Verwaltungsrecht

Zulassung zum Studium an der Hochschule München

Aktenzeichen  M 3 E 16.893

Datum:
28.10.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 130283
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123

 

Leitsatz

1 Bei der Beurteilung, ob ein Härtefall vorliegt (vgl. § 15 S. 2 HZV), ist ein besonders strenger Maßstab anzulegen. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Umstand, dass die Eltern eines Studienplatzbewerbers schwer krank und auf seine Unterstützung angewiesen sind, weshalb es ihm nicht möglich ist, ein Studium an einer auswärtigen Hochschule aufzunehmen, stellt keinen Härtefall iSd § 15 S. 2 HZV dar. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragspartei hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,- € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragspartei bewarb sich erfolglos um einen Studienplatz an der Hochschule für angewandte Wissenschaften … (im Folgenden: die Hochschule) im Bachelorstudiengang Betriebswirtschaft für das Sommersemester 2016; die Hochschule lehnte ihre Bewerbung mit dem – mit Rechtsbehelfsbelehrung:versehenen – Bescheid vom 28. Januar 2016 ab.
Am 22. Februar 2016 beantragte die Antragspartei beim Verwaltungsgericht München zur Niederschrift, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO zu verpflichten, die Antragspartei vorläufig zum Studium Betriebswirtschaft (Bachelor) im 1. Fachsemester, beginnend mit dem Sommersemester 2016 an der Hochschule zuzulassen.
Zur Begründung wurde vorgetragen, die Eltern der Antragspartei seien schwer krank und auf seine Unterstützung angewiesen. Es sei der Antragspartei deshalb nicht möglich, ein Studium an einer auswärtigen Hochschule aufzunehmen.
Außerdem legte die Antragspartei die Kopie eines Aufenthaltstitels (Niederlassungserlaubnis) vor.
Auf die Anforderung des Gerichts, unverzüglich mitzuteilen, welche Staatsangehörigkeit sie besitze, sowie eine Abschrift der Hochschulzugangsberechtigung vorzulegen, reagierte die Antragspartei nicht.
Die Hochschule hat am 19. April 2016 beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Mit der Satzung über die Zulassungszahlen im Wintersemester 2015/2016 und im Sommersemester 2016 an der Hochschule vom 29. Juni 2015 sei für das Sommersemester 2016 im Bachelorstudiengang Betriebswirtschaft für das erste Fachsemester eine Zulassungszahl von 178 Studienanfängern festgesetzt worden; am 4. April 2016 seien 198 Studierende, am 10. Mai 2016 noch 196 Studierende im ersten Fachsemester immatrikuliert gewesen, die festgesetzte Kapazität sei damit überschritten worden. Weitere Studienplätze außerhalb der festgesetzten Kapazität stünden im Studiengang Betriebswirtschaft nicht zur Verfügung.
Mit Beschluss vom 25. Oktober 2016 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen. Wegen weiterer Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist zulässig, jedoch unbegründet.
Gemäß § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung eines bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechtes des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Die Antragspartei muss demnach sowohl die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung, den sog. Anordnungsgrund, als auch das Bestehen eines zu sichernden Rechts, den sog. Anordnungsanspruch, glaubhaft machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 Zivilprozessordnung – ZPO).
Die Antragspartei hat zwar einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, d.h. die Dringlichkeit des Begehrens, bereits vor Abschluss eines Hauptsacheverfahrens wenigstens vorläufig zu dem von ihr gewünschten Studiengang zum Sommersemester 2016 bzw. zum nächstmöglichen nachfolgenden Termin zugelassen zu werden.
Die Antragspartei hat jedoch keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
Der Antrag der Antragspartei auf Zuweisung eines Studienplatzes wegen der geltend gemachten Krankheit und Unterstützungsbedürftigkeit seiner Eltern hat keinen Erfolg.
Nach § 25 i.V.m. § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Hochschulzulassungsverordnung – HZV – vom 18.6.2007 (GVBl S. 401) ist von den festgesetzten Zulassungszahlen vorweg eine Quote von 2 v.H. für Fälle außergewöhnlicher Härte abzuziehen. Eine außergewöhnliche Härte liegt nach § 15 Satz 2 HZV vor, wenn besondere, u.a. familiäre Gründe in der Person der Bewerberin oder des Bewerbers die sofortige Aufnahme des Studiums zwingend erfordern. Die Berücksichtigung eines Härtefalls setzt einen entsprechenden Antrag bei der Bewerbung um den Studienplatz voraus, der innerhalb der hierfür geltenden Ausschlussfrist für das jeweilige Semester gestellt und begründet werden muss (vgl. BayVGH, B.v. 21.3.2011 – 7 CE 10.10401 – juris Rn. 8, unter Hinweis auf §§ 3, 15 Satz 1 HZV). Aus dem Vorbringen der Antragspartei ergibt sich nicht, dass sie bei der Hochschule zusammen mit ihrer Bewerbung einen Antrag auf Berücksichtigung im Rahmen der Vorabquote für Härtefälle gestellt hat.
Dies kann jedoch letztlich offen bleiben, weil die von der Antragspartei vorgebrachten Umstände auch keine außergewöhnliche Härte i.S.d. Hochschulzulassungsrechts begründen könnten. Da die Berücksichtigung eines Studienplatzbewerbers über die Härtefallquote faktisch eine Befreiung von den allgemeinen Auswahlkriterien, insbesondere Qualifikation und Wartezeit, bewirkt, ist aus Gründen der Wahrung der Chancengleichheit der Studienplatzbewerber bei der Frage, ob ein Härtefall vorliegt, ein besonders strenger Maßstab anzulegen (BayVGH, B.v. 21.3.2011 – a.a.O.). Es muss eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass das Studium im Fall der Ablehnung der Zulassung nicht mehr beendet werden könnte; es muss also geprüft werden, ob eine Verzögerung des Studienbeginns auch nur um ein Semester unzumutbar wäre (vgl. BayVGH, B.v. 21.3.2011 – a.a.O.).
Wenn die Antragspartei ausführt, ihre Eltern seien schwer krank und auf ihre Unterstützung angewiesen, weshalb es ihr nicht möglich sei, ein Studium an einer auswärtigen Hochschule aufzunehmen, stellt dies sicher eine persönliche Belastung dar, kann aber trotzdem keinen Härtefall im oben beschriebenen Sinn begründen. Denn die Regelung über die Vorab-Berücksichtigung eines Studienbewerbers im Rahmen der Härtefall-Quote dient nicht der Kompensation schicksalhafter persönlicher Umstände, sondern soll verhindern, dass ein Bewerber infolge gesundheitlicher, familiärer oder sonstiger sozialer Benachteiligungen sein Berufsziel nicht (mehr) erreichen kann, wenn er auf den Studienplatz noch länger warten müsste (vgl. auch OVG NRW, B.v.14.6.2013 – 13 B 440/13 – juris). Es muss also konkret dargelegt werden, dass eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Bewerber im Fall sofortiger Zulassung das Studium (noch) wird beenden können, nicht mehr jedoch im Fall eines Zuwartens sei es auch nur um ein Semester; dass also, wie von der HZV gefordert, die sofortige Aufnahme des Studiums für dessen erfolgreichen Abschluss zwingend erforderlich ist.)
Die von der Antragspartei geschilderten persönlichen Umstände betreffen jedoch nicht die vom Verordnungsgeber geforderte, sondern eine andere Fallkonstellation, die nach dem Willen des Verordnungsgebers, an dem sich das Gericht zu orientieren hat, einen Härtefall nicht begründen kann.
Darüber hinaus hat die Antragspartei auch ihre Hochschulzugangsberechtigung nicht durch Vorlage einer Kopie des Abiturbzw. Fachabiturzeugnisses glaubhaft gemacht.
Auch ist aus dem Aufenthaltstitel der Antragspartei erkennbar, sie weder Deutsche noch Angehörige eines EU-Mitgliedsstaates ist.
Studienbewerber, die weder die deutsche Staatsangehörigkeit noch die eines Mitgliedstaates der Europäischen Union besitzen, können einen Anspruch auf Zulassung zum Studium nur innerhalb der festgesetzten Kapazität geltend machen. Auch der Besitz einer deutschen Hochschulzugangsberechtigung führt zu keiner anderen Beurteilung (st. Rspr. des BayVGH; vgl. z.B. zuletzt Beschluss vom 11.5.2010, Az. 7 CE 10.10133).
Zwar werden ausländische Staatsangehörige und Staatenlose, die eine deutsche Hochschulzugangsberechtigung besitzen (sog. Bildungsinländer), in Art. 5 Abs. 2 Satz 2 des Staatsvertrags über die Errichtung einer gemeinsamen Einrichtung für Hochschulzulassung, in Kraft getreten am 1. Mai 2010 (vgl. Bek. vom 20. Mai 2010, GVBl S. 270), sowie in Art. 1 Abs. 2 Satz 3 des Bayerischen Hochschulzulassungsgesetzes (BayHZG) vom 9. Mai 2007 (GVBl S. 320) und der entsprechenden Ausführungsbestimmung des § 2 Satz 2 Nr. 4 Hochschulzulassungsverordnung (HZV) vom 18. Juni 2007 (GVBl S. 401) jeweils „Deutschen gleichgestellt“. Die genannten Vorschriften beziehen sich jedoch nach ihrem Regelungszusammenhang allein auf die Studienplatzvergabe im Rahmen der gesetzlich geregelten zentralen und örtlichen Verteilungsverfahren auf der Grundlage der satzungsrechtlich festgelegten Zulassungszahlen. Sie begründen daher nur einen Anspruch darauf, an diesen behördlichen Verfahren nach den für Deutsche geltenden Bestimmungen beteiligt zu werden (vgl. § 2 Satz 3 HZV). Die geforderte Gleichstellung umfasst dagegen nicht das auf Art. 12 Abs. 1 GG gestützte derivative Recht auf Teilhabe an den staatlichen Ausbildungsressourcen, das vom Träger dieses Grundrechts außerhalb der regulären Vergabeverfahren gerichtlich geltend gemacht werden kann (BayVGH, Beschluss vom 11.5.2010, Az. 7 CE 10.10133). Die Antragspartei kann daher auch nicht das Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG für sich in Anspruch nehmen, da sie die deutsche Staatsangehörigkeit nicht besitzt.
Der Antrag war daher aus mehreren Gründen mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1, 2 GKG.


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