Verwaltungsrecht

Zur fehlenden Vollstreckbarkeit eines Prozessvergleichs

Aktenzeichen  15 C 20.2668

Datum:
21.1.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 1663
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 724, § 888
VwGO § 167 Abs. 1 S. 1, § 168 Abs. 1 Nr. 3, § 169, § 172

 

Leitsatz

1. Hat ein Vergleich im Verhältnis der Beteiligten keinen vollstreckungsfähigen Inhalt, muss schon gar nicht geklärt werden, wie die etwaige Erzwingung einer Handlung zu erfolgen hat. (Rn. 12 – 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Grundsätzlich sind Beteiligte eines gerichtlich abgeschlossenen Vergleichs in prozessualer Hinsicht nur der Kläger und der Beklagte. Die Zustimmung eines Beigeladenen ist nicht erforderlich, denn ein Prozessvergleich ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag, den die Beteiligten eines Rechtsstreits vor einem Gericht schließen, um einen zwischen ihnen anhängigen Rechtsstreit im Wege des gegenseitigen Nachgebens zu beenden. (Rn. 15 – 16) (redaktioneller Leitsatz)
3. Fehlt es an der Vollstreckungsfähigkeit eines Vergleichs, dann kann es dahinstehen, ob der Vergleich überhaupt gemäß § 106 S. 1 VwGO wirksam ist. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 7 V 19.1978 2020-10-15 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Vollstreckungsgläubigerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.
Die Vollstreckungsgläubigerin begehrt die gerichtliche Zwangsvollstreckung aus einem vor dem Güterichter geschlossenen Vergleich im Verfahren RO 90 ME 16.90000.
Dieser Vergleich wurde im Rahmen einer Anfechtungsklage der Vollstreckungsgläubigerin gegen die dem dortigen Beigeladenen zu 2 vom Landratsamt N. i.d.Opf. am 15. Dezember 2014 erteilte Baugenehmigung zur Auffüllung und Entwässerung seiner Grundstücke FlNrn. … und …3 Gemarkung B … geschlossen. Nach Angaben der Vollstreckungsgläubigerin wurde die Auffüllung schon durchgeführt. Im Vergleich vom 22. März 2016 erklärte sich die Vollstreckungsgläubigerin damit einverstanden, dass das für die erteilte Baugenehmigung bei Umsetzung der Auffüllung anfallende Oberflächenwasser in den Düker MDKkm 114,573 eingeleitet werden darf, wenn die Vollstreckungsschuldnerin (dortige Beigeladene zu 1) das in dem Düker noch befindliche Rohrbündel beseitigt hat. Im Vergleich wurde darüber hinaus ausgeführt, dass die Vollstreckungsschuldnerin dieses Rohrbündel zeitnah beseitigen wird und den Beseitigungszeitpunkt mit Abnahmeprotokoll der Vollstreckungsgläubigerin und dem Bauherrn schriftlich mitteilen wird. Weiter wird geregelt, dass innerhalb von drei Monaten ab Zugang dieser Mitteilung der Bauherr verpflichtet ist, die Auflagen aus der Baugenehmigung umzusetzen. Wird die Frist nicht eingehalten, ist die Beklagte (gemeint wohl: der damals beklagte Freistaat Bayern) berechtigt, Verwaltungszwangsmaßnahmen einzuleiten.
Ungefähr seit dem Jahr 2011 führen die Beteiligten Gespräche darüber, wie die wohl im Jahr 1993 oder 1994, möglicherweise ohne entsprechende Genehmigung errichtete Abwasserdruckleitung der Vollstreckungsschuldnerin in dem bundeseigenen Dükerbauwerk verlegt werden könnte. In der Sitzung des Gemeinderats vom 20. Januar 2014 beschloss die Vollstreckungsschuldnerin bei einer angenommenen Investitionssumme von 120.000,- Euro, ein Ingenieurbüro für die Planung des Umbaus zu beauftragen. Die daraufhin erstellte Planung wurde in der Folgezeit von der Vollstreckungsgläubigerin abgelehnt. Mit Schreiben vom 16. Oktober 2015 stimmte die Vollstreckungsgläubigerin gegenüber dem Ingenieurbüro dem ermittelten Sicherheitsabstand von 50 m zur Kreisstraße hinsichtlich der Trassenführung bei km 114,612 für die weitere Planung zu. Daraufhin beauftragte die Vollstreckungsschuldnerin noch vor Abschluss des Vergleichs das Ingenieurbüro mit der Planung und Ausschreibung einer Unterquerung des Kanals bei km 114,612.
Nach Abschluss des Vergleichs schlossen die Beteiligten am 11. Mai 2016 eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung. Danach soll die Abwasserdruckleitung der Vollstreckungsschuldnerin in der bundeseigenen Dükeranlage bei km 114,573 gegen Zahlung einer Entschädigung zurückgebaut werden, da der Rückbau aus Gründen der Sicherheit für die Dükeranlage und der erforderlichen Bauwerksinspektionen zwingend notwendig sei. Dabei gingen die Parteien unter § 2 der Vereinbarung (Maßnahmen) davon aus, dass die neue Abwasserdruckleitung mithilfe einer Unterquerung des Kanals bei km 114,612 verlegt wird, und die streitgegenständliche Druckleitung möglichst bis 31. Dezember 2016 zurückbaut wird. Gemäß Anlage 1 sollte eine Entschädigung für die Einbaukosten der vorhandenen Leitung in Höhe von 78.550,- Euro und für die Rückbaukosten in Höhe von 30.250,- Euro, insgesamt daher von 108.800,- Euro bezahlt werden. Nach Angaben der Vollstreckungsschuldnerin sei sie davon ausgegangen, dass die Neuverlegung und der Rückbau ca. 208.800,- Euro kosten werden, wovon sie selbst 100.000,- Euro tragen sollte.
Die Vollstreckungsgläubigerin genehmigte in der Folgezeit eine Unterdükerung des Kanals bei km 114,612 wegen der Nähe zur Kreisstraße NM 19 nicht. Daraufhin ermittelte die Vollstreckungsschuldnerin die Kosten für eine Unterdükerung an einer anderen Stelle. Dafür würde voraussichtlich ein finanzieller Aufwand von 500.000,- Euro entstehen. Eine Einigung über die Kostenverteilung zwischen den Beteiligten für diese Maßnahme kam bis jetzt nicht zustande.
Nachdem die Vollstreckungsschuldnerin das Rohrbündel nicht beseitigte, beantragte die Vollstreckungsgläubigerin beim Verwaltungsgericht Regensburg, der Vollstreckungsschuldnerin zur Erzwingung der ihr nach dem Vergleich obliegenden unvertretbaren Handlung der Beseitigung des Rohrbündels aus dem Düker bei Kilometer 114,573 der Bundeswasserstraße Main-Donau-Kanal ein Zwangsgeld, ersatzweise Zwangshaft gegen deren 1. Bürgermeister festzusetzen. Die Vollstreckungsschuldnerin sei nach dem Vergleich verpflichtet, das Rohrbündel zeitnah zu beseitigen. Es handele sich dabei um eine nicht vertretbare Handlung i.S.d. § 888 ZPO, da das Rohr nicht ohne Verlegung der Abwasserleitung entfernt werden könne. Dies sei nicht ohne die Mitwirkung der Vollstreckungsschuldnerin, z.B. in Form der Einholung einer wasserrechtlichen Genehmigung und Klärung der Grundstücksverhältnisse möglich. Die Vollstreckungsschuldnerin verweigere dies, da die Vollstreckungsgläubigerin nicht bereit sei, voraussichtlich zusätzlich anfallende Kosten zu übernehmen. Dieses Verhalten könne aus Gründen der Sicherheit nicht mehr länger hingenommen werden. Solange sich das Rohrbündel im Düker befinde, könne dieser nicht wie vorgeschrieben durch Befahrung untersucht werden. Damit könnten mögliche Schäden, die unter bestimmten Voraussetzungen zu einem plötzlichen Versagen des Kanaldamms führen könnten, nicht erkannt werden.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 15. Oktober 2020 abgelehnt. Der Vollstreckungsantrag sei unbegründet, da er sich nicht auf eine vollstreckbare Verpflichtung aus dem Vergleich vom 22. März 2016 beziehe, obwohl eine Vollstreckungsklausel erteilt worden sei. Die Wortwahl im Vergleich, dass die Vollstreckungsschuldnerin das Rohbündel zeitnah beseitigen werde, sei nicht eindeutig und zwingend im Sinne einer vollstreckbaren Verpflichtung zu bewerten. Dafür hätte die Vollstreckungsschuldnerin sich dazu, z.B. verbunden mit einem konkreten Zeitpunkt, verpflichten müssen. Zudem habe die Vollstreckungsschuldnerin als Beigeladene in einem Streit um die einem Dritten erteilte Baugenehmigung wohl keine konstitutiven Verbindlichkeiten eingehen wollen.
