Verwaltungsrecht

Zulassung zum Studium der Zahnmedizin

Aktenzeichen  7 CE 21.10042

Datum:
2.12.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 41441
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 146 Abs. 4 S. 6
LUFV § 3 Abs. 2 S. 3
ZApprO § 7 Abs. 2 S. 2

 

Leitsatz

1. Hochschulen haben bei der Ausfüllung des verbindlichen Curricularnormwerts einen Gestaltungsspielraum (VGH München BeckRS 2020, 14842). Zwar dürfen Gruppengrößen von Praktika im Ergebnis dem normativ festgelegten Curricularnormwert nicht überschreiten, da es sich bei ihnen jedoch um eine abstrakte Größe handelt (VGH München BeckRS 2020, 36173, verlangt das Kapazitätsrecht keine Korrektur der Gruppengröße entsprechende Ausbildungswirklichkeit ((Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die gemäß Kapazitätsverordnung zugrunde zu legende Gruppengröße und der festgelegte Faktor für die Anrechnung des zeitlichen Aufwands der Lehrkräfte stehen in Relation zueinander und können nicht beliebig im Rahmen der Kapazitätsberechnung kombiniert werden. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 2 E 20.10122 2021-02-25 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Zulassung zum Studium der Zahnmedizin, 1. Fachsemester, an der F.-Al.-Universität E.-N. (FAU) nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2020/2021. Er macht geltend, dass mit der in der Satzung der FAU über die Festsetzung von Zulassungszahlen für die im Studienjahr 2020/2021 als Studienanfängerinnen und Studienanfänger sowie in höhere Fachsemester aufzunehmenden Bewerberinnen und Bewerber (Zulassungszahlsatzung) vom 31. Juli 2020 festgesetzten Zahl von 55 Studienanfängerinnen und Studienanfängern die vorhandene Ausbildungskapazität nicht ausgeschöpft sei.
Das Verwaltungsgericht Ansbach hat mit Beschluss vom 25. Februar 2021 den Antragsgegner zwar verpflichtet, einen weiteren Studienplatz im Wege des Nachrückverfahrens unter allen Bewerbern zu vergeben, die die Verpflichtung des Antraggegners erstritten haben, den Antrag im Übrigen aber abgelehnt. Der Antragsteller habe nicht glaubhaft gemacht, dass an der FAU über die kapazitätsdeckend vergebenen 55 Studienplätze und den weiteren gerichtlich zugesprochenen Studienplatz hinaus noch weitere Studienplätze im Studiengang Zahnmedizin, 1. Fachsemester, zur Verfügung stünden.
Gegen diesen Beschluss wendet sich der Antragsteller mit der vorliegenden Beschwerde.
Der Antragsgegner widersetzt sich der Beschwerde.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Behörden- und Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Das Beschwerdevorbringen, auf das sich die Prüfung des Senats beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), begründet den geltend gemachten Anordnungsanspruch des Antragstellers nicht.
Das Verwaltungsgericht geht nach eingehender Prüfung der vorgelegten kapazitätsbestimmenden Faktoren und Ergebnisse der hochschulinternen Berechnungen für die Ermittlung der Zulassungszahl hinsichtlich des Studienjahres 2020/2021 zu Recht davon aus, dass die FAU ihre Ausbildungskapazität im Studiengang Zahnmedizin (1. Fachsemester) bis auf den weiteren gerichtlich zugesprochenen Studienplatz ausgeschöpft hat und der Antrag daher im Übrigen abzulehnen war. Der Verwaltungsgerichtshof folgt den Gründen des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts und nimmt hierauf Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Ergänzend ist im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen zu bemerken:
Der Antragsteller meint, die Gruppengröße von lediglich 10 in den Kursen und Praktika der Lehreinheit Zahnmedizin stelle eine unzulässige Niveaupflege dar; es stünden noch 4 weitere Studienplätze zur Verfügung, wenn die Gruppengröße – wie bundesweit üblich – auf 15 erhöht würde. Selbst wenn man davon ausginge, dass die von der Hochschule praktizierten Kurse mit Gruppengrößen von g = 10 keine unzulässige Niveaupflege darstellten, wäre diese Gruppengröße auch den von anderen Lehreinheiten erbrachten Kursen und Praktika zugrunde zu legen, so dass sich für das Wintersemester und das Sommersemester insgesamt 121 und nicht nur, wie festgesetzt, 109 Studienplätze errechnen würden. Mit diesem Einwand kann der Antragsteller nicht durchdringen.
In dem der Kapazitätsermittlung zugrundeliegenden Berechnungsmodell stellt die Gruppengröße bzw. Betreuungsrelation keinen exakt an der Ausbildungswirklichkeit zu messenden Wert, sondern eine abstrakte Größe dar (vgl. BayVGH, B.v. 1.12.2020 – 7 CE 19.10126 – juris Rn. 15). Die Gruppengrößen bei Praktika, die nicht normiert sind, müssen so bemessen sein, dass im Ergebnis der normativ festgelegte Curricularnormwert (hier 8,86, vgl. Anlage 10 zu § 48 HZV) nicht überschritten wird (vgl. BayVGH, B.v. 4.4.2019 – 7 CE 18.10072 u.a. – juris Rn. 26; B.v. 11.4.2011 – 7 CE 11.10004 u.a. – juris Rn. 27). Eine Korrektur der Gruppengröße entsprechend der Ausbildungswirklichkeit verlangt das Kapazitätsrecht daher grundsätzlich nicht. Denn das abstrakte Berechnungsmodell beruht gerade nicht auf aus der „Hochschulwirklichkeit“ möglichst exakt abgeleiteten Werten, sondern basiert auf festgesetzten Parametern innerhalb einer abstrakten Berechnungsmethode (vgl. SächsOVG, B.v. 29.10.2019 – 2 B 214/19.NC – juris Rn. 12). Nach der Senatsrechtsprechung verfügt die Hochschule bei der Ausfüllung des verbindlichen Curricularnormwerts, mit dem die Einheitlichkeit der Kapazitätsermittlung gewährleistet wird, über einen Gestaltungsspielraum (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 7.5.2020 – 7 CE 20.10009 u.a. – BeckRS 2020, 14842 Rn. 10; B.v. 4.4.2019 – 7 CE 18.10072 u.a. – juris Rn. 27). Dass dieser Gestaltungsspielraum überschritten wäre, der Antragsgegner etwa den Curricularnormwert manipulativ kapazitätsverknappend aufgeteilt bzw. anderweitig willkürlich oder missbräuchlich gehandelt hätte, wird nicht dargelegt.
Daher kommt es nicht darauf an, dass die FAU sich bei der Festlegung der Gruppengröße von g = 10 mangels anderweitiger normativer Vorgaben immer noch auf die mittlerweile außer Kraft getretene Verordnung über die Grundsätze für eine einheitliche Kapazitätsermittlung und -festsetzung zur Vergabe von Studienplätzen (Kapazitätsverordnung – KapVO) vom 5. Dezember 1975 stützt, wonach in der Anlage 2 Teil 1, Lehrveranstaltungsart F (k = 13) für zahnmedizinische Praktikantenkurse die Betreuungsrelation mit g = 10 vorgesehen ist. Jedenfalls ist nichts dafür ersichtlich und vom Antragsteller auch nicht vorgetragen, dass sie bei Festlegung dieser Gruppengröße in Verbindung mit einem, ebenfalls in dieser Regelung für zahnmedizinische Praktikantenkurse vorgesehenen Faktor von f = 0,3 für die Anrechnung des zeitlichen Aufwands der Lehrpersonen ihren Gestaltungsspielraum überschritten hätte, zumal sich der Ansatz mit einer Gruppengröße g = 10 und einem Anrechnungsfaktor f = 0,3 kapazitätsfreundlicher auswirkt als der Ansatz g = 15 und f = 0,5. Von einer unzulässigen Niveaupflege ist daher trotz der Gruppengröße von g = 10 nicht auszugehen. Ein Anspruch des Antragstellers, den von ihm geltend gemachten kapazitätsgünstigsten Ansatz von g = 15 und f = 0,3 zugrunde zu legen, besteht nicht. Da Gruppengröße und Anrechnungsfaktor in Relation zueinanderstehen, können sie nicht beliebig im Rahmen der Kapazitätsberechnung kombiniert werden (vgl. hierzu nunmehr auch die ausdrücklichen Festsetzungen in § 7 Abs. 2 Satz 2 der seit dem 1.10.2021 geltenden ZApprO i.V.m. § 3 Abs. 2 Satz 3 LUFV). Daher lässt sich auch eine Verpflichtung der FAU zur Anpassung der Gruppengröße auf g = 10 und des Anrechnungsfaktors f = 0,3 hinsichtlich der von anderen Lehreinheiten zu erbringenden Kurse und Praktika mit der von der FAU festgelegten Gruppengröße von g = 15 (und einem Anrechnungsfaktor von f = 0,5) – wie vom Antragsteller gefordert – nicht herleiten, ungeachtet dessen, dass diese Lehrveranstaltungen gerade nicht von der zahnmedizinischen Fakultät, sondern von anderen Lehreinheiten erbracht werden und insoweit – jedenfalls hinsichtlich der Lehreinheit Vorklinische Medizin – § 48 Abs. 4 Satz 2 HZV zu beachten ist und damit ein sachlicher Differenzierungsgrund für die unterschiedliche Festlegung vorliegt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und Nr. 18.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der 2013 aktualisierten Fassung (abgedruckt in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, Anhang) und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.


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