Verwaltungsrecht

Zulässigkeit der Vorwegnahme der Hauptsache bei einer Ausbildungsduldung und einer Beschäftigungserlaubnis als vorläufige Regelung

Aktenzeichen  M 24 E 19.5896

Datum:
10.12.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 41580
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123 Abs. 1
AufenthG § 4 Abs. 3 S. 3, § 60a Abs. 2 S. 4, Abs. 6 S. 1 Nr. 2, § 82 S. 1
BeschV § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 3, § 32
ZustVAuslR § 3 Abs. 3
GG Art. 19 Abs. 4

 

Leitsatz

1. Bei einer vorläufigen Ausbildungsduldung und einer vorläufigen Beschäftigungserlaubnis für eine zwei- oder dreijährige Ausbildung stellt sich in der Regel nicht die Problematik der endgültigen Vorwegnahme der gerichtlichen Hauptsacheentscheidung und es tritt auch nicht der Umstand ein, dass die vorläufige Gestattung regelmäßig durch den Zeitablauf zugleich die endgültige Gestattung der Erwerbstätigkeit darstellt. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
2. Konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung stehen bevor, sobald die für den jeweiligen Ausländer zuständige Ausländerbehörde erstmals zielgerichtet und konkret tätig geworden ist, um die grundsätzlich mögliche Abschiebung einzuleiten, ohne dass bereits ein bestimmter Zeitpunkt für die Abschiebung feststehen muss, bzw. wenn sie die Abschiebung „auf den Weg gebracht“ hat (BayVGH BeckRS 2018, 32438). (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Bestimmungen über die Ausbildungsduldung nach § 60a Abs. 2 S. 4 AufenthG ersetzen zwar nicht die Beschäftigungserlaubnis, aber das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Ausbildungsduldung ist im Rahmen der Ermessensentscheidung über die Beschäftigungserlaubnis in der Regel ermessensleitend (idR auf null reduziert) zu berücksichtigen. (Rn. 52) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,– Euro festgesetzt.
IV. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Bevollmächtigten wird abgelehnt.

Gründe

I.
Streitgegenstand ist die Erteilung einer Ausbildungsduldung und einer Beschäftigungserlaubnis als vorläufige Regelung.
Der Antragsteller (geb. …19xx) ist nigerianischer Staatsangehöriger. Er hat dem Landratsamt R. am 17. Oktober 2018 seine nigerianische Geburtsurkunde vorgelegt, die dort einbehalten wurde (Teil I/S. 106 der Behördenakte – I/106 BA).
Er reiste am 15. März 2015 in das Bundesgebiet ein und stellte am 17. Juli 2015 einen Asylantrag. Mit Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vom 15. Mai 2017 wurde der Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter, auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und auf Zuerkennung subsidiären Schutzes als unbegründet abgelehnt und festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 S. 1 AufenthG nicht vorliegen. Die hiergegen erhobene Klage (M 21 K 17.43090) wurde mit Urteil vom 18. März 2019 abgewiesen. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wurde mit Beschluss vom 6. Juni 2019 abgelehnt. Der Antragsteller ist seit dem 6. Juni 2019 vollziehbar ausreisepflichtig. Mit Eingang am 31. Juli 2019 beim BAMF beantragte der Antragsteller das Wiederaufgreifen des Verfahrens bezüglich des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1 AufenthG.
Der Antragsteller war mit Bescheid der Regierung von O. vom … Mai 2015 dem Landkreis R. zugewiesen worden und zur Wohnsitznahme dort verpflichtet; zuletzt wurde der Antragsteller landkreisintern an seine derzeitige Wohnanschrift umverteilt.
Das Landratsamt R. (LRA) forderte den Antragsteller mit Schreiben vom 3. Juli 2019 unter Hinweis auf die Passpflicht auf, sich um einen Pass oder Passersatz zu bemühen. Der Bevollmächtigte des Antragstellers bestellte sich schriftsätzlich am 17. Juli 2019 im Verwaltungsverfahren als Bevollmächtigter.
Der Antragsteller wurde am 18. Juli 2019 vom LRA über seine Mitwirkungspflicht in deutscher und englischer Sprache informiert und zur Passbeschaffung sowie unter Fristsetzung bis 22. August 2019 zur Vorlage eines Passes oder Passersatzes aufgefordert.
Der Antragsteller wies dem LRA nach, dass er bei der Botschaft am 13. August 2019 einen Pass beantragt, die Passbeantragungsgebühren am 23. September 2019 bezahlt und am 2. Oktober 2019 einen Vorsprachetermin bei der nigerianischen Botschaft hatte. Dem Antragsteller wurde von der nigerianischen Botschaft der Passausstellungstermin für den 27. Januar 2020 avisiert. Hierüber hat der Antragsteller das LRA jeweils informiert (vgl. III/ S. 2ff. BA).
Das LRA legte dem Antragsteller am 21. August 2019 einen Antrag auf Ausstellung eines Passersatzes (PEP-Antrag) Nigeria vor, den der Antragsteller unterzeichnete (… … …). Das LRA hat den PEP-Antrag am 28. August 2019 an das Bayerische Landesamt für Asyl und Rückführungen weitergeleitet (…).
Der Antragsteller erhielt auf den Antrag vom 5. September 2019 hin am 5. September 2019 erstmals eine Duldung wegen Passlosigkeit, die auf Antrag fortlaufend bis 9. Januar 2020 verlängert wurde; während eines Teilzeitraums hatte der Antragsteller auch die Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit bei der Fa. P. Ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren bzw. ein von der Staatsanwaltschaft beantragter Strafbefehl wegen Sozialleistungsbetrugs (im Zusammenhang mit einer rückwirkenden Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch die Fa. P. und Wiederaufnahme des Arbeitsverhältnisses durch und bei der Fa. P.) war nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden.
10 Frau M. W. aus dem Helferkreis des Antragstellers schrieb zweimal unter dem 23. August 2019 das LRA mit dem Betreff Ausbildungsvertrag der Fa. P. mit dem Antragsteller an und teilte mit, dass sie einige Unterlagen schicken wolle, damit ein Ausbildungsbeginn mit einer Malerlehre im September 2019 für den Antragsteller möglich sei. Frau M.W. war ausweislich des Schreibens vom Antragsteller nicht bevollmächtigt. Als Handy-Foto wurde ein weder vom Antragsteller noch vom Ausbilder Fa. P. unterzeichneter Ausbildungsvertrag übersandt (II/ S. 56, 63ff. BA).
11 Der Antragsteller beantragte durch seinen Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 3. September 2019, ihm die Ausbildung zum Maler und Lackierer im Ausbildungsbetrieb Fa. P., Riedering, zu erlauben und ihm hierfür eine Duldung für die Dauer der Ausbildung zu erteilen. Dem Antrag war der Antrag auf Eintragung (Berufsausbildungsvertrag) mit Eingangsstempel der Handwerkskammer für München und Oberbayern vom 26. Juli 2019 und vom Ausbilder am 17. Juli 2019 unterzeichnet, beigefügt.
Das LRA hat bislang über den Antrag auf Erteilung einer Ausbildungsduldung mit entsprechender Beschäftigungserlaubnis nicht entschieden.
Mit Eingang am 27. November 2019 beantragte der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten nach § 123 VwGO,
1. den Antragsgegner zu verpflichten, dem Antragsteller bis zur Entscheidung in der Hauptsache (Verwaltungsverfahren … Landratsamt R.) eine Duldung zur Ausbildung zum Maler und Lackierer bei der Firma … P. … R. zu erteilen und
2. den Antragsgegner zu verpflichten, dem Antragsteller bis zur Entscheidung in der Hauptsache (Verwaltungsverfahren … Landratsamt R.) eine Beschäftigungserlaubnis zur Ausbildung zum Maler und Lackierer bei der Firma … P. … R. zu erteilen.
Zugleich wurde beantragt,
dem Antragsteller unter Beiordnung des Bevollmächtigten Prozesskostenhilfe zu gewähren.
Die Formblatterklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers ging am 27. November 2019 ein. In der Antragsbegründung wird ausgeführt, die Erteilung einer Ausbildungsduldung mit Beschäftigungserlaubnis zum Beginn der Ausbildung zum Lackierer und Maler sei am 3. September 2019 beim Landratsamt beantragt worden und mit Schreiben vom 1. Oktober 2019 wiederholt worden. Der Ausbildungsbetrieb habe den Antragsteller mit Schreiben vom 14. September 2019 darauf hingewiesen, dass er die Ausbildung bis zum 5. November 2019 antreten müsse, da ansonsten der Besuch in der Berufsschule fraglich werde. Der Antragsteller habe in Erfahrung gebracht, dass auch noch ein Beginn der Ausbildung im Laufe des Monats November 2019 / Mitte Dezember 2019 möglich wäre und auch durch die Berufsschule nicht verweigert würde. Bis zum heutigen Tage habe der Antragsteller zu seinem Antrag vom LRA keine Mitteilung oder Entscheidung erhalten. Gegenstand des vorliegenden Anordnungsverfahrens sei allein die Gestaltung vorläufiger Sicherung des zu sichernden Rechts. Die vorläufige Ausbildungsduldung sei bei Untätigkeit der Behörde allein aufgrund einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren zu erteilen. Die Behörde sei nicht gehindert, bei der erstmaligen nachträglichen Entscheidung im Verwaltungsverfahren die Sach- und Rechtslage erneut zu prüfen und gegebenenfalls eine Entscheidung zu treffen. Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung sei zulässig, da der Antragsteller noch keine Entscheidung der Behörde über seinen Antrag erhalten habe. Dem Antragsteller sei im Rahmen des vorliegenden Verfahrens eine Ausbildungsduldung zu erteilen, da die Behörde seinen Antrag nicht verbeschieden habe. Der Antragsteller habe einen Anspruch nach § 60a Abs. 2 S. 4 AufenthG auf die Duldung. Die Ausschlusskriterien nach § 60a Abs. 6 und Abs. 2 S. 6 AufenthG lägen nicht vor. Konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung stünden nicht bevor. Im gerichtlichen Verfahren hat der Bevollmächtigte mit Schriftsatz vom 9. Dezember 2019 den vom Antragsteller und Ausbildungsbetrieb unterzeichneten und in die Handwerksrolle eingetragenen Ausbildungsvertrag vorgelegt. Auf die Antragsbegründung wird im Übrigen verwiesen.
Der Antragsgegner übermittelte die Behördenakte elektronisch und beantragte
den Antrag abzulehnen.
