Verwaltungsrecht

Widerruf waffenrechtlicher Erlaubnisse

Aktenzeichen  M 7 K 17.750

Datum:
17.10.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 38309
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 84, § 113 Abs. 1 S. 1
WaffG § 5 Abs. 1 Nr. 2, § 40 Abs. 4, § 45 Abs. 2 S. 1, § 46 Abs. 2 S. 1
SprengG § 8a Abs. 1 Nr. 2, § 27, § 34 Abs. 2 S. 1
BJagdG § 17 Abs. 1 S. 2, § 18 S. 1, S. 3
GG Art. 23

 

Leitsatz

1 Bei dem in § 46 Abs. 2 WaffG vorgesehenen Verfahren handelt es sich um ein mehrstufiges Verfahren, in dem eine Verwertung bzw. Vernichtung der Waffen durch die zuständige Behörde erst nach erfolglosem Ablauf einer Frist sowie nach erfolgter Sicherstellung vorgesehen ist und nicht die Möglichkeit einer fakultativen Überlassung an die zuständige Behörde zur sofortigen Verwertung. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2 Personen, die der sog. Reichsbürgerbewegung zugehörig sind oder sich deren Ideologie als für sich verbindlich zu eigen gemacht haben, sind waffenrechtlich unzuverlässig (BayVGH BeckRS 2018, 3069). (Rn. 26 – 28) (redaktioneller Leitsatz)
3 Für eine glaubhafte Distanzierung von der Ideologie der sog. Reichsbürgerbewegung ist in entsprechendern Anwendung der ausländerrechtlichen Rechtsprechung zu verlangen, dass äußerlich feststellbare Umstände vorliegen, die es wahrscheinlich erscheinen lassen, dass der Betroffene seine innere Einstellung verändert hat. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
4 Die Dauer der Sperrfrist für die Wiedererteilung des Jagdscheins ist mangels Regelung im BJagdG grundsätzlich in das Ermessen der Behörde gestellt. (Rn. 46) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Bescheid des Landratsamts W.-S. (Az.: …) vom 30. Januar 2017 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 12. September 2018 wird in Nr. 2 aufgehoben.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
IV. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Über den Rechtsstreit kann im Wege des Gerichtsbescheids entschieden werden, da die Sache keine rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten aufweist, die Beteiligten hierzu angehört worden sind und sich mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid einverstanden erklärt haben (§ 84 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
Die zulässige Klage ist überwiegend unbegründet.
Die Klage ist lediglich im Hinblick auf die Anordnung in Nr. 2 des Bescheides begründet.
Die in Nr. 2 des Bescheides getroffene Anordnung, die in Nr. 1 genannten Waffen binnen eines Monats ab Zustellung des Bescheides an einen Berechtigten zu überlassen oder unbrauchbar zu machen bzw. machen zu lassen und dies dem Landrats amt unverzüglich nachzuweisen oder die bezeichneten Waffen binnen gleicher Frist zur Verwertung dem Landratsamt zu übergeben geht über den Regelungsgehalt der angeführte Rechtsgrundlage § 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG hinaus. Gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG kann die Behörde anordnen, dass jemand, der auf Grund einer Erlaubnis, die zurückgenommen, widerrufen oder erloschen ist, Waffen oder Munition erworben oder befugt besessen hat, und sie noch besitzt, die Waffen oder Munition binnen angemessener Frist dauerhaft unbrauchbar macht oder einem Berechtigten überlässt und den Nachweis darüber gegenüber der Behörde führt. Dementsprechend ist in § 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG die Anordnung einer fakultativen Abgabe der Waffen bzw. Munition bei der zuständigen Behörde zur Verwertung nicht vorgesehen. Vielmehr kann die zuständige Behörde gemäß § 46 Abs. 2 Satz 2 WaffG die Waffen oder Munition nach fruchtlosem Ablauf der Frist sicherstellen und gemäß § 46 Abs. 5 Satz 1 WaffG die sichergestellten Waffen oder Munition einziehen und verwerten oder vernichten, sofern der bisherige Inhaber nicht innerhalb eines Monats nach Sicherstellung einen empfangsbereiten Berechtigten benennt oder im Fall der Sicherstellung verbotener Waffen oder Munition nicht in dieser Frist eine Ausnahmezulassung nach § 40 Abs. 4 WaffG beantragt. Bei dem in § 46 Abs. 2 WaffG vorgesehenen Verfahren handelt es sich um ein mehrstufiges Verfahren (vgl. Nr. 46.3 WaffVwV), in dem eine Verwertung bzw. Vernichtung der Waffen durch die zuständige Behörde erst nach erfolglosem Ablauf einer Frist nach § 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG sowie nach erfolgter Sicherstellung nach § 46 Abs. 2 Satz 2 WaffG vorgesehen ist und nicht die Möglichkeit einer fakultativen Überlassung an die zuständige Behörde zur sofortigen Verwertung.
Im Übrigen ist der Bescheid vom 30. Januar 2017 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 12. September 2018 rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Der Widerruf der Waffenbesitzkarten gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG sowie der sprengstoffrechtlichen Erlaubnis nach § 27 SprengG gemäß § 34 Abs. 2 Satz 1 SprengG i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 1 SprengG i.V.m. § 8a Abs. 1 Nr. 2 SprengG in Nr. 1 des Bescheides vom 30. Januar 2017 ist rechtmäßig.
Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG ist eine waffenrechtliche Erlaubnis – vorliegend die Waffenbesitzkarte nach § 10 Abs. 1 WaffG – zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Eine waffenrechtliche Erlaubnis ist nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 WaffG zu versagen, wenn der Antragsteller nicht die erforderliche Zuverlässigkeit i.S.v. § 5 WaffG besitzt. Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG Personen nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden (Buchst. a) oder mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden (Buchst. b) oder Waffen oder Munition Personen überlasen werden die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände nicht berechtigt sind (Buchst. c). Gemäß § 34 Abs. 2 Satz 1 SprengG ist eine Erlaubnis – vorliegend die Erlaubnis nach § 27 SprengG – zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SprengG ist die Erlaubnis zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller die erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt. Nach § 8a Abs. 1 Nr. 2 SprengG besitzen die erforderliche Zuverlässigkeit Personen nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie explosionsgefährliche Stoffe im Sinne des Sprengstoffgesetzes missbräuchlich oder leichtfertig verwenden werden (Buchst. a), mit explosionsgefährlichen Stoffen nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese nicht sorgfältig aufbewahren werden (Buchst. b) oder explosionsgefährliche Stoffe Personen überlassen werden, die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese nicht berechtigt sind (Buchst. c).
Der Kläger ist unzuverlässig i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG bzw. § 8a Abs. 1 Nr. 2 SprengG.
Denn Personen, die der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zugehörig sind oder sich deren Ideologie als für sich verbindlich zu eigen gemacht haben, sind waffenrechtlich unzuverlässig, weil in diesem Fall Tatsachen die Annahme nach § 5 Abs. 1
Nr. 2 WaffG rechtfertigen, dass sie Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden werden (Buchst. a), sie mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden (Buchst. b) oder sie Waffen oder Munition Personen überlassen werden, die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände nicht berechtigt sind (vgl. BayVGH, B.v. 9.2.2018 – 21 CS 17.1964 – juris Rn. 13).
Maßgeblich für die Beurteilung, ob die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG nicht gegeben ist, ist eine auf Tatsachen gestützte Prognose eines spezifisch waffenrechtlich bedenklichen Verhaltens, aus dem mit hoher Wahrscheinlichkeit der Eintritt von Schäden für hohe Rechtsgüter resultiert (vgl. BT-Drs 14/7758, S. 54). Diese Prognose ist auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen zu erstellen. Dabei ist der allgemeine Zweck des Gesetzes nach § 1 Abs. 1 WaffG, beim Umgang mit Waffen und Munition die Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu wahren, zu berücksichtigen. Die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz verbunden sind, sind nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten das Vertrauen verdienen, mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umzugehen. In Anbetracht des vorbeugenden Charakters der gesetzlichen Regelungen und der erheblichen Gefahren, die von Waffen und Munition für hochrangige Rechtsgüter ausgehen, ist für die gerichtlich uneingeschränkt nachprüfbare Prognose nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich. Vielmehr genügt eine hinreichende, auf der Lebenserfahrung beruhende Wahrscheinlichkeit, wobei ein Restrisiko nicht hingenommen werden muss (vgl. BayVGH, B.v. 22.12.2014 – 21 ZB 14.1512 – juris Rn. 12; B.v. 4.12.2013 – 21 CS 13.1969 – juris Rn. 14).
Wer der Ideologie der Reichsbürgerbewegung folgend die Existenz und Legitimation der Bundesrepublik Deutschland negiert und die auf dem Grundgesetz fußende Rechtsordnung generell nicht als für sich verbindlich anerkennt, gibt Anlass zu der Befürchtung, dass er auch die Regelungen des Waffengesetzes nicht strikt befolgen wird. Dies gilt für den Umgang mit Waffen ebenso wie für die Pflicht zur sicheren Waffenaufbewahrung, die Pflicht zur getrennten Aufbewahrung von Waffen und Munition, die Pflicht zu gewährleisten, dass andere Personen keinen Zugriff haben können, sowie die strikten Vorgaben zum Schießen mit Waffen im Besonderen (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a bis c WaffG). Ausgehend von dem Grundsatz, dass nur derjenige im Besitz von Waffen sein soll, der nach seinem Verhalten das Vertrauen darin verdient, dass er mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen wird, muss einer der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zuzuordnenden Person anknüpfend an die Tatsache, dass sie die waffenrechtlichen Normen gerade nicht als für sich verbindlich ansieht, die nach § 5 WaffG erforderliche Zuverlässigkeit abgesprochen werden (vgl. BayVGH, B.v. 9.2.2018 – 21 CS 17.1964 – juris Rn. 15 m.w.N.).
Diese Grundsätze gelten ebenfalls für den Umgang mit explosionsgefährlichen Stoffen im Sinne des Sprengstoffgesetzes (vgl. BayVGH, B.v. 12.12.2017 – 21 CS 17.1332 – juris Rn. 13).
Die Tatsachen, die dem Gericht vorliegen, rechtfertigen im Fall des Klägers die Prognose der waffen- und sprengstoffrechtlichen Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1
Nr. 2 WaffG bzw. § 8a Abs. 1 Nr. 2 SprengG. Die Verhaltensweisen und Einlassungen des Klägers begründen in ihrer Gesamtwürdigung die Annahme, dass er der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zuzuordnen ist bzw. er sich deren Ideologie für sich bindend zu eigen gemacht hat. Es bestehen keine durchgreifenden Zweifel daran, dass die nach außen getätigten Äußerungen und Verhaltensweisen auch seine innere Einstellung widerspiegeln.
Der Verfassungsschutzbericht 2016 des Bundes (S. 90) definiert „Reichsbürger“ als eine organisatorisch wie ideologisch äußerst heterogene Szene, der jedoch die fundamentale Ablehnung des Staates, seiner Repräsentanten sowie der gesamten Rechtsordnung gemein ist. Nach dem Verfassungsschutzbericht Bayern 2016 (S. 180 ff.) sind „Reichsbürger“ Gruppierungen und Einzelpersonen, die aus unterschiedlichen Motiven mit unterschiedlichen Begründungen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtssystem ablehnen. Den Vertretern des Staates sprechen sie die Legitimation ab oder definieren sich gar in Gänze als außerhalb der Rechtsordnung stehend. Sie berufen sich in unterschiedlichster Form auf den Fortbestand des Deutschen Reiches. Reichsbürger behaupten, Deutschland habe keine gültige Verfassung und sei damit als Staat nicht existent, oder das Grundgesetz habe mit der Wiedervereinigung seine Gültigkeit verloren. Daher fühlen sich Reichsbürger auch nicht verpflichtet, den in der Bundesrepublik geltenden Gesetzen Folge zu leisten. Die Reichsbürgerbewegung wird als sicherheitsgefährdende Bestrebung eingestuft. Die Reichsbürgerideologie insgesamt ist geeignet, Personen in ein geschlossenes verschwörungstheoretisches Weltbild zu verstricken, in dem aus Staatsverdrossenheit Staatshass werden kann. Dies kann Grundlage für Radikalisierungsprozesse sein (Verfassungsschutzbericht Bayern 2016, S. 185).
Der Kläger stellte am … Mai 2015 einen Antrag auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit (Staatsangehörigkeitsausweis) unter Hinweis auf RuStAG von 1913. Reichsbürger sind davon überzeugt, dass sie aus der Bundesrepublik Deutschland austreten können. Als ersten Schritt zu ihrem vermeintlichen Austritt betrachten sie häufig die Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises (in der Terminologie der Reichsbürger sog. „gelber Schein“) unter Berufung auf das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz von 1913 (Verfassungsschutzbericht Bayern 2016 S. 184). Vom Staatsangehörigkeitsausweis erhofft sich dieser Personenkreis – rechtlich völlig unzutreffend – unter anderem den „Ausstieg aus der Firma BRD“ oder die Sicherung vermeintlicher Rechte beim „Untergang des Systems“ (vgl. BayVGH, B.v. 19.12.2017 21 CS 17.2029 – juris Rn. 16). Durch die Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises unter Berufung auf das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz in der Fassung von 1913, hat der Kläger nicht nur eine, für die sog. „Reichsbürgerbewegung“ typische Verhaltens- und Ausdrucksweise angewandt, sondern zugleich eindeutig nach außen gegenüber einer Behörde zu erkennen gegeben, dass es ihm nicht nur um den Erwerb eines Staatsangehörigkeitsausweises geht, sondern darum, einen Nachweis dafür zu erhalten, dass er die Staatsangehörigkeit des Königreichs Bayern durch Abstammung erworben hat (vgl. Willens- und Lebenderklärung vom … Oktober 2015). Dies stellt die Verfolgung eines ideologischen, für die sog. „Reichsbürgerbewegung“ typischen Zieles dar. Darüber hinaus ist für den Staatsangehörigkeitsausweis im Übrigen auch keine anderweitige Erforderlichkeit ersichtlich. Insbesondere der Einwand des Klägers, dass er diesen bereits im Jahr 1983 zur Vorlage bei einem öffentlichen Arbeitgeber habe beantragen müssen vermag nicht zu überzeugen, zumal weder vorgetragen wurde noch ersichtlich ist, weshalb der neuerliche beantragte Staatsangehörigkeitsausweis benötigt wird.
Weiterhin hat der Kläger – ausweislich seines Schreibens vom … Oktober 2015 sowie seiner Willens- und Lebenderklärung vom … Oktober 2015 – den Staatsangehörigkeitsnachweis unter Berufung auf das RuStAG von 1913 deswegen beantragt, da er sich von der ihm durch die Staatsfiktion „BRiD“ zugeteilten Staatsbürgerschaft „Deutsch“, die ihn zum Sklaven, Rechtlosen und vogelfreien Staatenlosen gemacht habe, distanziere. Die Bundesrepublik von Deutschland sei nur ein Teil von Deutschland und sei von den Vereinten Nationen abgemeldet worden, so dass es diese auf internationaler Ebene nicht mehr gebe. Die Bundesrepublik sei vielmehr noch nie ein Staat gewesen. Dies legt „reichsbürgertypisch“ nahe, dass sich der Kläger nicht als zur Bundesrepublik Deutschland zugehörig ansieht (vgl. BayVGH, B.v. 25.1.2018 – 21 CS 17.2310 – juris Rn. 19). Denn Reichsbürger leugnen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und berufen sich hierzu auf „das historische Deutsche Reich“ (vgl. Verfassungsschutzbericht 2016 des Bundes, S. 92). Der Kläger hat hierdurch eine weitere für die sog. „Reichsbürgerbewegung“ typische Argumentationslinie zum Ausdruck gebracht (vgl. zur Angabe „Königreich Bayern“ BayVGH, B.v. 12.12.2017 – 21 CS 17.1332 – juris Rn. 15).
Schließlich hat der Kläger – in für Reichsbürger typischer Weise – zu erkennen gegeben, dass er das Rechtssystem der Bundesrepublik Deutschland ablehnt und Vertretern des Staates die Legitimation abspricht. Denn bei der sog. „Reichsbürgerbewegung“ ist häufig die Vorstellung anzutreffen, dass mit der Aufhebung von Art. 23 GG a.F. das Grundgesetz erloschen sei, da es über keinen definierten Geltungsbereich mehr verfüge (vgl. Verfassungsschutzbericht Bayern 2016, S. 183). Aufgrund dessen bestreiten Reichsbürger z.B. die Berechtigung von Forderungen des Staates aus Steuer-, Bußgeld- und Verwaltungsverfahren (vgl. Verfassungsschutzbericht Bayern 2016, S. 184). Zudem würden Personen, die Gesetze der Bundesrepublik als Richter, Staatsanwälte, Rechtspfleger, Gerichtsvollzieher, Polizisten oder in anderen Funktionen anwenden nach Vorstellung der sog. „Reichsbürgerbewegung“ aufgrund dessen nicht in verfassungsgemäßem Auftrag, sondern als Privatpersonen und damit rechtsunwirksam und rechtwidrig handeln. Indem der Kläger in seinem Schreiben vom … Oktober 2015 erklärte, dass Art. 23 GG aufgehoben worden sei und das Grundgesetz daher keinen Geltungsbereich mehr aufweise, dass es in Deutschland keine handlungsfähige Regierung gebe und damit Behörden keine hoheitlichen Aufgaben zugewiesen werden könnten sowie keinen Gesetzgeber, der derartige Gesetze erlassen könnte, hat der Kläger eindeutig zu erkennen geben, dass er die Bundesrepublik Deutschland sowie deren Rechtsordnung nicht anerkennt und den Vertretern des Staates die Legitimation abspricht.
Die Einlassungen des Klägers sowohl im Anhörungsverfahren als auch im gerichtlichen Verfahren vermögen – angesichts der eindeutigen, schriftlich getätigten vorhergehenden Äußerungen – an der Einschätzung des Gerichts, dass der Kläger der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zugehörig ist bzw. er sich deren Ideologie für sich bindend zu eigen gemacht hat, nichts zu ändern.
Auch eine glaubhafte Distanzierung von der Ideologie der sog. „Reichsbürgerbewegung“ ist diesen nicht zu entnehmen. Hinsichtlich der Anforderungen an eine glaubhafte Distanzierung kann aufgrund der identischen sicherheitsrechtlichen Schutzrichtung – Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung – die ausländerrechtliche Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zu § 54 Abs. 1 Nr. 2 des Aufenthaltsgesetzes – AufenthG – entsprechend herangezogen werden. Dementsprechend ist für eine glaubhafte Distanzierung zu verlangen, dass äußerlich feststellbare Umstände vorliegen, die es wahrscheinlich erscheinen lassen, dass der Betroffene seine innere Einstellung verändert hat (vgl. BVerwG, B.v. 25.4.2018 – 1 B 11/18 – juris Rn. 12). Das Erfordernis der Veränderung der inneren Einstellung bedingt es, dass der Betroffene in jedem Fall einräumen muss oder zumindest nicht bestreiten darf, in der Vergangenheit den einschlägigen sicherheitsrechtlichen Tatbestand erfüllt zu haben. Ohne Einsicht des Betroffenen in die Unrichtigkeit des im vorgeworfenen Handelns hat die Ankündigung einer Verhaltensänderung keine glaubwürdige Grundlage (vgl. BayVGH, U.v. 27.10.2017 – 10 B 16.1252 – juris Rn. 53).
