Verwaltungsrecht

Zulässige Ablehnung des Asylfolgeantrags – Verfolgungsschicksal nicht glaubhaft gemacht

Aktenzeichen  Au 4 K 19.31535

Datum:
25.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 18142
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 5, § 71 Abs. 1
VwVfG § 51 Abs. 1 Nrn. 1 u 2

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Asylfolgeantrag des Klägers ist zu Recht als unzulässig abgelehnt worden. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Feststellung von Abschiebungsverboten. Der Bescheid vom 7. November 2019 ist daher insgesamt rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1, Abs. 5 VwGO).
Das Gericht folgt, insbesondere nach den in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Erkenntnissen, zunächst in vollem Umfang der Begründung des Bescheids und nimmt hierauf Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylG). Ferner ist folgendes auszuführen:
1. Der Asylfolgeantrag des Klägers ist gem. § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG unzulässig, weil ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist. Die Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 51 VwVfG liegen nicht vor.
1.1 Dies gilt zunächst in Bezug auf die vom Kläger geltend gemachte Änderung der Sachlage (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG). Der Kläger führt insoweit die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen ihn in der Türkei bzw. einen gegen ihn ergangenen Strafbefehl in Deutschland an. Beiden vom Kläger vorgetragenen Entwicklungen liegen vorgebliche Facebook-Posts des Klägers zu Grunde, aus denen sich eine Unterstützung der PKK durch den Kläger bzw. ein Verstoß gegen ein Verbreitungs- bzw. Verwendungsverbot nach dem Vereinsgesetz ergebe.
Zwar werden damit Sachverhalte geltend gemacht, die sich nach der unanfechtbaren Ablehnung des Asylerstantrags ergeben haben sollen. Die Rechtskraft des klageabweisenden Urteils vom 3. Mai 2019 (Au 6 K 19.30015) trat Anfang Juni 2019 ein. Die vom Kläger geltend gemachten Entwicklungen beginnen im September 2019 (Aufnahme der Ermittlungen durch die Oberstaatsanwaltschaft * am 25.9.2019, vgl. Schriftsatz vom 3.4.2020, S. 2), bzw. liegen zeitlich noch später (Strafbefehl vom 9.1.2020).
Gleichwohl ergibt dieser Vortrag des Klägers (auch unter Berücksichtigung der von ihm vorgelegten Unterlagen) nicht, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG in Bezug auf eine nachträgliche Änderung der Sachlage vorliegen.
Zwar genügt bei Geltendmachung einer Änderung der das persönliche Schicksal des Asylantragstellers bestimmenden Umstände schon die Möglichkeit einer günstigeren Entscheidung aufgrund der geltend gemachten Wiederaufgreifensgründe. Allerdings muss das entsprechende Vorbringen glaubhaft und substantiiert sein (vgl. BVerfG, B.v. 4.12.2019 – 2 BvR 1600/19 – juris Rn. 19 f.; B.v. 24.6.1993 – 2 BvR 541/93 – juris Rn. 14). Hieran fehlt es vorliegend zur Überzeugung des Gerichts, insbesondere unter Berücksichtigung der Erkenntnisse der mündlichen Verhandlung.
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung angegeben, bereits in der Türkei auf Facebook politische Inhalte gepostet zu haben und deswegen auch von der Polizei bedroht worden zu sein. Mithin hat der Kläger nunmehr Sachverhalte geschildert, die sich noch vor seinem Verlassen der Türkei und damit vor Stellung seines Asylerstantrags ereignet haben sollen. Auch sonst hat der Kläger Aktivitäten angeführt, die zeitlich vor Abschluss des Asylerstverfahrens, namentlich vor der mündlichen Verhandlung im Erstverfahren am 30. April 2019, lagen. In Deutschland will der Kläger im Januar 2019 wieder angefangen haben, auf Facebook zu posten. Der Facebook-Post, der Anstoß für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen ihn in der Türkei gewesen sein soll (vgl. deutsche Übersetzung, Bl. 41 Bundesamtsakte), stammt nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung von spätestens Anfang 2019. Auch die vom Kläger vorgelegten Unterlagen betreffend das Ermittlungsverfahren gegen ihn in Deutschland nennen einen Facebook-Post des Klägers, der zeitlich vor Abschluss des Asylerstverfahrens liegt (24.12.2018; Aktenvermerk der Kriminalpolizei vom 28.11.2019 [Anlage K3], S. 3).
Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb der Kläger diese politischen Aktivitäten (Facebook-Posts) im Asylerstverfahren, wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung auch eingeräumt hat, nicht angegeben hat. Die Angabe des Klägers, sich der Relevanz solcher Aktivitäten für sein Asylverfahren nicht bewusst gewesen zu sein, wertet das Gericht als nicht glaubhaft, sondern als bloße Schutzbehauptung. Der Kläger will bereits in der Türkei Probleme mit der Polizei wegen seiner Facebook-Postings bekommen haben; insofern waren diese Probleme zumindest mitursächlich für sein Verlassen der Türkei und für seine Asylantragstellung in Deutschland. Auch ist es widersprüchlich, wenn sich der Kläger als durch seine Facebook-Posts politisch aktive Person darstellt, diese Aktivitäten dann aber für so vernachlässigenswert einstuft, dass er sie selbst für seinen Asylantrag zunächst nicht für relevant hält. Dies ist umso unerklärlicher, als es, wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, ihm wichtig gewesen sei, politische Äußerungen auf Facebook zu tätigen. Auch nach dem Eindruck, den das Gericht in der mündlichen Verhandlung sonst vom Kläger erhalten hat, ist dieser – insbesondere mit Blick auf seine intellektuellen Fähigkeiten – ohne weiteres in der Lage, die für seinen Asylantrag relevanten Ereignisse und Tätigkeiten von sich aus vorzutragen.
Insofern liegt kein – wie erforderlich – glaubhafter Vortrag betreffend eine nachträgliche Änderung der Sachlage vor; vielmehr ist das den Folgeantrag stützende Vorbringen des Klägers betreffend eine auf Facebook-Postings beruhende Gefahr als unglaubhaft, weil in wesentlichen Punkten im Vergleich zum Asylerstverfahren gesteigert zu werten. Insofern teilt das Gericht die Beurteilung im streitgegenständlichen Bescheid (S. 6), dass sich der Kläger nunmehr nachträglich ein Verfolgungsschicksal zurechtlegt, nachdem er gewahr geworden ist, dass sein Vorbringen im Asylerstverfahren für einen erfolgreichen Asylantrag nicht ausreichend war.
Glaubhaft wird das Vorbringen des Klägers auch nicht durch die bzw. unter Berücksichtigung der von ihm vorgelegten Unterlagen, welche aus dem gegen ihn in der Türkei angestrengten Ermittlungsverfahren herrühren sollen. Für ausländische öffentliche Urkunden gilt die Echtheitsvermutung (vgl. § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 437, 438 Abs. 1 ZPO) nicht. Das Gericht kann über die Echtheit der Urkunde nach Ermessen befinden (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 438 Abs. 1 ZPO). Das Gericht folgt insoweit gem. § 77 Abs. 2 AsylG zunächst der schlüssigen Begründung bezüglich der vom Kläger vorgelegten Dokumente im streitgegenständlichen Bescheid (S. 5 f.); zur Überzeugung des Gerichts lassen sich diese Ausführungen auch auf die vom Kläger im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Dokumente übertragen. Zum anderen muss, wie ausgeführt, das Vorbringen des Klägers zur Begründung seines Folgeantrags als unglaubhaft gewertet werden, weil er Facebook-Aktivitäten, die nunmehr zu einem Ermittlungsverfahren in der Türkei geführt haben sollen, nicht zum Gegenstand seines Asylerstantrags gemacht hat und insoweit sein nunmehriger Vortrag als erheblich gesteigert gewertet werden muss. Das Gericht vermag daher den begleitend zum Klägervortrag vorgelegten Dokumenten, die sich im Ausgangspunkt ebenfalls auf Facebook-Posts des Klägers beziehen, keine maßgebliche Aussagekraft beizumessen. Da es nach den schlüssigen Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid möglich ist, ohne größeren Aufwand an gefälschte Dokumente zu kommen, muss davon ausgegangen werden, dass auch die vom Kläger vorgelegten Unterlagen die von ihm behauptete Sachlagenänderung nicht verifizieren können.
Soweit sich der Kläger auf das gegen ihn in der Bundesrepublik laufende Strafverfahren beruft, welches in einem Strafbefehl des Amtsgerichts * vom 9. Januar 2020 resultiert hat, vermag dies ebenso ein glaubhaftes Vorbringen des Klägers nicht zu begründen. Der Strafbefehl ist nach dem Vortrag des Klägers wegen eines Einspruchs noch nicht rechtskräftig geworden; der Kläger verteidigt sich dort also gegen Tatvorwürfe, denen ebenfalls Facebook-Posts zu Grunde liegen. Zudem stammt ein Facebook-Beitrag, auf dem der Strafbefehl beruht, vom 24. Dezember 2018 (Nr. 1 des Strafbefehls), also von einem Zeitpunkt, als das Asylerstverfahren noch nicht abgeschlossen und auch die entsprechende verwaltungsgerichtliche Klage gegen den Ablehnungsbescheid vom 21. Dezember 2018 noch nicht erhoben war. Auch insofern stellt sich also das Vorbringen des Klägers, wegen Facebook-Aktivitäten drohten ihm in der Türkei verfolgungsrelevante Handlungen bzw. ein ernsthafter Schaden i.S.d. § 4 Abs. 1 AsylG, als nicht glaubhaft dar, weil diese Aktivitäten erst anlässlich des Folgeantrags vom Kläger vorgetragen wurden.
