Verwaltungsrecht

Widerruf waffen- und sprengstoffrechtlicher Erlaubnisse

Aktenzeichen  21 CS 18.2298

Datum:
24.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 28134
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WaffG § 6 Abs. 1 S. 1, Abs. 2
SprengG § 8b Abs. 1 S. 1, Abs. 2
AWaffV § 4 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 6

 

Leitsatz

1. Werden aufgrund polizeilicher Mitteilungen eine Reihe von Vorfällen bekannt, die sich sämtlich im Zeitraum nach einem vom Betroffenen beigebrachten und seine persönliche Eignung zum Umgang mit Waffen/Munition bejahenden Gutachten ereignet haben und die geeignet sind, den Verdacht zu begründen, dass er im Hinblick auf seine Verhaltensweisen und darin möglicherweise zum Ausdruck kommenden Verfolgungswahnvorstellungen an einer seine persönliche Eignung ausschließenden psychischen Erkrankung leidet, stellt dies einen Anlass für eine neuerlichen Gutachtensaufforderung dar.  (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Widerrufsverfügung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, also bei unmittelbarer Klageerhebung im Zeitpunkt des Bescheidserlasses maßgeblich. Danach liegende Umstände, wie etwa die nachträgliche Vorlage eines Sachverständigengutachtens, können sich deshalb gegebenenfalls erst in einem neuen Verfahren auf Erteilung der waffenrechtlichen Erlaubnis auswirken (BayVGH BeckRS 2016, 51391 Rn. 17). (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 7 S 18.3735 2018-10-01 VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.625,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller, ein Sportschütze, begehrt die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen den Widerruf seiner waffen- und sprengstoffrechtlichen Erlaubnisse.
Nachdem das Landratsamt Bad Tölz – Wolfratshausen Kenntnis davon erhielt, dass der Antragsteller in der Vergangenheit mehrfach wegen äußerst aggressiven Verhaltens aufgefallen und polizeilich in Erscheinung getreten sei, leitete es im August 2016 ein waffen- und sprengstoffrechtliches Widerrufsverfahren ein und forderte den Kläger zur Beibringung eines fachpsychologischen Gutachtens auf. Der Diplom-Psychologe M. K. kam im Gutachten vom 3. März 2017 zu dem Ergebnis, dass der Antragsteller persönlich geeignet sei, mit Waffen/Munition umzugehen. Daraufhin gingen weitere polizeiliche Mitteilungen bei der Waffenbehörde ein, wonach der Antragsteller im darauffolgenden Zeitraum wiederum mehrfach polizeilich in Erscheinung getreten ist.
Im Anhörungsschreiben vom 25. Mai 2018 teilte die Behörde dem Antragsteller unter Offenlegung des Inhalts der polizeilichen Mitteilungen mit, dass damit Tatsachen bekannt seien, die Bedenken gegen die persönliche (psychische) Eignung des Antragstellers begründeten (Verdacht auf Verfolgungszwang) und forderte ihn zur Vorlage eines fachpsychologischen Zeugnisses über die geistige Eignung bis zum 15. Juni 2018 auf. Weiter erfolgte der Hinweis für den Fall, dass ein derartiges Gutachten nicht fristgerecht vorgelegt werde, dass das Landratsamt daraus die persönliche Nichteignung des Antragstellers folgern und die waffen- oder sprengstoffrechtlichen Erlaubnisse widerrufen dürfe. Auf Antrag des Antragstellers wurde ihm für die Benennung des mit der Untersuchung beauftragten Gutachters und des Zeitpunkts der Begutachtung Fristverlängerung bis zum 22. Juni 2018 gewährt. Mit Schreiben vom 19. Juni 2018 teilte der Antragsteller mit, dass sich der Gutachter Diplom-Psychologe M. K. derzeit in Urlaub befinde und er einen ev. Termin erst in der Woche ab Montag den 9. Juli 2018 wahrnehmen könne. Auch habe er sich noch nicht dazu entschieden, ein Gutachten auf eigene Kosten zu erbringen, oder nicht doch lieber vor das Verwaltungsgericht zu ziehen.
Mit Bescheid vom 29. Juni 2018 widerrief das Landratsamt die für den Kläger ausgestellten Waffenbesitzkarten, den Kleinen Waffenschein, den Europäischen Feuerwaffenpass sowie die sprengstoffrechtliche Erlaubnis und traf die entsprechenden Neben- und Folgeentscheidungen.
Am 30. Juni 2018 erhob der Antragsteller Klage, der ein Gutachten des Diplom-Psychologen M. K. vom 23. Juli 2018 beigefügt war, und begehrte einstweiligen Rechtsschutz. Den Eilantrag hat das Verwaltungsgericht München mit Beschluss vom 1. Oktober 2018 abgelehnt.
Dagegen richtet sich die Beschwerde.
II.
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die im Beschwerdeverfahren fristgerecht dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat im Grundsatz beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) und die im Wesentlichen das im erstinstanzlichen Verfahren Vorgebrachte wiederholen, rechtfertigen es nicht, die angefochtene Entscheidung abzuändern oder aufzuheben. Der Senat verweist insoweit auf die Gründe des angegriffenen Beschlusses und macht sich diese zu eigen (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
Ergänzend ist Folgendes auszuführen:
1.1 Der Antragsteller lässt einwenden, die Aufforderung, ein Gutachten zur waffenrechtlichen Eignung (§ 6 Abs. 1 Satz 1 WaffG, § 8b Abs. 1 SprengG) beizubringen, sei zu Unrecht erfolgt, so dass im Weigerungsfall auch nicht der Schluss auf die fehlende Eignung daraus habe gezogen werden können (§ 4 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 AWaffV, § 8b Abs. 2 SprengG). Es lägen keine Tatsachen vor, die Bedenken gegen die persönliche Eignung des Antragstellers begründeten (§ 6 Abs. 2 WaffG). Nachdem der Antragsteller bereits am 3. März 2017 ein entsprechendes Gutachten vorgelegt habe, stelle sich die Frage, ob die erneute Aufgabe eines Gutachtens nicht willkürlich und schikanös sei. Der Vortrag des Antragstellers zu den polizeilich festgehaltenen Ereignissen werde ungeprüft als Beleg für die These, dieser leide unter „Verfolgungszwang“ und „Verfolgungswahnvorstellungen“, herangezogen.
Das Verwaltungsgericht hat ausführlich und nachvollziehbar unter Schilderung der Ereignisse im Einzelnen ausgeführt, dass die Vorfälle, die sich nach den polizeilichen Mitteilungen im September, Oktober und November 2017 sowie im Januar, Februar und Mai 2018 zugetragen hätten, geeignet seien, den Verdacht zu begründen, dass der Antragsteller im Hinblick auf seine Verhaltensweisen und darin möglicherweise zum Ausdruck kommenden Verfolgungszwang bzw. Verfolgungswahnvorstellungen an einer seine persönliche Eignung ausschließenden psychischen Erkrankung leide (BA S. 16 f.). Ebenso hat das Verwaltungsgericht die Frage der Verwertbarkeit der polizeilichen Sachverhaltsschilderungen sowie die vom Antragsteller in diesem Zusammenhang lediglich pauschal vorgetragenen Einwände in seinem Urteil zutreffend und erschöpfend gewürdigt (BA S. 18f.). Weiter hat das Verwaltungsgericht sich auch bereits dahingehend geäußert, dass Anlass für die Aufforderung zur neuerlichen Gutachtensaufforderung eine Reihe von Vorfällen gewesen sei, die sich sämtlich im Zeitraum nach dem vom Antragsteller beigebrachten Gutachten vom 3. März 2017 ereignet hätten (BA S. 20). Dem hat das Beschwerdevorbringen in der Sache nichts entgegengesetzt.
1.2. Weiter macht die Beschwerde geltend, dass die Behörde mehr „Rücksicht auf die zeitliche Gestaltung der Gutachtensbeibringung“ hätte nehmen müssen. Der Antragsteller habe sich mit seinem potentiellen Gutachter zunächst beraten wollen, ob eine erneute Begutachtung überhaupt erforderlich sei. Durch zu knappe Fristsetzungen während der Urlaubszeit sei ihm dies verweigert worden. Auch mit diesem Einwand hat sich das Verwaltungsgericht bereits befasst und zu Recht darauf verwiesen, dass das Landratsamt im Hinblick auf die Einlassung des Antragstellers nicht habe annehmen können, dass dieser noch in absehbarer Zeit eine Entscheidung über die Beauftragung des Gutachters treffen würde, sondern vielmehr davon auszugehen gewesen sei, dass sich der Antragsteller bei unveränderter Sachlage weigern würde, sich freiwillig einer Begutachtung zu unterziehen (BA S. 20).
1.3. Soweit das Beschwerdevorbringen rügt, dass das Verwaltungsgericht die nach dem Bescheidserlass erstellte Bescheinigung des Diplom-Psychologen M. K. vom 23. Juli 2018 in seiner Entscheidung nicht berücksichtigt habe, ist dem entgegenzuhalten, dass für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Widerrufsverfügung die im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung maßgebliche Sach- und Rechtslage – hier der Zeitpunkt des Bescheidserlasses – maßgeblich ist. Danach liegende Umstände, etwa die nachträgliche Vorlage eines Sachverständigengutachtens, sind daher nicht für die Rechtmäßigkeit der Widerrufsentscheidung maßgebend, sondern können sich gegebenenfalls erst in einem neuen Verfahren auf Erteilung der waffenrechtlichen Erlaubnis auswirken (BayVGH, B.v. 15.8.2016 – 21 CS 16.1247 – juris).
2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
3. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung der Nrn. 20.3, 50.2 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i.d.F. vom 18. Juli 2013.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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