Verwaltungsrecht

Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft

Aktenzeichen  M 21a K 19.33597

Datum:
9.12.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 32832
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 71a, § 77 Abs. 2
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7

 

Leitsatz

1. Mangels Meldewesen in Nigeria ist es unwahrscheinlich, dass der Kläger an einem anderen Ort in Nigeria außerhalb seiner Heimatregion von Mitgliedern seiner Familie aufgespürt werden kann. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die antiretrovirale Behandlung in Nigeria ist kostenlos und ist grundsätzlich allen HIV-/Aids-Patienten zugänglich. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Über den Rechtsstreit konnte auf Grund der mündlichen Verhandlung entschieden werden, obwohl die Beteiligten nicht erschienen sind. Denn in der Ladung zur mündlichen Verhandlung, die den Bevollmächtigten des Klägers ordnungsgemäß zugestellt wurde, wurde darauf hingewiesen, dass auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Die Klage ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.
Die Beklagte hat zu Recht den Asyl(zweit) antrag des Klägers als unzulässig abgelehnt und nationale Abschiebungsverbote verneint. Zur Begründung wird auf die zutreffenden Ausführungen der Beklagten im angefochtenen Bescheid, denen das Gericht folgt (§ 77 Abs. 2 AsylG), sowie auf den zwischen den Beteiligten ergangenen Beschluss nach § 80 Abs. 5 VwGO vom 15. Oktober 2019 (M 21a S 19.33605) Bezug genommen, mit dem der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage abgelehnt wurde.
Lediglich ergänzend wird darüber hinaus ausgeführt:
Es ergeben sich nach wie vor keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines nationalen Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG.
Unabhängig von der Glaubhaftigkeit der Verfolgungsgeschichte um den Erbstreit geht das Gericht davon aus, dass der Kläger – zumal nach einem Zeitablauf von mittlerweile 6 Jahren – Schutz vor Mitgliedern seiner Familie in einer anderen Region Nigerias erlangen könnte und ihm deshalb bei einer Rückkehr nach Nigeria keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK (i.V.m. § 60 Abs. 5 AufenthG) droht. Mit einer Fläche von 925.000 qkm ist Nigeria fast dreimal so groß wie Deutschland. Nach Art. 41 der Verfassung der Bundesrepublik Nigeria von 1999 steht es jedem Nigerianer frei, sich überall in Nigeria niederzulassen. Zu beachten ist darüber hinaus auch, dass in Nigeria kein Meldewesen vorhanden ist (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 21. Januar 2018, S. 27), weshalb es umso unwahrscheinlicher ist, dass der Kläger an einem anderen Ort in Nigeria außerhalb seiner Heimatregion gefunden werden kann. Dass er in einer der Millionenstädte von Mitgliedern seiner Familie aufgespürt würde, hält das Gericht daher für unwahrscheinlich.
Anspruch auf die (ausnahmsweise, vgl. die Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid zum diesbezüglichen Maßstab des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK sowie auch § 60 Abs. 7 AufenthG) Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots besteht auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Existenzsicherung des Klägers in Nigeria.
Das Gericht geht nicht davon aus, dass der Kläger im Falle seiner Rückkehr nach Nigeria (über die Schwierigkeiten hinaus, mit denen sich der ganz überwiegende Teil der nigerianischen Bevölkerung im Hinblick auf die Existenzsicherung konfrontiert sieht) in eine existenzielle Notlage geriete. Auch wenn man annimmt, dass der Kläger zusammen mit seiner Partnerin, die mit HIV infiziert ist, und seinen beiden Söhnen in sein Heimatland zurückkehrt, ist davon auszugehen, dass er das Existenzminimum für sich und seine Familie sichern könnte. Denn er verfügt über eine an nigerianischen Verhältnissen gemessen gute Schulausbildung und über Berufserfahrung in verschiedenen Bereichen. Die nigerianische Regierung hat eine kostenlose antiretrovirale Behandlung für HIV-Patienten in Nigeria eingeführt. Das National AIDS and sexuelly transmitted infections Control Programme (NASCP) umfasst sowohl kostenlose Untersuchungen als auch Behandlungen. Die Behandlung ist grundsätzlich allen HIV-/Aids-Patienten zugänglich (UK Home Office, Country Policy and Information Note Nigeria: Medical and Healthcare issues v. 28.8.2018, S. 13 f.). Bei dieser Sachlage ist auch unter Berücksichtigung der zweifellos schwierigen wirtschaftlichen, sozialen und humanitären Bedingungen, die für den Großteil der Bevölkerung Nigerias bestehen, die Befürchtung nicht gerechtfertigt, der Kläger könnte sich im Fall der Rückkehr nach Nigeria – auch unter Berücksichtigung der HIV-Infektion seiner Partnerin und zweier kleiner Kinder – keine zumindest auf niedrigem Niveau existenzsichernde Lebensgrundlage schaffen.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylG gerichtskostenfrei.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.


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