1.2 Die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens gem. § 71 AsylG sind auch nicht wegen Vorlage neuer Beweismittel gem. § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG gegeben. Neue Beweismittel sind solche, durch die bereits früher vorgetragene („alte“) Tatsachen nachträglich bewiesen werden sollen (vgl. BayVGH, B.v. 10.1.2008 – 11 ZB 06.1427 – juris Rn. 32; BVerwG, U.v. 26.6.1984 – 9 C 875/81 – juris Rn. 14). Nach dem Vortrag des Klägers wurden jedoch die Ermittlungen in der Türkei gegen ihn am 25. September 2019, also nach Abschluss des Asylerstverfahrens, aufgenommen; gleiches gilt für das gegen ihn in Deutschland laufende strafrechtliche Verfahren Seine Beweismittel betreffen demnach keine früher vorgetragenen Tatsachen, insbesondere kein Ermittlungsverfahren, das im Zeitpunkt des Asylerstverfahrens bereits lief, aber dem Kläger jetzt erst bekannt geworden ist. Vielmehr dienen die von ihm vorgelegten Unterlagen allein der Untermauerung seiner Behauptung einer nachträglichen Sachlagenänderung i.S.d. § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG.
Im Übrigen ist auch in dem Fall, dass ein Asylfolgeantrag auf das Vorliegen neuer Beweismittel i.S.d. § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG gestützt wird, ein glaubhafter und substantiierter Vortrag notwendig (vgl. BVerfG, B.v. 12.11.1991 – 2 BvR 1216/91 – juris Rn. 11; Marx, Ausländer- und Asylrecht, 3. Aufl. 2016, § 11 Rn. 124). An einem solchen Vortrag mangelt es, wie ausgeführt, vorliegend. Zudem kann das Gericht, wie ebenfalls ausgeführt, den vom Kläger vorgelegten Unterlagen, soweit sie aus der Türkei stammen sollen, keinen maßgeblichen Erkenntniswert beimessen, so dass auch nicht dargetan ist, dass diese Unterlagen i.S.d. § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG eine dem Kläger günstigere Entscheidung herbeigeführt haben könnte.
Sollte die vom Kläger vorgelegten Unterlagen so zu verstehen sein, dass damit nachträglich politische Aktivitäten (Facebook-Posts) des Klägers belegt werden sollen, stünde einem weiteren Asylverfahren § 51 Abs. 2 VwVfG entgegen. Der Kläger hätte solche Aktivitäten ohne weiteres während des Asylerstverfahrens geltend machen können; sein Vorbringen, sich der Relevanz nicht bewusst gewesen zu sein, ist, wie ausgeführt, als Schutzbehauptung zu werten.
2. Dem Kläger steht auch der hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Feststellung von Abschiebungsverboten gem. § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG nicht zu.
Insoweit nimmt das Gericht nochmals auf die zutreffende Begründung des streitgegenständlichen Bescheids (S. 7) gem. § 77 Abs. 2 AsylG Bezug und macht sie sich zu eigen. Darüber hinaus gilt folgendes: Mit dem rechtskräftigen Urteil betreffend den Asylerstantrag des Klägers vom 3. Mai 2019 wurden Ansprüche des Klägers auf Feststellung von Abschiebungsverboten abgelehnt. Dieses Urteil ist für den Kläger und die Beklagte bindend (§ 121 Nr. 1 VwGO). Eine erneute Verpflichtungsklage ohne Änderung der Sach- oder Rechtslage ist unzulässig (Rennert, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 121 Rn. 10, Rn. 33). Von einer relevanten Änderung der Sachlage ist aber mit Blick auf den nicht glaubhaften Klägervortrag nicht auszugehen; ebenso wenig liegen, wie ausgeführt, sonst die Voraussetzungen des § 51 VwVfG vor (dazu Rennert, a.a.O., Rn. 34). Weitere Gründe, die gegen das Festhalten an der Rechtskraft sprechen (vgl. Rennert, a.a.O.), sind ebenfalls nicht ersichtlich. Im Übrigen sind Abschiebungsverbote auch in der Sache nach wie vor nicht gegeben. Soweit dieses Begehren nunmehr auf die Einleitung von Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wegen Facebook-Posts gestützt wird, steht die fehlende Glaubhaftigkeit des Klägervortrags auch insoweit entgegen.
3. Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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