In der Antragserwiderung wird ausgeführt, der Antrag sei unzulässig. Der Antrag sei auf eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet. Der Antragsteller begehre nämlich in der Hauptsache die Erteilung einer Ausbildungserlaubnis und die damit akzessorische Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis. Über dieses Begehren habe der Antragsgegner bisher nicht entschieden. Der Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO würde damit bereits eine Entscheidung in der Hauptsache vorwegnehmen. Ein solches Antragsbegehren sei grundsätzlich zurückzuweisen. Nur ausnahmsweise sei ihm stattzugeben, wenn das Abwarten in der Hauptsache für den Antragsteller unzumutbar wäre. Dies sei vorliegend nicht der Fall, da ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes die soziale, berufliche oder wirtschaftliche Existenzgrundlage des Antragstellers nicht gefährdet sei, denn dem Antragsteller stünden weiterhin Asylbewerberleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu. Auch habe der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, dass es ihm unmöglich sei, eine andere Ausbildungsstelle zu finden und er nunmehr eine einzigartige berufliche Chance verlieren würde. Der Antrag sei auch unzulässig, da in der Hauptsache keine Eilbedürftigkeit bestehe. Der Antragsteller mache geltend, dass er eine Entscheidung bis Mitte Dezember benötige; erst danach sei die Ausbildung zum Maler und Lackierer nicht mehr möglich. Eine Eilbedürftigkeit in der Hauptsache sei nicht erkennbar, da noch ein halber Monat für die Entscheidung zur Verfügung stehe. Der Antrag sei nach summarischer Prüfung unbegründet und habe keine Erfolgsaussichten. Rechtsgrundlage für die Erteilung einer Ausbildungsduldung sei derzeit § 60a Abs. 2 Satz 4ff. Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Demnach sei eine Ausbildungsduldung zu erteilen, wenn der Ausländer eine qualifizierte Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf in Deutschland aufnimmt oder aufgenommen hat, die Voraussetzungen nach Abs. 6 nicht vorliegen und konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht bevorstehen. Im vorliegenden Fall seien bereits konkrete aufenthaltsbeendende Maßnahmen durch den Antragsgegner eingeleitet worden, womit die Tatbestandsvoraussetzungen für die Erteilung nicht vorlägen. Im vorliegenden Fall sei bereits am 28. August 2019 vor Beantragung der Ausbildungsduldung ein PEP-Antrag an das Bayerische Landesamt für Asyl und Rückführungen weitergeleitet worden. Ebenfalls sei der Antragsteller seit Eintritt seiner vollziehbaren Ausreisepflicht mehrmals aufgefordert und verpflichtet worden, seinen Mitwirkungspflichten nach § 15 AsylG und § 48 AufenthG nachzukommen. Diesen Mitwirkungspflichten sei der Betroffene bisher nicht ausreichend nachgekommen. Aufgrund der mangelnden Mitwirkung des Antragstellers seit Eintritt der vollziehbaren Ausreisepflicht liege ohnehin ein Erwerbstätigkeitsverbot nach § 60a Abs. 6 AufenthG vor. Außerdem müsse dem Antragsteller nach jetzigem Rechtsstand wohl im Falle der Verlängerung der Duldung am 9. Januar 2020 eine Duldung für Personen mit ungeklärte Identität gemäß § 60b AufenthG erteilt werden, d. h. eine Duldung mit der wiederum ein Erwerbstätigkeitsverbot gemäß § 60b Abs. 5 Satz 2 AufenthG bestehen würde.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte M 24 E 19.5896 und die beigezogene Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antrag nach § 123 VwGO hat keinen Erfolg.
1. Das Verwaltungsgericht München ist zur Entscheidung über den Antrag nach § 123 VwGO als Gericht der Hauptsache nach § 52 Nr. 3 VwGO örtlich zuständig.
Es handelt sich vorliegend um keine asylrechtliche Streitigkeit, sondern um eine ausländerrechtliche Streitigkeit sowohl im Hinblick auf die begehrte Ausbildungsduldung als auch die zugehörige Beschäftigungserlaubnis.
Der mithin gegenwärtig wegen Passlosigkeit geduldete Antragsteller begehrt eine Ausbildungsduldung auf der Rechtsgrundlage des § 60a Abs. 2 S. 4 AufenthG und die erforderliche zugehörige Beschäftigungserlaubnis auf der Rechtsgrundlage der § 4 Abs. 3 S. 3, § 42 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG i.V.m. § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 3, § 32 Beschäftigungsverordnung – BeschV.
2. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung notwendig erscheint, insbesondere auch, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Erforderlich sind danach ein Anordnungsgrund, die Eilbedürftigkeit der Sache, sowie ein Anordnungsanspruch, der Anspruch auf die begehrte Maßnahme. Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind nach § 123 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen.
2.1. Der Antragsteller begehrt im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes eine vorläufige Ausbildungsduldung und eine vorläufige Beschäftigungserlaubnis für die Ausbildung bis zur Entscheidung in der Hauptsache. Eine grundsätzlich unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache liegt nicht vor; sollte sich dies im Einzelfall jedoch nach den Umständen ergeben, würde das Gebot des effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG ein Absehen vom Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache verlangen.
Dem Wesen und Zweck einer einstweiligen Anordnung entsprechend kann das Verwaltungsgericht in einem Eilverfahren nach § 123 VwGO grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und dem Betroffenen nicht schon in vollem Umfang das gewähren, was er nur in einem Hauptsacheprozess (vorliegend bei Klageerhebung nach einer negativen Entscheidung des Antragsgegners über den Antrag) erreichen könnte.
Eine Vorwegnahme der Hauptsache liegt dann vor, wenn die Entscheidung und die Folgen aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen auch nach der Hauptsacheentscheidung nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG gilt das Verbot einer Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung jedoch nicht, wenn eine bestimmte Regelung zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, d.h. die sonst zu erwartenden Nachteile für den Antragsteller unzumutbar und im Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der Hauptsache spricht (BayVGH, B.v. 7.5.2018 – 10 CE 18.464 – juris Rn. 6, 8; Kopp/Schenke, VwGO, Kom. 23.A. 2017, § 123 Rn. 14). Durch die einstweilige Erteilung der Duldung zum Zwecke der Berufsausbildung mit zugehöriger Beschäftigungserlaubnis würde die Hauptsache in der beschriebenen Weise vorweggenommen.
Für den Fall der Gestattung der Erwerbstätigkeit (nicht in Form einer Ausbildung) hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Notwendigkeit der Vorwegnahme wegen des Gebots des effektiven Rechtsschutzes bejaht, da Anträge auf Gestattung der Erwerbstätigkeit immer nur befristet für kurze Zeiträume gestellt werden können und die erteilte Beschäftigungserlaubnis als Nebenbestimmung im weiteren Sinn zu einer wegen Passlosigkeit des Antragstellers zu erteilenden Duldung (§ 60a Abs. 2 S. 1 AufenthG) jeweils mit Ablauf der Duldung erlischt. Da das Verwaltungsverfahren bzw. das verwaltungsgerichtliche Verfahren zur Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis in der Regel längere Zeit in Anspruch nehmen, könnte der Antragsteller die (ablehnende) Entscheidung der Behörde nicht gerichtlich überprüfen lassen, bevor die beantragte Geltungsdauer der Beschäftigungserlaubnis abgelaufen ist und damit das Rechtsschutzbedürfnis für eine gerichtliche Entscheidung fehlen würde. Durch die einstweilige Gestattung einer Erwerbstätigkeit würde die Hauptsache jedoch in der beschriebenen Weise vorweggenommen, weil der Antragsteller legal einer Beschäftigung nachgehen und dieser Zustand rückwirkend nicht mehr beseitigt werden könnte (BayVGH, B.v. 7.5.2018 – 10 CE 18.464 – juris Rn. 6, 8).
Bei einer vorläufigen Ausbildungsduldung und einer vorläufigen Beschäftigungserlaubnis für die Ausbildung, die entsprechend der (zwei- oder dreijährigen) Ausbildungszeit länger dauert, stellt sich in der Regel nicht die Problematik des „Zuspätkommens“ der gerichtlichen Hauptsacheentscheidung und es tritt auch nicht der Umstand ein, dass die vorläufige Gestattung regelmäßig durch den Zeitablauf zugleich die endgültige Gestattung der Erwerbstätigkeit darstellt. Bei einer vorläufigen Ausbildungsduldung und einer vorläufigen Beschäftigungserlaubnis für die Ausbildung stellt sich die Situation aber insoweit gleich dar wie bei der Gestattung der Erwerbstätigkeit (nicht in Form einer Ausbildung), als bei einer (ablehnenden) Behördenentscheidung in der Regel eine Hauptsacheentscheidung zu spät kommt, denn in der Regel ist nach einem gewissen Zeitablauf der Ausbildungsplatz nicht mehr verfügbar, weil der Ausbildungsbetrieb diesen anderweitig besetzt hat, oder aber, wenn dies nicht der Fall ist, ein späterer Ausbildungsbeginn (als üblicherweise September) an der mit der praktischen Ausbildung zeitlich verzahnten schulischen Ausbildung scheitert. Im Hinblick auf die Vorwegnahme der Hauptsache durch eine positive vorläufige Entscheidung im Eilverfahren stellt sich die Sachlage in der Regel anders dar, da die Ausbildungszeit in der Regel zum Zeitpunkt der Hauptsacheentscheidung noch nicht abgelaufen sein wird. Jedoch könnte im Fall der positiven Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutz bei einer nachfolgenden negativen Entscheidung im Hauptsacheverfahren einem Antragsteller ein ebenfalls nicht mehr rückgängig zu machender „Vorteil“ entstanden sein. Auch in Anbetracht eines solchen möglicherweise entstehenden Vorteils ist dem Betroffenen ein Abwarten (ohne vorläufigen gewährten Rechtsschutz) bis zur Entscheidung über die Hauptsache unzumutbar, da er sonst schwere irreparable Nachteile erleiden würde. Hierbei ist zu sehen, dass sich bei einem späteren neuen Ausbildungsplatz für die hierfür neu zu beantragende Ausbildungsduldung und Beschäftigungserlaubnis die Sach- und Rechtslage auch im Hinblick auf § 60a Abs. 2 S. 4 AufenthG hinsichtlich der Anforderung „Nichtbevorstehens konkreter Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung“ neu stellt.
Im vorliegenden Fall liegt keine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache vor. Eine Entscheidung in der Hauptsache käme zu spät, da der Antragsteller den Ausbildungsplatz nur noch bis spätestens Mitte Dezember 2019 antreten kann, um mit der schulischen Ausbildung beginnen zu können.
Für eine positive Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren muss aber ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der Hauptsache sprechen, was vorliegend nicht der Fall ist.
2.2. Der Antragsteller hat den Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Eilbedürftigkeit liegt vor.
2.3. Der Antragsteller hat den Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.
2.3.1. Nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG ist eine Duldung wegen dringender persönlicher Gründe im Sinne von § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG zu erteilen, wenn der Ausländer eine qualifizierte Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf in Deutschland aufnimmt oder aufgenommen hat, die Voraussetzungen nach Absatz 6 dieser Vorschrift nicht vorliegen und konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht bevorstehen. Es handelt sich um eine gebundene Entscheidung ohne Ermessen der Verwaltung.
Nach § 60a Abs. 6 S. 1 Nr. 2 AufenthG darf einem Ausländer die Ausübung der Erwerbstätigkeit (auch in Form der Ausübung einer qualifizierten Berufsausbildung) nicht erlaubt werden, wenn aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können. Gemäß § 60a Abs. 6 S. 2 AufenthG hat ein Ausländer die Gründe insbesondere zu vertreten, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt.
2.3.1.1. Mit dem Ausschlusstatbestand des Nichtbevorstehens konkreter Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung in § 60a Abs. 2 S. 4 AufenthG sollen die Fälle aus dem Anwendungsbereich des Rechtsanspruchs auf Ausbildungsduldung, mit denen den vom Gesetzgeber grundsätzlich anerkannten Interessen von Ausbildungsbetrieben und Auszubildenden angemessen Rechnung getragen wird (SächsOVG, B.v. 20.9.2018 – 3 B 345/18 – juris Rn. 10), ausgenommen werden, in denen die Abschiebung bereits konkret vorbereitet wird.
Die Gesetzesbegründung selbst führt insoweit die Beantragung eines Pass(ersatz)- papiers, die Terminierung der Abschiebung oder den Lauf eines Verfahrens zur Dublin-Überstellung als Beispiele an (BT-Drs. 18/9090 S. 25). In den Fällen, in denen die Abschiebung, Zurückschiebung oder Überstellung „absehbar“ ist, soll daher der Durchsetzung der Ausreisepflicht Vorrang eingeräumt werden (BT-Drs. 18/9090 S. 25). Die Gesetzesformulierung „Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung“ ist bewusst weiter gefasst als die eigentliche Aufenthaltsbeendigung durch Abschiebung, Zurückschiebung oder Überstellung; andernfalls hätte die Verwendung des Begriffs Aufenthaltsbeendigung als gemeinsamer Oberbegriff genügt.
Konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung stehen bevor, sobald die für den jeweiligen Ausländer zuständige Ausländerbehörde erstmals zielgerichtet und konkret tätig geworden ist, um die grundsätzlich mögliche Abschiebung einzuleiten, ohne dass bereits ein bestimmter Zeitpunkt für die Abschiebung feststehen muss, bzw. wenn sie die Abschiebung „auf den Weg gebracht“ hat (BayVGH, B.v. 20.11.2018 – 10 CE 18.2159 – juris Rn. 9 m.w.N. d. Rspr.). Es genügt, dass die Abschiebung durch die Ausländerbehörde oder eine andere für die Aufenthaltsbeendigung zuständige Behörde vorbereitet wird und für diese absehbar durchgeführt werden soll (BayVGH, B.v. 26.11.2018 – 19 C 18.54 – juris Rn. 12 mit Verweis auf NdsOVG, B.v. 30.8.2018 – 13 ME 298/18 – juris Rn. 10). Der Erteilung einer Duldung entgegenstehende Maßnahmen sind daher solche, die nach typisierender Betrachtung prognostisch bereits in einem engen sachlichen und vor allem zeitlichen Zusammenhang mit der Abschiebung selbst stehen (vgl. OVG Lüneburg, B.v. 30.8.2018 – 13 ME 298/18 – juris Rn 10 mit Verweis auf VGHBW, B.v. 13.10.2016 – 11 S 1991/16 – juris Rn. 21). Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat insoweit grundsätzlich in dem an die (damalige) Zentrale Ausländerbehörde Oberbayern / Zentrale Passbeschaffung Bayern gerichteten Ersuchen zur Beschaffung von Heimreisedokumenten einen „ersten Schritt“ zur Durchführung der Abschiebung gesehen (vgl. BayVGH, B.v. 20.11.2018 – 10 CE 18.1598 – juris Rn. 14; B.v. 20.11.2018 – 10 CE 18.2159 – juris Rn. 12; B.v. 5.2.2019 – 10 CE 19.204 – juris Rn. 4f.). Denn soweit der Ausländerbehörde kein gültiger Nationalpass des Ausländers vorliegt, ist die Ausstellung eines zur Rückführung berechtigenden Passersatzpapiers die erste Voraussetzung, um eine Abschiebung vollziehen zu können, und die Zentrale Ausländerbehörde Oberbayern / Zentrale Passbeschaffung Bayern war zum damaligen Zeitpunkt die für die Beschaffung von Heimreisedokumenten zuständige Stelle (§ 3 Abs. 3 ZustVAuslR i.d.F.v. 9.12.2014; vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 2 ZustVAuslR i.d.F.v. 27.8.2018, gültig ab 1.8.2018: jetzt das Landesamt für Asyl und Rückführungen). Es handelt sich mithin nicht nur um eine „rein interne Vorbereitung“, sondern um einen notwendigen Schritt in einem formellen Verfahren unter zwei voneinander unabhängigen Behörden (BayVGH, B.v. 20.11.2018 – 10 CE 18.2159 – juris Rn. 12). Ein weiterer Schritt für die Beschaffung von Heimreisepapieren liegt in der Einreichung des Antrags auf ein Rückreisedokument bei der Auslandsvertretung des Zielstaats der Rückführung, um ein EU-Laissez-Passer für die Rückführung auszustellen. Trotz dieser Verfahrensschritte stehen konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht bevor, wenn die Ausländerbehörde zum maßgeblichen Zeitpunkt noch nicht davon ausgehen konnte, dass und gegebenenfalls wann die Abschiebung des Antragstellers tatsächlich durchgeführt werden konnte (vgl. BayVGH, B.v. 20.11.2018 – 10 CE 18.1598 – juris Rn. 15 in Bezug auf das Afghanistan-Moratorium vom 1.6.2017 bis 6.6.2018).
