Verwaltungsrecht

Zu den Voraussetzungen der sofortigen Vollziehung einer Beseitigungsanordnung

Aktenzeichen  9 CS 18.2533

Datum:
30.1.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BayVBl – 2019, 391
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 76 S. 1
VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4, Abs. 3 S. 1
BayVwVfG Art. 28 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Eine baurechtliche Beseitigungsanordnung ist in aller Regel eine schwerwiegende Maßnahme, deren Vollzug dem Betroffenen hohe Kosten verursacht und nur mehr schwer rückgängig zu machende Zustände schafft. Ihr Gewicht wird durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung verstärkt, weil dadurch die Entscheidung in der Hauptsache im Kern vorweggenommen wird. Erforderlich ist deshalb ein besonderes Vollzugsinteresse, das im Falle der Baubeseitigung grundsätzlich nicht mit dem Interesse am Erlass des Bescheids identisch ist und regelmäßig im Hinblick auf das Regel-Ausnahme-Verhältnis des § 80 Abs. 1 und 2 VwGO nur ausnahmsweise vorliegen wird (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2 Allein der Hinweis, ein besonderes öffentliches Interesse bestehe daran, den baurechtswidrigen Zustand in angemessener Zeit zu beseitigen, reicht für die Annahme eines besonderes Vollzugsinteresse der Beseitigungsanordnung nicht aus.   (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 17 S 18.1399 2018-11-08 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 8. November 2018 wird in Nummern I. und II. geändert. Die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage der Antragsteller vom 14. Dezember 2017 wird hinsichtlich Nummer I. des Bescheids der Antragsgegnerin vom 20. November 2017 in der Fassung des Bescheids vom 10. September 2018 wiederhergestellt. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
II. Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen trägt die Antragsgegnerin.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 4.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsteller wenden sich gegen eine von der Antragsgegnerin mit Sofortvollzug versehene Beseitigungsanordnung hinsichtlich einer an ihrem Wohnhaus angebauten, grenzständigen Garage sowie eine damit verbundene Zwangsgeldandrohung.
Das Grundstück der Antragsteller, FlNr. … Gemarkung E., liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. E 14 der Antragsgegnerin. Dieser enthält u.a. Festsetzungen zu Garagen und Stellplätzen im Hinblick auf die abstandsflächenrechtlichen Vorschriften.
Mit Bescheid vom 13. März 1991 wurde den Antragstellern die Errichtung eines Wohnhauses mit Flachdach-Grenzgarage genehmigt, wobei diese Garage nie ausgeführt wurde. Im Jahr 2004 beantragten die Antragsteller die Genehmigung zur Errichtung einer Grenzgarage, die ihnen nach Änderung der Planung und teilweiser Berücksichtigung der nachbarlichen Interessen mit Zustimmung der Nachbarn mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 7. Juli 2004 unter Erteilung einer Abweichung von den Abstandsflächen erteilt wurde. Die tatsächliche Bauausführung erfolgte abweichend von den mit dieser Baugenehmigung genehmigten Plänen. Insbesondere überschreiten sowohl die Grenzwand als auch das Dach die genehmigte Höhe deutlich und abweichend von der Genehmigung befindet sich über der Garage ein von den Antragstellern als „Lagerraum“ bezeichneter Raum mit großer Glasfront zur Südseite, der von der Garage aus nicht, sondern nur vom Wohnhaus her zugänglich ist. Das Garagendach ist ebenfalls abweichend von der genehmigten Fassung als Dachterrasse ausgestaltet. Die von den Antragstellern beantragte Tekturgenehmigung wurde von der Antragsgegnerin mit Bescheid vom 2. Oktober 2013 abgelehnt. Die Klage hiergegen blieb erfolglos (VG Ansbach, U.v. 14.10.2014 – AN 9 K 13.01920; BayVGH, B.v. 9.8.2016 – 9 ZB 14.2684).
Mit Bescheid vom 20. November 2017 verfügte die Antragsgegnerin unter Androhung von Zwangsgeld gegenüber den Antragstellern unter Angabe der einzuhaltenden Anforderungen die teilweise Beseitigung der auf deren Anwesen im Bereich der nordöstlichen Grundstücksecke befindlichen Garage binnen vier Monaten nach Zustellung dieses Bescheids. Gleichzeitig ordnete sie insoweit die sofortige Vollziehung an. Gegen diesen Bescheid haben die Antragsteller Klage (AN 9 K 17.02606) erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Auf Hinweis des Verwaltungsgerichts änderte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 10. September 2018 den Tenor der Beseitigungsanordnung.
Den Antrag der Antragsteller auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 8. November 2018 ab. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragsteller.
Die Antragsteller sind der Ansicht, die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei bereits nicht ordnungsgemäß begründet. Zudem bestehe keine besondere Dringlichkeit. Darüber hinaus sei die Beseitigungsanordnung rechtswidrig, da es an einer Anhörung der Antragsteller fehle und rechtmäßige Zustände durch die Erteilung einer Abweichung hergestellt werden könnten.
Sie beantragen,
unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses vom 8. November 2018 die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen Nummer I. des Bescheids der Antragsgegnerin vom 20. November 2017 in der Gestalt des Änderungsbescheids vom 10. September 2018 wiederherzustellen und gegen Nummer II. anzuordnen, hilfsweise, die Anordnung der sofortigen Vollziehung anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, dass keine neuen Aspekte vorgetragen seien, die nicht bereits im Verfahren zur Versagung der Baugenehmigung und in erster Instanz ausführlich behandelt worden seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Antragsteller ist überwiegend begründet. Aus den innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO dargelegten Gründen ergeben sich durchgreifende Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses. Diese Entscheidung ist deshalb dahingehend abzuändern, dass die aufschiebende Wirkung der von den Antragstellern gegen die Beseitigungsanordnung in Nummer I. des Bescheids der Antragsgegnerin vom 20. November 2017 in der Fassung des Bescheids vom 10. September 2018 erhobenen Anfechtungsklage wiederherzustellen ist.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit genügt zwar dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO (1.) und die Beseitigungsanordnung vom 20. November 2017 in der Fassung des Bescheids vom 10. September 2018 erweist sich bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage, wie sie das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes kennzeichnet, im Hauptsacheverfahren voraussichtlich als rechtmäßig (2.), die Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO beruht hier jedoch nicht auf einem besonderen Vollzugsinteresse (3.). Hinsichtlich der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Zwangsgeldandrohung in Nummer II. des Bescheids war der Antrag abzulehnen (4.).
1. Die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit trägt dem Begründungserfordernis ausreichend Rechnung.
Nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO – wie hier betreffend die Beseitigungsanordnung – das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Dabei sind regelmäßig die besonderen, auf den konkreten Fall bezogenen Gründe anzugeben, die die Behörde dazu bewogen haben, den Suspensiveffekt auszuschließen (vgl. BayVGH, B.v. 2.8.2018 – 9 CS 18.996 – juris Rn. 14). An dieses Begründungserfordernis sind jedoch inhaltlich keine allzu hohen Anforderungen zu stellen; es genügt vielmehr jede schriftliche Begründung, die zu erkennen gibt, dass die Behörde eine Anordnung des Sofortvollzugs im konkreten Fall für geboten erachtet (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 55). Die Antragsgegnerin hat hier auf den bisherigen Verfahrensablauf und dessen Zeitdauer sowie die Interessen der Nachbarn abgestellt und ist damit auf die Besonderheiten des konkreten Falles eingegangen. Den gesetzlichen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist damit Genüge geleistet. Ob diese Aspekte das besondere Vollzugsinteresse nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO tragen, spielt für die Frage der formellen Rechtmäßigkeit der Anordnung des Sofortvollzugs keine Rolle (vgl. BayVGH, B.v. 3.5.2018 – 20 CS 17.1797 – juris Rn. 2).
2. Die von der Antragsgegnerin verfügte Beseitigungsanordnung wird sich im Hauptsacheverfahren aller Wahrscheinlichkeit nach als rechtmäßig erweisen.
a) Entgegen der Ansicht der Antragsteller ist die Beseitigungsanordnung nicht wegen fehlender Anhörung nach Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG formell rechtswidrig. Zwar mag die Argumentation des Verwaltungsgerichts zur Heilung einer fehlenden Anhörung im gerichtlichen Verfahren nach Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG unter Berücksichtigung der Ausführungen der Antragsgegnerin im Änderungsbescheid vom 10. September 2018 zweifelhaft sein. Die Antragsteller übersehen jedoch, dass die Antragsgegnerin sie bereits im vorangegangenen Verfahren der Ablehnung der Tekturgenehmigung mehrfach, u.a. mit Schreiben vom 13. Juni 2012, vom 28. August 2012 und 9. Oktober 2012, auch zur Stellungnahme im Hinblick auf eine beabsichtigte Beseitigungs- und Rückbauanordnung aufgefordert hat und damit auch insoweit eine Anhörung stattgefunden hat. Neue Gesichtspunkte hierzu werden im Beschwerdeverfahren nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich.
b) Rechtsgrundlage der Beseitigungsanordnung ist Art. 76 Satz 1 BayBO. Danach kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung der Anlagen anordnen, wenn diese im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert werden und nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können.
