Verwaltungsrecht

Zum Erfordernis der Darlegung einer Abweichung von der Rechtsprechung eines Divergenzgerichts

Aktenzeichen  6 ZB 21.50026

Datum:
4.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 16420
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 4 S. 4

 

Leitsatz

Dass der Zulassungsantrag die Ausführungen des Verwaltungsgerichts anders bewertet, betrifft die Ebene der tatrichterlichen Würdigung im konkreten Einzelfall, begründet aber keine Divergenz in Rechts- oder Tatsachensätzen und kann daher nicht zum Erfolg eines darauf gestützten Zulassungsantrags führen. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 4 K 19.50416 2021-03-08 Urt VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 8. März 2021 – B 4 K 19.50416 – wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen, bleibt ohne Erfolg.
Der geltend gemachte Zulassungsgrund der Abweichung von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG) ist nicht den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG entsprechend dargelegt.
Hierfür ist es erforderlich, dass ein inhaltlich bestimmter, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts tragender Rechts- oder Tatsachensatz benannt wird, mit dem dieses von einem in der Rechtsprechung des Divergenzgerichts in Anwendung derselben Vorschrift aufgestellten und entscheidungstragenden Rechts- oder Tatsachensatz abgewichen sein soll. Die divergierenden Sätze müssen einander so gegenübergestellt werden, dass die Abweichung erkennbar wird (ständige Rechtsprechung, u.a. BayVGH, 12.12.2019 – 6 ZB 19.1143 – juris Rn. 32; B.v. 18.5.2016 – 6 ZB 15.2785 – juris Rn. 27). Daran fehlt es.
Das Verwaltungsgericht hat in dem angefochtenen Urteil u.a. festgestellt, dass der Kläger von Mai 2011 bis 2019 in Italien gelebt und dort einen Asylantrag gestellt habe. Das Bundesamt habe den 2019 in Deutschland gestellten Asylantrag des Klägers zu Recht gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 a AsylG als unzulässig abgelehnt, weil gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin-III-VO Italien für die Prüfung des Antrags des Klägers auf internationalen Schutz zuständig sei. Es gebe keine wesentlichen Gründe für die Annahme, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylantragsteller in Italien systemische Schwachstellen aufwiesen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinn des Art. 4 der EU-GR-Charta mit sich brächten. Das gelte auch im Hinblick darauf, dass es sich bei dem Kläger, seiner schwangeren Frau (der Klägerin im Verfahren 6 ZB 21.50027) und der am 11. September 2019 geborenen Tochter um eine vulnerable Personengruppe handele. Italien habe auf die Rechtsprechung des EGMR vom 4. November 2014 (29217/12) reagiert und die Betreuungsplätze für Familien ausgebaut. Es sei seitens Italien gesichert, dass das Bundesamt vor der Überstellung einer Familie im Fall mangelnder Verfügbarkeit von adäquater Unterbringung rechtzeitig informiert werde. Italien habe mit Schreiben vom 8. Januar 2019 eine allgemeine Zusicherung der adäquaten Unterbringung für alle Personen erteilt, die im Rahmen des Dublin-Verfahrens nach Italien überstellt würden. Diese schließe Familien mit Kindern unter drei Jahren ein. Bekräftigt werde dies durch das Schreiben des italienischen Innenministeriums vom 8. Februar 2021, wonach im Rahmen des neuen Systems auch aus Mitgliedstaaten zurücküberstellte Familien mit minderjährigen Kindern aufgenommen würden, um die Familieneinheit zu gewährleisten. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Oktober 2019 (2 BvR 1380/19 – juris) stehe der Rückführung nicht mehr entgegen. Die Sorge, dass eine Familie nach ihrer Dublin-Rückkehr ungewollt auf der Straße landen könnte, sei nach dem ausführlichen Bericht des Bundesamts zur Aufnahmesituation von Familien mit minderjährigen Kindern nach einer Dublin-Überstellung in Italien vom 2. April 2020 mittlerweile unbegründet und eine angemessene Unterbringung, Verpflegung und Versorgung in Aufnahmeeinrichtungen gewährleistet.
Im vorliegenden Fall habe die zuständige italienische Behörde am 27. Juni 2019 der Rücküberstellung des Klägers auf der Grundlage des Art. 18 Abs. 1 d Dublin-III-VO und seiner Partnerin (der Klägerin im Verfahren 6 ZB 21.50027) nach Art. 12 Abs. 1 Dublin-III-VO ausdrücklich zugestimmt. Das Paar solle sich sofort nach der Einreise bei der Grenzpolizei am Flughafen F. melden. Das Bundesamt sei gebeten worden, rechtzeitig vor dem Transfer Informationen über besondere gesundheitliche oder sensible Gegebenheiten, die bei der Ankunft zu bedenken seien, mitzuteilen. Überstellungen durch die deutsche Vollzugsbehörde würden rechtzeitig vor dem Transfer unter Angabe aller sensiblen, insbesondere gesundheitlichen Besonderheiten angekündigt, damit die italienischen Stellen ausreichend Zeit hätten, eine geeignete Unterkunft für die Rückkehrer zur Verfügung zu stellen. Somit bestehe keine Wahrscheinlichkeit, dass sie nach der Überstellung von Obdachlosigkeit bedroht wären.
Dieser ausführlichen Würdigung der Sach- und Rechtslage anhand der Auswertung neuester Erkenntnismittel setzt die Zulassungsbegründung keine widersprechenden Rechts- oder Tatsachenfeststellungen eines Divergenzgerichts im Sinn des § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG entgegen. Sie zitiert zwar u.a. aus dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 19. Oktober 2020 (- 13a ZB 18.30891 – juris), stellt diesen Zitaten aber keinen hiervon abweichenden Rechts- oder Tatsachensatz des verwaltungsgerichtlichen Urteils gegenüber. Dass der Zulassungsantrag die Ausführungen des Verwaltungsgerichts anders bewertet, betrifft die Ebene der tatrichterlichen Würdigung im konkreten Einzelfall, begründet aber keine Divergenz in Rechts- oder Tatsachensätzen und kann daher nicht zum Erfolg eines darauf gestützten Zulassungsantrags führen. In der Sache rügt der Kläger vielmehr die – seiner Meinung nach – fehlerhafte oder unzureichende Anwendung der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs durch das Verwaltungsgericht. Dies begründet jedoch keine Divergenz (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. BVerwG, B.v. 9.3.2021 – 2 B 6.21 – juris Rn. 7; B.v. 16.6.2020 – 4 BN 54.19 – juris Rn 3; B.v. 24.8.2017 – 4 B 35.17 – juris Rn. 10; B.v. 25.1.2005 – 9 B 38.04 – NVwZ 2005, 447; BayVGH, B.v. 2.9.2019 – 6 ZB 19.623 – juris Rn. 15; B.v. 18.5.2016 – 6 ZB 15.2785 – juris Rn. 28; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 73).
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 78 Abs. 5 Satz 1 AsylG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG; Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben