Verwaltungsrecht

zur Kennzeichnung eines Stimmzettels im Falle des Kumulierens

Aktenzeichen  4 ZB 20.2368

Datum:
15.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 2835
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayGLKrWO § 75 Nr. 4, Nr. 6 lit. a S. 1

 

Leitsatz

Werden auf einem Stimmzettel bei der Kommunalwahl sowohl das dem Bewerber zugeordnete Feld angekreuzt als auch hinter dem Namen drei Striche angebracht, so werden damit (nur) insgesamt drei Stimmen vergeben. (Rn. 11)

Verfahrensgang

Au 1 K 20.928 2020-09-15 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Beteiligten streiten um die Berichtigung des Ergebnisses der Wahl des Gemeinderats des Marktes P … an der … am 15. März 2020 im Hinblick auf die Gültigkeit eines bestimmten Stimmzettels, von der die Sitzverteilung im Gemeinderat des Marktes abhängt und von der die Beigeladenen zu 1 und 2 betroffen sind.
Der Stimmzettel enthält an keiner Stelle ein Listenkreuz. Auf ihm wurden die Bewerber Nr. 303, 304, 306, 701, 703, 704 und 707 jeweils im vor dem Bewerber befindlichen Kasten mit einem „X“ gekennzeichnet. Zusätzlich dazu wurden die Bewerber Nr. 306, 701, 703, 704 und 707 nach ihrer Nennung innerhalb des Feldes ihres Namens jeweils mit drei Strichen („III“) markiert. Der Wahlausschuss hat den Stimmzettel als ungültig gewertet, weil statt der zulässigen 20 Stimmen insgesamt 22 Stimmen durch Kennzeichnungen vergeben worden seien und damit die zulässige Gesamtstimmenzahl überschritten worden sei. Die Wahlanfechtung des Klägers wies der Beklagte mit Bescheid vom 5. Mai 2020 zurück.
Auf Klage des Klägers hob das Verwaltungsgericht Augsburg mit Urteil vom 15. September 2020 den Bescheid des Beklagten vom 5. Mai 2020 auf und verpflichtete den Beklagten, über die Wahlanfechtung des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (Gültigkeit des Stimmzettels) neu zu entscheiden und das Wahlergebnis zu berichtigen.
Gegen das Urteil richtet sich der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung, dem der Kläger entgegentritt. Die Beigeladenen äußerten sich im Zulassungsverfahren nicht.
Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Behördenakten verwiesen.
II.
1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor.
Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Der Beklagte hat keinen einzelnen tragenden Rechtssatz und keine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt (zu diesem Maßstab BVerfG, B.v. 18.6.2019 – 1 BvR 587/17 – BVerfGE 151, 173 Rn. 32 m.w.N.). Das Verwaltungsgericht hat den Stimmzettel zu Recht als gültig bewertet. Auf die zutreffenden Gründe im Urteil des Verwaltungsgerichts wird verwiesen (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Nach § 75 Nr. 3 GLKrWO erfolgt die Stimmvergabe dadurch, dass die stimmberechtigte Person den Wahlvorschlag oder die Namen der sich bewerbenden Personen in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise kennzeichnet. Aus dem Stimmzettel geht zweifelsfrei der Wille der abstimmenden Person hervor, den Bewerbern Nr. 303 und 304 jeweils eine Stimme und den Bewerbern Nr. 306, 701, 703, 704 und 707 jeweils drei Stimmen zu geben. Die Zulassungsbegründung des Beklagten vermag das nicht infrage zu stellen.
Es ist unstreitig, dass die lediglich mit einem Kreuz oder einem anderen Kennzeichen im Kasten davor markierten Bewerber eine Stimme erhalten. Da es nach Art. 34 Nr. 4 GLKrWG möglich ist, dass die stimmberechtigte Person innerhalb der ihr zustehenden Stimmenzahl einer sich bewerbenden Person bis zu drei Stimmen gibt, erfordert das, will die stimmberechtigte Person hiervon Gebrauch machen, eine zusätzliche oder andersartige Kennzeichnung, wobei auf dem Stimmzettel hierfür keine speziellen Felder vorgesehen sind.
Nach § 75 Nr. 4 GLKrWO kennzeichnet die stimmberechtigte Person, will sie häufeln, die sich bewerbende Person so, dass eindeutig ersichtlich ist, ob sie der sich bewerbenden Person zwei oder drei Stimmen geben will.
Da die Art der Kennzeichnung auch bei Stimmenhäufung im Wahlrecht nicht vorgeschrieben ist, kann diese in unterschiedlicher Weise geschehen. Möglich ist es z.B., die entsprechende arabische oder römische Zahl – also 1, 2, 3 bzw. I, II, III – oder eine entsprechende Anzahl von Kennzeichen in den vor dem Bewerber befindlichen Kasten anzubringen oder diesen Kasten – mit einem Kreuz oder ähnlichem – zu kennzeichnen und hinter dem Bewerber die Anzahl der auf diesen Bewerber entfallenden Stimmen in arabischen oder römischen Ziffern oder sonstigen Kennzeichen anzugeben. Das hat die abstimmende Person bei dem streitgegenständlichen Stimmzettel in eindeutiger Weise getan. Die Kennzeichen sind nach ihrer Art unterschiedlich und räumlich voneinander getrennt; das System der – unterschiedlichen – Kennzeichnung wurde einheitlich auf dem Stimmzettel durchgehalten, wodurch das System der Stimmenvergabe deutlich wird. Dass die abstimmende Person bei den Bewerbern Nr. 303 und 304, die sie durch ein Kreuz im Kasten davor gekennzeichnet hat, hinter den Bewerbern keinen Strich angebracht hat, stellt die Systematik nicht infrage. Zutreffend weist das Verwaltungsgericht in seinem Urteil darauf hin, dass eine zusätzliche Angabe der Stimmenanzahl hinter dem Namen der Bewerber nicht erforderlich ist, wenn dem Bewerber nur eine Stimme gegeben werden soll und daher nur eine Kennzeichnung in dem Kasten vor dem Bewerber angebracht wird. Nach § 75 Nr. 4 GLKrWO ist eine zusätzliche Kennzeichnung nur notwendig, wenn die stimmberechtigte Person häufeln, also einem Bewerber zwei oder drei Stimmen geben will. Es wäre zwar nicht fehlerhaft, dürfte aber weitgehend unüblich sein, hinter dem Namen, bei dem der Kasten davor angekreuzt wird, die Zahl 1 (I) anzubringen, wenn dem Bewerber nur eine Stimme gegeben werden soll.
Die stimmberechtigte Person, die den Stimmzettel ausgefüllt hat, hat bei fünf im Kasten davor angekreuzten Bewerbern drei Striche (die der römischen Zahl III ähneln) hinter die Namen der Bewerber gesetzt und damit nach den Gesamtumständen eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass die von ihr angekreuzten Bewerber drei Stimmen erhalten sollen. Dass die stimmberechtigte Person mit dieser Kennzeichnung diesen fünf Bewerbern jeweils vier Stimmen geben wollte, ist daher entgegen der Zulassungsbegründung nicht anzunehmen.
Auf dem Stimmzettel ist deutlich vermerkt, dass keine Bewerberin und kein Bewerber mehr als drei Stimmen erhalten darf. Zu Recht weist der Beklagte in der Zulassungsbegründung darauf hin, dass bei der Anwendung der Ungültigkeitsregeln dem Wählerwillen in weitestmöglichem Umfang Rechnung getragen werden und eine Stimme nur im äußersten Fall verloren gehen soll (vgl. OVG NW, U.v. 19.12.1990 – 15 A 922/90 – NVwZ 1991, 704 = juris Rn. 10). Der Stimmzettel ist ausreichend und i.S.v. § 75 Nr. 4 GLKrWO so eindeutig gekennzeichnet, dass nicht angenommen werden kann, dass an die Bewerber mit jeweils einem Kreuz in dem Kasten davor und drei Strichen dahinter vier Stimmen vergeben wurden. Für diese Auslegung spricht auch der in § 75 Nr. 6 Buchst. a Satz 1 GLKrWO zum Ausdruck kommende Rechtsgedanke. Nach dieser Vorschrift gilt die Kennzeichnung in den Kopfleisten von Wahlvorschlägen nicht als Vergabe von Stimmen, wenn die stimmberechtigte Person durch die Einzelstimmvergabe ihre Gesamtstimmenzahl voll ausgenutzt hat. Das lässt sich auf die Kennzeichnung des Kastens vor dem Bewerber übertragen, wenn hinter dem Bewerber die maximale Stimmenanzahl von drei ausgeschöpft ist.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Da die anwaltlich nicht vertretenen Beigeladenen keinen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt haben, entspricht es der Billigkeit, dass sie ihre etwaigen außergerichtlichen Kosten selbst tragen (vgl. § 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO). Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 22.1.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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