Verwaltungsrecht

Zumutbarkeit der Nachholung eines Visumverfahrens zum Familiennachzug eines türkischen Staatsangehörigen

Aktenzeichen  10 ZB 21.1151

Datum:
11.11.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 41327
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 5 Abs. 2 S. 1, S. 2
VwGO § 86 Abs. 1, § 114, § 124 Abs. 2 Nr. 5

 

Leitsatz

1. Im Rahmen der Güterabwägung ist zu berücksichtigen, dass dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung des Visumverfahrens besonderes Gewicht zukommt, wenn der Kläger bewusst mit einem bloßen Schengen-Visum zu Besuchszwecken eingereist ist und damit unter Umgehung des Visumverfahrens vollendete Tatsachen schaffen wollte. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
2. Mit der Wehrdienstleistung wird nur einer staatsbürgerlichen Pflicht nachgekommen, die auch bei Führung der ehelichen und familiären Lebensgemeinschaft im Heimatland zur einer entsprechenden Trennung der Familienangehörigen führen kann (so bereits BVerwG BeckRS 2015, 41164). (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ausnahmen von der Visumpflicht nach § 5 Abs. 2 S. 2 AufenthG sind prinzipiell eng auszulegen (siehe zB BVerwG BeckRS 2015, 41164; BeckRS 2011, 48919; VGH München BeckRS 2021, 5341; BeckRS 2015, 48458; BeckRS 2015, 47043). (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 12 K 20.3792 2020-10-21 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger, seine in erster Instanz erfolglose Klage weiter, den Beklagen zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug zu verpflichten und den entgegenstehenden Bescheid vom 16. Juli 2020 aufzuheben.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag ergeben sich nicht die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO oder ein Verfahrensmangel im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestünden nur dann, wenn der Kläger einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – juris Rn. 11; BVerfG, B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – juris Rn. 16). Dies ist jedoch nicht der Fall.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage unter Hinweis auf den Verstoß gegen die Visumpflicht gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG abgewiesen. Von diesem Erfordernis könne auch nicht gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG abgesehen werden. Die Nachholung des Visumverfahrens sei dem Kläger nicht unzumutbar; zwar seien die Voraussetzungen eines Rechtsanspruchs auf Erteilung erfüllt, doch sei die Ermessensentscheidung der Ausländerbehörde, nicht von der Visumpflicht abzusehen, nicht zu beanstanden.
Der Kläger räumt ein, dass das Verwaltungsgericht den rechtlichen Rahmen, insbesondere die europarechtlichen Anforderungen, zutreffend dargelegt habe (siehe hierzu insbes. EuGH, U.v. 29.3.2017 – C-652/15, Tekdemir – juris; EuGH, U.v. 7.8.2018 – C-123/17, Yön – BeckRS 2018, 17481, und BVerwG, U.v. 25.6.2019 – 1 C 40.18 – juris), er ist jedoch die Meinung, es habe zu Unrecht die Unzumutbarkeit der Nachholung des Visumverfahrens verneint.
a) Er wendet sich zunächst gegen die Feststellung des Verwaltungsgerichts, im Rahmen der Güterabwägung sei auch zu berücksichtigen, dass dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung des Visumverfahrens gerade im vorliegenden Fall besonderes Gewicht zukomme, da der Kläger zur Überzeugung des Gerichts bewusst mit einem bloßen Schengen-Visum zu Besuchszwecken eingereist sei und damit unter Umgehung des Visumverfahrens vollendete Tatsachen habe schaffen wollen. Hierfür spreche insbesondere der Umstand, dass der Kläger bereits am 30. Juni 2018 gemeinsam mit seiner Ehefrau einen Mietvertrag unterschrieben habe. Dies zeige, dass der Kläger bereits bei seiner Einreise – am 6. April 2019 – einen dauerhaften Aufenthalt im Bundesgebiet angestrebt habe (UA Rn. 36). Das Verwaltungsgericht führt sodann noch weitere Gesichtspunkte aus dem Verhalten des Klägers und seiner Ehefrau an, die für diese Wertung sprächen.
Der Kläger trägt insoweit vor, der Entschluss zur Beantragung einer Aufenthaltserlaubnis im Inland sei erst nach seiner Einreise nach einer Beratung durch seinen Prozessbevollmächtigten erfolgt. Dies ergebe sich schon daraus, dass er schon 2014 und 2017 seine in Deutschland lebende Familie besucht habe und danach wieder ausgereist sei; dies übersehe das Erstgericht, wenn es davon ausgehe, dass der Kläger seit der Eheschließung im Jahr 2010 seine Familie in Deutschland nicht besucht habe. Außerdem begehe das Erstgericht einen Fehler, wenn es eine absichtliche Umgehung der Visumvorschriften daraus ableite, dass der Mietvertrag bereits am 30. Juni 2018 unterschrieben worden sei. Richtig sei hingegen, dass der Mietvertrag erst am 30. Juni 2019 abgeschlossen worden sei, also als der Bevollmächtigte bereits den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug gestellt gehabt habe. Der Mietvertrag sei am Tag der Besichtigung unterschrieben worden; aus dem Wohnungsübergabeprotokoll gehe hervor, dass die Besichtigung am 30. Juni 2019 stattgefunden habe. Der Fehler in der Datierung des Mietvertrags sei ganz offensichtlich, da sich der Kläger im Jahr 2018 gar nicht in Deutschland befunden habe.
Damit kann der Kläger die Sachverhaltsbewertung des Verwaltungsgerichts nicht durchgreifend in Frage stellen. So trifft es nicht zu, dass das Verwaltungsgericht mit seiner vom Kläger angeführten (zutreffenden) Bemerkung, der Kläger habe bis zu seiner Einreise im Jahr 2019 in seinem Heimatland gelebt (UA Rn. 40, S. 24), seine Besuchsaufenthalte außer Acht gelassen hat; vielmehr hat es diese an anderer Stelle (UA Rn. 30) umfassend gewürdigt. Die nunmehrigen Ausführungen zur Datierung des Mietvertrags sind nicht nachvollziehbar. Der eindeutig mit „30.06.2018“ datierte Mietvertrag wurde bereits im Verwaltungsverfahren vorgelegt (S. 66-71 der Behördenakte); die Ausländerbehörde hat in dem streitgegenständlichen Bescheid vom 16. Juli 2020 den Umstand, dass „der Mietvertrag ca. ein Jahr vor Ihrer Einreise in das Bundesgebiet geschlossen wurde“, als Indiz dafür gewertet, „dass Sie bereits vor Einreise vorhatten, nicht mehr in die Türkei zurückzukehren“ (S. 7 des Bescheids, S. 163 der Behördenakte). In der erstinstanzlichen Klagebegründung wurde der Umstand, dass der Kläger „bereits Ende Juni 2018 zusammen mit seiner Ehefrau einen Mietvertrag für eine Mietwohnung ab dem 01.07.2019 unterschrieben hat“, damit erklärt, dieser sei „nur aufgrund des Bestehens des Vermieters auf gleichzeitige Unterzeichnung des Vertrags durch beide Eheleute gleichzeitig unterschrieben“ worden (S. 5 des Schriftsatzes vom 7.8.2020); die Ehefrau führte in ihrer „eidesstattlichen Versicherung“ vom 17. August 2020 aus, der Mietvortrag sei „nur deshalb von uns beiden unterschrieben, da der Vermieter unbedingt von beiden Vertragspartnern die Unterschrift haben wollte, um später eine Umschreibung des Mietvertrags zu vermeiden“. Das Verwaltungsgericht hat diesen Vortrag als Schutzbehauptung zurückgewiesen; weder sei ersichtlich, welches Interesse der Vermieter an der Unterzeichnung durch den zum damaligen Zeitpunkt in der Türkei wohnhaften Kläger gehabt haben sollte, zumal dieser als Student über keine nennenswerten Einkünfte verfügt habe, noch stelle es einen erheblichen Aufwand dar, den Kläger im Falle seines tatsächlichen Einzugs in den Mietvertrag aufzunehmen (UA Rn. 36). Wenn der Kläger nunmehr behauptet, dieser Mietvertrag sei erst am 30. Juni 2019 unterzeichnet worden, und zum „Beweis“ dafür einen neuen, mit dem vorher vorgelegten Mietvertrag identischen Vertrag vorlegt, bei dem lediglich das Datum ausgetauscht worden ist, setzt er sich in Widerspruch zu seinem bisherigen Vortrag. Eine glaubwürdige Erklärung für ein „Versehen“ in der Datierung, die noch dazu trotz mehrmaliger Thematisierung bisher nicht aufgefallen sein sollte, liegt darin nicht, erst recht nicht ist dieser Fehler „ganz offensichtlich“, so dass er dem Verwaltungsgericht hätte auffallen müssen.
b) Der Kläger bringt weiter vor, das Erstgericht habe nicht hinreichend beachtet, dass seine Kinder sehr an ihm hingen und sie es nicht verstehen würden, wenn er erneut ausreisen müsste; sie litten psychisch und physisch unter Verlustängsten. Außerdem müsse er die Kinder betreuen, da seine Ehefrau arbeite, um den Lebensunterhalt zu sichern. Das Verwaltungsgericht hat sich aber durchaus ausführlich mit diesem Vortrag befasst (UA Rn. 30). Es hat zum einen darauf hingewiesen, dass eine Trennung für die Kinder durchaus nichts Ungewöhnliches, sondern gewohnte Lebensrealität war, weil der Kläger seit der Eheschließung 2010 in der Türkei gelebt hat und die Ehefrau und die zwischenzeitlich geborenen Kinder nur wenige Male im Bundesgebiet – der Kläger selbst spricht im Übrigen nur von Aufenthalten in den Jahren 2014 und 2017 – besucht hat. Zum anderen seien die Kinder mittlerweile in einem Alter, in dem sie den vorübergehenden Charakter einer Trennung verstehen könnten. Gesundheitliche Beeinträchtigungen der Kinder seien schon nicht durch ein ärztliches Attest glaubhaft gemacht worden. Soweit der Kläger nunmehr als neues Vorbringen darlegt, bei den Kindern seien inzwischen Störungen in Form von Sprechverweigerung oder Selbstverletzungen diagnostiziert worden, weshalb eine Therapie in einer Kinderklinik empfohlen worden sei, bleibt er weiterhin jeden Beleg dafür schuldig. Vorgelegt wurde lediglich die Schilderung der Ehefrau in einer „eidesstattlichen Versicherung“ vom 14. April 2021, obwohl insoweit die Existenz medizinischer oder fachpädagogischer bzw. -psychologischer Unterlagen nahliegen müsste.
c) Ferner meint der Kläger, das Erstgericht gehe fehlerhaft davon aus, dass der Umstand, dass er bei einer Rückkehr in die Türkei zum Wehrdienst einberufen werde und deshalb für längere Zeit nicht wieder einreisen könne, keine Berücksichtigung zu finden brauche. Derartiges hat das Verwaltungsgericht jedoch nicht behauptet. Vielmehr hat es die Möglichkeit, dass der Kläger infolge der Nachholung des Visumverfahrens in der Türkei zunächst seiner Pflicht zur Wehrdienstleistung nachkommen muss und es daher zu einer Trennung von sechs bis zwölf Monaten kommt, in seine Würdigung der Zumutbarkeit der Nachholung des Visumverfahrens eingestellt, und ist dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass der sich daraus ergebende Eingriff in das von Art. 6 GG und Art. 8 EMRK geschützte Familienleben nicht unverhältnismäßig ist (UA Rn. 31). Denn der Kläger kommt mit der Wehrdienstleistung nur einer staatsbürgerlichen Pflicht nach, die auch bei Führung der ehelichen und familiären Lebensgemeinschaft im Heimatland zur einer entsprechenden Trennung der Familienangehörigen führen kann (so bereits BVerwG, U.v. 10.12.2014 – 1 C 15.14 – juris Rn. 17); zudem war dem Kläger und seiner Ehefrau seit der Eheschließung klar, dass der Kläger von der Wehrdienstleistung lediglich zurückgestellt war und nach seinem Studienabschluss einberufen werden sollte. Es trifft auch nicht zu, dass das Verwaltungsgericht lediglich von einem einmonatigen (verkürzten) Wehrdienst ausgegangen wäre; vielmehr hat es die Anwendung der entsprechenden Regelungen dahingestellt sein lassen und seiner Prüfung einen zwölfmonatigen Wehrdienst zugrunde gelegt (UA Rn. 31). Ebenso hat das Verwaltungsgericht die Folgen der Corona-Pandemie angesprochen, sowohl im Hinblick auf sich in Bezug auf den Wehrdienst ergebende Gefahren wie auch auf eventuelle Auswirkungen hinsichtlich der Dauer des Visumverfahrens (UA Rn. 31 bzw. 35); die pauschale Behauptung, diese Erwägungen seien „fehlerhaft“, setzt lediglich eine andere Meinung des Klägers entgegen, ohne auf die Darlegungen des Verwaltungsgerichts einzugehen.
d) Weiter beruft sich der Kläger auf die Feststellung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, U.v. 7.8.2018 – C-123/17, Yön – BeckRS 2018, 17481 Rn. 84; erstmals bereits in EuGH, U.v. 29.3.2017 – C-652/15, Tekdemir – juris), wonach eine Einreise ohne ein „richtiges“ Visum nicht automatisch zur Ablehnung des Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Familienzusammenführung führen darf, vor allem, wenn die Behörden im Mitgliedstaat ohne größeren Aufwand die Anspruchsvoraussetzungen überprüfen können; die Mitgliedstaaten haben im Einzelfall zu prüfen, ob von der Visumpflicht abgesehen werden kann. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, U.v. 25.6.2019 – 1 C 40.18 – juris Rn. 25) gehe sogar davon aus, dass bei einer Unzumutbarkeit der Nachholung des Visumverfahrens das der Behörde eingeräumte Ermessen auf Null reduziert sei. Im vorliegenden Fall liege jedenfalls ein Ermessensfehlgebrauch seitens des Beklagten und des Erstgerichts vor, es sei sogar von einer Ermessensreduzierung auf Null auszugehen, weil im konkreten Fall besondere Umstände vorlägen, die eine auch nur vorübergehende Trennung unzumutbar machten.
Der Kläger lässt hier außer Acht, dass das Verwaltungsgericht die Unzumutbarkeit einer Nachholung des Visumverfahrens – wie dargelegt, fehlerfrei – verneint hat, so dass eine Ermessensentscheidung, und damit auch eine Ermessensreduzierung, nach § 5 Abs. 2 Satz 2 Alternative 2 AufenthG gar nicht eröffnet war.
Falls der Kläger auf § 5 Abs. 2 Satz 2 Alternative 1 AufenthG abstellen will, nämlich den Fall, dass die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels erfüllt sind, liegen ebenfalls kein Ermessensfehler vor. Zwar ist unter den Beteiligten (offenbar) unstreitig, dass die Voraussetzungen eines Anspruchs erfüllt sind, doch hat das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt, dass die Ermessensentscheidung der Ausländerbehörde, im Fall des Klägers von einer Nachholung des Visumverfahrens nicht abzusehen, im Rahmen des § 114 VwGO nicht zu beanstanden ist. Es hat dabei zu Recht zu Lasten des Klägers insbesondere die Umstände gewertet, die darauf schließen lassen, dass der Kläger durch die Einreise mit einem Schengen-Visum zu Besuchszwecken vollendete Tatsachen schaffen wollte. Es ist in der Rechtsprechung geklärt, dass in die Ermessenserwägungen auch generalpräventive Aspekte einfließen dürfen, soll das Visumverfahren als wichtiges Steuerungselement der Zuwanderung seine Funktion wirksam erfüllen können. Damit kann dem Anreiz entgegengewirkt werden, nach einer Einreise unter Umgehung des erforderlichen Visumverfahrens Bleibegründe zu schaffen, mit der Folge, dieses Verhalten mit einem Verzicht auf das vom Ausland aus durchzuführende erforderliche Visumverfahren zu honorieren. Daher sind Ausnahmen von der Visumpflicht nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG prinzipiell eng auszulegen (siehe z.B. BVerwG, U.v. 10.12.2014 – 1 C 15.14 – juris Rn. 20; BVerwG, U.v. 11.1.2011 – 1 C 23.09 – juris Rn. 34; BayVGH, B.v. 11.3.2021 – 19 C 19.500 – juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 2.7.2015 – 10 ZB 14.2102 – juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 18.5.2015 – 10 CS 15.800 – juris Rn. 15). Das Verwaltungsgericht hat unter ausführlicher Würdigung der gegenläufigen privaten bzw. familiären Interessen des Klägers in der Bevorzugung dieser Erwägungen zu Recht keinen Ermessensfehler gesehen.