Dagegen wendet sich die Vollstreckungsgläubigerin mit ihrer Beschwerde. Sie macht geltend, die Kammer hätte sich nicht einfach über die erteilte Vollstreckungsklausel des Urkundsbeamten hinwegsetzen dürfen. Diese sei nur dann unbeachtlich, wenn sie nichtig sei. Solange sie nur rechtswidrig sei, sei sie wirksam und müsse beachtet werden. Der Vergleich sei in seinem streitgegenständlichen Teil auch vollstreckbar, weil es sich um einen gerichtlichen Vergleich handele, der von im öffentlichen Recht erfahrenen Behörden abgeschlossen worden sei. Die Vollstreckungsschuldnerin habe im Jahr 2017 selbst den Ausbau des gemeindlichen Rohrbündels aus dem Drainagedüker beantragt, was ihr im August 2017 genehmigt worden sei. Schon mit Schreiben vom 5. November 2015 habe sie bestätigt, dass sie mit der Vereinbarung der Entschädigung und Rückbau der gemeindlichen Abwasserdruckleitung grundsätzlich einverstanden sei. Die Vollstreckungsgläubigerin hätte in dem Vergleich ihren Eilantrag nicht zurückgenommen, wenn nicht eine allseitig verbindliche Verpflichtung eingegangen worden wäre. Es sei nicht an einzelnen Formulierung des Vergleichs „zu kleben“, sondern eine Gesamtschau anzustellen. Die Lösung des Falls habe ja gerade in einer verbindlichen Vergleichsverpflichtung gelegen. Das Verwaltungsgericht verkenne die Bedeutung des Worts „beseitigen“. Dies bedeute, etwas zu entfernen oder aus dem Weg zu räumen. Zudem habe es übersehen, dass im Deutschen der Imperativ regelmäßig auch mit dem Futur I gebildet werde. Die Verpflichtung sei ausreichend bestimmt, denn sie sei aus sich heraus verständlich und für jeden Dritten erkennbar, was verlangt werde. Bei der Auslegung müsse auch berücksichtigt werden, dass es bei Beteiligung von Hoheitsträgern keiner Leistungsklage bedürfe, sondern eine Feststellungsklage ausreichend sei. Es habe damit gerechnet werden können, dass sich die Vollstreckungsschuldnerin als Behörde rechtstreu verhalte und sich auch ohne vollstreckbaren Leistungstitel an die Feststellungen halten würde. Jedenfalls sei aber die Kostenentscheidung zu ändern, da die erteilte Vollstreckungsklausel Zeugnis- und Schutzfunktion habe.
Die Vollstreckungsgläubigerin macht demgegenüber geltend, mit einer Erinnerung gegen die Erteilung der Vollstreckungsklausel könnten nur Einwendungen formeller Art angebracht werden. Im Übrigen sei sie im Klauselerteilungsverfahren nicht angehört worden. Der Vergleich sei in Bezug auf die von ihr eingegangenen Verpflichtungen mangels hinreichender Bestimmtheit nicht vollstreckbar. Schon die Verwendung des Wortes „zeitnah“ belege, dass kein festes Datum für die Entfernung der Rohrleitung festgelegt worden sei. Nachdem die mit der Vereinbarung vom 11. Mai 2016 geplante Trassenführung nicht genehmigt worden sei, entstünden um ein Vielfaches höhere Baukosten, da für die neue Trasse die Kreisstraße zweimal unterquert werden müsse. Sie habe deshalb mehrfach, auch auf politischem Wege, den Versuch unternommen, die Vollstreckungsgläubigerin zu einer höheren Kostenbeteiligung zu bewegen, um eine finanziell tragbare Lösung zu finden. Dies lehne die Vollstreckungsgläubigerin aber bisher ab. Zum Zeitpunkt der Vereinbarung vom 11. Mai 2016 habe auch die Duldung der Abwasserleitung vom Juli 1993 noch bestanden, da diese mit dem Vergleich nicht widerrufen worden sei. Daraus ergebe sich, dass die Beteiligten beim Abschluss des Vergleichs nicht davon ausgegangen seien, dass sie sich verbindlich verpflichte, umgehend die Leitung zu entfernen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten, auch in den Verfahren RO 7 K 15.132, RO 7 K 15.2000, RO 90 ME 16.9000 und 15 CS 15.861, sowie die vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht ist in der Sache zutreffend davon ausgegangen, dass der Vollstreckungsantrag keinen Erfolg haben kann.
1. Dabei braucht nicht entschieden zu werden, ob sich die Vollstreckung aus einem Prozessvergleich in Form der hier begehrten Erzwingung einer (unvertretbaren) Handlung zugunsten der Vollstreckungsgläubigerin als Teil der öffentlichen Hand gegen die Vollstreckungsschuldnerin als Teil der öffentlichen Hand nach § 168 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 172 VwGO entsprechend oder nach § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 888 ZPO richtet, denn der Vergleich hat im Verhältnis der Beteiligten keinen vollstreckungsfähigen Inhalt.
Für eine Vollstreckung nach § 172 VwGO spricht, dass es sich bei einem Prozessvergleich in der Sache um einen sofort vollstreckbaren öffentlich-rechtlichen Vergleichsvertrag nach Art. 55 BayVwVfG handelt (vgl. Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 106 Rn. 5), für den sich nach Art. 61 Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG die Vollstreckung wegen der Erzwingung einer Handlung, Duldung oder Unterlassung gegen eine Behörde nach § 172 VwGO richtet, ohne dass davon Ausnahmen vorgesehen sind. Dagegen spricht, dass die in § 172 VwGO vorgesehene Vollstreckung gegen eine Behörde grundsätzlich nicht in Betracht kommt, wenn – wie hier – sowohl Vollstreckungsgläubiger wie auch Vollstreckungsschuldner sich als Gebietskörperschaften gleichgeordnet gegenübertreten (vgl. BVerwG, U.v. 17.4.2002 – 9 A 24/01 – BVerwGE 116,175 = juris Rn. 62).
2. Die Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, weil das Verwaltungsgericht die Vornahme von Vollstreckungshandlungen zu Recht abgelehnt hat. Dabei kann offenbleiben, ob der Vergleich überhaupt wirksam ist, da die Vollstreckungsschuldnerin nach seinem Wortlaut eine vertretbare Handlung vornehmen sollte, nämlich die Beseitigung eines Rohrbündels aus dem Düker bei MDKkm 114,573, die Beteiligten aber übereinstimmend davon ausgehen, dass die Vornahme dieser Handlung überhaupt nicht möglich ist, solange nicht umfangreiche andere Arbeiten abgeschlossen sind.
