Verwaltungsrecht

Zur Darlegung der Entscheidungserheblichkeit und von Verfahrensfehlern

Aktenzeichen  20 ZB 17.30423

Datum:
2.5.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 114443
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 3, Abs. 4 S. 4
VwGO § 86 Abs. 1 S. 1, § 108 Abs. 1, Abs. 2, § 138 Nr. 3

 

Leitsatz

1 Im Falle einer Mehrfachbegründung sind im Antrag auf Zulassung der Berufung gegen jeden der tragenden Gründe des erstinstanzlichen Urteils Berufungszulassungsgründe darzulegen. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine Versagung rechtlichen Gehörs kann auch in der Verletzung von Verfahrensvorschriften liegen, die der Wahrung rechtlichen Gehörs dienen. Nicht dazu gehören Verstöße gegen die Sachaufklärungspflicht des Gerichts oder das Gebot der freien richterlichen Beweiswürdigung. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 5 K 16.32077 2017-03-09 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird verworfen.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Antragsverfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Zulassungsantrag bleibt ohne Erfolg. Er ist unzulässig, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht in einer den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügenden Weise dargetan ist.
Die Kläger halten die Frage,
ob im Falle traumatisierter Kläger in Asyl- und Flüchtlingssachen, Gerichte ohne Einholung von ergänzenden Sachverständigengutachten und damit ohne hinreichenden eigenen medizinischen Fachkenntnissen, über entscheidungserhebliche und grundsätzlich tatbestandsrelevante Umstände zu Erkrankungen und Symptomen, wie speziell beim Vorliegen häufig vorliegender PTBS Erkrankungen der hiesigen Klägergruppe, insbesondere hier zu negativ entscheiden dürfen und zudem einem Verwaltungsgericht ohne Einholung medizinischen Rats durch Sachverständige, eine auch medizinisch fachliche Beurteilung solcher Fachatteste zusteht,
für grundsätzlich klärungsbedürftig (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG).
Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache erfordert, dass der Rechtsmittelführer eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufzeigt, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich und klärungsbedürftig ist. Ferner muss dargelegt werden, weshalb der Frage eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt. Dies ist darzulegen. „Darlegen“ bedeutet schon nach allgemeinem Sprachgebrauch mehr als lediglich ein allgemeiner Hinweis; „etwas darlegen“ bedeutet vielmehr soviel wie „erläutern“, „erklären“ oder „näher auf etwas eingehen“ (BVerwG, B.v. 2.10.1961 – BVerwG 8 B 78.61 – BVerwGE 13, 90, 91; B.v. 9.3.1993 – 3 B 105.92 – NJW 1993, 2825). Aus dem Zulassungsantrag der Kläger ist bereits nicht ersichtlich, warum die von ihnen aufgeworfene Frage entscheidungserheblich ist. Zwar hat das Verwaltungsgericht den Vortrag der Kläger als unglaubwürdig gewertet und deswegen eine flüchtlingsrelevante Verfolgungsgefahr verneint. Insoweit käme es bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Kläger auf das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung mit an. Gleichzeitig war das Verwaltungsgericht jedoch der Meinung, dass selbst bei einem Vorliegen flüchtlingsrechtlich relevanter Verfolgungshandlungen die Kläger auf eine innerstaatliche Fluchtalternative im Irak zu verweisen wären. Diese Feststellung haben die Kläger mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung nicht angegriffen. Im Falle einer Mehrfachbegründung sind im Antrag auf Zulassung der Berufung gegen jeden der tragenden Gründe Berufungszulassungsgründe darzulegen. Dies haben die Kläger nicht getan. Ein von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannter Ausnahmefall aus Gründen der Rechtskrafterstreckung (BVerwG, B.v. 20.12.2016 – 3 B 38.16 – NVwZ-RR 2017, 266) liegt hier ersichtlich nicht vor.
Der von den Klägern geltend gemachte Verfahrensfehler (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG) wurde ebenso wenig dargelegt. Der Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) verpflichtet das Gericht, entscheidungserhebliche Anträge und Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in seine Erwägung einzubeziehen. Eine Versagung des rechtlichen Gehörs im Sinne von § 138 Nr. 3 VwGO kann auch in der Verletzung von Verfahrensvorschriften liegen, die der Wahrung des rechtlichen Gehörs dienen. Hierzu gehören allerdings regelmäßig nicht Verstöße gegen die Sachaufklärungspflicht des Gerichts (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) oder gegen das Gebot der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dazu zählt grundsätzlich auch die Frage, ob das Gericht auf hinreichend breiter Tatsachengrundlage entschieden hat. Der Anspruch auf rechtliches Gehör kann bei solchen Mängeln im Einzelfall allenfalls bei gravierenden Verstößen verletzt sein, (BVerfG, B.v. 8.4.2004 – 2 BvR 743/03 – NJW-RR 2004, 1150) oder wenn es sich um gewichtige Verstöße gegen Beweiswürdigungsgrundsätze handelt, beispielsweise weil die Beteiligten mit der vom Gericht vorgenommenen Würdigung ohne ausdrücklichen Hinweis nicht rechnen mussten (vgl. BVerfG, B.v. 12.6.2003 -1 BvR 2285/02 – NJW 2003, 2524) oder weil die Würdigung willkürlich erscheint oder gegen die Denkgesetze verstößt (vgl. BVerwG, B.v. 2.11.1995 – 9 B 710.94 – NVwZ-RR 1996, 359). Derartige gravierende Mängel sind hier nicht dargelegt. Im Ergebnis halten die Kläger die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Sachverhalts- und Beweiswürdigung für falsch. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils sind nach § 78 Abs. 3 AsylG jedoch kein Grund für die Zulassung der Berufung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.
Mit der Ablehnung des Antrags wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben