Verwaltungsrecht

Zum Betretungsrecht der Bauaufsichtsbehörde

Aktenzeichen  1 ZB 19.836

Datum:
9.9.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 21160
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 54 Abs. 2 S. 4

 

Leitsatz

Das Betretungsrecht nach Art. 54 Abs. 2 S. 4 BayBO setzt nicht voraus, dass ein Verstoß gegen baurechtliche Vorschriften vorliegt, vielmehr reicht schon die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines solchen Verstoßes aus. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 9 K 17.6073 2019-03-13 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens als Gesamtschuldner.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Kläger wenden sich als Miteigentümer eines mit einem Wohngebäude bebauten Grundstücks gegen eine baurechtliche Betretensanordnung, mit der der Kläger zu 1 verpflichtet wird, der Bauaufsichtsbehörde Zutritt zu den Räumen des Hauses zu gewähren und die Klägerin zu 2 verpflichtet wird, dies zu dulden. Die hiergegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. In dem Urteil wird ausgeführt, dass die Anordnungen rechtmäßig seien, nachdem konkrete Anhaltspunkte dafür vorlägen, den Baubestand auf eine etwaige baugenehmigungspflichtige Änderung zu überprüfen. Das Kellergeschoss sei freigelegt worden und mit einem weiteren Zugang, Fenstern und einem Anbau versehen worden. Eine Umnutzung der Kellerräume in eine zweite Wohneinheit sei hinreichend wahrscheinlich.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und des Vorliegens eines Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) sind nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Art und Weise dargelegt.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838). Die Geltendmachung ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) verlangt zur Erfüllung der Darlegungsanforderungen gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO eine substanzielle Erörterung des in Anspruch genommenen Zulassungsgrundes. Eine schlichte, unspezifizierte Behauptung der Unrichtigkeit der angegriffenen Entscheidung genügt nicht. Der Rechtsmittelführer muss vielmehr konkret darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis mit überwiegender Wahrscheinlichkeit falsch ist (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 62 f.; BayVGH, B.v. 4.7.2017 – 1 ZB 14.1681 – juris Rn. 4; B.v. 12.5.2017 – 15 ZB 16.1365 – juris Rn. 11; B.v. 8.10.2014 – 12 ZB 13.1087 – BayVBl 2015, 195). Diese Voraussetzungen erfüllt der Zulassungsantrag nicht.
Das Verwaltungsgericht hat die angeordnete Überprüfungsbefugnis einschließlich des Betretungsrechts nach Art. 54 Abs. 2 Satz 4 BayBO i.V.m. Art. 13 Abs. 7 GG bejaht, da eine dringende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung bestehe (vgl. BayVGH, B.v. 9.12.2015 – 1 ZB 14.1937 – juris Rn. 4; BayVGH, B.v. 26.3.2012 – 9 ZB 08.1359 – juris Rn. 15). Anhaltspunkte dafür, dass bei der Nutzung einer Wohnung gegen die Vorschriften über die Baugenehmigungspflicht verstoßen wird, bestünden schon aufgrund der sichtbaren baulichen Veränderungen an dem Gebäude.
Hiergegen wenden die Kläger nur ein, dass weder die Freilegung des Kellergeschosses noch die Meldung mehrerer Personen eine Ausweitung der Wohnnutzung bedingen würden. Die Zulassungsbegründung beschränkt sich darauf, der Annahme des Verwaltungsgerichts zu widersprechen. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den vom Verwaltungsgericht genannten Indizien, die die Vermutung von Baurechtsverstößen begründen können, enthält die Zulassungsbegründung nicht. Mit der festgestellten Zahl und dem Umfang der Änderungen setzen sich die Kläger nicht ansatzweise auseinander. Im Übrigen setzt die Befugnis nach Art. 54 Abs. 2 Satz 4 BayBO nicht voraus, dass ein Verstoß gegen baurechtliche Vorschriften vorliegt, vielmehr reicht schon die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines solchen Verstoßes aus (vgl. BayVGH, B.v. 26.3.2012 a.a.O. Rn. 13; Dirnberger in Simon/Busse, BayBO, Stand April 2019, Art. 54 Rn. 138). Soweit sie pauschal Fehler bei der Beweiswürdigung geltend machen, fehlt es an einer nachvollziehbaren Darlegung der Gründe für eine Zulassung der Berufung.
Die Berufung ist auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Die Kläger machen geltend, das Verwaltungsgericht habe es unterlassen, vor der mündlichen Verhandlung darauf hinzuweisen, dass sie Nachweise über die Vermietung des Objekts vorlegen müssten. Soweit die Kläger damit eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 108 Abs. 2 VwGO) oder des Untersuchungsgrundsatzes (§ 86 Abs. 1 VwGO) rügen, legen sie schon nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Art und Weise dar, inwiefern die Entscheidung des Verwaltungsgerichts auf dem Verfahrensmangel beruhen kann. Im Übrigen mussten die Kläger damit rechnen, dass der von ihnen vorgetragene Einwand der Vermietung näher darzulegen und zu beweisen ist. Dazu wurden sie bereits im behördlichen Verfahren aufgefordert, nachdem sie allein in der Lage sind, diese Behauptung zu belegen. Das Gericht war daher nicht aufgrund seiner Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) gehalten, den ausschließlich in der Sphäre der Kläger liegenden Umstand der Vermietung aufzuklären (vgl. BVerwG, B.v. 16.2.1995 – 1 B 205.93 – NVwZ 1995,473). Es ist Sache der Kläger entsprechend ihrer Mitwirkungspflicht (§ 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO) den Nachweis hierfür zu führen (vgl. BayVGH, B.v. 10.5.2019 – 1 ZB 17.1039 – juris Rn. 6).
Auch soweit die Kläger Fehler bei der Tatsachenfeststellung und der Sachverhaltswürdigung geltend machen, fehlt es an einer nachvollziehbaren Darlegung der Gründe für eine Zulassung der Berufung.
Die Kläger haben die Kosten des Zulassungsverfahrens als Gesamtschuldner zu tragen, da ihr Rechtsmittel erfolglos geblieben ist (§ 154 Abs. 2 VwGO, § 159 Satz 2 VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG und entspricht dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Betrag.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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