Der abgeschlossene Vergleich hat jedenfalls im Verhältnis zwischen den hier Beteiligten keinen vollstreckungsfähigen Inhalt. Grundsätzlich sind Beteiligte am Vergleich in prozessualer Hinsicht nur der Kläger und der Beklagte und eine Zustimmung des Beigeladenen ist nicht erforderlich (vgl. Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, § 106 Rn. 21), denn ein Prozessvergleich ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag, den die Beteiligten eines Rechtsstreits vor einem Gericht schließen, um einen zwischen ihnen anhängigen Rechtsstreit im Wege des gegenseitigen Nachgebens zu beenden (vgl. Schübel-Pfister a.a.O. Rn. 5). Dabei können grundsätzlich auch Gegenstände in den Vergleich einbezogen werden, die außerhalb des prozessualen Streitgegenstands liegen (Schübel-Pfister a.a.O. Rn. 1, 5). Jedenfalls bedarf es aber einer Einigung in Form des gegenseitigen Nachgebens. Ist die Leistung des Hoheitsträgers sehr weitreichend und die Gegenleistung des Bürgers sehr gering, kann im Einzelfall ein Verstoß gegen das Gebot der Ausübung pflichtgemäßen Ermessens vorliegen (Schübel-Pfister a.a.O. Rn. 8). Darüber hinaus muss der Vergleich einen vollstreckungsfähigen Inhalt haben, insbesondere hinreichend bestimmt sein (vgl. Kraft in Eyermann, VwGO, § 168 Rn. 1). Daran fehlt es, wenn Inhalt, Art und Umfang der Vollstreckung, sowie die Personen, für und gegen die sie stattfinden soll, aus dem Titel selbst nicht hinreichend bestimmbar sind (Kraft a.a.O. Rn. 1). Ein Rückgriff auf andere Unterlagen ist dabei nicht zulässig.
Nach Maßgabe dieser Anforderungen kann dem Vergleich nicht entnommen werden, dass sich die Vollstreckungsschuldnerin zu Gunsten der Vollstreckungsgläubigerin zu einer unvertretbaren Handlung in Form der Verlegung ihrer Abwasserleitung verpflichten wollte. Der Wortlaut des Vergleichs besagt, dass die Vollstreckungsschuldnerin die bestehende Leitung beseitigen wird, damit der Bauherr das bei Umsetzung der Baumaßnahme anfallende Oberflächenwasser in den Düker einleiten kann. Darüber hinaus kann dem Wortlaut des Titels nicht entnommen werden, dass eine solche Entfernung des Rohrbündels nur möglich ist, wenn die Abwasserleitung an anderer Stelle errichtet wird und dass die Vollstreckungsschuldnerin sich zu einer solchen Verlegung der gesamten Abwasserleitung verpflichten wollte. Hätte die Vollstreckungsschuldnerin eine solche Verpflichtung eingehen wollen, dann hätte dies in der Formulierung des Vergleichs seinen Niederschlag finden müssen (z.B. hätte formuliert werden können: „Die beigeladene Gemeinde verpflichtet sich, dieses Rohrbündel unter Verlegung der kompletten Abwasserleitung in einen Düker bei MDKkm … zu beseitigen.“). Im Übrigen kann dem Vergleichstext auch nicht entnommen werden, wo die neue Abwasserleitung konkret verlegt werden sollte. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der Vergleich im Rahmen einer Anfechtungsklage der Vollstreckungsgläubigerin gegen eine einem Dritten erteilte Baugenehmigung zustande gekommen ist und nach seinem Wortlaut dazu dienen sollte, dem Dritten die Ausführung der genehmigten Baumaßnahme zu ermöglichen. Dass die Vollstreckungsschuldnerin als Beigeladene zu diesem Rechtsstreit sich mit dem Vergleich gegenüber der Vollstreckungsgläubigerin zu einer Maßnahme verpflichten wollte, deren Standort, Genehmigungsfähigkeit und Kosten überhaupt noch nicht absehbar waren, wofür ihr weder von der Vollstreckungsgläubigerin noch vom Bauherrn im Vergleich irgendeine Gegenleistung zugestanden und noch nicht einmal eine erforderliche wasserrechtliche Genehmigung in Aussicht gestellt worden ist, ist vom Wortlaut des Vergleichs nicht gedeckt und erscheint insgesamt auch fernliegend. Der Vergleich diente ganz ersichtlich nicht der Beilegung des Streits zwischen den Beteiligten um die Verlegung der Abwasserleitung, sondern dafür wurde nach Vergleichsabschluss im Mai 2016 ein öffentlich-rechtlicher Vertrag geschlossen, dessen Umsetzung aber offenbar daran scheiterte, dass die Vollstreckungsgläubigerin keine entsprechende Genehmigung erteilte.
