Verwaltungsrecht

Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für konvertierten Zoroastrier aus dem Iran

Aktenzeichen  W 8 K 20.30746

Datum:
25.1.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 2878
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3, § 28, § 71 Abs. 1
VwVfG § 51
GG Art. 16a Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1. Die gesetzliche Missbrauchsvermutung des § 28 Abs. 2 AsylG ist widerlegt, wenn der Asylbewerber den Verdacht ausräumen kann, er habe Nachfluchtaktivitäten nach Ablehnung des Erstantrags nur oder aber hauptsächlich mit Blick auf die erstrebte Flüchtlingsanerkennung entwickelt oder intensiviert. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Aufgrund der aktuellen Lage besteht im Iran für (christliche) Konvertiten, die ihren Glauben in Gemeinschaft mit anderen oder sonst öffentlichkeitswirksam ausüben, die beachtliche Gefahr von Verfolgungshandlungen. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
3. Im Iran droht eine Verfolgung für Zoroastrier, wenn der ehemalige Moslem und nun Konvertierte öffentlich als Anhänger des Zarathustra-Glaubens in Erscheinung tritt etwa, wenn er zur Glaubensausübung Gotteshäuser bzw. entsprechende kultische Stätten (Feuerstellen) besucht oder anderen mitteilt, dass er als ehemaliger Muslim zum Zarathustra-Glauben konvertiert ist und andere mit den aus seiner Sicht bestehenden Vorteilen des neuen Glaubens bekannt macht und so für seinen neuen Glauben wirbt. (Rn. 21 – 38) (redaktioneller Leitsatz)
4. Eine drohende Verfolgung wegen einer Religionskonversion ist flüchtlingsrelevant, wenn der Betreffende eine gewisse religiöse Verhaltensweise als für sich verpflichtend empfindet, um sein religiöses Selbstverständnis und seine Identität zu wahren, und diese Verhaltensweise bei einer Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu Verfolgungsmaßnahmen führt, gerade wenn der Abkehr vom Islam und die Hinwendung zum Zarathustra-Glauben aktiv und in der Öffentlichkeit ausgeübt werden soll und dies als prägender Bestandteil der eigenen Lebensauffassung zu verstehen ist. (Rn. 39 – 48) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Nummern 1 und 3 bis 5 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 10. Juni 2020 werden aufgehoben.
Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die Klage, über die entschieden werden konnte, obwohl nicht alle Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erschienen sind (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig und – im tenorierten Umfang – begründet. Im Übrigen ist sie unbegründet.
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 10. Juni 2020 ist in seinen Nummern 1 und 3 bis 5 rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 AsylG). Aus diesem Grund war der streitgegenständliche Bescheid insoweit aufzuheben. Über die hilfsweise gestellten Anträge zum subsidiären Schutz (§ 4 AsylG) bzw. zu den nationalen Abschiebungsverboten (§ 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG) war nicht zu entscheiden.
Im Ergebnis war ein weiteres Asylverfahren durchzuführen (vgl. § 71 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 51 VwVfG). Die Beklagte hat dies ebenfalls im Hinblick auf die in Deutschland erfolgte und durch die Initiationszeremonie am 17. August 2019 mittlerweile manifestierte Konversion vom Islam zum Zarathustra-Glauben bejaht. Darauf kann Bezug genommen werden (siehe dazu etwa auch VG Würzburg, U.v. 4.3.2019 – W 8 K 18.32447 – juris Rn. 27, 36 und 39 – UA S. 9, 12 und 14 im Erstverfahren).
Die Klage ist indes unbegründet, soweit sie sich auf Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheides bezieht. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter. Abgesehen davon, dass er über einen Mitgliedsstaat der Europäischen Union eingereist ist (vgl. Art. 16a Abs. 1 Satz 1 GG), wird gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 AsylG ein Ausländer in der Regel nicht als Asylberechtigter anerkannt, wenn die Gefahr politischer Verfolgung auf Umstände beruht, die er nach Verlassen seines Herkunftslandes aus eigenen Entschluss geschaffen hat, es sei denn, dieser Entschluss entspricht einer festen bereits im Herkunftsland erkennbar betätigten Überzeugung. Am Letzteren fehlt es. Insoweit kann auf die Ausführungen im Erstverfahren und im Urteil vom 4. März 2019 verwiesen werden. Dort ist insbesondere schon ausgeführt, dass es beim Kläger zunächst nur um Recherchen und um eine gewisse Neigung zum Zarathustra-Glauben ging. Die angegebene Neigung ist aber etwas anderes als ein ernsthafter und nachhaltiger Glaubenswandel und einer festen bereits im Herkunftsland erkennbar betätigten Überzeugung. Dem Kläger ist es zum damaligen Zeitpunkt primär noch darum gegangen, sich zu informieren (VG Würzburg, U.v. 4.3.2019 – W 8 K 18.32447 – juris Rn. 36 ff. – UA S. 12 f.).
§ 28 AsylG steht hingegen der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht entgegen. Nach § 28 Abs. 1a AsylG kann sich ein Kläger (oder eine Klägerin) bei der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft auch auf Umstände stützen, die nach Verlassen seines Herkunftslandes entstanden sind. Dabei ist die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft auch nicht nach § 28 Abs. 2 AsylG ausgeschlossen. Hiernach kann einem Ausländer, welcher nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines Asylantrags erneut einen Asylantrag stellt und diesen auf Umstände stützt, die er nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Antrags selbst geschaffen hat, in einem Folgeverfahren in der Regel die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt werden. Zwar handelt es sich auch im Fall religiöser Aktivitäten infolge des Religionswechsels vom Islam zu einem anderen Glauben nach der Ankunft in Deutschland um einen selbstgeschaffenen Nachfluchtgrund. Das Gericht geht jedoch davon aus, dass im vorliegenden Fall eine Ausnahme vom gesetzlichen Regelfall vorliegt. Zwar werden durch die Vorschrift des § 28 Abs. 2 AsylG Nachfluchtgründe regelhaft unter Missbrauchsverdacht gestellt. Durch diese Regelung soll der Anreiz genommen werden, nach unverfolgter Ausreise und abgeschlossenem Asylverfahren aufgrund neu geschaffener Nachfluchtgründe ein Asylverfahren zu betreiben, um damit einen dauerhaften Aufenthalt zu erlangen (BT-Drs. 15/420, 109 f.). Die gesetzliche Missbrauchsvermutung ist aber widerlegt, wenn der Asylbewerber den Verdacht ausräumen kann, er habe Nachfluchtaktivitäten nach Ablehnung des Erstantrags nur oder aber hauptsächlich mit Blick auf die erstrebte Flüchtlingsanerkennung entwickelt oder intensiviert. Die Beurteilung, ob der Kläger gute Gründe vorgebracht hat, ist eine dem Tatsachengericht vorbehaltene Frage der Sachverhalts- und Beweiswürdigung im Einzelfall. Hierzu ist die Persönlichkeit des Asylbewerbers und dessen Motivation für seine nun aufgenommenen Aktivitäten vor dem Hintergrund seines bisherigen Vorbringens und seines Vorfluchtschicksals einer Gesamtwürdigung zu unterziehen (BVerwG, B.v. 31.1.2014 – 10 B 5/14 – juris; U.v. 18.12.2008 – 10 C 27.07 – BVerwGE 133, 31). Eine Ausnahme vom Regelfall des § 28 Abs. 2 AsylG liegt insbesondere dann vor, wenn ein Ausländer nach Abschluss des Asylerstverfahrens aufgrund einer ernsthaften inneren und identitätsprägenden Überzeugung seine Konfession wechselt. In einem Fall des Glaubenswechsels aufgrund einer tiefen, inneren Glaubensüberzeugung ist ein bloßes asyltaktisches und somit missbräuchliches Verhalten des Antragstellers nämlich ausgeschlossen (vgl. OVG Rh-Pf, U.v. 29.8.2007 – 1 A 1007/4/06; HessVGH, U.v. 18.9.2008 – 8 UE 858.06.A; Funke-Kaiser, GK-AsylG, Bd. 2, 115. Lfg. v. 1.3.2018, § 28 Rn. 39; Bergmann in Renner/Bergmann/Dienelt, AuslR, 13. Aufl. 2020, § 28 AsylG Rn. 17).
