Verwaltungsrecht

Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft

Aktenzeichen  M 22 K 16.32641

Datum:
4.9.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 53781
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 17. August 2016 wird in Nr. 2 aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Das Gericht konnte trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten über die Sache verhandeln und entscheiden, da die Beklagte ordnungsgemäß geladen und in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war (vgl. § 102 Abs. 2 VwGO).
Die Klage ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg, da der Kläger Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft hat (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1. Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will.
Gemäß § 3a Abs. 1 Nr. 1 und 2 AsylG gelten Handlungen als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Nach § 3a Abs. 2 Nr. 1 AsylG kann als eine solche Verfolgung insbesondere die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt gelten.
Gemäß § 3a Abs. 3 AsylG muss zwischen den Verfolgungsgründen und den als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen. Unerheblich ist dabei aber, ob der Ausländer tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden (§ 3b Abs. 2 AsylG).
Eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung kann ausgehen (Verfolgungsakteure) vom Staat, von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen oder von nichtstaatlichen Akteuren, soweit die vorgenannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, wirksamen Schutz vor Verfolgung zu bieten (§ 3c Abs. 1 AsylG).
Der mit dem Tatbestandsmerkmal der „begründeten Furcht vor Verfolgung“ im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG (vgl. Art. 2 Buchst. d RL 2011/95/EU) beschriebene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr abstellt („real risk“; vgl. BVerwG, U.v. 1.6.2011 – 10 C 25.10 – juris). Es kommt danach darauf an, ob bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für die Annahme eines reellen Verfolgungsrisikos sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Gefordert ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung. Entscheidend ist, ob bei einer Bewertung des sich aus den gegebenen Umständen ableitbaren Verfolgungsrisikos bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann und wegen dieses Risikos eine Rückkehr nicht zumutbar erscheint (vgl. BVerwG, U.v. 5.11.1991 – 9 C 118/90 – und U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – beide in juris).
Darüber, ob die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gegeben sind – also festgestellt werden kann, dass die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung in Anknüpfung an die Konventionsmerkmale besteht -, entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Gericht muss sowohl von der Wahrheit und nicht nur von der Wahrscheinlichkeit des vom Schutzsuchenden behaupteten individuellen Schicksals als auch von der Richtigkeit der Prognose einer beachtlich wahrscheinlichen Verfolgungsgefahr die volle Überzeugung gewinnen. Es darf jedoch insbesondere hinsichtlich relevanter Vorgänge im Verfolgerland keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen und keine unumstößliche Gewissheit verlangen, sondern muss sich in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, auch wenn Zweifel nicht völlig auszuschließen sind (BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 109/84 – BVerwGE 71, 180).
2. Zur Frage der Gefahr einer Verfolgung aus Konventionsgründen – insbesondere wegen (vermuteter) regimefeindlicher Gesinnung – durch den syrischen Staat ist vorab auf Folgendes hinzuweisen:
2.1 Das syrische Regime verfügt über einen expansiven Sicherheitsapparat mit einer Vielzahl von Diensten (die unabhängig voneinander arbeiten und sich teils gegenseitig kontrollieren) mit nach Schätzungen über 50.000 hauptamtlichen Mitarbeitern und mehreren Hundertausend Mitarbeitern, die nur zeitweilig für die Dienste tätig sind. Oppositionelle Bestrebungen hat das Regime seit jeher (von kurzen Tauwetterphasen abgesehen) massiv unterdrückt. Die Verhaftung Oppositioneller, deren Verschwindenlassen sowie Misshandlungen und Folter gehörten schon vor Ausbruch des Konflikts im Jahr 2011 zur gängigen Praxis des Regimes im Umgang mit seinen Gegnern. Als Reaktion auf die Unruhen wurde die Repression nochmals dramatisch verschärft. Insbesondere wurden Zehntausende Menschen verhaftet, über deren Schicksal und Aufenthaltsort nichts bekannt ist. Es wird vermutet, dass viele in der Haft umgekommen sind. Die Sicherheitskräfte, die als omnipräsent gelten bzw. erscheinen wollen, nutzen dabei auch eine Reihe von Techniken im Vorfeld von Haft und Folter, um die Bevölkerung einzuschüchtern und sie dazu zu bringen, nach ihren Vorstellungen zu handeln. Dazu gehören Maßnahmen wie Reiseverbote, Schikanen, auch von Angehörigen, und die Bedrohung mit Haft und Folter bzw. die Androhung sonstiger Nachteile. Die Sicherheitskräfte haben dabei freie Hand, wie sie mit den Betroffenen umgehen. Irgendwelche wirksamen Schutzmechanismen gegen Übergriffe gibt es nicht. Vor diesem Hintergrund wird man davon auszugehen haben, dass Personen, die den Sicherheitskräften als Gegner des Regimes, Unterstützer der Opposition bzw. einer der Rebellenfraktionen bekannt sind bzw. bei denen dies vermutet wird oder denen aus sonstigen Gründen eine illoyale Haltung gegenüber dem Regime unterstellt wird, grundsätzlich Gefahr laufen, Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt zu sein. Obwohl das Agieren der Sicherheitskräfte häufig von Willkür geprägt ist, lassen die dem Gericht vorliegenden Informationen allerdings nicht die Einschätzung zu, dass jeder Syrer, soweit dieser nicht als Unterstützer des Regimes bekannt ist, ohne weiteres mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit konventionsrelevanten Verfolgungsmaßnahmen zu rechnen hätte, insbesondere im Hinblick auf Umstände, die für sich alleine nicht geeignet sein dürften, den Verdacht einer regimefeindlichen Gesinnung zu begründen. Ersichtlich ist das Regime bemüht, eine latente Drohkulisse aufrechtzuerhalten, um systemkonformes Verhalten zu erzwingen; ihm ist daneben aber auch daran gelegen, ein weitgehend normales Alltagsleben in den von ihm beherrschten Gebieten zu gewährleisten, um sich die Unterstützung der Bevölkerung zu erhalten bzw. diese wiederzugewinnen (allgemein zu den Verhältnissen in Syrien Auswärtiges Amt – AA – Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien vom 13.11.2018: zur politischen Verfolgung siehe S. 23; zur Menschenrechtslage – Folter und willkürliche Verhaftungen siehe S. 14 ff.; zu den Haftbedingungen siehe S. 18; AA, Stellungnahme der Botschaft Beirut vom 3.2.2016; AA, Ad hoc-Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Arabischen Republik Syrien vom 17.02.2012: zu Repressionsmaßnahmen gegen echte und vermeintliche Oppositionelle allgemein siehe S. 7 f.; zur Beobachtung exilpolitischer Aktivitäten durch syrische Geheimdienste siehe S. 10; zum Vorgehen der Sicherheitskräfte siehe Österreichisches Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl – BFA -, Länderinformationsblatt Syrien, Gesamtaktualisierung 25.1.2018, insbesondere S. 34 ff., 50 ff. und 80 ff.; UNHCR, Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, 4. aktualisierte Fassung vom November 2015; UNHCR, Feststellung des internationalen Schutzbedarf von Asylsuchendenden aus Syrien – „illegale Ausreise“ und verwandte Themen, Februar 2017; AI-Jahresberichte 2012 bis 2017; US-Außenministerium, Länderbericht zur Menschenrechtslage in Syrien 2016; Schweizerische Flüchtlingshilfe – SFH -, Syrien: Rückkehr, 21.3.2017; amnesty international, Stellungnahme an den HessVGH vom 20.09.2018).
2.2 Hinsichtlich der Handhabung der Wehrpflicht und des Umgangs mit Wehrdienstentziehern stellt sich die Situation aktuell wie folgt dar:
In Syrien besteht allgemeine Wehrpflicht ab 18 Jahren bis zum Alter von zumindest 42 Jahren (AA, Lagebericht vom 13.11.2018, S. 11 ff.). Es liegen aber auch Berichte vor, wonach das Alter für den Dienst als Reservist mittlerweile auf 45 Jahre oder älter angehoben wurde, wobei es hierzu keine offizielle Regelung zu geben scheint. Je nach Gebiet und Fall sollen Reservisten auch im Alter von 50 bis 60 Jahren noch zum aktiven Dienst einberufen werden (SFH, Syrien: Zwangsrekrutierung, Wehrdienstentzug, Desertion vom 23.03.2017, S. 4 f.; BFA, Länderinformationsblatt Syrien, vom 05.01.2017, S. 24). Anlass hierfür dürften die erheblichen Verluste auf Seiten des syrischen Militärs in den ersten Kriegsjahren gewesen sein. 2019 soll nach einer Ankündigung des Generalstabs die Demobilisierung des Einberufungsjahres 2010 erfolgen (vgl. Reuters vom 10.12.2018, „Syrian army demobilises some conscripted, reservist officers“; Newsfront vom 01.01.2019, „Syrien: Generalstab kündigt Demobilisierung für im Jahr 2010 Einberufene an“), was aber nicht als Indiz dafür gewertet werden kann, dass der Personalbedarf des Militärs absehbar erheblich zurückgehen könnte. Realistischerweise ist davon auszugehen, dass das Regime weiterhin bemüht sein wird, die Mannschaftsstärke so hoch wie möglich zu halten. Junge Männer im Alter von 17 Jahren sind dazu aufgerufen, sich ihr Militärbuch abzuholen und sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen (BFA, Länderinformationsblatt Syrien, vom 25.01.2018, S. 38). 18-Jährige sind gehalten, sich selbständig bei dem zuständigen Rekrutierungsbüro zu melden oder sie werden von der lokalen Polizei vorgeladen. Wer sich nicht meldet, wird auf die Liste der Wehrdienstentzieher gesetzt (SFH, Syrien: Vorgehen der syrischen Armee bei der Rekrutierung, vom 18.01.2018, S. 1 f.). Bereits im März 2012 wurde eine Quasi-Reisesperre für Männer im wehrdienstpflichtigen Alter erlassen. Die Ausreise bedarf danach der Bewilligung durch die Armee. Darüber hinaus ist eine Kaution zu hinterlegen (vgl. SFH vom 23.03.2017, S. 13 f.). Insbesondere seit 2014 wurden die Mobilisierungsmaßnahmen für Rekruten und Reservisten erheblich intensiviert (SFH vom 23.03.2017, S. 2 f.; SFH, Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee, vom 28.03.2015, S. 2 ff.). Es kommt auch immer wieder zu Verhaftungskampagnen und Razzien mit dem Ziel, wehrdiensttaugliche Männer zwangszurekrutieren und Wehrdienstentzieher bzw. Deserteure aufzugreifen. Dabei sind auch Fälle von Folter dokumentiert (SFH vom 28.03.2015, S. 2 ff.; SFH vom 23.03.2017, S. 6 ff.; BFA vom 05.01.2017, S. 23; AA, Lagebericht vom 13.11.2018, S. 11). Die Strafpraxis in Fällen der Wehrdienstentziehung und bei Desertion ist soweit ersichtlich durchgängig von Willkür geprägt (vgl. SFH vom 23.03.2017, S. 10 ff. und vom 18.01.2018, S. 7 f.). Aktuell ist auch kein Amnestiedekret in Kraft, wobei anzumerken ist, dass entsprechende „Angebote“ seitens der Betroffenen bislang nicht in nennenswertem Umfang angenommen wurden (zum letzten Amnestiedekret vgl. UNHCR, The Refugee Brief vom 10.10.2018, „Syria offers amnesty to army deserters“).
Es ist weiter davon auszugehen, dass jeder über eine offizielle Grenzstelle zurück kehrende Syrer den obligatorischen Einreisekontrollen der syrischen Sicherheitskräfte unterzogen wird und diese anhand von Datenbanken bzw. Kontrolllisten u.a. darüber informiert sind, ob die betreffende Person Wehrpflichtiger oder Reservist ist bzw. ob sie sich dem Wehrdienst entzogen hat.
Generell gilt im Übrigen, dass Rückkehrer der Willkür der Grenzbeamten schutzlos ausgeliefert sind.  Zurückkehrende Männer im wehrdienstpflichtigen Alter sind, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, in besonderem Maße gefährdet, von den Sicherheitskräften am Flughafen und anderen Grenzübergängen zeitweilig inhaftiert, misshandelt oder gefoltert zu werden (SFH vom 21.03.2017, Syrien: Rückkehr, S. 7 ff.; BFA vom 05.01.2017, 41 f.; AA, Lagebericht vom 13.11.2018, S. 21 f. und 23).
3. Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse und unter Berücksichtigung der glaubhaften Einlassung des Klägers steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass dieser die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft beanspruchen kann.
Der Kläger hat Syrien mit 19 Jahren und damit im wehrdienstpflichtigen Alter verlas sen. Er hat sich aufgrund seiner Ausreise und des damit verbundenen Verbleibs im Ausland dem Pflichtwehrdienst entzogen; dass er diesen vor seiner Ausreise noch nicht angetreten hat, obwohl er die Altersgrenze hierfür bereits erreicht hatte, hat der Kläger nachvollziehbar dadurch erklärt, dass er in einem Gebiet gelebt hat, dass unter der Kontrolle der Rebellen stand. Nach den oben unter 3.2 dargelegten Erkenntnissen wäre folglich damit zu rechnen, dass ihm, sollte er nach Syrien zurückkehren müssen, bei einem Kontakt mit den Sicherheitsbehörden beachtlich wahrscheinlich eine menschenrechtswidrige Behandlung im Sinne von § 3a Abs. 1 und 2 AsylG (neben der gleichfalls zu erwartenden Zwangsrekrutierung) drohen würde. Unter Berücksichtigung der den Konflikt wesentlich mitprägenden Umstände – vor allem der seit jeher bestehenden Unduldsamkeit des syrischen Regimes gegenüber als oppositionell eingestuften Bestrebungen oder auch nur Meinungen sowie der Politik des Regimes, Bevölkerungsgruppen mit Blick auch auf Umstände, die dies nicht nahelegen, mangelnde Unterstützung zu unterstellen (siehe dazu UNHCR vom November 2015, S. 12 ff.) – drängt sich weiter auch die Annahme auf, dass der syrische Staat wehrdienstpflichtigen Männern, die unerlaubt ausgereist sind bzw. sich länger insbesondere im westlichen Ausland aufgehalten haben, eine illoyale, politisch oppositionelle Haltung unterstellen wird (dies ausdrücklich feststellend UNHCR vom Februar 2017, S. 23 mit Fußnote 113; siehe auch AA, Lagebericht vom 13.11.2018, S. 21 zur Haltung der Sicherheitsbehörden gegenüber Rückkehrern), und zwar ungeachtet des Umstands, ob die Absicht, sich dem Wehrdienst zu entziehen, der Grund für das Verlassen des Landes war und, so dies der Fall gewesen sein sollte, dass sicherlich eine Vielzahl der Betroffenen primär von nicht politischen Motiven zu ihrem Handeln bewogen wurde und dies den syrischen Behörden natürlich auch bekannt ist. Die dem Kläger drohende menschenrechtswidrige Behandlung würde damit zumindest auch der Einschüchterung und der Bestrafung für die unterstellte regimefeindliche Gesinnung dienen, sodass auch eine Verknüpfung zwischen den Verfolgungsgründen und den als Verfolgung eingestuften Handlungen im Sinne von § 3a Abs. 3 AsylG gegeben wäre (eine Verfolgungsgefahr bei Wehrdienstentziehern je nach den Umständen bejahend BayVGH, U.v. 12.12.2016 – 21 B 16.30372 -; U.v. 14.2.2017 – 21 B 16.31001 -; HessVGH, U.v. 26.07.2018 – 3 A 809/18.A -; U.v. 6.6.2017 – 3 A 747/17.A -; OVG Sachsen, U.v. 7.2.2018 – 5 A 1245/17.A; OVG Thüringen, U.v. 15.6.2018 – 3 KO 163/18 -; a.A. nunmehr auch der BayVGH, U.v. 12.4.2019 – 21 B 18.32459 -; VGH BW, U.v. 23.10.2018 – A 3 S 791/18 -; OVG NRW, U.v. 4.5.2017 – 14 A 2023/16.A -; OVG Saarl. U.v. 2.2.2017 – 2 A 515/16 -; OVG RhPf, U.v. 16.12.2016 – 1 A 10920/16.OVG -; OVG SH, U.v. 4.5.2018 – 2 LB 17/18 -; zur Zuerkennung subsidiären Schutzes bei dieser Fallgruppe siehe VGH BW, U.v. 27.3.2019 – A 4 S 335/19 – alle in juris).
Eine interne Schutzmöglichkeit für Rückkehrer (vgl. § 3e AsylG) besteht derzeit in Syrien nicht (siehe dazu die oben angeführten Erkenntnismittel, die auf die aktuelle Situation in Syrien eingehen).
Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass der Annahme bzw. förmlichen Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft einer der Ausnahmetatbestände des § 3 Abs. 2 oder 3 bzw. des § 3 Abs. 4 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 8 Satz 1 oder Satz 3 AufenthG entgegenstehen könnte.
Im Ergebnis ist danach festzustellen, dass der Kläger Flüchtling im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG ist und er die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 4 AsylG beanspruchen kann.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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