Eine diesen Anforderungen genügende, glaubhafte Distanzierung des Klägers von der Ideologie der sog. „Reichsbürgerbewegung“ lässt sich nicht feststellen. Der Kläger hat ein Fehlverhalten nicht eingeräumt. Vielmehr hat der Kläger versucht sein Verhalten zu rechtfertigen. So hat er in dem Schreiben vom … Juli 2015 lediglich ausführt, dass der Staatsangehörigkeitsausweis selbstverständlich für Grundstücksgeschäfte in Canada und den USA und auch für Heiraten eines Deutschen mit einer ausländischen Frau im Ausland ausgestellt werde. Dargetan, dass er den Staatsangehörigkeitsausweis hierfür benötige habe, hat er demgegenüber nicht. Vielmehr hat er sein Verhalten insgesamt damit begründet, dass er eine eigene staatsrechtliche, akademisch und historisch begründete Meinung habe, die er nach Art. 5 GG haben dürfe, auch wenn andere diese für abstrus hielten. Der damit der Sache nach erhobene Einwand, eines nicht gerechtfertigten Eingriffs in das Grundrecht der freien Meinungsäußerung, trifft nicht zu. Dabei kann dahinstehen, ob der Widerruf der Waffenbesitzkarten überhaupt einen Eingriff in den Schutzbereich dieses Grundrechts darstellt. Er verbietet dem Kläger nicht, eine bestimmte Meinung überhaupt oder in einer bestimmten Art und Weise zu äußern, und belegt auch nicht das Äußern einer bestimmten Meinung mit einer Sanktion. Unabhängig davon wäre ein solcher Eingriff gerechtfertigt (vgl. BayVGH, B.v. 12.3.2018 – 21 CS 17.1678 – juris Rn. 22). Die Meinungsfreiheit findet ihre Grenze unter anderem in den Schranken der allgemeinen Gesetze (Art. 5 Abs. 2 GG). Dazu gehört das Waffengesetz, das ersichtlich nicht eine Meinung als solche verbietet und sich nicht gegen die Äußerung einer Meinung als solche richtet. Es regelt vielmehr den Umgang mit Waffen oder Munition unter Berücksichtigung der Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (§ 1 Abs. 1 WaffG – vgl. BVerwG, U.v. 7.11.2012 – 8 C 28.11 – juris Rn. 30 zur ordnungsrechtlichen Vorschrift des § 11 Abs. 2 Nr. 1 SchfG i.d.F. vom 10.8.1998). Der Widerruf der Waffenbesitzkarten dient vielmehr allein der Verhütung und Abwehr von Gefahren für die übrige Bevölkerung, die von einem Waffenbesitzer ausgehen, der keine ausreichende Gewähr dafür bietet, dass er mit Waffen oder Munition in einer Weise umgeht, die Dritte in ihren Rechten nicht gefährdet (vgl. BayVGH, B.v. 12.3.2018 – 21 CS 17.1678 – juris Rn. 2).
Dass sich den Einlassungen keine distanzierende Haltung des Klägers entnehmen lässt, entspricht auch der Einschätzung des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd vom 25. Januar 2017. Darin erklärt das Polizeipräsidium Oberbayern Süd, dass der Kläger in seinem Schreiben vom … Dezember 2016 den Inhalt seiner bisherigen Schreiben verteidigt zu haben. Er habe in seinen Äußerungen nicht zur Existenz der Bundesrepublik Deutschland Stellung genommen, sondern pauschaliert und losgelöst von einer Verbindung mit der Staatsform über „Grundrechte“, Demokratie und „andere“ Rechtsvorschriften gesprochen. Der Kläger gebe in diesen Schreiben zu, die in der Bundesrepublik Deutschland vorherrschende Staats- und Rechtsordnung abzulehnen – zwar nicht offensiv, wie er schreibe, aber im Umkehrschluss passiv. Entgegen seiner Auffassung sei der Kläger aufgrund der im Jahr 2015 versendeten Briefe an Behörden mit seinen staatsleugnenden Inhalten tatsächlich und objektiv offensiv vorgegangen.
Das Vorbringen des Klägers vermag daher insgesamt keine glaubhafte, nachdrückliche Distanzierung zu begründen.
Die Verpflichtung zur Rückgabe der Erlaubnisurkunden (Nr. 3 des Bescheides) wurde rechtlich zutreffend auf § 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG bzw. Art. 52 BayVwVfG i.V.m.
§ 35 Abs. 2 SprengG i.V.m. Nr. 35.1 Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Sprengstoffgesetz – SprengVwV gestützt. Die hierfür eingeräumte Frist von einem Monat ab Zustellung des Bescheids ist angemessen.
Die Ungültigerklärung und Einziehung des Jagdscheins Nr. … gemäß § 18 Satz 1 BJagdG i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 BJagdG i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG (Nr. 4 des Bescheides) ist aufgrund der oben dargelegten Unzuverlässigkeit des Klägers ebenfalls rechtmäßig.
