Verwaltungsrecht

Zum Grundsatz der Einrichtungseinheit

Aktenzeichen  20 ZB 18.1040

Datum:
2.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 15382
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayGO Art. 21 Abs. 2
BayKAG Art. 5 Abs. 5

 

Leitsatz

Der Grundsatz der Einrichtungseinheit gilt nur für leitungsgebundene öffentliche Einrichtungen, die in der Trägerschaft der jeweiligen Gemeinde stehen. Bei unterschiedlichen Rechtsträgern von Einrichtungen ist der Grundsatz der Einrichtungseinheit nicht anwendbar.  (Rn. 4 – 5) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 4 K 16.625 2018-03-07 Urt VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 1.129,05 € festgesetzt.

Gründe

1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, weil keiner der geltend gemachten Zulassungsgründe – soweit überhaupt ausreichend dargelegt – vorliegt.
a) Der mit der Antragsbegründung geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor. Der Kläger hat keinen einzelnen tragenden Rechtssatz und keine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt (zu diesem Maßstab BVerfG, B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – NVwZ 2016, 1243/1244 m.w.N.).
Der Kläger trägt im Wesentlichen hierzu vor, dass die Beklagte über kein wirksames Satzungsrecht für die Erhebung von Verbesserungsbeiträgen verfüge, weil sie rechtswidrig getrennte Anlagen fortbetreibe. Denn die Bayerische Gemeindeordnung habe den Betrieb technisch selbstständiger Anlagen zur Trinkwasserversorgung durch eine Gemeinde wenigstens bis zum 30. November 1985 durch eine entsprechende Regelung in Art. 21 Abs. 1 GO nicht zugelassen. Hier habe die Beklagte aber schon vor dem 1. April 1992 unterschiedliche Wasserversorgungseinrichtungen betrieben. Dass die unterschiedlichen Wasserversorgungsanlagen unterschiedlichen Rechtsträgern, nämlich der beklagten Gemeinde und einem Wasserzweckverband zuzurechnen seien, spiele keine Rolle.
Völlig zurecht verweist hier das Verwaltungsgericht darauf, dass bei unterschiedlichen Rechtsträgern von Einrichtungen der Grundsatz der Einrichtungseinheit nicht anwendbar ist. In der aktuellen Fassung der Gemeindeordnung ergibt sich dies aus Art. 21 Abs. 2 GO. Danach können mehrere technisch selbstständige Anlagen der Gemeinde, die demselben Zweck dienen, eine Einrichtung oder einzelne rechtlich selbstständige Einrichtungen bilden. Der Gesetzeswortlaut ist insoweit eindeutig, als die Frage der Einrichtungseinheit nur die Einrichtung bzw. die Einrichtungen der Gemeinde betreffen kann (ebenso Masson/Samper, Art. 21 GO Rn. 15). Aber auch unter den vor dem 1. April 1992 geltenden Fassungen ist diese Frage nicht anders zu beantworten. Auch hier (beispielsweise die Fassungen vom 31.5.1978, GVBl. 1978,359) ist in Art. 21 GO von den öffentlichen Einrichtungen der Gemeinde die Rede. Damit gilt der Grundsatz der Einrichtungseinheit nur für leitungsgebundene öffentliche Einrichtungen, welche in der Trägerschaft der jeweiligen Gemeinde stehen. Das gilt auch dann, wenn die betreffende Gemeinde – wie hier – Mitglied des Zweckverbandes ist, welcher in einem Teil des Gemeindegebietes eine öffentliche Wasserversorgungsanlage betreibt. Das Gleichbehandlungsgebot, alle Gemeindebürger gleich zu behandeln, ändert hieran nichts, weil es nur den jeweiligen Hoheitsträger bindet.
Soweit der Kläger weiter meint, das Urteil des Verwaltungsgerichts begegne ernstlichen Zweifeln, weil es sich bei dem in § 1 Abs. 2 der Beitragssatzung für die Verbesserung und Erneuerung der Wasserversorgungseinrichtung vom 10. Dezember 2015 (BS-VW-EW) um keine Verbesserungsmaßnahmen handele, deren Beschrieb jedenfalls zu unbestimmt sei, hat der Kläger die ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechenden Weise dargelegt. Hierzu ist erforderlich, dass der Rechtsmittelführer aufzeigt, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis mit überwiegender Wahrscheinlichkeit unrichtig ist. Der Rechtsmittelführer muss sich mit dem angefochtenen Urteil und dessen entscheidungstragenden Annahmen substanziell auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (vgl. Eyermann, VwGO, 15. Aufl., § 124a Rn. 63 m.w.N.). Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils sind auch begründet, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BayVGH, B.v. 5.7.2011 – 20 ZB 11.1146 – juris) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – NVwZ-RR 2004, 542 – DVBl 2004, 838). Schlüssige Gegenargumente liegen in diesem Sinne dann vor, wenn der Rechtsmittelführer substantiiert rechtliche oder tatsächliche Anhaltspunkte aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung im Ergebnis nicht richtig ist (BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546).
„Darlegen“ im Sinne des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO erfordert mehr als einen nicht näher spezifizierten Hinweis auf das behauptete Vorliegen eines Zulassungsgrundes. Es bedeutet vielmehr „erläutern“, „erklären“ oder „näher auf etwas eingehen“. Erforderlich ist deshalb unter ausdrücklicher oder jedenfalls konkludenter Bezugnahme auf einen Zulassungsgrund eine substantiierte Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung, durch die der Streitstoff durchdrungen und aufbereitet wird (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 124a Rn. 38, 49; Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 59 und 63). Mit Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens und einer im Stil einer Berufungsbegründung vorgebrachten Kritik an dem angefochtenen Urteil wird dem Gebot der Darlegung im Sinn von § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO ebenso wenig genügt wie mit der Darstellung der eigenen Rechtsauffassung.
Diesen Anforderungen genügt die Begründung des Zulassungsantrags des Klägers nicht. Er beschränkt sich darauf, den Verbesserungscharakter der Maßnahmen und die Bestimmtheit des Beschriebes in § 1 Abs. 2 BS-VW/EW in einfacher Form zu bestreiten.
Aus den gleichen Gründen hat der Kläger nicht dargelegt, warum die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Beklagte habe bei der Heranziehung der Ortsteile zu Vorauszahlungen ihr Ermessen pflichtgemäß ausgeübt, ernstlichen Zweifeln begegnen könnte. Das Verwaltungsgericht hat hierzu u.a. ausgeführt, dass es sachgerecht sei, die Vorauszahlungen wie hier in Raten zu erheben, wenn der Investitionsaufwand in Baufortschritten entstehe. Die Entscheidung, die Beitragspflichtigen der Ortsteile … und … im Jahr 2013 mit (Raten) Vorauszahlungen für die Verbesserungseinrichtung zu verschonen und erst in den darauf folgenden Jahren zu veranlagen, da die Ortsteile in diesem Jahr mit hohen Beiträgen für die Herstellung der Entwässerungseinrichtung belastet wurden, sei ein sachlicher Differenzierungsgrund. Dieser Argumentation ist der Kläger mit bloßen Behauptungen entgegengetreten.
b) Die Berufung ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen. Die vom Kläger aufgeworfene Frage,
konnte sich eine Gemeinde der Geltung des Art. 21 Abs. 1 GO a.F. dadurch entziehen, dass sie einen Teil der von ihr betriebenen Anlage auf einen anderen Rechtsträger, an welchem sie selbst beteiligt ist, überträgt?
ist nicht grundsätzlich klärungsbedürftig, weil sie sich ohne Weiteres aus dem Gesetz beantworten lässt (vgl. 1a).
c) Der geltend gemachte Zulassungsgrund der Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) wurde nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechenden Weise dargelegt. Um den Zulassungsgrund der Divergenz darzulegen, muss der Kläger nicht nur die Divergenzentscheidung genau benennen, sondern auch darlegen, welcher Rechts- oder Tatsachensatz in dem Urteil des Divergenzgerichts enthalten ist und welcher bei Anwendung derselben Rechtsvorschrift in dem angefochtenen Urteil aufgestellte Rechts- oder Tatsachensatz dazu im Widerspruch steht (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a, Rn. 73 m.w.N.). Daran fehlt es hier bereits, weil in dem Zulassungsantrag keine sich widersprechenden Rechtssätze gegenübergestellt wurden. Der Kläger meint vielmehr, dass das Verwaltungsgericht den von ihm benannten Rechtssatz des BayVGH nicht richtig angewendet hat. Damit macht er wiederum ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts geltend, welche er allerdings nicht hinreichend dargelegt hat (vgl. 1a).
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
3. Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben