären Schulunterricht in der zuständigen Sprengelschule. Wird einem Schüler auf Antrag der Erziehungsberechtigten der Besuch einer anderen Grund- oder Mittelschule als der eigentlich für ihn vorgesehenen Schule gestattet, habe der Schüler die andere Schule zu besuchen und dort seine Schulpflicht zu erfüllen. Er habe angesichts der Regelungswirkung der Befreiungsentscheidung nicht das Recht, nun doch die Sprengelschule zu besuchen. Dies sei erst möglich, wenn zuvor die Befreiungsentscheidung aufgehoben wird, etwa durch Rücknahme oder Widerruf der Gemeinde. Dies sei bisher nicht geschehen. Im Übrigen liege auch kein Anspruch auf Widerruf des Gastschulantrages gemäß Art. 43 Abs. 1 BayEUG analog vor, da keine zwingenden persönlichen Gründe hinsichtlich des Besuchs einer anderen Grundschule, hier der ursprünglichen Sprengelschule, vorliegen. Der Besuch der Gastschule ist dem Antragsteller nicht unzumutbar. Das öffentliche Interesse an der Fortführung der Beschulung des Antragstellers durch die Gastschule für das Rest-Schuljahr überwiege damit gegenüber persönlichen Nachteilen des Antragstellers. Die Gastgrundschule habe sich in den vergangenen Schuljahren als äußerst inklusionsfreundlich erwiesen. Auch hinsichtlich der Beschulung des Antragstellers seit Herbst 2020 lägen keine Versäumnisse oder zu beanstandenden Vorfälle durch die Schulleitung oder die Klassenleitung vor. Die von den Eltern des Antragstellers vorgetragenen Vorfälle stellten sich für das Staatliche Schulamt nicht so dar. Zwingende psychologische Gründe, die einen Schulwechsel des Antragstellers erforderlich machen würden, seien nicht ersichtlich. Die vorgelegte psychologische Stellungnahme reiche als fachärztliche Diagnose nicht aus, um dem gestellten Antrag Gewicht zu verleihen. Aus pädagogischer Sicht könne ein Schulwechsel des Antragstellers noch vor dem neuen Schuljahr 2021/2022 nicht befürwortet werden. Beide Regelklassen in der Jahrgangsstufe 2 der Sprengelschule wiesen die höchstmögliche Klassenstärke von 28 Schülern auf. Die Ganztagsklasse habe aktuell 21 Schüler. Eine Beschulung des Antragstellers im Ganztag, täglich bis 15.30 Uhr, würde als pädagogisch nicht sinnvoll angesehen, da der Schüler ohnehin täglich nur ca. 10 – 15 Minuten im Klassenverband unterrichtet werden könne und die restliche Zeit in seinem Rückzugsraum verbringe. Ein Rückzugsraum, wie er für die Präsenzbeschulung des Antragstellers dringend notwendig wäre, sei aktuell nicht vorhanden. Um diesen einzurichten, sei eine gewisse Vorlaufzeit nötig. Ein Schulwechsel zum aktuellen Zeitpunkt erscheine auch unter pädagogischen Gesichtspunkten geradezu gefährdend für die Entwicklung des Kindes. Nachdem durch das Aufsteigen des Kindes von der 2. in die 3. Jahrgangsstufe am Ende des Schuljahres ein weiterer Wechsel der Klassenleitung anstehe, müsste eine weitere Eingewöhnung für ca. drei Monate stattfinden. Auch im derzeitigen pandemiebedingten Distanzunterricht sei es nicht ohne Bedeutung für die Schüler, von welcher Schule aus die Beschulung erfolge und ein Schulwechsel samt damit verbundenem Lehrerwechsel würde eine große Veränderung für den Antragsteller bedeuten. Aufgrund der aktuellen Schülerzahl von jeweils 28 in den beiden Regelklassen werde eine Veränderung der Klassenzusammensetzung im kommenden Schuljahr durch das Hinzukommen des Antragstellers unumgänglich. Nach § 4 Abs. 2 GrSO könne das Gastschulverhältnis durch die Gemeinde grundsätzlich widerrufen werden, wenn die zwingenden persönlichen Gründe nicht mehr vorlägen. Der Widerruf könne aber gerade nur zum Schuljahresende erfolgen. Sinn und Zweck der Vorschrift sei die erforderliche Beständigkeit des Gastschulverhältnisses für alle Beteiligten. Die zwingenden persönlichen Gründe lägen immer noch vor.
Die Antragsgegnerin zu 2) beantragt,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückzuweisen.
Zur Begründung wird unter anderem ausgeführt, dass ein Anordnungsgrund bereits nicht glaubhaft gemacht worden sei. Selbst wenn die Voraussetzungen des § 123 VwGO vorlägen, sei es dem Gericht regelmäßig verwehrt, mit seiner Entscheidung die Hauptsache vorwegzunehmen. Die Ablehnung des Antrags durch die Antragsgegnerin zu 2) sei bei summarischer Prüfung rechtmäßig erfolgt. Prüfungsmaßstab sei § 4 Abs. 2 GrSO. Die Rücknahme des Verwaltungsaktes müsse auf dem gleichen Weg erfolgen wie der Erlass (actus contrarius). Deshalb seien beide Schulen angehört worden. Die derzeitige Schule habe dem Widerruf (zum Schuljahresende) zugestimmt. Die Sprengelschule habe die unterjährige Aufnahme, auch aus organisatorischen Gründen, abgelehnt. Es sei vorliegend nicht substantiiert dargelegt und glaubhaft gemacht, dass es dem Antragsteller unzumutbar sei, die Gastschule für das restliche Schuljahr zu besuchen. Falsch sei die Behauptung des Antragstellers, dass die Familie nicht ausreichend von der Gastschule unterstützt worden sei. Es sei eine falsche Tatsachenbehauptung, dass den Eltern kein Einblick in die Schulakte gewährt worden sei. Das Bestehen einer individuellen Ausnahmesituation, die es rechtfertigen könnte, dass die Ausnahmeregelung, also die Aufnahme in die Gastschule, wieder rückgängig gemacht werde, könnte allein dann gegeben sein, wenn es unter Berücksichtigung des Wohls des Kindes unter dem Gesichtspunkt des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes unzumutbar wäre, die zuständige vom Antragsteller selbst gewählte Gastschule bis zum Ende des Schuljahres zu besuchen. Dies sei nicht glaubhaft gemacht worden. Die psychologische Stellungnahme des DiplomPsychologen Niklas vom 3. März 2021 stelle schon keinen ordnungsgemäßen Beleg dar. Der DiplomPsychologe habe das Kind in einer extrem schwierigen Umbruchphase kennengelernt, so dass der Inhalt der Stellungnahme vor diesem Hintergrund zu lesen sei und auch nur einen entsprechenden begrenzten Aussagewert entfalte. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts genüge das vorgelegte Gutachten im Übrigen nicht den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Substantiierung, da es keine nachvollziehbare Diagnose enthalte. Dabei erfordere die Substantiierung des Vorbringens einer Erkrankung an eine posttraumatische Belastungsstörung sowie seiner vielfältigen Symptomatik regelmäßig die Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attestes. Angesichts der Tatsache, dass die Eltern des Antragstellers in einem Schreiben ausdrücklich darauf hingewiesen hätten, dass die Klassenlehrerin (der Gastschule) den Digital- und Distanzunterricht, auch nach Meinung der Eltern, gut gestalte, kann nicht nachvollzogen werden, weshalb eine weitere Beschulung des Antragstellers in der Gastschule bis zum Ende des Schuljahres unzumutbar sei. Wenn der Antragsteller jetzt für den Rest des Schuljahres in der Sprengelschule eingeschult werden würde, entspräche dies nicht dem Kindeswohl. Es sei kaum vorstellbar, dass sich der Antragsteller innerhalb der restlichen 12 Wochen des Schuljahres, die mehr als wahrscheinlich zu einem großen Teil im Distanzunterricht stattfinden werden, in einen bestehenden Klassenverband eingewöhnen könne. Darüber hinaus hätte ein Schulwechsel zum jetzigen Zeitpunkt zur Folge, dass nach der 2. Klasse ein Lehrerwechsel stattfinde. Das heißt, bis zum Eintritt in die 3. Schulklasse würde der Antragsteller, für den ein stabiles Umfeld essentiell sei, im Ergebnis von drei verschiedenen Lehrkräften beschult. Die zwingenden persönlichen Gründe, die von Seiten des Antragstellers für den Gastschulantrag dargelegt worden seien, seien nicht entfallen. Der Antragsteller sei unverändert Asperger-Autist mit Anspruch auf eine Schulbegleitung und benötige einen Rückzugsraum. Der Gemeinde als Trägerin des Sachaufwandes stehe ein Ermessensspielraum zu bei der Gestattung eines Gastschulbesuches. Die Grundschulordnung sehe vor, dass eine ordnungsgemäße Ermessensausübung („kann widerrufen werden“) erst dann erfolgen könne, wenn die zwingenden persönlichen Gründe, die zu einer Gastschulaufnahme nach Art. 43 BayEUG geführt haben, nicht mehr vorliegen. Das heißt, wenn die zwingenden Gründe für eine Gastschulaufnahme immer noch vorliegen, wie im vorliegenden Fall, komme es nicht zu einer Ermessensausübung, da die Voraussetzungen für einen im Ermessen stehenden Widerruf bereits nicht vorlägen.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag ist begründet.
Der Antrag war sachgerecht dahingehend auszulegen (§ 88, § 122 Abs. 1 VwGO), dass der Antragsgegner zu 1) und die Antragsgegnerin zu 2) im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet werden sollen, dem Antragsteller ab dem 2. Halbjahr des Schuljahres 2020/2021 den Besuch der Sprengelschule zu gestatten. § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 938 Abs. 1 ZPO stellen es in das freie Ermessen des Gerichts, welche Anordnungen es „zur Erreichung des Zweckes“, d.h. zur Sicherung/Regelung des Rechts i.S.v. § 123 Abs. 1 trifft (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl.2019, § 123 Rn. 64). Zur Bezeichnung der Antragsgegner genügt gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO die Angabe der Behörde. Die Antragspartei richtete ihren Antrag sowohl gegen die Ausgangsbehörde als auch gegen die Widerspruchsbehörde. Somit ist Antragsgegner die Gemeinde, in der der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sowie das Schulamt und damit als Rechtsträger der Freistaat Bayern im Rahmen der staatlichen Schulaufsicht als Widerspruchsbehörde (Art. 43 Abs. 1 Satz 3 BayEUG i.V.m. Art. 118 Abs. 2 bayerische Gemeindeordnung (GO), Art. 109 GO; vgl. VG Regensburg, U.v. 15.2.2006 – RN 1 K 05.1251 – juris Rn. 16 ff.). Unbehelflich ist, dass der Antrag auch gegen die Sprengelschule gerichtet ist, da Rechtsträger der Sprengelschule ebenfalls der Freistaat Bayern ist. Das Schreiben der Antragsgegnerin zu 2) vom 18. März 2021 wird vom Gericht nicht als erneuter Ablehnungsbescheid angesehen, sondern als Hinweisschreiben auf die Rechtsmittelbelehrungim Bescheid vom 26. Februar 2021.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist eine einstweilige Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der Antragsteller hat demnach sowohl die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (sog. Anordnungsgrund), als auch das Bestehen eines zu sichernden Rechts (sog. Anordnungsanspruch), glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 ZPO).
Der Anordnungsgrund gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. 920 Abs. 2 ZPO ist glaubhaft gemacht. Die Entscheidung ist dringlich, da sie mit Ablauf des Schuljahres 2020/2021 überholt sein wird.
Dem Gericht wäre es verwehrt, mit seiner Entscheidung die Hauptsache vorwegzunehmen, auch wenn die Voraussetzungen für die Anordnung nach § 123 VwGO gegeben wären. Denn es würde dem Wesen und dem Zweck einer einstweiligen Anordnung widersprechen, wenn dem Antragsteller in vollem Umfang gewährt würde, was er nur in einem Hauptsacheprozess erreichen kann. Allerdings gilt im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) das grundsätzliche Verbot einer Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung dann nicht, wenn eine bestimmte Regelung zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, d.h. wenn die Ablehnung der begehrten Entscheidung für den Antragsteller mit unzumutbaren Nachteilen verbunden wäre und mit hoher Wahrscheinlichkeit von seinem Obsiegen in der Hauptsache auszugehen ist.
Dies ist im vorliegenden Fall gegeben. Eine Regelung bezüglich des Gastschulverhältnisses ist nur noch für die restlichen Wochen des Schuljahres erforderlich. Für das Schuljahr 2021/2022 genügt es, wenn der Antragsteller keinen Antrag mehr auf Gestattung des gastweisen Schulbesuchs stellt, er muss dann automatisch in der Sprengelschule beschult werden. Es besteht im vorliegenden Fall sogar ein Sonderfall dahingehend, dass das rechtliche Begehren des Antragstellers automatisch durch Zeitablauf eintreten wird, auf eine Hauptsacheentscheidung im vorliegenden Fall wird es nicht mehr ankommen, da mit dieser in den restlichen Schulwochen wohl nicht mehr zu rechnen ist.
Sollte der Antragsteller nicht durch diesen Eilantrag die Möglichkeit erhalten, die Sprengelschule zu besuchen, dann würde ihm schlichtweg jeglicher Rechtsschutz bezüglich des Widerrufes des Gastschulverhältnisses versagt, da die Regelung mit Ablauf des Schuljahres obsolet wird.
Bei der Entscheidung nach § 123 Abs. 1 VwGO hat das Gericht die widerstreitenden privaten und öffentlichen Interessen der Beteiligten gegeneinander abzuwägen. Für diese Abwägung ist nach ständiger Rechtsprechung (vgl. BayVGH vom 5.8.1992 Az.
7 CE 92.1896 u.a. BayVBl 1992, 659) – insbesondere dann, wenn wie hier durch die einstweilige Anordnung die Hauptsache vorweggenommen würde – in erster Linie entscheidend, ob die Antragspartei mit einem Erfolg im Hauptsacheverfahren rechnen kann. Wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage mit hinreichender Eindeutigkeit zulässig und begründet, so ist dem Antrag in der Regel stattzugeben.
Aufgrund der im Eilverfahren gebotenen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage dürfte sich die Ablehnung des Antrags auf Widerruf des Gastschulverhältnisses als rechtwidrig erweisen; der Antragsteller hat einen Anspruch auf Erteilung seines Widerrufs glaubhaft gemacht.
Maßgebliche Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist Art. 49 Abs. 1 und 2 BayVwVfG i.V.m. Art. 43 Abs. 1 Satz 1 des Bayerische Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Mai 2000 (GVBl. S. 414, 632, BayRS 2230-1-1-K), das zuletzt durch Gesetz vom 24. Juli 2020 (GVBl. S. 386) geändert wurde. Im vorliegenden Verfahren ist ein Gastschulverhältnis streitig, bei dem es sich bei beiden Schulen um Grundschulen ohne das Schulprofil „Inklusion“ handelt.
Zunächst ist hierbei auszuführen, dass die Rechtsgrundlagen für einen Widerruf eines Gastschulverhältnisses gemäß Art. 49 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG, Art. 43 BayEUG und § 4 der Schulordnung für die Grundschulen in Bayern (Grundschulordnung – GrSO) vom 11. September 2008 (GVBl. S. 684, BayRS 2232-2-K, zuletzt geändert durch § 1 der Verordnung vom 22. Dezember 2020 (GVBl. 2021 S. 5) grundsätzlich Fälle im Blick haben, bei der die Behörde das Interesse hat, vom Gastschulverhältnis zurückzutreten. In § 4 GrSO heißt es, die Genehmigung eines Gastschulverhältnisses nach Art. 43 Abs. 1 BayEUG ist widerruflich. Die Genehmigung kann nach vorheriger Anhörung der betroffenen Schulen widerrufen werden, wenn die zwingenden persönlichen Gründe nicht mehr vorliegen. Der Widerruf kann nur zum Schuljahresende ausgesprochen werden (vgl. insgesamt § 4 GrSO). Im vorliegenden Fall ist es jedoch so, dass der Antragsteller, der ein Gastschulverhältnis beantragt hatte und zu dessen Gunsten ein solches Verhältnis von der Antragsgegnerin zu 2) gewährt wurde, nunmehr davon zurücktreten möchte. Die Interessenslage ähnelt daher der bei Widerruf eines nicht begünstigenden Verwaltungsaktes (Art. 49 Abs. 1 BayVwVfG).
Nach Auffassung des Gerichtes wird zwar nicht alleine durch die von der Bevollmächtigten des Antragstellers erklärte Rücknahme des Antrages auf Besuch der Gastschule der Bescheid vom 31. Juli 2020 unwirksam. Auch bei einem reinen Antragsverfahren führt die Dispositionsfreiheit des Antragstellers nicht dazu, dass ein bereits bestandskräftiger Bescheid alleine durch Rücknahme des Antrags wirkungslos wird (vgl. Kopp Ramsauer, VwVfG, 21. Aufl. 2020, § 22 Rn. 84/85; Schock/Schneider, VwVfG, Stand: Juli 2020, § 22 Rn. 27 ff.)
Allerdings ist im Hinblick auf den Antrag auf Widerruf zu berücksichtigen, dass der Gastschulbescheid vom 31. Juli 2020 nur erlassen wurde, weil der Antragsteller hierzu einen Antrag gestellt hat. Grundsätzlich erfüllt ein Schüler seine Schulpflicht durch Besuch der Schule, in deren Schulsprengel er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Art. 35, Art. 42 Abs. 1 Satz 1 BayEUG). Dies ist zugunsten des Antragstellers in der Ermessensentscheidung bezüglich des Widerrufs zu berücksichtigen. Der Antragsteller möchte an einem für ihn ursprünglich begünstigenden Verwaltungsakt nicht mehr festhalten, da aus seiner Sicht die positiven Wirkungen des Gastschulverhältnisses nicht eingetreten sind. Die Rechtsauffassung der Regierung von Oberbayern, dass der Wunsch der Erziehungsberechtigten auf Rückführung ihres Kindes in die Sprengelschule nur in besonderen Ausnahmefällen abgelehnt werden könne, wurde durch E-mail vom 5. Februar 2021 durch das Schulamt Fürstenfeldbruck der Gastschule mitgeteilt und befindet sich in den Behördenakten der Antragsgegnerin zu 2).
Im Falle des Antragstellers ist ein Anspruch auf Widerruf des Gastschulverhältnisses voraussichtlich gegeben. Die durch die Verpflichtung zum weiteren Besuch der Gastschule entstehenden Nachteile für den Antragsteller werden ungleich schwerer wiegen als das Interesse der Antragsgegner am Festhalten des Gastschulverhältnisses. Hierbei spricht nicht nur bereits das oben dargelegte Antragserfordernis des Antragstellers sondern auch das öffentliche Interesse an der Wahrung der Sprengelpflicht für den Widerruf des Gastschulverhältnisses.
Es ist davon auszugehen, dass das Verhältnis Gastschule/Antragsteller sehr belastet ist. Dies ergibt sich nicht nur aus den Äußerungen der Antragstellerseite, sondern auch aus den Darlegungen der Antragsgegner zu 1) und 2) im gerichtlichen Verfahren sowie aus den Behördenakten. Insbesondere ist dies zu ersehen aus der Stellungnahme der Gastschule vom 18. Februar 2021 im Widerrufsverfahren. Hier spricht sich die Gastschule für einen sofortigen Widerruf des Gastschulverhältnisses aus. Der Umstand, dass durch den Widerruf nur der Wechsel des Antragstellers, der im neuen Schuljahr sowieso ansteht, um eine Übergangszeit für die Monate Mai bis Juli vorgezogen wird, spricht ebenfalls für einen sofortigen Wechsel des Antragstellers an die Sprengelschule. Der Vortrag der Antragsgegner zu 1) und 2), dass während dem Schuljahr ein Wechsel nicht möglich sei, da die Klassenstärken der Sprengelschule zu hoch seien und die Sprengelschule erst vorbereitende Maßnahmen ergreifen müsse, um den Antragsteller zu beschulen, ist aus Sicht des Gerichtes nicht ausschlaggebend. Der Antragsgegnerin zu 2) ist der Wunsch des Antragstellers nach einer Beschulung an der Sprengelschule seit drei Monaten bekannt, so dass ausreichend Zeit für organisatorische Vorbereitungen war. Angesichts der pandemiebedingten Beschulung weitestgehend im Wechsel- bzw. Distanzunterricht ist nicht ersichtlich, dass der Klassenstärke dasselbe Gewicht zukommt, wie bei Regelbetrieb der Schulen. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Regelung der Sprengelpflicht die Erwartung des Gesetzgebers zugrunde liegt, dass Grundschulen auch während des Schuljahres neue Schüler aufnehmen können. § 4 GrSO normiert zwar einen Wechsel erst zum Schuljahresende. Diese Vorschrift ist jedoch in dem Lichte zu sehen, dass sie eigentlich einen Widerruf des Gastschulverhältnisses durch die Behörde ohne Zustimmung der Antragstellerpartei zulassen soll. § 4 Abs. 2 Satz 3 GrSO ist als schützende Vorschrift für den Schüler zu sehen. Zugunsten der Antragsgegner ist in die Interessensabwägung einzustellen, dass ein Schulwechsel während des Schuljahres, gerade bei einem Schüler, der besondere Gegebenheiten (z.B. einen Rückzugsraum) benötigt, mit Umständen und Aufwand verbunden ist und sicherlich zum Schuljahreswechsel leichter zu gewährleisten wäre. Die Umgewöhnung und neue Eingewöhnung des Antragstellers für den Rest des Schuljahres in einer 2. Klasse, bevor dann eine Aufnahme im neuen Schuljahr in der 3. Klasse erfolgt, ist sicher auch aufwändiger als ein Wechsel erst zum neuen Schuljahr. Auf der anderen Seite scheint bei der Gastschule mit einer Präsenzanwesenheit des Antragstellers von 20 Schultagen (nach Vortrag der Antragstellerseite und der Antragsgegner) auch die Vertrautheit in der Klasse der Gastschule nicht so gefestigt, als dass eine zweimalige Anpassung des Antragstellers an die verschiedenen Klassen und Lehrkräfte in der Sprengelschule stark ins Gewicht fallen müsste. Dies gilt auch unter dem Gesichtspunkt, dass im Moment aufgrund der Pandemie überwiegend Wechselunterricht oder Distanzunterricht stattfindet. Allein die von den Antragsgegnern geäußerten pädagogischen Gesichtspunkte, die aus Sicht des Schulamtes gegen einen Schulwechsel innerhalb des Schuljahres sprechen, können nicht dazu führen, dass die Interessen der Antragsgegnerseite überwiegen. Auch die von der Antragstellerseite vorgelegte Bescheinigung des Dipl. Psych. N* … vom 3. März 2021 muss in die Interessensabwägung mit einfließen. Sie kann insofern in die Interessenabwägung mit einfließen, als ein Dipl. Psych., der den Antragsteller kennt, seine Einschätzung zur Beschulung des Antragstellers darlegt. Aus der Stellungnahme ergibt sich, dass ein Schulwechsel von der Gastschule aus psychologischer Sicht dringend geboten sei. Eine Außerachtlassung der psychologischen Stellungnahme in der Abwägung, wie die Antragsgegnerin zu 2) vorträgt, sieht das Gericht nicht als sachgerecht an. Die strengen Maßstäbe, die im Rahmen der Begutachtung einer posttraumatischen Belastungsstörung durch die Rechtsprechung im Asylverfahren aufgestellt worden sind, sind vorliegende nicht einschlägig.
Bei der vom Gericht zu treffenden Interessensabwägung war daher das Interesse des Antragstellers am Besuch der Sprengelschule höher zu gewichten als das öffentliche Interesse am weiteren Besuch der Gastschule bis zum Schuljahresende.
Es ist weder dem Bescheid vom 26. Februar 2021 noch dem vorgelegten Behördenakt zu entnehmen, ob und inwieweit sich die Antragsgegnerin zu 2) mit dem Vortrag der Antragstellerseite überhaupt auseinandergesetzt hat. Dem Bescheid ist keine Begründung beigefügt. Es werden lediglich die beiden Stellungnahmen der Sprengelschule und der Gastschule wiedergegeben. Hierbei ist jedoch aus dem Bescheid vom 26. Februar 2021 nicht einmal zu erkennen, dass sich die Gastschule durchaus für einen Widerruf des Gastschulverhältnisses ausgesprochen hat. Eine Ermessenausübung findet nicht im Ansatz statt. Der Einwand der Antragsgegnerin zu 2), das Ermessen sei gar nicht eröffnet, da die zwingenden persönlichen Gründe des Antragstellers, die zu dem Gastschulantrag geführt haben, nicht weggefallen seien, kann so nicht gefolgt werden. Erstens ist schon fraglich, ob die Grundlage für den Gastschulantrag nicht wirklich entfallen ist, zum anderen handelt es sich um eine Schutzvorschrift für den Antragsteller, die einen willkürlichen Widerruf durch die Behörde ausschließen soll.
Vor diesem Hintergrund dürfte der streitgegenständliche Bescheid in der Hauptsache bereits wegen fehlender Ermessensausübung aufzuheben sein. Zwar betrifft die Begründungspflicht nach Art. 39 Abs. 1 BayVwVfG nur die formelle Rechtmäßigkeit des Bescheids. Das Fehlen der Art. 39 Abs. 1 Satz 3 BayVwVfG grundsätzlich erforder-lichen Begründung von Ermessensentscheidungen lässt aber in der Regel darauf schließen, dass kein Ermessen ausgeübt wurde (Ermessensnichtgebrauch) und die getroffene Entscheidung somit auch materiell rechtswidrig ist, sofern nicht ausnahmsweise Anhaltspunkte für eine Ermessensausübung vorliegen (vgl. BayVGH U.v. 15.07.2010 – 7 BV 09.1276 – juris Rn. 25). Solche Anhaltspunkte, die sich z.B. aus einer Dokumentation der maßgebenden Ermessenserwägungen in den Behördenakten ergeben können, sind vorliegend nicht ersichtlich; insbesondere ergibt sich dazu nichts aus dem Verwaltungsvorgang. Da die Antragsgegnerin demnach beim Erlass des Bescheids vom 26. Februar 2021 kein Ermessen ausgeübt hat, kann sie die fehlenden Ermessenserwägungen auch nicht mehr gemäß Art. 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BayVwVfG bzw. § 114 Satz 2 VwGO nachholen oder ergänzen. Denn nach gefestigter Rechtsprechung setzt die Nachholung oder Ergänzung der Ermessensbegründung voraus, dass bei der ursprünglich getroffenen Entscheidung überhaupt Ermessen ausgeübt wurde und somit zumindest ansatzweise von einer Ermessensentscheidung ausgegangen werden kann (vgl. BayVGH U.v. 15.07.2010 – 7 BV 09.1276 – juris Rn. 27).
Die Tatsache, dass es sich beim vorliegenden Anspruch auf Widerruf eines Gastschulverhältnisses um einen Ermessensanspruch handelt, führt nicht dazu, dass das Gericht im einstweiligen Verfahren nicht eine vorläufige Verpflichtung aussprechen kann. Zwar verhindert bei der Regelungsanordnung (§ 123 Abs. 1 S. 2 VwGO) § 114 VwGO regelmäßig, dass das Gericht im vorläufigen Rechtsschutz das Verwaltungsermessen außer Acht lässt. Diese Gefahr besteht aber nur dort, wo die gerichtliche Entscheidung die Hauptsache rechtlich oder faktisch vorwegnimmt. Sind die Voraussetzungen für eine Hauptsachevorwegnahme aber ausnahmsweise erfüllt, so kann das Gericht nicht einfach mit Blick auf das Ermessen der Behörde den Antrag ablehnen. Denn dem Ermessen korrespondiert der Anspruch des Betroffenen auf eine fehlerfreie Ausübung des Ermessens, dessen vorläufige Regelung dringlich sein kann. In solchen Fällen einer zulässigen Vorwegnahme der Hauptsache muss das Gericht selbst die erforderliche und bisher unterlassene oder nicht fehlerfrei vorgenommene Abwägung vornehmen (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 123 Rn. 66; m.w.N.). Zum Schutz des Anspruchs auf ermessensfehlerfreie Entscheidung kann insofern eine Regelungsanordnung ergehen, ohne dass – nach vorangegangener ermessensfehlerhafter Verwaltungsentscheidung – das behördliche Ermessen auf Null reduziert sein muss. Voraussetzungen hierfür sind nach der vorherrschenden Auffassung, dass das Gericht die Ermessensfehlerhaftigkeit der Ablehnung der begehrten Behördenentscheidung feststellt und anhand der im Eilverfahren erkennbar gewordenen Umstände prognostiziert, dass die ermessensfehlerfreie (Neu-)Bescheidung seitens der Behörde mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu der vom Antragsteller beantragten Verwaltungsmaßnahme führt (vgl. Schoch/Schneider, VwGO, 39. Aufl., Stand: Juli 2020, § 123 Rn. 161b). Wie oben ausgeführt, ist dies im vorliegenden Fall gegeben.
Es konnte daher der Ausspruch, wie im Tenor erfolgt, ergehen. Die Wirkung der getroffenen Regelung konnte bis zum Ende des Schuljahres 2020/2021 beschränkt werden, da der Bescheid bezüglich der Genehmigung des Gastschulverhältnisses nur bis zu diesem Zeitpunkt gilt.
Dem Antrag war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.


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