Die Antragsteller haben für die bereits errichtete, genehmigungspflichtige Grenzgarage keine Baugenehmigung. Dieses Bauvorhaben ist zudem – entgegen der Ansicht der Antragsteller – nicht genehmigungsfähig, was aufgrund der Ablehnung des Tekturantrags vom 17. Januar 2012 durch rechtskräftiges Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 14. Oktober 2014 (AN 9 K 13.01920; BayVGH, B.v. 9.8.2016 – 9 ZB 14.2684) bindend feststeht (vgl. BVerwG, U.v. 6.6.1975 – IV C 15.73 – juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 15.12.2005 – 2 ZB 03.2786 – juris Rn. 2; Rennert in Eyermann, a.a.O., § 121 Rn. 33). Hieran ändert auch der Hinweis auf die im Osten erfolgten Abgrabungen nichts, da dieser Gesichtspunkt ebenfalls bereits Gegenstand des damaligen Verfahrens war.
Bei dieser Sach- und Rechtslage ist die von der Antragsgegnerin erlassene Beseitigungsanordnung, insbesondere im Hinblick auf die nachbarlichen Interessen, weder hinsichtlich der Ermessensausübung noch hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit zu beanstanden (vgl. BayVGH, B.v. 15.12.2005 – 2 ZB 03.2786 – juris Rn. 3). Bereits die Baugenehmigung vom 7. Juli 2004 wurde mit einer Abweichung erst nach Zurückstellung der nachbarlichen Interessen wegen deren Zustimmung erteilt. Entgegen der Ansicht der Antragsteller steht zudem fest, dass das ausgeführte Bauvorhaben gegenüber der damaligen Genehmigung ein aliud darstellt und nicht nur bezüglich der Kubatur, sondern deutlich von dem mit Bescheid vom 7. Juli 2004 genehmigten Vorhaben abweicht (vgl. VG Ansbach, U.v. 14.10.2014 – AN 9 K 13.01920; BayVGH, B.v. 9.8.2016 – 9 ZB 14.2684). Insoweit ist auch das Risiko einer baurechtswidrigen Bauausführung vom Bauherrn selbst zu tragen und der Einwand eines Substanzverlustes nicht tragfähig (vgl. BVerwG, B.v. 30.8.1996 – 4 B 117.96 – juris Rn. 7; BayVGH, U.v. 12.05.2005 – 26 B 03.2454 – juris Rn. 31).
3. Ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Beseitigungsanordnung ist hier gleichwohl nicht gegeben.
Nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ist für die Anordnung des Sofortvollzugs ein besonderes Vollzugsinteresse erforderlich. Die Vollziehung des Verwaltungsakts muss wegen öffentlicher oder überwiegender privater Interessen besonders dringlich sein und keinen Aufschub bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens dulden (vgl. BayVGH, B.v. 23.8.2012 – 15 CS 12.130 – juris Rn. 12). Eine baurechtliche Beseitigungsanordnung ist in aller Regel eine schwerwiegende Maßnahme, deren Vollzug dem Betroffenen hohe Kosten verursacht und nur mehr schwer rückgängig zu machende Zustände schafft. Ihr Gewicht wird durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung verstärkt, weil dadurch die Entscheidung in der Hauptsache im Kern vorweggenommen wird (vgl. BayVGH, B.v. 6.10.2000 – 2 CS 98.2373 – juris Rn. 16). Erforderlich ist deshalb ein besonderes Vollzugsinteresse, das im Falle der Baubeseitigung grundsätzlich nicht mit dem Interesse am Erlass des Bescheids identisch ist und regelmäßig im Hinblick auf das Regel-Ausnahme-Verhältnis des § 80 Abs. 1 und 2 VwGO (vgl. BVerfG, B.v. 1.10.2008 – 1 BvR 2466/08 – juris Rn. 13; Külpmann in Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Auflage 2017, § 39 Rn. 760) nur ausnahmsweise vorliegen wird (vgl. Decker in Simon/Busse, BayBO, Stand Oktober 2018, Art. 76 Rn. 333; Dombert in Finkelnburg/Dombert/Külpmann, a.a.O., § 58 Rn. 1301k). Bei Beseitigungsanordnungen ist deshalb regelmäßig ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. BayVGH, B.v. 28.3.2007 – 1 CS 06.3006 – juris Rn. 27). Dieses besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung ergibt sich aus dem Bescheid vom 20. November 2017 in der Fassung des Bescheids vom 10. September 2018 nicht.
a) Allein der Hinweis, ein besonderes öffentliches Interesse bestehe daran, den baurechtswidrigen Zustand in angemessener Zeit zu beseitigen, genügt hierfür nicht, weil das besondere öffentliche Interesse bei einer Baubeseitigung nach den o.g. Maßstäben über das Interesse an der Schaffung ordnungsgemäßer Zustände – auch in angemessener Zeit – hinausgehen muss (vgl. Decker in Simon/Busse, a.a.O., Art. 76 Rn. 332; Manssen in Spannowsky/Manssen, BeckOK BayBO, Stand 15.7.2018, Art. 76 Rn. 65). Die Antragsgegnerin übersieht, dass an die Anordnung der sofortigen Vollziehung einer Beseitigungsanordnung nach den o.g. Maßstäben höhere Anforderungen zu stellen sind, als beispielsweise bei einer Nutzungsuntersagung oder einer Baueinstellung, für die regelmäßig das besondere Vollzugsinteresse mit dem Interesse am Erlass des Bescheids identisch ist (vgl. Decker in SB, Art. 76 Rn. 348 und Art. 75 Rn. 109).
b) Soweit die Antragsgegnerin darauf abstellt, dass „nunmehr endgültig feststeht, dass seitens der Nachbarn nicht mit weiteren Zugeständnissen zur Erteilung von Abweichungen, Befreiungen oder Ausnahmen gerechnet werden kann“ und sie deshalb gehalten ist, die „vollständige Beseitigung oder die Rückführung des Gebäudes in einen rechtmäßigen baulichen Zustand in angemessener Zeit durchzusetzen“, kann dies ebenfalls kein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung der Beseitigungsanordnung begründen. Es mag zwar – wie oben ausgeführt – zutreffen, dass das Vorhaben im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften steht und dessen materielle Illegalität, insbesondere auch wegen fehlender Möglichkeit, auf andere Weise rechtmäßige Zustände herstellen zu können, feststeht. Diese Argumentation zielt letztlich aber auf das bloße Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen der Beseitigungsanordnung nach Art. 76 Satz 1 BayBO ab, die deren sofortige Vollziehung nicht per se zu rechtfertigen vermögen (vgl. BayVGH, B.v. 6.10.2000 – 2 CS 98.2373 – juris Rn. 17). Auch die offensichtliche Rechtmäßigkeit der Beseitigungsanordnung genügt in der Regel nicht, um deren sofortige Vollziehung zu begründen (vgl. OVG Berlin-Bbg, U.v. 17.7.2015 – OVG 10 S 14.15 – juris Rn. 19).
c) Auch soweit die Antragsgegnerin anführt, die Nachbarn wurden durch „jahrelange Verwaltungs- und Gerichtsverfahren faktisch zur Duldung der rechtswidrigen Zustände genötigt“, ergibt sich daraus kein besonderes Vollzugsinteresse. Den Antragstellern steht es – insbesondere im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG – frei, den Rechtsweg sowohl hinsichtlich der Erteilung einer Baugenehmigung als auch hinsichtlich der Anfechtung der Beseitigungsanordnung auszuschöpfen. Allein die dadurch bedingte Zeitdauer vermag daran – ohne weitere Anhaltspunkte – nichts zu ändern. Selbst wenn hieraus abzuleiten wäre, dass die Antragsgegnerin darauf abstellt, dass es sich um einen massiven Verstoß gegen die Bestimmungen des Abstandsflächenrechts handeln mag, der für das fachkundige Publikum ohne weiteres erkennbar ist, bedarf es darüber hinaus weiterer Anhaltspunkte zur Begründung des besonderen Vollzugsinteresses (vgl. BayVGH, B.v. 9.11.1998 – 2 ZS 98.2043 – juris Rn. 7).
d) Ein Anhaltspunkt, der die Vorwegnahme der Hauptsache zu rechtfertigen vermag, kann zwar in einer negativen Vorbildwirkung gesehen werden, auf die sich die Antragsgegnerin ebenfalls beruft. Im Hinblick auf die o.g. Maßstäbe genügt jedoch eine lediglich abstrakte Bezugsfallwirkung nicht (vgl. Decker in SB, Art. 76 Rn. 335; Molodovsky/Waldmann in Molodovsky/Famers/Waldmann, BayBO, Stand 10.7.2018, Art. 76 Rn. 131). Eine konkrete Nachahmungsgefahr ist bei den gegebenen Umständen im wohl vollständig bebauten Baugebiet auf Grundlage des Bebauungsplans Nr. E 14 aus dem Jahr 1984 weder vorgetragen noch ersichtlich (vgl. OVG MV, B.v. 6.2.2008 – 3 M 9/08 – juris Rn. 12). Auch ist – im Hinblick auf den seit längerem bestehenden Bauzustand der Garage – nicht ersichtlich oder vorgetragen, dass die Schaffung vollendeter Tatsachen oder eine weitere Verfestigung der rechtswidrigen Nutzung verhindert sowie den Antragstellern die sofortige Durchsetzung der Beseitigungsanordnung mit Nachdruck vor Augen geführt werden müsste.
Die Antragsgegnerin hat sich hier ersichtlich nicht mit den Fallgruppen, die eine sofortige Vollziehung rechtfertigen können, auseinandergesetzt oder sich hieran argumentativ und auf den konkreten Einzelfall abstellend orientiert (vgl. Decker in Simon/Busse, a.a.O., Art. 76 Rn. 334 ff.; OVG MV, B.v. 6.2.2008 – 3 M 9/08 – juris Rn. 5 ff.). Soweit das Verwaltungsgericht darauf abstellt, dass im Hinblick auf die Möglichkeit eines Teilrückbaus nach summarischer Prüfung kein wesentlicher Substanzverlust durch die Beseitigung drohe, erscheint dies angesichts des Umfangs der Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften und den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. E 14 der Antragsgegnerin zumindest fraglich. Unabhängig davon ist es nicht Aufgabe des Gerichts, über den vorhandenen Akteninhalt hinaus weitere Tatsachen zu ermitteln, die die Anordnung des Sofortvollzugs tragen (vgl. BayVGH, B.v. 23.11.1984 – 26 CS 84 A.1329 – BRS 42 Nr. 221), zumal die Antragsgegnerin hierzu weder in der Anordnung oder im Bescheid noch im gerichtlichen Verfahren Ausführungen gemacht hat, noch Angaben hierzu vorliegen oder offensichtlich sind (vgl. zu möglichen Fallgruppen: Decker in Simon/Busse, a.a.O., Art. 76 Rn. 343).
4. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung bleibt erfolglos.
Die Zwangsgeldandrohung nach Art. 31, 36 VwZVG in Nummer II. des Bescheids vom 20. November 2017 in der Fassung des Bescheids vom 10. September 2018 ist nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 21a Satz 1 VwZVG kraft Gesetzes sofort vollziehbar. Da die Antragsgegnerin in Nummer I. des Bescheids vom 20. November 2017 in der Fassung des Bescheids vom 10. September 2018 die Erfüllungsfrist im Falle der Anordnung/Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung vom Eintritt der Unanfechtbarkeit dieses Bescheids abhängig gemacht hat, ist den Anforderungen des Art. 19 Abs. 1 VwZVG genüge geleistet. Im Übrigen sind rechtliche Mängel der Zwangsgeldandrohung weder geltend gemacht noch ersichtlich.
Im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 14 GG fällt die Interessenabwägung – trotz aller Wahrscheinlichkeit nach fehlender Erfolgsaussichten in der Hauptsache – mangels Vorliegen eines besonderen Interesses für die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Beseitigungsanordnung zugunsten der Antragsteller aus. Der bisher bereits lange Zeitablauf ändert nichts daran, dass es sowohl den Nachbarn als auch der Antragsgegnerin mangels besonderer Anhaltspunkte zumutbar erscheint, mit der Vollstreckung der Beseitigungsanordnung auch noch das Hauptsacheverfahren abzuwarten. Letztlich resultiert der Zeitablauf auch aus der von der Antragsgegnerin im Hinblick auf die Ablehnung der Tekturgenehmigung mit Bescheid vom 2. Oktober 2013 und der Anordnung der Beseitigung mit Bescheid vom 20. November 2017 gewählten getrennten Vorgehensweise.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Die Antragsteller sind mit ihrem wesentlichen Begehren der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die Beseitigungsanordnung erfolgreich. Das Unterliegen hinsichtlich der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Zwangsgeldandrohung ist demgegenüber untergeordnet (vgl. BayVGH, B.v. 25.10.2017 – 21 CS 17.1077 – juris Rn. 16).
Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5, 1.7.2 und 9.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit; sie folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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