e) Auch soweit der Kläger eine mangelnde Sachaufklärung rügt, kann er keine Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils darlegen. Dass das Verwaltungsgericht sich „geweigert“ haben sollte, die in der mündlichen Verhandlung anwesende Ehefrau und die ältere Tochter als Zeugen zu vernehmen, findet in dem Protokoll der mündlichen Verhandlung keine Stütze. Ein Beweisantrag wurde nicht gestellt; weitere Ermittlungen mussten sich dem Gericht auch nicht aufdrängen. Vielmehr ist es zunächst Sache des Klägers, seine persönlichen bzw. familiären Lebensumstände darzulegen. Das Verwaltungsgericht hat hinsichtlich des entscheidungserheblichen Sachverhalts den Vortrag des Klägers zugrunde gelegt, jedoch nicht die von ihm erwarteten rechtlichen Bewertungen daraus abgeleitet. Eine unzureichende Ermittlung des Sachverhalts liegt darin nicht.
2. Die Berufung ist auch nicht wegen eines Verfahrensmangels im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zuzulassen.
Der Kläger trägt vor, in der Klageschrift sei seine Ehefrau als Zeugin zu verschiedenen Umständen hinsichtlich des fraglichen Mietvertrags und weiterer persönlicher bzw. familiärer Umstände angeboten worden. Sie sei aber weder als Zeugin geladen noch – obwohl bei der mündlichen Verhandlung anwesend – vernommen oder auch nur informatorisch angehört worden.
Ausweislich des Protokolls über die mündliche Verhandlung wurde kein Beweisantrag gestellt; die Ankündigung eines Beweisantrags oder – wie hier – ein formelhaftes Beweisangebot in der Klagebegründung reicht insoweit nicht aus. Sind keine förmlichen Beweisanträge gestellt, so bestimmt das Gericht den Umfang seiner Aufklärung nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 86 Abs. 1 VwGO). Es überschreitet die Grenzen dieses Ermessens nur dann, wenn es eine Ermittlung unterlässt, die sich nach den Umständen des Falles, insbesondere nach dem Vorbringen der Beteiligten, von seinem Rechtsstandpunkt aus aufdrängen musste. Gegebenenfalls müssen die Beteiligten durch das Stellen von Beweisanträgen auf die Klärung ihrer Meinung nach noch nicht hinreichend aufgeklärter tatsächlicher Gesichtspunkte hinwirken. Die Aufklärungsrüge stellt kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten in der Vorinstanz, vor allem das Unterlassen der Stellung eines formgemäßen Beweisantrags, zu kompensieren (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 20.3.2012 – 5 C 1.11 – juris 26 f.; ferner Roth in Posser/Wolff, BeckOK VwGO, Stand 1.1.2021, § 124 Rn. 90 f., m.w.N.).
Im vorliegenden Fall hat sich dem Verwaltungsgericht keine weitere Aufklärung der vom Kläger genannten tatsächlichen Umstände aufgedrängt. Es hat insoweit den vom Kläger in der Klagebegründung vorgetragenen Sachverhalt seiner rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt, allerdings nicht die gewünschten rechtlichen Folgerungen daraus gezogen. Wenn der Kläger meint, bei einer Zeugenvernehmung hätte das Verwaltungsgericht herausgefunden, dass der fragliche Mietvertrag nicht im Jahr 2018, sondern erst im Jahr 2019 abgeschlossen wurde, führt dies nicht zu einer anderen Bewertung. Denn der Vortrag bezüglich der falschen Datierung des Mietvertrags wurde erstmals im Beschwerdeverfahren vorgebracht. Im erstinstanzlichen Verfahren bezogen sich der Vortrag und das Beweisangebot auf die Erklärung, warum der vom Kläger selbst vorgelegte und auf 2018 datierte Mietvertrag auch von ihm selbst und nicht nur von seiner Ehefrau unterschrieben worden sei.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 und § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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