Konkret für den Kläger spricht sein persönlicher Eindruck in der mündlichen Verhandlung am 25. Januar 2021 sowie sein weiteres Vorbringen laut Behördenakte. Der Kläger hat seine Beweggründe offengelegt und glaubhaft gemacht, sodass von einer ehrlichen und ernsthaften, nicht asyltaktisch geprägten Konversion auszugehen ist, wie im Folgenden noch näher dargelegt wird.
Unter Berücksichtigung der aktuellen abschiebungsrelevanten Lage im Iran hat der Kläger einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG.
Gemäß §§ 3 ff. AsylG darf ein Ausländer in Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit oder seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Eine Bedrohung liegt dann vor, wenn anknüpfend an Verfolgungsgründe wie die Religion (vgl. dazu Art. 10 Abs. 1 Buchst. b der RL 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 – so genannte Anerkennungsrichtlinie oder Qualifikationsrichtlinie bzw. § 3b AsylG) Verfolgungshandlungen im Sinne von Art. 9 der Anerkennungsrichtlinie mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (§ 3a AsylG). Eine schwerwiegende Verletzung der Religionsfreiheit kann eine Verfolgungshandlung darstellen, wenn der Betreffende auf Grund der Ausübung dieser Freiheit tatsächlich Gefahr läuft, verfolgt oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Dabei ist es nicht zumutbar, von seinen religiösen Betätigungen Abstand zu nehmen, um nicht verfolgt zu werden (EuGH, U.v. 5.9.2012 – C-71/11 und C-99/11 – ABl. EU 2012, Nr. C 331 S. 5 – NVwZ 2012, 1612).
Nach Überzeugung des Gerichts besteht für den Kläger aufgrund seiner Konversion vom Islam zum Zarathustra-Glauben eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit bei einer Rückkehr in den Iran.
Denn aufgrund der aktuellen Lage, welche sich aus den in den Verfahren eingeführten Erkenntnismitteln ergibt, besteht im Iran für (christliche) Konvertiten, die ihren Glauben in Gemeinschaft mit anderen oder sonst öffentlichkeitswirksam ausüben, die beachtliche Gefahr von Verfolgungshandlungen. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichts (vgl. im Einzelnen VG Würzburg, U.v. 11.7.2012 – W 6 K 11.30392) sowie verschiedener Bundes- bzw. Obergerichte (vgl. BayVGH, U.v. 19.10.2020 – 14 B 19.32048 – BeckRS 2020, 34047; B.v. 26.2.2020 – 14 ZB 19.31771 – juris; B.v. 16.1.2020 – 14 ZB 19.30341 – juris; B.v. 9.5.2019 – 14 ZB 18.32707 – juris; B.v. 6.5.2019 – 14 ZB 18.32231 – juris; U.v. 25.2.2019 – 14 B 17.31462 – juris; B.v. 19.7.2018 – 14 ZB 17.31218; B.v. 9.7.2018 – 14 ZB 17.30670 – juris; B.v. 16.11.2015 – 14 ZB 13.30207 – juris sowie OVG SH, B.v. 11.11.2020 – 2 LA 35/20 – juris, U.v. 24.3.2020 – 2 LB 20/19 – juris; Thür OVG, U.v. 28.5.2020 – 3 KO 590/13 – juris; BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 3.4.2020 – 2 BvR 1838/15 – NVwZ 2020, 950; OVG NRW, B.v. 19.2.2020 – 6 A 1502/19.A – juris; B.v. 2.1.2020 – 6 A 3975/19.A – juris; B.v. 21.10.2019 – 6 A 3923/19.A – juris; B.v. 15.2.2019 – 6 A 1558/18.A – juris; B.v. 28.6.2018 – 13 A 3261/17.A – juris; U.v. 7.11.2012 – 13 A 1999/07.A – DÖV 2013, 323; U.v. 30.7.2009 – 5 A 982/07.A – EzAR-NF 62 Nr. 19; HessVGH, U.v. 18.11.2009 – 6 A 2105/08.A – ESVGH 60, 248; SächsOVG, U.v. 3.4.2008 – A 2 B 36/06 – juris; OVG Saarl, U.v. 26.6.2007 – 1 A 222/07 – InfAuslR 2008, 183 – jeweils m.w.N.) unterliegen iranische Staatsangehörige, die vom Islam zum Christentum konvertiert sind, bereits dann mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung im Sinne des Art. 9 der Anerkennungsrichtlinie, wenn sie im Iran lediglich ihren Glauben außenwirksam ausüben und an öffentlichen Riten teilnehmen. Erforderlich und ausreichend dafür ist, dass eine konvertierte Person im Iran nach außen erkennbar eine missionarische Tätigkeit entfalten, eine herausgehobene Rolle einnehmen, in Ausübung ihres Glaubens an öffentliche Riten, wie etwa Gottesdiensten teilnehmen, oder zumindest ihren neu angenommenen Glauben – und die damit verbundene Abkehr vom Islam – entsprechend ihrer christlichen Prägung sonst aktiv nach außen zeigen will bzw. nur gezwungenermaßen, unter dem Druck drohender Verfolgung auf eine Glaubensbetätigung verzichten würde. Der Glaubenswechsel muss dabei weiter auf einer festen Überzeugung und einem ernst gemeinten religiösen Einstellungswandel beruhen und nunmehr die religiöse Identität prägen. Die betreffende Person muss eine eigene ernsthafte Gewissensentscheidung getroffen haben und sie muss auf der Basis auch gewillt sein, ihre christliche Religion auch in ihrem Heimatstaat auszuüben. Das Gericht muss daher überzeugt sein, dass die Person die unterdrückte religiöse Betätigung ihres Glaubens für sich selbst als verpflichtend zur Wahrung ihrer religiösen Identität empfindet (vgl. etwa VG Würzburg, U.v. 7.12.2020 – W 8 K 20.30484 – BeckRS 2020, 39890; U.v. 2.11.2020 – W 8 K 20.30740 – juris; BayVGH, U.v. 19.10.2020 – 14 B 19.32048 – BeckRS 2020, 34047; jeweils m.w.N.).
Die vorstehenden Ausführungen, die sich vorwiegend mit der Konversion zum Christentum befassen, gelten in gleicher Weise für Moslems, die von ihrem islamischen Glauben abfallen und sich einer anderen Religion, wie hier dem Zarathustra-Glauben, zuwenden.
Denn die Erkenntnislage stellt sich gerafft im Wesentlichen wie folgt dar:
Der Zarathustra-Glauben gehört im Iran zu den „Buchreligionen“. Zoroastrier können ihren Glauben in den jeweiligen Gemeinden relativ frei ausüben, jegliche Missionstätigkeit kann jedoch verfolgt und mit der Todesstrafe bestraft werden. Muslimen ist es verboten, zu konvertieren sowie an Gottesdiensten anderer Religionen teilzunehmen (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran vom 26.2.2020, Stand: Februar 2020, S. 12 und 13 f.).
Der Islam mit über 90% der Bevölkerung ist im Iran Staatsreligion. Gleichwohl dürfen die Zoroastrier ihren Glauben im Land relativ frei ausüben. Sie genießen eine gewisse Autonomie, aber auch anerkannte religiöse Minderheiten werden diskriminiert. Ihnen ist jegliche Missionstätigkeit untersagt. Die Behörden zwingen Personen aller Glaubensrichtungen einen Kodex für das Verhalten in der Öffentlichkeit auf, der auf einer strikten Auslegung des schiitischen Islams gründet. Anerkannten Gemeinden ist untersagt, Konvertierte zu unterstützen. Personen, die sich zum Atheismus bekennen, können willkürlich festgenommen, inhaftiert, gefoltert und anderweitig misshandelt werden. Sie laufen Gefahr, zum Tode verurteilt zu werden. Die Konversion vom Islam zu einer anderen Religion ist verboten. Die Apostasie (Religionswechsel weg vom Islam) ist aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten islamischen Jurisprudenz verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht, wobei allein wegen der Konversion keine Gerichtsverfahren durchgeführt werden. Verfolgung erfolgt im Zusammenhang mit anderen Delikten. Im Iran Konvertierte nehmen von öffentlicher Bezeugung ihrer Konversion naturgemäß Abstand und treten weiterhin in der Öffentlichkeit als Muslime auf. Die Tragweite der Konsequenzen für die, die im Ausland konvertiert sind und in den Iran zurückkehren, hängt von der religiösen Einstellung des Umfeldes ab. Jedoch wird von familiärer Ausgrenzung berichtet sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden. Ob jemand verfolgt wird, hängt davon ab, ob die durchgeführten Aktivitäten aus dem Ausland bekannt werden. Eine Konversion und ein anonymes Leben als Konvertierter allein führen nicht zur Verhaftung. Wenn der Konversion aber andere Aktivitäten nachfolgen, wie z.B. Missionierung oder das Unterrichten von anderen Personen im Glauben, dann kann dies zum Problem werden. Konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf ihren neuen Glauben besitzen, werden den Behörden nicht bekannt und für sie auch nicht von Interesse sein. Anders ist es jedoch, wenn sie ihre Konversion öffentlich machen. Wenn keine missionarischen Tätigkeiten und keine anderen Aktivitäten gesetzt werden, werden sie in dem Regelfall nicht als Bedrohung für die nationale Sicherheit angesehen. Die Bekanntgabe einer Konversion auf Facebook allein genügt nicht zu einer Verfolgung (BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformation der Staatendokumentation Iran, vom 22.11.2020, S. 48 ff., 52 ff.).
Im Iran ist der schiitische Islam alleinige Staatsreligion. Missionierung, ebenso wie „Apostasie“, darunter Konversion vom Islam zu einer anderen Religion, werden mit hohen Strafen (bis hin zur Todesstrafe) geahndet. Zoroastrier dürfen ihren Glauben im Land frei ausüben. Im Islam werde jegliche missionarische Tätigkeit unter Strafbewährung untersagt. Es drohen für Konvertierte Strafen bis hin zur Todesstrafe. Das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit der anerkannten religiösen Minderheiten wird im täglichen Leben systematisch verletzt. Immer wieder kommt es zu Einschränkungen ihrer Freiheitsrechte. Auch stehen Nicht-Schiiten unter staatlicher Beobachtung mit dem Ziel, die Missionierung von schiitischen Iranern zu verhindern (Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, 2. Bericht der Bundesregierung zur weltweiten Lage der Religionsfreiheit, Berichtszeitraum 2018 bis 2019 vom 28.10.2020, BT-Drs. 19/23820 vom 19.10.2010, insbesondere S. 105 ff.; siehe auch Antwort der deutschen Bundesregierung, 29.5.2020, BT-Drs. 19/652, S. 3).
Nach einer Auskunft des Auswärtigen Amtes erfüllt den Tatbestand der Apostasie, wer sich als Muslim, egal welcher Glaubensrichtung vom islamischen Glauben abwendet, auch ohne sich einer anderen Religion zuzuwenden. Die Strafe bis hin zur Todesstrafe ist nicht kodifiziert, sondern beruht auf dem Recht der Scharia. Dem Auswärtigen Amt sind Fälle bekannt, in denen Personen wegen bloßer Konversionslosigkeit bzw. Abwendung vom Islam vor Gericht gestellt und verurteilt worden sind. Apostasie gilt jedoch auch als nachgewiesen, wenn ein Muslim im Iran für eine andere Religion missioniert, weil der Betreffende, um missionieren zu können, zwangsläufig zuvor vom islamischen Glauben abgefallen sein muss. Dabei wird das Missionieren selbst in keinem Paragrafen des Islamischen Strafgesetzbuchs ausdrücklich verboten, sondern durch Staatsanwälte und Richter als Propaganda bzw. Aktivität gegen die islamische Republik Iran zugunsten oppositioneller Gruppen ausgelegt. Dieser Argumentation folgend erfüllt das Missionieren selbst den Straftatbestand des § 500 des Islamischen Strafgesetzbuchs. Dem Auswärtigen Amt sind nur Fälle bekannt, in denen Apostasie im Zusammenhang mit missionarischen Aktivitäten bestraft wurde (Auswärtiges Amt, Auskunft an das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach, vom 27.11.2019).
In der islamischen Republik Iran sind 99% der ca. 82 Millionen Menschen muslimischen Glaubens. Der Rest verteilt sich auf Christen, Juden, Zoroastrier und weitere religiöse Gruppierungen. Jegliche missionarische Tätigkeit inklusive des öffentlichen Verkaufs von werbenden Publikationen und Anwerben Andersgläubiger ist verboten und wird streng bestraft. Muslimen ist es verboten, zu konvertieren sowie an Gottesdiensten anderer Religionen teilzunehmen. Die Konversion kann zu schwersten Sanktionen bis hin zur Todesstrafe führen. Auch die Missionstätigkeit unter Muslimen wird bestraft. Gerade eine Missionierung in der Öffentlichkeit (z.B. Informationsstände, öffentliche Messen und Predigten, Zeugnisse usw.) ist seit Jahrzehnten nicht möglich. Missionierende Christen beschränken sich in ihren Handlungen mit der notwendigen Vorsicht auf „Vier Augen-Gespräche“. Die Überwachung von Telekommunikation, soziale Medien und sonstigen Aktivitäten ist weit verbreitet, aber die Behörden sind nicht in der Lage, jeden zu jeder Zeit zu überwachen. Sie haben jedoch eine Atmosphäre der Angst geschaffen. Außerdem besteht die Gefahr der sozialen Folgen von Konversion, etwa von Widerständen innerhalb der eigenen Familie und auch der Denunziation. Konvertiten riskieren auch den Ausschluss aus der Familie. Die Rückkehr von Konvertiten führt nicht zwingend zur Festnahme oder Inhaftierung. Anders ist dies bei Konvertiten, die schon vor der Ausreise im Fokus der Sicherheitskräfte standen oder die im Ausland in der Öffentlichkeit für ihr christliches neues Leben bekannt wurden. Dabei genügt das Auftreten über die sozialen Medien alleine nicht. Es kommt auch auf die weiteren Umstände des Glaubenswechsels an. Im Iran besteht nur dann ein reales Risiko einer Misshandlung, wenn der Konvertit seinen Glauben in einer Art und Weise kundtut, dass dies von den iranischen Behörden als Bedrohung aufgefasst würde. Dies setzt ein gewisses Maß an öffentlicher Bekanntheit voraus. Dies gilt jedoch nicht für gewöhnliche, ihren Glauben diskret ausübende Kirchenmitglieder, die auch nicht aus anderen Gründen in das Blickfeld der Behörden geraten sind. Es macht gerade einen Unterschied, in welcher Art und Weise der Glauben nach außen sichtbar gemacht wird (siehe Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Länderreport 10 Iran, Stand: 3/2019; siehe dazu auch ACCORD, Anfragebeantwortung zum Iran, Lage vom Ausland zum Christentum konvertierter Personen vom 16.1.2020).
Um nicht mehr verfolgt zu werden sollten sich zurückkehrende Konvertiten unauffällig verhalten und auf jegliche Taten und Gesten verzichten, die als Provokation gegenüber dem iranischen Staat aufgefasst werden könnten und vor allem jegliche Missionierungstätigkeit unterlassen. Es gibt keine Probleme, sofern Rückkehrer ihre Bekehrung nicht publik machen und sich entsprechend diskret verhalten. So sind Fälle von Konvertiten bekannt, die oft mit iranischen Pässen in den Iran zurückgekehrt sind und nie ein Problem hatten. Es gibt auch umgekehrte Fälle, in denen Konvertiten ihre Bekehrung öffentlich gemacht und auch versucht haben zu missionieren. Dies ist riskant und auch schon strafrechtlich geahndet worden (BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Anfragebeantwortung der Staatendokumentation Iran, Besuch der christlichen „Consolata“-Kirche in Teheran, vom 21.12.2018; Anfragebeantwortung der Staatendokumentation Iran, Umgang mit iranischen Asylbewerbern in EU-MS im Jahr 2017, vom 26.9.2018).
Nach einer ausführlichen Darstellung der Schweizerischen Flüchtlingshilfe steht des Missionieren im Iran von muslimischen Personen unter Todesstrafe, ebenso die Apostasie. Die Konversion vom Islam zu einem anderen Glauben ist nicht erlaubt. Muslimische Staatsangehörige dürfen ihren Glauben weder ändern, noch aufgeben. Auch Familienangehörige von Konvertiten können Ziel staatlicher Schikanen sein. Des Weiteren kommt es zur Ablehnung, Druck und Bedrohung bis hin zu Denunziation und Ehrenmorden gegen Konvertierte durch Familienmitglieder. Das Risiko hängt von den näheren Umständen und dem Grad der Religiosität und den Verbindungen zu Behörden ab. Anerkannte Kirchen werden streng kontrolliert. Taufen und Kirchenbesuche von Konvertierten sind nicht erlaubt. Konvertierte müssen ihren Glauben geheim halten. Für Konvertierte, die Missionierung als wesentlichen Bestandteil ihres Glaubens erachten, ist das Risiko sehr ausgeprägt. Zurückkehrende Konvertierte sind gefährdet, wenn ihre Konversion aufgedeckt wird. Falls die Person unentdeckt bleibt, hat sie nicht die Freiheit, ihren Glauben auszuüben. Nach übereinstimmender Angaben einer Vielzahl von Quellen sind rückkehrende Konvertierte gefährdet, wenn ihre Konversion den Behörden bekannt ist oder entdeckt wird. Die Konversion wird generell als Vergehen gegen die nationale Sicherheit gewertet. Zurückkehrende Konvertierte werden etwa identifiziert, wenn sie beispielsweise eine Kirche besuchen. Wenn eine Person ihren Glauben offen ausübt, hat dies eine ernsthafte Gefährdung zur Folge, wobei es oft schwierig sein kann, den neuen Glauben vor dem Umfeld geheim zu halten. Konvertierte sind gefährdet, weil sie aus der Sicht der Behörden eine Bedrohung darstellen (weil sie den schiitischen Glauben verlassen haben). Verstärkende Faktoren für eine Gefährdung sind aktive und offene Äußerungen des Glaubens im In- und Ausland, Äußerungen in sozialen Medien, Kenntnis der iranischen Behörden vor der Ausreise, Angehörige oder Bekannte mit Verbindung zum iranischen Staat, existierende und den Behörden zugängliche Belege, Verbindung zu anderen Gläubigen oder Netzwerken. Wenn eine Konversion aufgedeckt und den Behörden bekannt wird, dann hat sich der Betreffende verdächtig gemacht (SFH, Schweizerische Flüchtlingshilfe, Iran: Gefährdung von Konvertierten, vom 7.6.2018).
Konkret zu den Zoroastriern bzw. Anhängern des Zarathustra-Glaubens finden sich noch unter anderem im Wesentlichen folgende Informationen:
In Deutschland sollen bis 700 Zoroastrier leben. In Deutschland gibt es keine zoroastrischen Tempel und Priester (Deutschlandfunk, Gut leben mit Zarathustra, vom 17.9.2020).
Der heutige Zoroastrismus existiert in sehr unterschiedlichen Ausprägungen. Dies liegt insbesondere auch an der veränderten Situation der Anhänger. Zurzeit leben – nach dieser Quelle – 25.000 Zoroastrier im Iran, davon 10.000 in der Wüstenstadt Yazd. Im Iran hat sich der Zoroastrismus zu einer stark auf Innerlichkeit ausgerichteten, sehr rationalen ethnischen Philosophie entwickelt. Im Mittelpunkt steht der Glaube an einen guten, gerechten, allwissenden Gott. Diesem guten Gott wird gedient, indem man aus freien Willen heraus gut denkt, gut spricht und gut handelt (wikipedia „Zoroastrismus“ und „Zarathustra“).
Zum Mythos der Zoroastrier im Iran trägt bei, dass man sie dort selten antrifft und sie ihren Glauben nicht nach außen tragen (Süddeutsche Zeitung, Hüter des Feuers, vom 9.1.2019).
Anhänger des Zarathustra werden – nach dieser Quelle – im Iran auf heute ca. 6.000 bis 7.000 geschätzt (1986 sollen 90.000 gewesen sein). Sie werden von den Muslimen als Feueranbeter verächtlich gemacht. Heute sind die Zoroastrier im Iran den Muslimen nicht gleichgestellt. Sie sind geduldet. Diese Duldung basiert auf dem Zugeständnis, für den Glauben nicht zu werben und nicht zu missionieren. Zoroastrier sollen möglichst unsichtbar sein, wobei bei dieser auf Vernunft, Erkenntnis und Selbstbescheidung basierenden Religionen, Missionierung oder ein offenes Auftreten ohnehin wesensfremd sind. Für diese Bescheidenheit werden Zoroastrier heute von ihren muslimischen Mitbürgern geachtet. Sie gelten als ehrlich, freundlich und gebildet (Süddeutsche Zeitung, Zarathustras letzte Feuer, vom 24.8.2018).
Im Iran sehen viele den Zoroastrismus als Alternative zum Islam. Das Regime fürchtet, dass viele Muslime den Zoroastrismus als die bessere Religion sehen und konvertieren würden, wenn das System nicht bestünde. Die Neigung zum Zoroastrismus basiert nicht auf tiefer Kenntnis der Religion. Es gibt jedoch eine stärkere Identifikation mit dem zoroastrischen Ritualen und Festen. Muslimen ist der Übertritt zum Zoroastrismus verboten (NZZ, Neue Züricher Zeitung, Zarathustras letzte Anhänger, vom 5.11.2016).
Im Iran ist die Polizei generell kooperativ und schafft den religiösen Minderheiten die Möglichkeit, ihre Rituale zu praktizieren. Es ist eines der Grundprinzipien des Glaubens, dass sich die Zoroastrier den Bedingungen der Umwelt oder Gesellschaft anpassen sollten (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Erkenntnisse Iran, August 2014, S. 33).
Während Zoroastrier die Anzahl ihrer Angehörigen – nach dieser Quelle – im Iran mit 60.000 angeben, beziffert die Regierung sie auf höchstens 30.000. Die Anzahl der im Iran lebenden Zoroastrier nimmt ab (Gesellschaft für bedrohte Völker, Minderheiten im Iran, Mai 2013, S. 9).
Nach einer älteren Auskunft des Auswärtigen Amtes werden die Konvertiten durch eine einfache Zeremonie im Beisein eines Priesters in die Gemeinschaft der Zoroastrier aufgenommen. Hauptbestandteile der Zeremonie sind Sedre und Koshti. Sedre ist ein weißes Hemd, dessen traditioneller Ursprung unbekannt ist. Das Hemd weist 9 Nähte auf, die 9 Kräften entsprechen (u.a. das Gewissen, die Intelligenz, die Seele). Koshti ist ein Gürtel, der aus 72 Fäden, die vorne und hinten jeweils mit drei Knoten versehen sind, besteht. Eine Überwachung durch staatliche Sicherheitsdienste ist nicht auszuschließen. Repressive Maßnahmen sind nur in Fällen von herausgehobener und prononcierter Stellung einzelner Mitglieder der Religionsgemeinschaft der Zoroastrier anzunehmen. Das einfache Mitglied ist für den islamischen Staat kein interessantes Objekt (Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Karlsruhe, vom 22.12.2004).
Auch nach der Rechtsprechung lässt sich nicht abschließend feststellen, dass alle Konvertiten zum Zarathustra-Glauben im Iran grundsätzlich verfolgt werden. Etwas anderes gilt, wenn der Betreffende in Erscheinung tritt, weil es sich um eine exponierte Persönlichkeit handelt oder er seinen Glauben in verfolgungsrelevanter Weise öffentlich lebt (z.B. durch Missionieren oder Teilnahme an öffentlichen Riten, beispielsweise Gottesdiensten oder vergleichbaren Veranstaltungen), so dass seine Abkehr vom Islam nach außen sichtbar wird. Der rein formale Glaubenswechsel genügt nicht (VG Aachen, U.v. 11.11.2020 – 10 K 2155/18.A – juris; VG Würzburg, U.v. 4.3.2019 – W 8 K 18.32447 – juris; vgl. auch VG Bayreuth, U.v. 17.12.2014 – B 3 K 13.30029 – juris; VG Ansbach, U.v. 27.1.2014 – AN 1 K 13.30546 – juris; Schleswig-Holsteinisches VG, U.v. 6.9.2012 – 6 A 209/10 – juris).
Zusammengefasst droht nach Überzeugung des Gerichts im Iran auch bei Konversion zum Zarathustra-Glauben keine Verfolgung, wenn es bei dem formalen Glaubenswechsel bleibt oder wenn sich der Betreffende bei einer Rückkehr anonym verhält und seine Konversion nicht publik macht. Anders ist dies jedoch, wenn es zu öffentlichen Äußerungen kommt, insbesondere zur Missionstätigkeit bzw. zu dem, was Muslime bzw. auch der iranische Staat als Missionstätigkeit versteht. Im Iran droht eine Verfolgung, wenn der ehemalige Moslem und nun Konvertierte öffentlich als Anhänger des Zarathustra-Glaubens in Erscheinung tritt etwa, wenn er zur Glaubensausübung Gotteshäuser bzw. entsprechende kultische Stätten (Feuerstellen) besucht oder anderen mitteilt, dass er als ehemalige Muslim zum Zarathustra-Glauben konvertiert ist und Andere mit den aus seiner Sicht bestehenden Vorteilen des neuen Glaubens bekannt macht und so für seinen neuen Glauben wirbt. Denn auch, wenn in der Praxis der im Iran lebenden Zoroastrier quasi ein Arrangement mit dem Staat gilt, sich nach außen hin ruhig zu verhalten und unauffällig zu leben und insbesondere auch nicht für ihren Glauben zu werben ist, bleibt festzuhalten, dass nach den oben zitierten Quellen der Zarathustra-Glauben verschiedene Ausprägungen hat und daher von den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalles auszugehen ist, sodass dem Kläger nicht vorgehalten werden kann, seinen neuen Glauben und seine Überzeugung geheim zu halten, wenn er ein anderes ihn prägendes Glaubensverständnis hat als die nicht konvertierten Anhänger des Zarathustra-Glaubens im Iran.
Denn eine drohende Verfolgung wegen einer Religionskonversion ist – wie schon ausgeführt – flüchtlingsrelevant, wenn der Betreffende eine gewisse religiöse Verhaltensweise als für sich verpflichtend empfindet, um seine religiöse Selbstverständnis und seine Identität zu wahren, und diese Verhaltensweise bei einer Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu Verfolgungsmaßnahmen führt, gerade wenn der Abkehr vom Islam und die Hinwendung zum Zarathustra-Glauben – wie im vorliegenden Fall – aktiv und in der Öffentlichkeit ausgeübt werden soll und dies als prägender Bestandteil der eigenen Lebensauffassung zu verstehen ist (vgl. etwa BayVGH, U.v. 29.10.2020 – 14 B 19.32048 – BeckRS 2020, 34047; B.v. 23.1.2019 – 14 ZB 17.31930 – juris; siehe auch schon VG Würzburg, U.v. 2.1.2020 – W 8 K 19.31960 – juris sowie VG Magdeburg, U.v. 12.6.2018 – 3 A 241/17 – juris).
Aufgrund des persönlichen Eindrucks in der mündlichen Verhandlung besteht nach Überzeugung des Gerichts für den Kläger eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit bei einer Rückkehr in den Iran, da der Kläger aufgrund einer tiefen inneren Glaubensüberzeugung lebensgeschichtlich nachvollziehbar den Zarathustra-Glauben angenommen hat. Das Gericht ist weiterhin davon überzeugt, dass der Kläger aufgrund seiner persönlichen religiösen Prägung entsprechend seiner neu gewonnenen Glaubens- und Moralvorstellungen das unbedingte Bedürfnis hat, über seinen Glauben mit anderen Gläubigen in Kontakt zu treten bzw. anderen auch seine Glaubensüberzeugung mitzuteilen. Das Gerichtet erachtet weiter als glaubhaft, dass eine andauernde religiöse Prägung des Klägers vorliegt und dass er auch bei einer Rückkehr in den Iran seinen Zarathustra-Glauben leben will, konkret dass er die „Feuerstellen“ aufsuchen und so seinen Glauben öffentlich ausüben will bzw. dass er mit anderen über seine Konversion und seinen neuen Glauben spreche und ihnen, die aus seiner Sicht gegebenen Vorteile des Glaubens näher bringen und sie zu einer eigenen Gewissensentscheidung bringen will und so gesehen in diesem Sinne auch missioniert. Das Gericht hat nach der Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung nicht den Eindruck, dass sich der Kläger bezogen auf den entscheidungserheblichen Zeitpunkt (§ 77 Abs. 1 AsylG) nur vorgeschoben aus opportunistischen, asyltaktischen Gründen dem Zarathustra-Glauben zugewandt hat. Die Würdigung der Angaben des Klägers zu seiner Konversion ist ureigene Aufgabe des Gerichts im Rahmen seiner Überzeugungsbildung gemäß § 108 VwGO (BVerwG, B.v. 25.8.2015 – 1 B 40.15 – Buchholz 402.25 § 3 AsylVfG Nr. 19 und BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 3.4.2020 – 2 BvR 1838/15 – NVwZ 2020, 950; sowie etwa OVG SH, B.v. 11.11.2020 – 2 LA 35/20 – juris; B.v. 29.9.2017 – 2 LA 67/16 – juris; BayVGH, U.v. 19.10.2020 – 14 B 19.32048 – BeckRS 2020, 34047; B.v. 6.5.2019 – 14 ZB 18.32231 – juris; U.v. 25.2.2019 – 14 B 17.31462 – juris; B.v. 9.7.2018 – 14 ZB 17.30670 – juris; B.v. 16.11.2015 – 14 ZB 13.30207 – juris; B.v. 9.4.2015 – 14 ZB 14.30444 – NVwZ-RR 2015, 677; VGH BW, B.v. 19.2.2014 – A 3 S 2023/12 – NVwZ-RR 2014, 576; NdsOVG, B.v. 16.9.2014 – 13 LA 93/14 – KuR 2014, 263; ThürOVG, U.v. 28.5.2020 – 3 KO 590/13 – juris; OVG NRW, B.v. 10.2.2020 – 6 A 885/19.A – juris; B.v. 19.6.2019 – 6 A 2216/19.A – juris; B.v. 23.5.2019 – 6 A 1272/19.A – juris; B.v. 20.5.2019 – 6 A 4125/18.A – juris; B.v. 2.7.2018 – 13 A 122/18.A – juris; B.v. 28.6.2018 – 13 A 3261/17.A – juris; B.v. 10.2.2017 – 13 A 2648/16.A – juris), wobei keine überzogenen Anforderungen zu stellen sind, zumal Glaubens- und Konversionsprozesse individuell sehr unterschiedlich verlaufen können und nicht zuletzt von der Persönlichkeitsstruktur des/der Betroffenen, seiner/ihrer religiösen und kulturellen Prägung und seiner/ihrer intellektuellen Disposition abhängen (Berlit, jurisPR-BVerwG 22/2015, Anm. 6).
Das Gericht ist nach informatorischer Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung sowie aufgrund der schriftlich vorgelegten Unterlagen davon überzeugt, dass dieser ernsthaft vom Islam zum Zarathustra-Glauben konvertiert ist. So legte der Kläger ein persönliches Bekenntnis zum Zarathustra-Glauben ab. Der Kläger schilderte weiter nachvollziehbar und ohne große Widersprüche glaubhaft seinen Weg vom Islam zum Zarathustra-Glauben, Inhalte des Zarathustra-Glaubens und seine religiösen Aktivitäten. Die Schilderungen des Klägers sind plausibel und in sich schlüssig. Der Kläger legte verschiedene Unterlagen vor. In diesen Unterlagen werden die Initiation des Klägers, seine Konversion zum Zarathustra-Glauben und seine religiösen Aktivitäten bestätigt.
Der Kläger schilderte glaubhaft seinen Weg vom Islam zum Zarathustra-Glauben, wobei er auf Frage des Gerichts zum Zeitpunkt seiner Konversion ehrlich angab, schon im Erstverfahren ursprünglich von fünf Jahren gesprochen zu haben und jetzt zwei Jahre später – auf dem ersten Blick widersprüchlich – erneut von fünf Jahren zu sprechen, aber seinerzeit schon – wie auch aus dem Urteil des Erstverfahrens ersichtlich – dargestellt zu haben, dass er sich für zwei Jahre noch in einer Übergansphase befunden habe. Er habe erst angefangen, sich noch zu informieren, und sei dann erst nach zwei Jahren Anhänger des Zarathustra-Glaubens geworden. Er beschrieb, dass er auch schon im Iran den Entschluss gefasst habe, entsprechend dem Zarathustra-Glauben nach den drei Säulen, gute Tat, gute Worten und gute Gedanken und aufgrund der Vernunft handeln zu wollen. Er führte weiter aus, wie er dann in Europa versucht habe, Kontakt zu Anhängern des Zarathustra-Glaubens aufzunehmen. Er schilderte glaubhaft die Schwierigkeiten aufgrund dessen, dass es in Deutschland, gerade in Süddeutschland, keine Zoroastrier bzw. keine betreffenden Gemeinden gibt. Hinzu kommt, dass es Sprachprobleme gebe und auch die Initiationszeremonie nur einmal jährlich in Deutschland stattfinde. Er legte dar, wie er sich darauf vorbereitet habe und wie dann die Initiationszeremonie abgelaufen sei. Er betonte die Wichtigkeit des Feuers. Er beschrieb insbesondere die Zeremonie zur Initiation am 17. August 2019 in Berlin und die Bedeutung des Hemdes und des Bandes/Gürtels, mit den für ihn zentralen Elementen seines Glaubens, dass es die guten und die schlechten Taten gebe, die durch die zwei (zugenähten) Taschen des Hemdes symbolisiert würden. Man solle bestrebt sein, die vordere Tasche für die guten Taten zumindest in der Waage zu halten bzw. vermehrt guten Taten zu begehen, um voranzukommen. Weiter belegte er auch aufgrund seiner eingeschränkten örtlichen Möglichkeiten seine Aktivitäten im Internet bzw. in sozialen Medien.
Besonders zu erwähnen ist in dem Zusammenhang, dass der Kläger seinen Glauben nicht nur öffentlich und nach außen hin lebt, sondern dass er sich auch für seinen Glauben engagiert. Der Kläger erklärte glaubhaft, dass er entsprechend seinem Verständnis auch seinen Glauben an Zarathustra nach außen kundtun müsse. Die gute Botschaft müsse an andere weitergegeben werden. Er sehe es auch als seine Aufgabe zu missionieren. So habe er auch in seiner Unterkunft mit verschiedenen Leuten über seinen Glauben gesprochen. Anders als in Deutschland könne er im Iran über seine Religion, über seinen Glauben und seine Einstellungen nicht sprechen. Er habe schon in Deutschland mit Freunden gesprochen, auch mit Neuankömmlingen. Teilweise habe er bei seiner Missionstätigkeit Widerstand erlebt, teilweise eine ablehnende Haltung. Teilweise habe er aber auch die Leute in Gedanken versetzt. Teilweise hätten die Leute auch schon ihre Verhaltensweise geändert. Er beschrieb dabei, wie er die anderen Leute anspreche und sie frage, wie sie ihr Gewissen beruhigten und was sie von Schuld hielten. Er sage zu ihnen, dass sie so leben sollten, dass die Waage von Guten und Bösen zumindest das Gleichgewicht halte. Er lade die Leute auch zu seiner Religion ein. Er fordere sie auf, sich selbst Gedanken zu machen, ob es nicht besser wäre, über gute und schlechte Taten selbst nachzudenken, als – so wie im Islam – zu Gott zu gehen, um ihn um Verzeihung zu bieten. Außerdem erklärte der Kläger schon im Erstverfahren, dass seine Familie von seiner Konversion wisse. Im jetzigen Folgeverfahren komme hinzu, dass er teilweise auch von seinem Cousin bzw. einem Cousin seiner Mutter wegen seines Glaubenswechsels bedroht worden sei. Allerdings konnte er keine einschlägigen aktuellen Angaben aus der letzten Zeit zu dieser Bedrohung machen. Jedoch bestätigt dieses Vorbringen genauso wie das gesamte Vorbringen des Klägers auch mit Blick auf seine Vorgeschichte, dass er mit seiner Glaubensbetätigung auch nicht vor seiner Heimat Halt macht, was für eine nachhaltige und ehrliche Konversion sowie eine entsprechende Glaubensbetätigung auch bei einer eventuellen Rückkehr in den Iran spricht.
Der Kläger verdeutlichte in der mündlichen Verhandlung des Weiteren plausibel und glaubhaft die Beweggründe für die Abkehr vom Islam und die Hinwendung zum Zarathustra-Glauben. In dem Zusammenhang legte er – in seinen Worten und im Rahmen seiner Persönlichkeit und intellektuellen Disposition (vgl. BVerwG, B.v. 25.8.2015 – 1 B 40.15 – Buchholz 402.25 § 3 AsylVfG Nr. 19; Berlit, juris PR-BVerwG 22/2015, Anm. 6) – auch zentrale Elemente seines Glaubens als für sich wichtig dar und zeigte, dass er dies verinnerlicht hat. Der Kläger erklärte: Es gehe beim Zarathustra-Glauben im Wesentlichen um gutes Wort, gutes Benehmen, gute Gedanken. Dies zeige auch das dreimalige Umbinden des Bandes bei der Zeremonie. Im Glaubensleben gebe es zwei wesentliche Punkte: Vernunft und Wahrheit. Früher habe er die Dinge aus religiöser Sicht gesehen. Jetzt betrachte er sie mit Vernunft und handele rational. Früher habe er alle möglichen Unterschiede zwischen den Nationaltäten gesehen. Heute seien alle seine Brüder. Das Feuer sei das Symbol des Lichts und der Einheit und der Helligkeit. Es gehe nicht darum, zu Gott zu gehen und ihn um Verzeihung zu bitten, sondern darum, über seine eigenen guten und schlechten Taten nachzudenken und gute Taten zu begehen. Sein Gott sei ein Gott der Vernunft und des Wissens. Aufbauend auf den drei Säulen gute Tat, gute Worte und gute Gedanken werde alles mit dem Verstand betrachtet. Die Gedanken seien frei. Wenn er eine Sünde begehe, dann müsse er etwas Gutes tun, um sein Gewissen zu beruhigen. Anders als im Islam sei er beim Zoroastrismus, wenn er eine Sünde begehe, im Konflikt mit dem eigenen Gewissen. Man müsse eine gute Tat tun, um das Gewicht der guten Taten in Relation zu den begangenen Sünden zu erhöhen, als um das Gewissen zu beruhigen und nicht wie im Islam Gott um Vergebung der Sünden bitten. Wichtig sei für ihn auch, dass er mit anderen darüber rede, was er erlangt habe. Die Feuertempel könne man überall bauen, man brauche nur ein Feuer und eine Feuerstelle. Er habe selbst und freiwillig die Religion ausgewählt, keiner werde mit Zwang zum Zoroastrismus bekehrt.
Der Kläger offenbarte so auch weiter konkrete wesentliche Glaubensinhalte und Glaubenskenntnisse, die seine Glaubensentscheidung und seinen Gewissensschritt zusätzlich belegen, wie etwa die Symbolik des vom ihm getragenen weißen Hemdes mit den 9 Teilen und den zwei Taschen für Gut und Böse sowie des Bandes und der Knöten. Weiter erläuterte der Kläger aufbauend auf Namen von Tagen und Monaten die bei ihnen in seinem Glauben gegebenen Feiertage. Außerdem bezog er sich wiederholt auf seine Glaubenslehren.
Der Kläger machte weiter deutlich, dass er sich nicht vorstellen könne, vom Zarathustra-Glauben wieder weg zu gehen und zum Islam zurückzukehren. Er habe seinen Glauben freiwillig gewählt. Er könne bei einer eventuellen Rückkehr in den Iran auch seinen Glauben nicht verheimlichen. Er wolle seine Überzeugung an den Tag legen. Zudem sei er im Internet aktiv gewesen und habe Veröffentlichungen hinterlassen. Wenn er im Iran zu einem Gotteshaus, also eine Feuerstelle, gehe, seien dort immer Kameras, die alles beobachten würden. Auch die Priester würden jede Diskussion ablehnen.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das gesamte Verhalten des Klägers vor und nach seiner Ausreise im Zusammenhang mit der Konversion sowie die von ihm vorgetragenen Glaubensinhalte und Glaubenskenntnisse – auch in Abgrenzung zum Islam – eine ehrliche Konversion glaubhaft machen und erwarten lassen, dass der Kläger bei einer angenommenen Rückkehr in seine Heimat seiner neu gewonnenen Religion entsprechend leben wolle und würde, insbesondere die für ihn bedeutsamen Feuerstellen zu besuchen sowie die für ihn nach seinem Glaubensverständnis wesentlich prägende Aufgabe zu erfüllen, die gute Botschaft, die er erhalten habe, auch anderen mitzuteilen. Der Eindruck einer ernsthaften Konversion wird so gerade dadurch verstärkt, dass der Kläger – die für ihn wichtigen und identitätsprägenden – missionarische Aktivitäten entwickelt, indem er bei anderen für seinen Zarathustra-Glauben wirbt. Weiter ist nicht davon auszugehen, dass der Kläger bei einer theoretischen Rückkehr in den Iran seine Konversion ohne Not verheimlichen würde, da prognostisch von einer andauernden religiösen Prägung durch den Zarathustra-Glauben auszugehen ist. Abgesehen davon kann einem Gläubigen nicht als nachteilig entgegengehalten werden, wenn er aus Furcht vor Verfolgung auf eine Glaubensbetätigung verzichtet, sofern die verfolgungsrelevante Glaubensbetätigung wie hier die religiöse Identität der Schutzsuchenden kennzeichnet. Ein so unter dem Druck der Verfolgungsgefahr erzwungener Verzicht auf die Glaubensbetätigung kann die Qualität einer Verfolgung erreichen und hindert nicht die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (vgl. BVerwG, B.v. 25.8.2015 – 1 B 14.15 – Buchholz 402.25 § 3 AsylVfG Nr. 19; U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – BVerwGE 146, 67; Berlit, jurisPR-BVerwG 22/2015, Anm. 6 und 11/2013, Anm. 1; Marx, Anmerkung, InfAuslR 2013, 308). Umgekehrt kann einer Gläubigen von den deutschen Behörden bzw. Gerichten nicht zugemutet werden, bei einer Rückkehr in den Iran von ihrer religiösen Betätigung Abstand zu nehmen, um nicht verfolgt zu werden (EuGH, U.v. 5.9.2012 – C-71/11 und C-99/11 – ABl EU 2012, Nr. C 331 S. 5 – NVwZ 2012, 1612).
Der Kläger hat insgesamt durch sein Auftreten in der mündlichen Verhandlung und durch die Darlegung seiner Beweggründe nicht den Eindruck hinterlassen, dass er nur aus opportunistischen und asyltaktischen Gründen motiviert dem Zarathustra-Glauben nähergetreten ist, sondern aufgrund einer ernsthaften Gewissensentscheidung und aus einer tiefen Überzeugung heraus den religiösen Einstellungswandel vollzogen hat. Dieser Eindruck erhärtet sich durch das schriftliche Vorbringen sowie die vorgelegten Unterlagen.
Nach § 28 Abs. 1a AsylG kann sich ein Kläger bzw. eine Klägerin bei der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG auch auf Umstände stützen, die nach Verlassen des Herkunftslandes entstanden sind. Dies gilt gerade, wenn wie hier vorliegend ein Iraner bzw. eine Iranerin die religiöse Überzeugung aufgrund ernsthafter Erwägungen wechselt und nach gewissenhafter Prüfung vom Islam zu einer anderen Religion übertritt (Bergmann in Renner/Bergmann/Dienelt, AuslR, 13. Aufl. 2020, § 28 AsylG Rn. 17).
Nach alledem ist dem Kläger unter Aufhebung der betreffenden Antragsablehnung in Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheides die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG zuzuerkennen. Infolgedessen besteht kein Anlass für eine weitere Entscheidung über die Zuerkennung des subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG oder sonstiger Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG, so dass die Nrn. 3 und 4 des Bescheides des Bundesamtes ebenfalls aufzuheben waren (vgl. § 31 Abs. 2 Satz 1 AsylG [„oder“] und § 31 Abs. 3 Satz 2 AsylG). Über die hilfsweise gestellten Anträge, insbesondere zum subsidiären Schutz (§ 4 AsylG) bzw. zu den nationalen Abschiebungsverboten (§ 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG) war nicht zu entscheiden.
Des Weiteren sind auch die verfügte Abschiebungsandrohung und die Ausreisefristbestimmung (Nr. 5 des Bundesamtsbescheids) rechtswidrig und daher aufzuheben. Denn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erlässt nach § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 und § 60 Abs. 10 AufenthG die Abschiebungsandrohung nur, wenn der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt und ihm die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt wird. Umgekehrt darf im Fall der Flüchtlingszuerkennung eine Abschiebungsandrohung nicht ergehen. Letzteres ist im gerichtlichen Verfahren – wenn auch noch nicht rechtskräftig – festgestellt.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG i.V.m. § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Denn die Klageabweisung in Bezug auf Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheides und die Anerkennung des Klägers als Asylberechtigten fällt kostenmäßig nicht ins Gewicht, so dass von einer Kostenquotelung abzusehen war. Durch die weitgehende Angleichung des Flüchtlingsstatus an die Rechtsstellung des Asylberechtigten wirkt sich der abgewiesene Klageteil kostenmäßig nicht aus (vgl. schon VG Würzburg, U.v. 21.10.2015 – W 6 K 15.30149 – juris; HessVGH, U.v. 21.9.2011 – 6 A 1005/10.A – EzAR-NF 63 Nr. 4 m.w.N.).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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