Solange der Ausländerbehörde der Nationalpass nicht vorliegt und seine Echtheit nicht bestätigt ist, ist es der Ausländerbehörde jedenfalls nicht verwehrt, parallel zur Passbeschaffung durch den Antragsteller (vorsorglich) die Ausstellung eines die Rückführung ermöglichenden Passersatzpapiers in die Wege zu leiten (BayVGH, B.v. 20.11.2018 – 10 CE 18.2159 – juris Rn. 13).
2.3.1.2. Für die Ausbildungsduldung nach § 60a Abs. 2 S. 4 AufenthG gilt, dass die Voraussetzungen grundsätzlich zum Zeitpunkt der Behördenentscheidung bzw. bei einem dagegen gerichteten Rechtsschutz zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorliegen müssen.
Abweichendes gilt jedoch für die Frage, ob der Versagungsgrund konkret bevorstehender Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung einer Ausbildungsduldung entgegensteht. Würde hinsichtlich des Ausschlussgrundes der bevorstehenden konkreten Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung auf den Zeitpunkt der Entscheidung der Ausländerbehörde oder auf den des Gerichts abgestellt, so hätte es die Ausländerbehörde sogar nach einem (rechtmäßigen) Beginn der Ausbildung in der Hand, durch Einleitung aufenthaltsbeendenden Maßnahmen die Entstehung des Anspruchs zu verhindern (BayVGH, B.v. 22.1.2018 – 19 CE 18.51 – juris Rn.18 m.w.N.d.Rspr.).
Für die Beurteilung der Frage, ob konkrete Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung entgegenstehen, ist maßgeblich auf den Zeitpunkt der Beantragung einer zeitnah aufzunehmenden, konkret bezeichneten Berufsausbildung unter Vorlage geeigneter Nachweise abzustellen (BayVGH, B.v. 22.1.2018 – 19 CE 18.51 – juris Rn.18; B.v. 20.11.2018 – 10 CE 18.2159 – juris Rn. 10 m.w.N.d.Rspr.).
In der Rechtsprechung werden insoweit im Einzelnen unterschiedliche Anforderungen gestellt, was mit dem Antrag an die Ausländerbehörde vorzutragen oder vorzulegen ist, damit dieser hinreichend konkret ist. Die Spanne reicht insoweit von einer Mitteilung des (konkreten) Ausbildungsverhältnisses über eine Vorlage des bereits abgeschlossenen Ausbildungsvertrages, der sich zumindest auf das unmittelbar bevorstehende Ausbildungsjahr beziehen muss und in engem zeitlichen Zusammenhang mit diesem steht, bis zur Forderung nach einem Antrag auf Eintragung des Ausbildungsverhältnisses in ein Verzeichnis nach § 34 Abs. 2BBiG (vgl. BayVGH, B.v. 22.1.2018 – 19 CE 18.51 – juris Rn.18 mit w.N.d. Rspr.zu den unterschiedlichen Anforderungen).
Der Zeitpunkt der Beantragung einer zeitnah aufzunehmenden, konkret bezeichneten Berufsausbildung gilt nach Ansicht des 10. Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs sowohl für das Tätigwerden der Ausländerbehörde wie auch für die Beurteilung der Frage, ob mit diesem Tätigwerden die Abschiebung „eingeleitet“ bzw. absehbar ist (BayVGH, B.v. 20.11.2018 – 10 CE 18.1598 – juris Rn. 12).
2.3.1.3. Auch wenn konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht bevorstehen, kann der Ausschlusstatbestand des § 60a Abs. 6 S.1 Nr. 2 AufenthG greifen, d.h. wenn der Antragsteller in vorwerfbarer Weise bei der Passbeschaffung oder bei der Beschaffung von Identitätspapieren nicht mitwirkt. Bei den in § 60a Abs. 6 S. 2 AufenthG angegebenen Fällen einer Täuschungshandlung oder der Kundgabe falscher Angaben handelt es sich nur um Beispielsfälle für das Vertretenmüssen i.S.d. Satzes 1 Nr. 2 (BayVGH, B.v. 2.5.2019 – 10 CE 19.273 – juris und B.v. 17.10.2019 – 10 ZB 18.1883 – juris im Anschluss an VGHBW, B.v. 26.11.2018 – 12 S 2460/18 – juris Ls. 1, Rn. 5f. und im Anschluss an SächsOVG, B.v. 15.9.2017 – 3 B 245/17 – juris Ls., Rn. 6).
Neben den in § 60a Abs. 6 S. 2 AufenthG beispielhaft aufgeführten Fällen der Täuschung und Falschangaben kann in der unzureichenden Mitwirkung bei der Passbeschaffung eines Duldungsinhabers grundsätzlich ein Versagungsgrund nach § 60a Abs. 6 S. 1 Nr. 2 AufenthG zu sehen sein, der einen Ausschlusstatbestand für die Ausbildungsduldung und ein absolutes Erwerbstätigkeitsverbot begründet.
Aus § 82 Satz 1 AufenthG ergibt sich für den (vollziehbar ausreisepflichtigen) Ausländer eine Mitwirkungs- und Initiativpflicht. Dies bedeutet, dass er an allen zumutbaren Handlungen mitwirken muss, die die Behörden von ihm verlangen. Er ist gehalten, die von ihm konkret geforderten Schritte zu unternehmen sowie konstruktiv die ihm aufgezeigten Aktivitäten zu entwickeln. Daneben hat er eigenständig die Initiative zu ergreifen, um nach Möglichkeiten zu suchen, bestehende Ausreisehindernisse zu beseitigen. Zu den denkbaren Pflichten gehört die Beschaffung von Identitätsnachweisen im Heimatland über Dritte. Unter Berücksichtigung der genannten Regelbeispiele muss eine mangelnde Mitwirkung ein gewisses Gewicht erreichen, so dass es gerechtfertigt erscheint, sie aktivem Handeln gleichzustellen (BayVGH, B.v. 7.5.2018 – 10 CE 18.464 – juris Rn. 10).
Die zuständige Behörde hat den Ausländer auf seine Pflichten hinzuweisen (§ 82 Abs. 2 Satz 1 AufenthG). Daneben ist die Behörde auch gehalten, von sich aus das Verfahren weiter zu betreiben und auf weitere, dem Antragsteller gegebenenfalls nicht bekannte Möglichkeiten aufmerksam zu machen und diese mit ihm zu erörtern (Hinweis- und Anstoßpflicht; BayVGH, U. v. 14.3. 2012 – 10 B 10.109 – juris Rn. 34). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss die Ausländerbehörde gesetzliche Mitwirkungspflichten beispielsweise zur Beschaffung von Identitätspapieren konkret gegenüber dem Betroffenen aktualisiert haben, um aus der mangelnden Mitwirkung negative aufenthaltsrechtliche Folgen ziehen zu können (vgl. für § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG BVerwG, U.v. 26.10.2010 – 1 C 18.09 – juris Rn. 17; BayVGH, B. v. 22.1.2018 – 19 CE 18.51 – juris Rn. 25). Auch das bloße Unterlassen jeglicher Mitwirkung bei der Passbeschaffung stellt einen Versagungsgrund im Sinn von § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG dar (OVG LSA, B.v. 9.7.2014 – 2 L 169/12 – juris Rn. 7; BayVGH, B.v. 28.4.2011 – 19 ZB 11.875 – juris Rn. 4 zu § 11 Satz 1 BeschVerfV), weil die Weigerung, an der Passbeschaffung mitzuwirken, im Ergebnis eine Aufenthaltsbeendigung nicht weniger behindert als (aktive) Falschangaben oder Täuschungshandlungen über die eigene Identität (OVG Berlin-Bbg, B.v. 9.8.2013 – OVG 3 M 39.13 – juris Rn. 8; BayVGH, B. v. 11.11.2016 – 10 C 16.1790 – juris Rn. 9) (BayVGH, B.v. 7.5.2018 – 10 CE 18.464 – juris Rn. 11 im Anschluss an BayVGH, U.v. 23.3.2006 – 24 B 05.2889 und 11.12.2006 – 24 B 06.2158 – beide juris, ausführlich zu den wechselseitigen Pflichten des Ausländers und der Ausländerbehörde bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen).
2.3.2. Die Bestimmungen über die Ausbildungsduldung nach § 60a Abs. 2 S. 4 AufenthG ersetzen nicht die Beschäftigungserlaubnis; erst wenn im Rahmen einer Ermessensentscheidung gemäß § 4 Abs. 3 S. 3, § 42 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG i.V.m. § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 3, § 32 BeschV eine Beschäftigungserlaubnis erteilt ist, kann eine Ausbildung in rechtmäßiger Weise aufgenommen werden. Allerdings ist das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Ausbildungsduldung nach § 60a Abs. 2 S. 4 und Abs. 6 AufenthG im Rahmen der Ermessensentscheidung über die Beschäftigungserlaubnis in der Regel ermessensleitend (idR auf null reduziert, siehe Vollzugshinweise n.F. S. 14) zu berücksichtigen, nachdem die Bestimmungen in § 4 AufenthG und in der BeschV, die in Fällen der vorliegenden Art der Behörde ein weit gespanntes Ermessen eröffnen, ohne Kenntnis von dem erst neuerdings geschaffenen Rechtsinstitut der Ausbildungsduldung erlassen worden sind und die Bestimmungen über die Ausbildungsduldung als striktem Rechtsanspruch diese ausgestalten (BayVGH, B.v. 26.11.2018 – 19 C 18.54 – juris Rn. 16 m.w.d.Rspr.). In Bezug auf die Beschäftigungserlaubnis hat sich die Behörde bei ihrer Ermessensausübung darüber hinaus wegen der Selbstbindung der Verwaltung aufgrund der ministeriellen Weisungslage in Verbindung mit dem Gleichheitssatz an das Rundschreiben des Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr vom 1. September 2016 (Az: IA2-2081-1-1-8-19) zu halten.
2.3.3. Nach Maßgabe der vorgenannten Ausführungen zu Rechtslage hat der Antragsteller den Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.
Die Ausbildungsduldung und die Beschäftigungserlaubnis für die Ausbildung zum Maler und Lackierer bei der Fa. P. wurde nicht schon mit Schreiben der Helferin Frau M. W. vom 23. August 2019, sondern erst durch den Bevollmächtigten des Antragstellers mit Schriftsatz vom 3. September 2019 beantragt. Frau M. W. hatte weder eine Vollmacht zur Antragstellung, noch legte sie einen rechtswirksam zwischen dem Antragsteller und dem Ausbildungsbetrieb geschlossenen Ausbildungsvertrag vor, noch stellte sie explizit einen Antrag im Namen des Antragstellers. Frau M.W. war nicht berechtigt, rechtsverbindliche Erklärungen (um solche handelt es sich bei Antragstellungen) für den Antragsteller abzugeben. Hingegen hatte der Antragsteller den Bevollmächtigten bereits seit 17. Juli 2019 auch für das Verwaltungsverfahren bevollmächtigt und dies war dem LRA auch mitgeteilt worden. Erst im gerichtlichen Verfahren hat der Bevollmächtigte mit Schriftsatz vom 9. Dezember 2019 den vom Antragsteller und Ausbildungsbetrieb unterzeichneten und in die Handwerksrolle eingetragenen Ausbildungsvertrag vorgelegt.
Entgegen den Ausführungen des Antragsgegners in der Antragserwiderung liegt kein Ausschlussgrund nach § 60a Abs. 6 AufenthG vor. Parallel zur eigeninitiativ erfolgenden Passbeschaffung, zu der der Antragsteller verpflichtet ist, hat er auch an der zulässigerweise erfolgenden parallelen Beschaffung von Pass(ersatz) papieren mitgewirkt. Der Antragsteller hat an allen ihm zumutbaren Mitwirkungshandlungen mitgewirkt und dadurch seine Mitwirkungspflicht erfüllt.
Im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung (3.9.2019) war der Versagungsgrund konkret bevorstehender Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nach § 60a Abs. 2 S. 4 AufenthG gegeben. Die vom LRA verlangte und erfolgte Ausfüllung und Unterzeichnung des PEP-Antrags durch den Antragsteller am 21. August 2019, der durch das LRA an die zur Passbeschaffung zuständige Behörde am 28. August 2019 weitergeleitet wurde, stellt eine Maßnahme zur Aufenthaltsbeendigung dar. Mit der Weiterleitung des PEP-Antrags liegt die erforderliche Zielgerichtetheit dieser Maßnahme für die Aufenthaltsbeendigung vor. Damit liegt zum Zeitpunkt der Antragstellung am 3. September 2019 der Versagungsgrund konkret bevorstehender Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung vor.
Damit besteht im vorliegenden Fall wegen Vorliegens des Versagungsgrundes konkret bevorstehender Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nach § 60a Abs. 2 S. 4 AufenthG kein Rechtsanspruch auf eine Ausbildungsduldung nach § 60a Abs. 2 S. 4 AufenthG. Mangels Rechtsanspruchs auf Erteilung einer Ausbildungsduldung nach § 60a Abs. 2 S. 4 AufenthG ist auch kein Anspruch auf Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis gemäß § 4 Abs. 3 S. 3, § 42 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG i.V.m. § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 3, § 32 BeschV im Wege der Ermessernsreduzierung auf Null und auch nicht als Anspruch auf Neuverbescheidung gegeben.
3. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO).
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 und § 52 Abs. 2 GKG. Die wirtschaftliche Bedeutung einer Ausbildungsduldung rechtfertigt den Ansatz des Auffangwertes und nicht nur des hälftigen Auffangwertes (vgl. Nr. 8.3 Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit: „Abschiebung“). Eine Reduzierung des Auffangwerts (vgl. Nr. 1.5 Streitwertkatalogs) war im vorliegenden Fall wegen der angestrebten Vorwegnahme der Hauptsache nicht veranlasst (vgl. BayVGH, B.v. 20.11.2018 – 10 CE 18.2159 – juris Rn. 16 m.w.N.d.Rspr.). In der vorliegenden Konstellation kommt dem Antrag auf Erteilung einer (vorläufigen) Beschäftigungserlaubnis neben der beantragten Ausbildungsduldung kein eigenständiger wirtschaftlicher Wert in Sinn von § 39 Abs. 1 GKG zu (vgl. BayVGH, B.v. 20.11.2018 – 10 CE 18.2159 – juris Rn. 16 m.w.N.d.Rspr.).
5. Da der Eilantrag – wie oben dargestellt – keine Aussicht auf Erfolg hat, war der Prozesskostenhilfeantrag abzulehnen. Da dem Antragsteller keine Prozesskostenhilfe bewilligt wird, war auch der Antrag auf Beiordnung des zur Vertretung bereiten Bevollmächtigten abzulehnen (§ 166 VwGO i.V.m. § 121 Abs. 2 ZPO).
Die Entscheidung über die Prozesskostenhilfe ergeht kostenfrei.


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