Die Festsetzung der Sperrfrist auf fünf Jahre ab dem 24. April 2015 (Nr. 5 des Bescheides) in Gestalt des Änderungsbescheides ist ebenfalls rechtmäßig. Gemäß
§ 18 Satz 3 BJagdG kann die Behörde eine Sperrfrist für die Wiedererteilung des Jagdscheins festsetzen. Die Wirkung einer Sperrfrist gemäß § 18 Satz 3 BJagdG erschöpft sich darin, dass – für den Fall ihrer Unanfechtbarkeit – die Jagdbehörde nicht verpflichtet ist, einen Antrag auf Erteilung eines neuen Jagdscheins während der Dauer der Sperrfrist dahin zu überprüfen, ob der für die Entziehung des Jagdscheins maßgebende Grund noch besteht, sie kann vielmehr die Versagung allein mit der Sperrfrist begründen (vgl. auch BVerwG, U.v. 22.4.1982 – 3 C 35/81 – juris Rn. 18). Nach Ablauf der Sperrfrist besteht indes nicht ohne weiteres ein Anspruch auf die Wiedererteilung des Jagdscheins. Die Behörde hat dann vielmehr zu prüfen, ob der Wiedererteilung Versagungsgründe entgegenstehen (vgl. VG Regensburg, U.v. 12.5.2009 – RO 4 K 08.2154 – unter Verweis auf u.a. VG Gelsenkirchen, U.v. 18.8.1982 – 7 K 2799/81 – juris; nachgehend BayVGH, B.v. 14.9.2009 – 21 ZB 09.1368 – juris Rn. 7; vgl. auch VG Aachen, U.v. 22.2.2012 – 3 K 861/11 – juris
Rn. 37). Da das Bundesjagdgesetz über die Dauer der Sperrfrist keine Vorschriften enthält, ist ihre Dauer grundsätzlich in das Ermessen der Behörde gestellt. Vorliegend ist von einer fehlerfreien Ausübung des dem Landratsamt zukommenden Ermessens im Rahmen der gerichtlichen Überprüfbarkeit von Ermessensentscheidungen (§ 114 Satz 1 VwGO) auszugehen, insbesondere liegt kein Ermessensausfall vor. Die Festsetzung der Sperrfrist auf fünf Jahre ist nicht ermessensfehlerhaft, sie beruht insbesondere nicht auf sachfremden Erwägungen. So lässt die Begründung die Gesichtspunkte erkennen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist (vgl. Art. 39 Abs. 1 Satz 3 BayVwVfG). Zudem bewegt sich die Sperrfrist noch im Rahmen der nach dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zulässigen Höchstdauer von fünf Jahren (vgl. BayVGH, U.v. 25.1.1990 – 19 B 89.2124 – juris).
Die Verpflichtung zur Rückgabe des Jagdscheins binnen eines Monats nach Zustellung des Bescheids (Nr. 6 des Bescheids) wurde zutreffend auf Art. 52 BayVwVfG gestützt.
Die Ablehnung der Verlängerung des Europäischen Feuerwaffenpasses Nr. … (Nr. 7 des Bescheids) ist ebenfalls rechtmäßig, da ein Europäischer Feuerwaffenpass gemäß § 32 Abs. 6 WaffG auf Antrag Personen ausgestellt wird, die nach dem Waffengesetz zum Besitz von Schusswaffen oder Munition berechtigt sind und diese Schusswaffen oder diese Munition in einen anderen Mitgliedstaat mitnehmen wollen. Aufgrund des wirksamen Widerrufs der Waffenbesitzkarten ist die erforderliche Berechtigung des Klägers zum Besitz von Schusswaffen oder Munition nach dem Waffengesetz nicht mehr gegeben.
Die Anordnung der Sicherstellung der in Nr. 1 des Bescheides genannten Schusswaffen bei fruchtlosem Verstreichen der in Nr. 2 genannten Frist (Nr. 8 des Bescheides) wurde zutreffend auf § 46 Abs. 2 Satz 2 WaffG gestützt.
Schließlich bestehen auch im Hinblick auf die Verfügungen in den Nrn. 9, 10, 11 und 12 des Bescheids vom 30. Januar 2017 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 12. September 2018 bestehen keine rechtlichen Bedenken.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Das Obsiegen des Klägers im Hinblick auf Nr. 2 des Bescheides stellt ein Unterliegen des Beklagten nur zu einem geringen Teil dar, so dass es sachgerecht erscheint dem Kläger die Kosten des Verfahrens ganz aufzuerlegen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollsteckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung – ZPO.


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