Verwaltungsrecht

Zur Rechtmäßigkeit einer dienstlichen Beurteilung

Aktenzeichen  3 ZB 18.1131

Datum:
24.6.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 13800
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayLlbG Art. 59 Abs. 2
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, 2

 

Leitsatz

1. Auf welche Weise sich der Beurteiler seine Erkenntnis über den zu beurteilenden Beamten verschafft, liegt grundsätzlich in dessen Ermessen. Beiträge der früher für die Beurteilung Zuständigen können, aber müssen nicht eingeholt werden. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
2. Aufgrund der „Filterung“ des Beurteilungsbeitrags durch den Beurteiler verstößt nicht jede Beteiligung eines ranggleichen Beamten am Beurteilungsverfahren zur Erstellung eines Beurteilungsbeitrags gegen die Grundsätze der Chancengleichheit und des fairen Verfahrens. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 1 K 16.988 2018-03-06 Ent VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

1. Der 1970 geborene Kläger steht im Dienst des Beklagten und wendet sich gegen seine periodische Beurteilung vom 6. Oktober 2015 für den Beurteilungszeitraum 1. Januar 2011 bis 31. Dezember 2014 mit dem Gesamturteil 8 Punkte. Er war bis auf die erste Jahreshälfte 2014 als Rechtspfleger, Urkunds- und Kostenbeamter in Betreuungs-, Unterbringungs- und Freiheitsentziehungssachen beim Amtsgerichts Neumarkt i.d.Opf. tätig. In den beiden vorangegangenen periodischen Beurteilungen vom 19. Juni 2007 und 12. Juli 2012 hatte er noch jeweils ein Gesamturteil von 9 Punkten erzielt. Seine Klage gegen die Beurteilung 2015 blieb in erster Instanz erfolglos.
2. Der auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils) und des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten) gestützte Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.
a. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens nicht. Solche sind nur zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und die Zweifel an der Richtigkeit dieser Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf Aufhebung der periodischen Beurteilung vom 6. Oktober 2015 und Neubeurteilung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu Recht abgewiesen.
(1) Nach der Nr. 11.1 Satz 3 des Abschnitts 3 (Dienstliche Beurteilung – allgemeine Beurteilungsrichtlinien) der Verwaltungsvorschriften zum Beamtenrecht (VV-BeamtR), Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen vom 13. Juli 2009 in der Fassung vom 19. Oktober 2017 (Az. 21-P 1003.1-8/2, FMBl. S. 510) bzw. der Nr. 3.6.1 Satz 3 der Beurteilung und Leistungsfeststellung für die Beamtinnen und Beamten im Geschäftsbereich des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz mit Ausnahme der Staatsanwälte und Staatsanwältinnen (Beurteilungsbekanntmachung Justiz – JuBeurteilBek), Bekanntmachung vom 25. September 2013 (Az.: A4-2012-V-7710/11; JMBl S. 106) soll der Dienstvorgesetzte den unmittelbaren Vorgesetzten des zu Beurteilenden mit der Erstellung eines Beurteilungsbeitrags beauftragen. Das Verwaltungsgericht hat in dem Fehlen des nach seiner Auffassung schriftlich zu erstellenden (vgl. aber BayVGH, U.v. 7.5.2014 – 3 BV 12.2594 – juris Rn. 33: schriftlicher Beurteilungsbeitrag ist nicht zwingend) Beurteilungsbeitrags keinen Verfahrensfehler erkennen können. Aber selbst bei Annahme eines Verfahrensfehlers führte dieser – so das Verwaltungsgericht – nicht zu einer Aufhebung der dienstlichen Beurteilung, weil sich das Fehlen eines schriftlichen Beurteilungsentwurfs mangels Einwendungen der unmittelbaren Vorgesetzten nicht unmittelbar ausgewirkt habe. Die Antragsbegründung verhält sich ausschließlich zum Verfahrensfehler, versäumt es aber, sich mit der selbständig tragenden Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts zur Fehlerfolge (UA S. 17f.) näher zu befassen. Damit hat der Kläger hinsichtlich des (fehlenden) schriftlichen Beurteilungsbeitrags ernstliche Zweifel am Entscheidungsergebnis schon nicht dargelegt.
(2) Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass sich der Beurteiler, Dr. M* …, auf hinreichende Erkenntnisquellen stützen konnte. Der Kläger wendet ein, dass er und der Beurteiler unterschiedliche Aufgaben wahrnähmen und auf unterschiedlichen Fachgebieten arbeiteten. Deshalb habe Dr. M* … seine fachliche Leistung nicht adäquat beurteilen können. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils ergeben sich hieraus nicht. Dem Senat erschließt sich nicht, warum der Direktor des Amtsgerichts die fachliche Leistung eines Rechtspflegers nicht sachgerecht beurteilen können sollte, zumal er weitere Erkenntnisse durch Gespräche mit dem Gruppenleiter der Betreuungsabteilung und der Geschäftsleiterin gewinnen konnte. Auch soweit der Kläger in diesem Zusammenhang rügt, sein früherer unmittelbarer Vorgesetzter habe für den Zeitraum vom 1. Januar bis 31. März 2012 beteiligt werden müssen, legt er keinen ernstlichen Zweifel dar. Auf welche Weise sich der Beurteiler seine Erkenntnis über den zu beurteilenden Beamten verschafft, liegt grundsätzlich in dessen Ermessen. Beiträge der früher für die Beurteilung Zuständigen, können, aber müssen nicht eingeholt werden (BVerwG, U.v. 28.1.2016 – 2 A 1.14 – juris Rn. 24 ff). Der Einwand des Klägers, die unmittelbare Vorgesetzte und der frühere Gruppenleiter, seien fachlich nicht in genügender Weise kompetent, seine Leistungen zu bewerten, beschränkt sich darauf, dass diese ihm in der „Anlernphase“ in der neuen Betreuungsabteilung Fragen nicht beantworten konnten oder wollten. Mit diesem Einwand vermag der Kläger die fachliche Kompetenz der Vorgesetzten nicht durchgreifend in Frage zu stellen.
Der Umstand, dass der frühere Gruppenleiter als statusgleicher Konkurrent am Prozess der Erstellung der dienstlichen Beurteilung beteiligt war, führt auch nicht dazu, dass die Berufung zuzulassen wäre. Der Senat hat zwar mit seinem Urteil vom 23. Mai 1990 (3 B 89.03631 – juris Rn. 16) ausgeführt, dass es einem allgemeinen Grundsatz des Beurteilungsverfahrens entspricht, dass der (Beurteilungs-)Konkurrent von jedweder Erstellung der dienstlichen Beurteilung des „Mitbewerbers“ ausgeschlossen ist. Daran ist jedoch nicht mehr festzuhalten. Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass das aus Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitende Prinzip des fairen Verfahrens die Mitwirkung eines statusgleichen Beamten nicht hindert, solange der Beurteiler sich bewusst ist, dass die Angaben von einem Konkurrenten stammen und er sie vor diesem Hintergrund würdigt (BVerwG, U.v. 21.3.2007 – 2 C 2.06 – juris Rn. 10). Da ein Konkurrenzverhältnis auf der Hand liegt, ist dem Beurteiler in der Regel auch bewusst, dass er es in seine Würdigung der erhaltenen Informationen mit einbeziehen kann. Aufgrund dieser „Filterung“ des Beurteilungsbeitrags durch den Beurteiler verstößt nicht jede Beteiligung eines ranggleichen Beamten am Beurteilungsverfahren gegen die Grundsätze der Chancengleichheit und des fairen Verfahrens (OVG NW, U.v. 29.9.2005 – 1 A 4240/03 – juris Rn. 45). Die sachliche Unabhängigkeit des Klägers als Rechtspfleger gemäß § 9 RPflG wurde ausweislich des letzten Satzes der ergänzenden Bemerkungen bei der Erstellung der Beurteilung berücksichtigt.
(3) Der Kläger rügt die Voreingenommenheit des Beurteilers und der unmittelbaren Vorgesetzten. Er trägt vor, dies ergebe sich schon aus der Qualifizierung des Wortbeitrags in der Beurteilung. In der Vorbeurteilung seien gute und in der streitgegenständlichen Beurteilung ordentliche Fachkenntnisse bescheinigt worden, was einer Abwertung der Leistung entspreche. Der Beurteiler habe die fachliche Leistung, die Eignung und die Befähigung des Klägers nicht wertend, sondern aus einer befangenen Grundeinstellung heraus gewürdigt. Beurteiler und unmittelbare Vorgesetzte hätten eine negative Grundeinstellung gehabt, was in der Vergangenheit auch deutlich geworden sei, weil beide teilweise über eine längere Dauer oder vereinzelt nicht gegrüßt hätten.
Hieraus ist nicht zu folgern, dass der Beurteiler oder die unmittelbare Vorgesetzte voreingenommen waren. Die Besorgnis der Befangenheit aus der subjektiven Sicht des zu beurteilenden Beamten genügt nicht, vielmehr ist die tatsächliche Voreingenommenheit eines Beurteilers aus der Sicht eines objektiven Dritten festzustellen (BVerwG, U.v. 23.4.1998 – 2 C 16.97 – juris Rn. 13). Tatsächliche Voreingenommenheit liegt vor, wenn der Beurteiler nicht willens oder nicht in der Lage ist, den Beamten sachlich und gerecht zu beurteilen (BVerwG, B.v. 19.7.2018 – 1 WB 31.17 – juris Rn. 31). Allein, dass sich der Kläger mit der streitigen Beurteilung gegenüber der Vorbeurteilung verschlechterte, lässt nicht auf eine Voreingenommenheit des Beurteilers schließen. Eine Beurteilung stellt auf die konkrete Einzelleistung des jeweiligen Beurteilten ab. Dass andere Kollegen aufgrund deren Einzelleistung besser beurteilt wurden, lässt ebenfalls nicht auf eine Voreingenommenheit des Beurteilers schließen. Valide Anhaltspunkte für sachfremde Erwägungen sind nicht ersichtlich und wurden auch nicht vorgetragen. Ständige dienstliche Zusammenarbeit und die Führungsaufgaben eines Vorgesetzten bringen naturgemäß auch die Möglichkeit von Konflikten mit sich. Entsprechend lässt grundsätzlich weder eine kritische Einschätzung der Arbeitsweise noch ein unterlassenes Grüßen auf eine Voreingenommenheit des Vorgesetzten schließen.
(4) Der Kläger trägt vor, nicht die Änderung des Bewertungssystems, sondern eine individuelle Abwertung seiner Leistungen habe zu der streitgegenständlichen Bewertung geführt. Das ist rein spekulativ. Die Rüge, bei seiner Beurteilung sei die Punkteskala von 1 bis 16 Punkte nicht ausgeschöpft worden, rechtfertigt ebenfalls nicht die Zulassung der Berufung. Dass die Bepunktung der Einzelmerkmale nicht die volle Punkteskala ausschöpft, liegt nicht an der Verkennung der Maßstäbe, sondern an dem vergleichsweise homogenen Leistungsbild des Klägers.
(5) Hinsichtlich des (derzeitigen) Beurteilungssystems bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Auch wenn die Gruppenleiterstellen nicht ausgeschrieben werden, was nach der Vorstellung des Klägers wegen der damit verbundenen Sonderaufgabe zu einer Verbesserung der Beurteilung führen soll, entspricht es dem Wesen einer Beurteilung, dass der Kläger nur anhand seiner tatsächlich erbrachten Leistungen beurteilt werden kann, nicht aber aufgrund der hypothetisch auf einem anderen Dienstposten oder in einer Zusatzverwendung möglichen Leistungen.
(6) Hinsichtlich der Begründung des Gesamturteils beanstandet der Kläger, dass die ergänzenden Bemerkungen der dienstlichen Beurteilungen Art. 59 Abs. 2 LlbG nicht genügen. Zwar seien die Inhalte der Einzelmerkmale zusammengefasst, eine Gewichtung finde sich jedoch nicht. Die Formulierungen „problemlos“ oder „geschickt“ gäben keinen Aufschluss darüber, wie die Leistungen des Klägers bewertet worden seien. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils ergeben sich hieraus nicht. Das Gesamturteil von 8 Punkten drängte sich – vergleichbar einer Ermessensreduzierung auf Null – aufgrund des einheitlichen Leistungsbildes des Klägers geradezu auf (BVerwG, U.v. 1.3.2018 – 2 A 10.17 – juris Rn. 43; BayVGH, U.v. 27.5.2019 – 3 BV 17.69 – juris Rn. 14).
b. Aus den unter 2. dargestellten Gründen ergibt sich zugleich, dass die Rechtssache nicht die behaupteten besonderen rechtlichen Schwierigkeiten i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aufweist.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG (wie Vorinstanz).
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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