Verwaltungsrecht

Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aufgrund religiöser Verfolgung

Aktenzeichen  9 ZB 17.30771

Datum:
9.11.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 133342
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7

 

Leitsatz

1 Für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aufgrund drohender religiöser Verfolgung ist maßgeblich, dass der Ausländer eine bestimmte Glaubensbetätigung lebt und ihm deshalb Verfolgung oder erhebliche Diskriminierung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Ausländer muss darlegen, dass die verfolgungsträchtige Glaubensbetätigung für ihn persönlich nach seinem Glaubensverständnis ein zentrales Element seiner religiösen Identität bildet und in diesem Sinne für ihn unverzichtbar ist. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
3 Die Tatsache, dass der Ausländer die unterdrückte religiöse Betätigung seines Glaubens für sich selbst als verpflichtend empfindet, um seine religiöse Identität zu wahren, muss der Asylbewerber zur vollen Überzeugung des Gerichts nachweisen. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 1 K 16.31524 2017-04-05 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Der Kläger ist türkischer Staatsangehöriger und seinen Angaben nach armenischer Volks- und christlicher Glaubenszugehörigkeit. Mit Urteil vom 5. April 2017 wies das Verwaltungsgericht seine auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus und hilfsweiser Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5, 7 AufenthG beschränkte Asylklage ab. Hiergegen richtet sich der Antrag auf Zulassung der Berufung des Klägers. Er macht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.
Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine klärungsfähige und klärungsbedürftige Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird. Erforderlich ist die Formulierung einer konkreten Tatsachen- oder Rechtsfrage und das Aufzeigen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich und klärungsbedürftig ist, sowie weshalb dieser Frage eine allgemeine über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung zukommt (vgl. BayVGH, B.v. 8.8.2017 – 9 ZB 17.30994 – juris Rn. 2 m.w.N.; Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 72). Die vom Kläger aufgeworfene Frage, „ob aufgrund des am 15. Juli 2016 fehlgegangenen Staatsstreichs gegen den Präsidenten Erdogan in der Türkei von einer neuen Sachlage auszugehen ist, die eine andere rechtliche Bewertung erforderlich macht“, ist hier nicht entscheidungserheblich.
Für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aufgrund drohender religiöser Verfolgung ist maßgeblich, dass der Kläger eine bestimmte Glaubensbetätigung lebt und ihm deshalb Verfolgung oder erhebliche Diskriminierung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht (Marx, AsylG, 9. Aufl. 2017, § 3b Rn. 8). Der Kläger muss darlegen, dass die verfolgungsträchtige Glaubensbetätigung für ihn persönlich nach seinem Glaubensverständnis ein zentrales Element seiner religiösen Identität bildet und in diesem Sinne für ihn unverzichtbar ist (vgl. BVerwG, B.v. 25.8.2015 – 1 B 40.15 – juris Rn. 11). Die Tatsache, dass er die unterdrückte religiöse Betätigung seines Glaubens für sich selbst als verpflichtend empfindet, um seine religiöse Identität zu wahren, muss der Asylbewerber zur vollen Überzeugung des Gerichts nachweisen (BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23.12 – juris Rn. 30; Marx, a.a.O. m.w.N.).
Bereits das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat in seinem Bescheid vom 14. Juni 2016 angeführt, dass keinerlei Anhaltspunkte vorliegen, die auf eine identitätsprägende religiöse Überzeugung beim Kläger schließen lassen. Das Verwaltungsgericht hat sodann in den Urteilsgründen umfassend ausgeführt, dass die Behauptung des Klägers, er sei wegen seines christlichen Glaubens gefährdet, unglaubwürdig ist und hierbei zahlreiche Ungereimtheiten, Ungenauigkeiten und Lücken im Vortrag des Klägers angeführt (UA S. 8 ff.). Damit ist die vom Kläger aufgeworfene Frage für das vorliegende Verfahren nicht entscheidungserheblich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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