3. Angesichts der fehlenden Vollstreckungsfähigkeit des Vergleichs kann auch dahinstehen, ob der Vergleich überhaupt gemäß § 106 Satz 1 VwGO wirksam wäre, wenn er den Inhalt hätte, den die Vollstreckungsgläubigerin ihm beimisst. Nach § 106 Satz 1 VwGO kann ein Vergleich nur geschlossen werden, soweit die Beteiligten über den Gegenstand des Vergleichs verfügen können. Wäre ein öffentlich-rechtlicher Vergleichsvertrag nach Art. 59 BayVwVfG nichtig, fehlt es grundsätzlich an der Verfügungsbefugnis der Behörde (vgl. Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, § 106 Rn. 12). Die Verfügungsbefugnis setzt weiter voraus, dass die Behörde bei Abschluss des Vertrags ihr Ermessen (Art. 55 letzter Halbsatz BayVwVfG) ordnungsgemäß ausgeübt hat (vgl. Schübel-Pfister a.a.O. Rn. 13). Ist die Zustimmung einer Behörde nach Art. 58 Abs. 2 BayVwVfG erforderlich, wird der Vergleich erst wirksam, wenn die Behörde in der vorgeschriebenen Form mitgewirkt hat (vgl. Schübel-Pfister a.a.O. Rn. 15). Ginge man deshalb davon aus, dass die Vollstreckungsschuldnerin sich entsprechend der im Mai 2016 mit der Vollstreckungsgläubigerin geschlossenen öffentlich-rechtlichen Vereinbarung dazu verpflichten wollte, bei km 114,612 eine neue Unterdükerung des Kanals für ihre Abwasserleitung zu schaffen, wäre der Vergleich niemals wirksam geworden, denn die Vollstreckungsgläubigerin hat dafür keine Genehmigung nach § 31 Bundeswasserstraßengesetz erteilt. Dass die Vollstreckungsschuldnerin als Beigeladene in einem Rechtsstreit um eine Baugenehmigung für einen Dritten, ohne dass ihr irgendeine Gegenleistung zugestanden worden ist, gegenüber der Vollstreckungsgläubigerin eine Verpflichtung übernehmen wollte, an einer noch nicht bekannten Stelle und deshalb zu nicht kalkulierbaren Konditionen und Kosten eine Unterdükerung unter dem Kanal vorzunehmen, wäre angesichts der Haushaltsrisiken für eine Gemeinde von der Größe der Vollstreckungsschuldnerin ohne einen vorherigen diesbezüglichen Gemeinderatsbeschluss grob ermessensfehlerhaft und damit nichtig.
4. Dass der Vollstreckungsgläubigerin eine vollstreckbare Ausfertigung des Vergleichs gemäß §§ 724 ff. ZPO erteilt worden ist, führt, unabhängig davon, ob eine solche überhaupt erforderlich war (vgl. zur Vollstreckung nach § 172 VwGO: Kraft in Eyermann, VwGO, § 171 Rn. 4), nicht zum Erfolg ihres Antrags. Die vollstreckbare Ausfertigung bezeugt das Bestehen und die Vollstreckungsreife des Titels, ersetzt aber nicht einen fehlenden vollstreckbaren Inhalt des Titels (vgl. Seibel in Zöller, ZPO, 33. Auflage 2020, § 724 Rn. 14 m.w.N.). Die Vollstreckungsklausel lautet im vorliegenden Fall im Übrigen auch, dass die vollstreckbare Ausfertigung zum Zwecke der Verpflichtung der Vollstreckungsschuldnerin, das in dem Düker befindliche Rohrbündel zu beseitigen, erteilt wird. Die Vollstreckungsgläubigerin möchte nach ihrem eigenen Vortrag aber erreichen, dass die Vollstreckungsschuldnerin nicht nur das Rohrbündel beseitigt, sondern in Form einer unvertretbaren Handlung die Verlegung ihrer Abwasserleitung plant, genehmigen lässt, möglicherweise nötigen Grunderwerb dafür tätigt und dann eine umfangreiche Baumaßnahme durchführt. Solche Maßnahmen sind von der Vollstreckungsklausel schon vom Wortlaut her nicht gedeckt.
5. Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Eine Streitwertfestsetzung ist nicht veranlasst, denn es fällt nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz nur eine Festgebühr an.
6. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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