Verwaltungsrecht

Zustellung in Gemeinschaftsunterkunft durch Niederlegung

Aktenzeichen  B 7 K 17.32410

Datum:
5.6.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 24071
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3, § 4, § 74
ZPO § 177, § 178, § 180, § 181, § 182

 

Leitsatz

Die Wohnung des Asylbewerbers in einer Gemeinschaftsunterkunft im Sinne des § 181 ZPO ist nicht die Gemeinschaftsunterkunft als solche, sondern das Zimmer in der Gemeinschaftsunterkunft, das ihm zugewiesen wurde und in dem er schläft. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.
Das Gericht konnte über die Klage verhandeln und entscheiden, ohne dass die Beklagte an der mündlichen Verhandlung am 29.05.2018 teilgenommen hat. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten bei der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 VwGO).
II.
Die am 29.06.2017 zur Niederschrift der Rechtsantragsstelle des Verwaltungsgerichts Bayreuth erhobene Klage gegen den Bescheid vom 11.05.2017 ist verfristet und damit bereits unzulässig.
1. Gemäß § 74 Abs. 1 Halbs. 1 AsylG muss die Klage gegen Entscheidungen nach dem AsylG innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung erhoben werden. Der streitgegenständliche Bescheid vom 11.05.2017 wurde ausweislich der Postzustellungsurkunde, der Beweiskraft zukommt (§§ 182 Abs. 1 Satz 2, 418 ZPO), am 16.05.2017 ordnungsgemäß durch Niederlegung zugestellt. Die Zustellerin hat in der Postzustellungsurkunde vermerkt, dass der Bescheid in der Postfiliale … niedergelegt und die schriftliche Mitteilung über die Niederlegung an der Tür zur Wohnung des Klägers angeheftet wurde. Damit liegen die Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Ersatzzustellung vor.
Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 VwZG gelten für die Ausführung der Zustellung mittels Postzustellungsurkunde die §§ 177 bis 182 ZPO entsprechend. Wird die Person in einer Gemeinschaftsunterkunft, in der sie wohnt, nicht angetroffen, kann das Schriftstück nach § 178 Abs. 1 Nr. 3 ZPO dem Leiter der Einrichtung oder einen dazu ermächtigten Vertreter zugestellt werden. Die Zustellung an den Leiter einer Gemeinschaftseinrichtung kann jedoch erst dann erfolgen, wenn die unmittelbare Zustellung an den Adressaten nicht möglich ist. Ist auch die Ersatzzustellung an den Leiter der Einrichtung nicht möglich, ist grds. nach § 181 ZPO (Ersatzzustellung durch Niederlegung) zu verfahren. Nach § 181 Abs. 1 Satz 2 bis 5 ZPO ist dabei das zuzustellende Schriftstück bei einer von der Post dafür bestimmten Stelle niederzulegen und über die Niederlegung eine schriftliche Mitteilung abzugeben, wobei das Schriftstück mit der Abgabe der schriftlichen Mitteilung als zugestellt gilt (§ 181 Abs. 1 Satz 4 ZPO). Ersatzzustellung nach § 180 ZPO (Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten) ist dagegen in einer Gemeinschaftseinrichtung grds. nicht vorgesehen. Ist eine Zustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht möglich, ist das Schriftstück regelmäßig durch Niederlegung (§ 181 ZPO) zuzustellen (Schultzky in: Zöller, ZPO. 32. Aufl. 2018, § 180 Rn. 4). Unterhält der Adressat in der Gemeinschaftseinrichtung hingegen (ausnahmsweise) einen eigenen Briefkasten, so muss jedoch auch § 180 ZPO nach seinem Normzweck Anwendung finden. In diesen Fällen kann das Schriftstück im zur Wohnung gehörenden Briefkasten eingelegt werden, wobei mit der Einlegung das Schriftstück als zugestellt gilt (vgl. VG Augsburg, B.v. 17.11.2016 – Au 3 S 16.32189 – juris; VG Ansbach, B.v. 5.9.2013 – AN 11 S 13.30599 – juris).
Nach dem klägerischen Vortrag, der sich mit den Angaben des zuständigen Hausverwalters bei der Regierung von Oberfranken deckt, sind in der Gemeinschaftsunterkunft … an den jeweiligen Zimmern der Bewohner keine Briefkästen angebracht. Es befindet sich vielmehr ein Postverteilungssystem im Bereich des Haupteinganges des jeweilgen Gebäudes. Dort ist für jede Wohnung ein Postfach angebracht, welches mit der jeweiligen Zimmernummer, jedoch nicht mit den Namen der Zimmerbewohner versehen ist. Die „einfache Post“ für die Bewohner der Unterkunft wird von der Post dabei gesammelt im Büro der Hausverwaltung abgegeben. Nach entsprechender Vorsortierung verteilt der Hausverwalter den Posteingang in die Postfächer der Bewohner. Bei förmlichen Zustellungen erkundigt sich der Postbedienstete hingegen zunächst regelmäßig beim Hausverwalter nach der Zimmernummer des Adressaten und versucht dann die persönliche Übergabe des Schriftstückes beim Adressaten zu bewirken. Falls der jeweilige Bewohner nicht angetroffen wird und der Einrichtungsleiter nicht zugegen ist, wird der Bescheid bei der Postfiliale niedergelegt und die Mitteilung über die Niederlegung beim Hausverwalter abgegeben, der diese dann wiederum in das Postfach des Adressaten einlegt. Für den Fall, dass der Postbedienstete den Hausverwalter nach einem Übergabeversuch im Zimmer des Adressaten nicht mehr antrifft, wird durch den Postbediensteten die Mitteilung über die Niederlegung an der Zimmertür des Adressaten angeheftet.
Unter Berücksichtigung der obigen Grundsätze und der Erkenntnisse des Gerichts zum Postverteilungssystem in der streitgegenständlichen Unterkunft, wurde dem Kläger der Bescheid am 16.05.2017 ordnungsgemäß durch Niederlegung zugestellt. Insbesondere war die Postbedienstete weder berechtigt noch verpflichtet, eine Ersatzzustellung durch Einlegen des Bescheides in das zur Wohnung des Klägers gehörende Postfach im Eingangsbereich der Gemeinschaftsunterkunft vorzunehmen. Aufgrund des Postverteilungssystems in der Unterkunft stellt das Postfach im Haupteingangsbereich des Gebäudes, das sich der Kläger mit zwei weiteren Zimmerbewohnern teilt, keinen zur Wohnung oder dem Geschäftsraum gehörenden Briefkästen oder eine ähnliche Vorrichtung im Sinne des § 180 ZPO dar, die der Adressat für den Postempfang eingerichtet hat. Die Zustellerin ist weder befugt noch ist es ihr faktisch möglich, die Post für die Bewohner der Gemeinschaftsunterkunft unmittelbar in deren Postfächer einzulegen. Die Postfächer dienen lediglich der internen Postverteilung durch den Hausverwalter. Die Postfächer sind nur mit den Zimmernummern, nicht jedoch mit den Namen der Bewohner beschriftet, sodass es dem Postzusteller schon gar nicht möglich ist, eine ordnungsgemäße Postverteilung unmittelbar in die einzelnen Fächer vorzunehmen. Dies obliegt vielmehr dem Hausverwalter, der die Zimmerbelegung anhand einer Belegungsliste abgleicht und dementsprechend intern die Post durch Einwurf in das jeweilige Zimmerpostfach verteilt. Da eine Ersatzzustellung nach § 180 ZPO durch Einlegen in den „zur Wohnung gehörenden Briefkasten“ durch den Postbediensteten nicht möglich ist, steht diese vorrangige Form der Ersatzzustellung der hier tatsächlich durchgeführten (nachrangigen) Ersatzzustellung durch Niederlegung nach § 181 ZPO nicht entgegen.
Auch im Übrigen bestehen gegen die Ordnungsgemäßheit der Ersatzzustellung durch Niederlegung keine Bedenken. Nachdem der Adressat persönlich nicht angetroffen wurde, eine Ersatzzustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht möglich war und kein zur Wohnung gehörender Briefkasten im Sinne des § 180 ZPO existiert, hat die Postbedienstete den Bescheid bei der nächsten Postfiliale niedergelegt und – nachdem sie den Hausverwalter offensichtlich nicht mehr angetroffen hat und daher die Mitteilung „in der bei gewöhnlichen Briefen üblichen Weise“ (= Abgabe bei Hausverwalter, vgl. Schultzky a.a.O. § 181 Rn. 4a) nicht abgegeben werden konnte – die schriftliche Mitteilung an der Tür zum Zimmer des Klägers angeheftet. Dieses Vorgehen ist nicht zu beanstanden. Die Wohnung des Asylbewerbers in einer Gemeinschaftsunterkunft im Sinne des § 181 ZPO ist nämlich nicht die Gemeinschaftsunterkunft als solche, sondern das Zimmer in der Gemeinschaftsunterkunft, dass ihm zugewiesen wurde und in dem er schläft (BayVGH, B.v. 22.4.2002 – 15 ZB 01.30409 – juris).
Der wirksamen Zustellung durch Niederlegung steht auch die eidesstattliche Versicherung des Klägers vom 21.08.2017 nicht entgegen, wonach er erst am 28.06.2017 vom Ausländeramt der Stadt … eine Bescheidskopie erhalten habe und er vorher weder einen Bescheid noch eine Mitteilung, dass ein Bescheid für ihn hinterlegt sei, erhalten habe. Nach § 182 Abs. 1 Satz 2 ZPO gilt die Beweiskraft öffentlicher Urkunden gem. § 418 ZPO, wonach voller Beweis der darin bezeugten Tatsachen begründet wird. Die Behauptungs- und Beweislast, dass Tatsachen in der PZU unrichtig beurkundet sind, trägt derjenige, der sich darauf beruft. Die Beweiskraft kann allenfalls durch einen substantiierten Gegenbeweis angetreten werden. Die eidesstattliche Versicherung des Klägers genügt nicht, um von einem Gegenbeweis in diesem Sinne auszugehen. Der Kläger behauptet lediglich, dass er weder den Bescheid noch eine Mitteilung über die Niederlegung erhalten hat. Im Übrigen ist der Bundesamtsakte zu entnehmen, dass der Kläger das Protokoll der Anhörung vom 19.12.2016, das ihm ebenfalls durch Niederlegung zugestellt wurde, ebenfalls nicht bei Post abgeholt hat. Im Falle des Anhörungsprotokolls wurde die Mitteilung über die Niederlegung laut Postzustellungsurkunde sogar beim Hausverwalter abgegeben. Es ist weder dargetan noch anderweitig ersichtlich, dass der Hausverwalter die Niederlegungsmitteilung nicht in das Postfach des Klägers eingelegt hat. Aufgrund der Gesamtumstände geht das Gericht daher davon aus, dass dem Kläger die notwendige Zuverlässigkeit beim Umgang mit förmlichen Zustellungen fehlt, zumal der Kläger auch hinsichtlich des Zustellungsvorgangs des Anhörungsprotokolls im Dezember 2016 in der mündlichen Verhandlung keinen substantiierten Gegenbeweis antreten konnte, der die ordnungsgemäße Ersatzzustellung durch Niederlegung auch nur annähernd in Frage stellen würde.
Dementsprechend gilt der Bescheid vom 11.05.2017 am 16.05.2017 als zugestellt. Die Klagefrist begann am Tag nach der Zustellung, also am 17.05.2017, zu laufen und endete mit Ablauf des 30.05.2017 (§ 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB).
2. Dem Kläger ist auch keine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand nach § 60 VwGO zu gewähren. Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist nur dann erfolgreich, wenn der Betroffene glaubhaft machen kann, dass er ohne Verschulden daran gehindert war, fristgerecht Klage zu erheben. Ein Verschulden ist dabei immer dann anzunehmen, wenn dem Säumigen zum Vorwurf gemacht werden kann, dass er die Frist ungenutzt hat verstreichen lassen. Der Kläger hat im Widerspruch zum Vermerk in der Postzustellung behauptet, dass er den Bescheid erst am 28.06.2017 von der Ausländerbehörde der Stadt … erhalten hat. Wie bereits unter 1. geschildert reicht der Sachvortrag des Klägers nicht aus, um die Beweiskraft der Postzustellungsurkunde zu erschüttern. Die Beweislast dafür, dass eine Fristversäumung nicht auf Verschulden beruht, trägt der säumige Kläger, zumal durch den Vermerk in der Postzustellungsurkunde festgestellt ist, dass die Mitteilung über die Niederlegung an seiner Zimmertür angeheftet worden ist. Dem konnte der Kläger nur pauschal entgegenhalten, weder er noch seine Zimmergenossen hätten einen entsprechenden Zettel an der Zimmertür gesehen.
III.
Im Übrigen ist die Klage auch unbegründet. Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG noch einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16 a GG. Subsidiärer Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG ist ebenfalls nicht zu gewähren. Es liegen auch keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor. Die Abschiebungsandrohung sowie die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes sind nicht zu beanstanden. Der angefochtene Bescheid ist somit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG liegen nicht vor.
Nach § 3 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 AsylG besteht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft dann, wenn sich der Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will und er keine Ausschlusstatbestände erfüllt. Eine solche Verfolgung kann nicht nur vom Staat ausgehen (§ 3c Nr. 1 AsylG), sondern auch von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (§ 3c Nr. 2 AsylG) oder nicht staatlichen Akteuren, sofern die in Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschl. internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage sind oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3c Nr. 3 AsylG). Allerdings wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3e Abs. 1 AsylG).
Für die richterliche Überzeugungsbildung im Sinne von § 108 Abs. 1 VwGO gilt Folgendes:
Das Gericht muss sich die volle Überzeugung von der Wahrheit des behaupteten Verfolgungsschicksals und der Wahrscheinlichkeit der Verfolgungsgefahr bilden. Eine bloße Glaubhaftmachung in der Gestalt, dass der Vortrag lediglich wahrscheinlich sein muss ist nicht ausreichend (vgl. grundlegend BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 109.84 – juris). Es ist vielmehr der asylrechtliche Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zu Grunde zu legen. Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhaltes die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Hierbei darf das Gericht jedoch hinsichtlich der Vorgänge im Verfolgerland, die zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder der Feststellung eines Abschiebungsverbotes führen sollen, keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen, sondern muss sich in tatsächlich zweifelhaften Fragen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, auch wenn Zweifel nicht völlig auszuschließen sind (BVerwG, U.v. 16.4.1985 a.a.O.). Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – juris; VG Augsburg, U.v. 11.7.2016 – Au 5 K 16.30604 – juris).
Nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 ist hierbei die Tatsache, dass ein Kläger bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweise darauf, dass die Furcht des Klägers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Kläger erneut von solcher Verfolgung und einem solchen Schaden bedroht wird. Diese Regelung privilegiert den von ihr erfassten Personenkreis bei einer Vorverfolgung durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Die Vorschrift begründet für die von ihr begünstigten Kläger eine widerlegbare Vermutung dafür, dass sie erneut von einem ernsthaften Schaden bei einer Rückkehr in ihr Heimatland bedroht werden. Dadurch wird der Kläger, der bereits einen ernsthaften Schaden erlitten hat oder von einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die einen solchen Schaden begründenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden.
Als vorverfolgt gilt ein Schutzsuchender dann, wenn er aus einer durch eine eingetretene oder unmittelbar bevorstehende politische Verfolgung hervorgerufenen ausweglosen Lage geflohen ist. Die Ausreise muss das objektive äußere Erscheinungsbild einer unter dem Druck dieser Verfolgung stattfindenden Flucht aufweisen. Das auf dem Zufluchtsgedanken beruhende Asyl- und Flüchtlingsrecht setzt daher grundsätzlich einen nahen zeitlichen (Kausal-) Zusammenhang zwischen der Verfolgung und der Ausreise voraus. Es obliegt aber dem Schutzsuchenden, sein Verfolgungsschicksal glaubhaft zur Überzeugung des Gerichts darzulegen. Er muss daher die in seine Sphäre fallenden Ereignisse, insbesondere seine persönlichen Erlebnisse, in einer Art und Weise schildern, die geeignet ist, seinen geltend gemachten Anspruch lückenlos zu tragen. Dazu bedarf es – unter Angabe genauer Einzelheiten – einer stimmigen Schilderung des Sachverhalts. Daran fehlt es in der Regel, wenn der Schutzsuchende im Lauf des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder auf Grund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe nicht nachvollziehbar erscheinen, und auch dann, wenn er sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Begehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (VGH BW, U.v. 27.8.2013 – A 12 S 2023/11 – juris; HessVGH, U.v. 4.9.2014 – 8 A 2434/11.A – juris).
Gemessen an diesen Maßstäben hat der Kläger eine an den Merkmalen des § 3 Abs. 1 AsylG ausgerichtete Verfolgung nicht glaubhaft gemacht. Das Gericht folgt diesbezüglich zunächst vollumfänglich den Ausführungen im angefochtenen Bescheid (§ 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend ist Folgendes auszuführen:
Selbst unter Berücksichtigung der Schilderungen des Klägers im Klageverfahren besteht kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
a) Der Kläger hat sein Herkunftsland nicht vorverfolgt verlassen. Ihm droht bei einer Rückkehr nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG. Die Ausführungen zum Vorfluchtgeschehen sind vage, detailarm und teilweise unsubstantiiert, sodass der Kläger das Gericht nicht von einer Verfolgungsgefahr überzeugen konnte. Nicht glaubwürdig ist insbesondere die Einlassung des Klägers in der mündlichen Verhandlung, der Wachmann bekomme keine Probleme, wenn er Gefangene gegen Schmiergeldzahlungen einfach freilasse, da die Gefangenen nicht gezählt werden und es niemandem aufgefallen ist, dass er nicht mehr im Gefängnis ist. Selbst bei einer Vielzahl politischer Gefangener widerspricht es jeglicher Lebenserfahrung, dass die äthiopischen Behörden nicht wüssten, wieviel Insassen im Gefängnis sind. Im Gegenteil, in anderem Zusammenhang trägt der Kläger selbst vor, der äthiopische Staat werde ihn sofort ins Gefängnis bringen, da er sich in Deutschland für die OLF stark gemacht habe. Es ist völlig widersprüchlich, wenn der Kläger einerseits vorträgt, unbemerkt ein Gefängnis verlassen zu können und deswegen nicht gesucht zu werden, andererseits aber die Teilnahme an Massendemonstrationen in Deutschland gegen das äthiopische Regime den Kläger bei einer Rückkehr nach Äthiopien – nach seiner Aussage – sofort ins Gefängnis bringen soll. Ferner konnte der Kläger dem Gericht nicht überzeugend darlegen, warum gerade er aus dem Kreis der Demonstranten – zusammen mit einigen anderen – verhaftet worden ist. Der Kläger hat keine tragende Rolle bei der Demonstration gespielt. Nach eigenen Angaben hat er zwar die Demonstration mitorganisiert, indem er Plakate kopiert hat. Die Hauptorganisation, insbesondere die Terminplanung war aber anderen oblegen. Der Kläger wusste nicht einmal genau, wie groß der Kreis der Organisatoren gewesen ist.
b) Auch auf den Nachfluchtgrund der exilpolitischen Betätigung kann sich der Kläger nicht mit Erfolg berufen. Zwar ermöglicht § 28 Abs. 1a AsylG die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft auch dann, wenn die begründete Furcht vor Verfolgung im Sinn des § 3 Abs. 1 AsylG auf Ereignisse beruht, die eingetreten sind, nachdem der Ausländer sein Herkunftsland verlassen hat. Nach Überzeugung des Gerichts ist es aber auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht beachtlich wahrscheinlich, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Äthiopien eine Verfolgung wegen seiner exilpolitischen Betätigung in der Bundesrepublik Deutschland drohen würde.
In der äthiopischen exilpolitischen Szene gibt es zahlreiche Gruppierungen. Den verfahrensgegenständlichen Erkenntnisquellen ist zweifelsohne zu entnehmen, dass die äthiopische Regierung die Aktivitäten der äthiopischen Exilorganisationen genau beobachtet bzw. durch die Auslandsvertretungen beobachten lässt. Aufgrund der Auskunftslage, die auch die Entwicklungen während der Massenproteste 2015/2016, den Ausnahmezustand 2016 und die aktuelle politischen Entwicklungen im Frühjahr 2018 berücksichtigt, geht das Gericht jedoch weiterhin nicht davon aus, dass jede, wie auch immer geartete Form der Betätigung für eine der zahlreichen exilpolitischen Gruppen in der äthiopischen exilpolitischen Szene im Ausland bei einer Rückkehr nach Äthiopien zu einer beachtlichen Verfolgungsgefahr führt. Vielmehr kommt es – auch nach der aktuellen Lage – für die Feststellung des relevanten Gefährdungsgrades grundsätzlich darauf an, ob eine Organisation von den äthiopischen Stellen etwa als terroristisch eingestuft wird und in welcher Art und in welchem Umfang der oder die Betreffende sich im Einzelfall exilpolitisch tatsächlich und wahrnehmbar betätigt hat (VG Regensburg, U.v. 24.1.2018 – RO 2 K 16.32411 – juris; VG Regensburg U.v. 8.3.2018 – RO 2 K 16.30643 – juris; VG Ansbach, U.v. 14.2.2018 – AN 3 K 16.31836 – juris; VG Bayreuth, U.v. 20.11.2017 – B 2 K 16.31139 – juris; vgl. auch VG Kassel, U.v. 22.2.2018 – 1 K 302/17.KS.A – juris; VG Kassel, U.v. 5.9.2017- 1 K 2320/17.KS.A – juris; a.A. VG Würzburg, U.v. 15.9.2017 – W 3 K 17.31180 – juris).
Dem Auswärtigen Amt liegen auch nach dem aktuellen Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Äthiopien vom 22.3.2018 keine Erkenntnisse darüber vor, dass allein die Betätigung für eine oppositionelle Partei im Ausland bei Rückkehr nach Äthiopien zu staatlichen Repressionen führt. Maßgeblich ist danach vielmehr der konkrete Einzelfall, also beispielsweise, ob eine Organisation von der äthiopischen Regierung als Terrororganisation angesehen wird oder um welche politische Tätigkeit es sich handelt (z.B. nachweisliche Mitgliedschaft, führende Position, Organisation gewaltsamer Aktionen). Von Bedeutung ist auch, ob und wie sich die zurückgeführte Person anschließend in Äthiopien politisch betätigt. Die bloße Asylantragstellung im Ausland bleibt – soweit bekannt – ohne Konsequenzen (AA, Lagebericht Äthiopien vom 22.3.2018, S. 18; VG Gießen, U.v. 11.7.2017 – 6 K 4787/15.GI.A – juris; VG Regensburg, U.v. 24.1.2018 – RO 2 K 16.32411 – juris; VG Regensburg U.v. 8.3.2018 – RO 2 K 16.30643 – juris). Der Lagebericht vom 22.3.2018 geht insbesondere auch auf die innenpolitischen Entwicklungen im Frühjahr 2018 und auf den am 16.2.2018 ausgerufen (neuerlichen) Ausnahmezustand ein (AA, Lagebericht Äthiopien vom 22.3.2018, S. 6). Unter Berücksichtigung der aktuellen Entwicklungen hält das Auswärtige Amt hinsichtlich der Gefährdungseinschätzung bei Rückkehr von im Ausland exilpolitisch tätigen Äthiopiern an den Ausführungen im Lagebericht vom 6.3.2017 fest (vgl. AA, Lagebericht Äthiopien vom 6.3.2017, S. 16; AA, Lagebericht Äthiopien vom 22.3.2018, S. 18).
Die Auskunft des Leibniz-Instituts (GIGA an VG Gießen vom 30.1.2017 in der Sache 6 K 4787/15.GI.A) – zum Fall einer exilpolitischen Tätigkeit für die EPPFG – stellt ebenfalls nur fest, dass eine Verhaftung für den Fall der Rückkehr nicht ausgeschlossen werden könne. Diese Feststellung erreicht aber schon nicht den Maßstab der notwenigen beachtlichen Verfolgungswahrscheinlichkeit (VG Regensburg, U.v. 8.3.2018 – RO 2 K 16.30643 – juris).
G. S. geht in seiner Stellungnahme vom 15.2.2017 an das VG Gießen in der dortigen Streitsache 6 K 4787/15.GI.A davon aus, dass eine Verfolgungsprognose anhand bestimmter Merkmale nicht abgegeben werden könne, weil das Handeln der äthiopischen Sicherheits- und Justizbehörden gegenüber allen wirklichen und putativen Gegnern von einem hohen Maß an Willkürlichkeit geprägt sei. Unter diesem Gesichtspunkt sei generell die Unterscheidung zwischen unbedeutender und exponierter Stellung in einer Oppositionsorganisation als nicht relevant für die Beurteilung der Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungsgefahr anzusehen. Dies gelte in besonderem Maß seit dem Erlass der Anti-Terrorismusgesetze und gerade auch unter dem Ausnahmezustand. Weiter führt er aus, dass mit „hoher Wahrscheinlichkeit“ eine längere Inhaftierung – verbunden mit intensiver Befragung – auch unter dem jetzigen Ausnahmezustand als Minimum anzunehmen sei. Es bleibt jedoch offen, wie S. trotz der Prognoseunsicherheit zu dieser Annahme kommt. So belegt er diese Annahme nicht mit konkreten Beispielen für ein Einschreiten äthiopischer Stellen gegen Rückkehrer, obwohl er angibt, dass diese häufig verhaftet würden (Rn. 214 der Stellungnahme vom 15.2.2017). Dies dürfte dem Umstand geschuldet sein, dass kaum Abschiebungen nach Äthiopien stattfinden, was die Grundlage dieser Aussage allerdings fraglich erscheinen lässt. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass es seit Mitte 2015 im Zusammenhang mit dem „Masterplan“ der Regierung vor allem in der Provinz Oromia zu Massenprotesten kam und es im Zusammenhang mit diesen Protesten und dem Einschreiten der Sicherheitskräfte zu Todesfällen und Verhaftungen gekommen ist. So sollen nach dem Gutachten von G. S. im Rahmen der Unruhen 2016 unter Geltung des Ausnahmezustandes über 11.000 Menschen verhaftet worden sein. Diese Verhaftungen fanden jedoch im Zusammenhang mit – zumindest teilweise – gewaltsamen Protesten in Äthiopien statt. Sie sind kein Beleg dafür, dass auch Rückkehrer alleine wegen ihrer exilpolitischen Betätigung nun einem beachtlichen Verfolgungsrisiko ausgesetzt sind. Dies belegen auch die Ausführungen in der Stellungnahme S.s nicht hinreichend. Dieser führt zwar nachvollziehbar aus, dass im Zusammenhang mit den Unruhen in Äthiopien selbst die äthiopische Diaspora – auch im Hinblick auf eine Strafbarkeit nach dem äthiopischen Anti-Terrorismusgesetz von 2009 – verstärkt überwacht wird (Rn. 134 der Stellungnahme vom 15.2.2017). Ein konkretes Beispiel für eine Verfolgung allein auf Grund einer exilpolitischen Tätigkeit unterbleibt jedoch. Auffällig ist hierbei auch, dass S. zum einen zwar deutliche Aussagen trifft (Bestrafung jedes Mitglieds einer exilpolitischen Gruppe, die mit einer als terroristisch eingestuften Gruppe zusammenarbeitet [Rn. 232 der Stellungnahme vom 15.2.2017]; häufige Verhaftungen [Rn. 214 der Stellungnahme vom 15.2.2017]; längere Inhaftierung verbunden mit intensiver Befragung und mit hoher Wahrscheinlichkeit inhumaner Haftbedingungen [Rn. 237 der Stellungnahme vom 15.2.2017]), gleichzeitig aber äußert, dass sich angesichts der Willkürlichkeit die konkreten Verfolgungshandlungen im Einzelnen schwer vorhersagen ließen und er an anderer Stelle (Rn. 226 der Stellungnahme vom 15.2.2017) angibt, dass im heutigen Äthiopien, die eine staatliche Verfolgung auslösenden Momente in der Regel vielschichtig seien und sich nur selten auf ein bestimmtes Merkmal reduzieren ließen (vgl. ausführlich: VG Regensburg, U.v. 24.1.2018 – RO 2 K 16.32411 – juris; VG Gießen, U.v. 11.7.2017 – 6 K 4787/15.GI.A – juris).
Auch die Stellungnahme G. S.s vom 18.2.2018 in der Streitsache W 3 K 16.30383 an das VG Würzburg überzeugt das Gericht nicht von einer beachtlichen Verfolgungsgefahr für Rückkehrer alleine wegen jeder – wie auch immer gearteter – Form der exilpolitischen Betätigung. Zwar kommt G. S. zu dem Ergebnis, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen sei, dass unter dem wiedereingeführten Ausnahmezustand exilpolitisch tätige Äthiopier bei einer Rückführung einem sehr hohen Risiko ausgesetzt seien, als Unterstützer einer „terroristischen Organisation“ verfolgt und äußerst bestraft zu werden (Rn. 83 der Stellungnahme vom 18.2.2018), während in der Stellungnahme vom 15.2.2017 an das VG Gießen noch ausgeführt wurde, angesichts der Willkürlichkeit im Handeln der Sicherheitsorgane und der mangelnden Rechtsstaatlichkeit in Äthiopien lasse sich im Einzelnen nicht vorhersagen, was Rückkehrer zu befürchten hätten. Eine längere Inhaftierung verbunden mit intensiver Befragung und mit hoher Wahrscheinlichkeit inhumanen Haftbedingungen sei jedoch als Minimum anzunehmen (Rn. 237 der Stellungnahme vom 15.2.2017; dieser Passus befindet sich im Übrigen auch noch unter Rn. 82 der Stellungnahme vom 18.2.2018). Anderseits führt S. in Rn. 17 der Stellungnahme vom 18.2.2018 aus, aufgrund es neuerlichen Ausnahmezustandes vom 16.2.2018 scheinen die gleichen Bestimmungen wie beim Ausnahmezustand 2016 zu gelten. Für das Gericht ist daher weder nachvollziehbar noch plausibel dargelegt, warum nunmehr (allein) aufgrund des Ausnahmezustand 2018 exilpolitisch tätige Äthiopier bei einer Rückführung einem sehr hohen Risiko ausgesetzt sein sollen, als Unterstützer einer „terroristischen Organisation“ verfolgt und äußerst bestraft zu werden, wenn keine anderen Bestimmungen wie beim Ausnahmezustand 2016 gelten.
Bei einer Gesamtwürdigung der vorliegenden Auskunftslage nimmt das Gericht daher auch weiterhin nicht an, dass äthiopischen Asylbewerbern, die sich zu einer Exilorganisation (hier: TBOJ/UOSG) – welche einer vom äthiopischen Staat als terroristisch eingestuften Vereinigung nahesteht – bekennen und für diese Exilorganisation nur ein Mindestmaß an Aktivität vorweisen, für den Fall der Rückkehr nach Äthiopien bereits mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG erwartet (VG Regensburg, U.v. 24.1.2018 – RO 2 K 16.32411 – juris; VG Regensburg U.v. 8.3.2018 – RO 2 K 16.30643 – juris; VG Ansbach, U.v. 14.2.2018 – AN 3 K 16.31836 – juris; VG Bayreuth, U.v. 6.3.2018 – B 7 K 17.32889 – juris; vgl. auch VG Bayreuth, U.v. 20.11.2017 – B 2 K 16.31139 – juris; VG Kassel, U.v. 5.9.2017 – 1 K 2320/17.KS.A – juris; VG Gießen, U.v. 11.7.2017 – 6 K 4787/15.Gl.A – juris, a.A. VG Würzburg, U.v. 15.9.2017 – W 3 K 17.31180 – juris). Vielmehr müssen nach Überzeugung des Gerichts bei einer Rückkehr nach Äthiopien nur solche Personen mit politisch motivierten Verfolgungsmaßnahmen rechnen müssen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland derart exponiert politisch betätigt haben, dass die äthiopischen Behörden sie als ernsthafte Oppositionsangehörige einstufen (VG Regensburg, U.v. 24.1.2018 – RO 2 K 16.32411 – juris; VG Ansbach, U.v. 14.2.2018 – AN 3 K 16.31836 – juris; VG Bayreuth, U.v. 6.3.2018 – B 7 K 17.32889 – juris; vgl. auch BayVGH, B.v. 14.7.2015 – 21 B 15.30119 – juris; BayVGH, U.v. 25.2.2008 – 21 B 07.30363 und 21 B 05.31082 – juris). Erforderlich für einen beachtlichen Nachfluchtgrund aufgrund exilpolitischer Betätigung ist nämlich eine „beachtliche Wahrscheinlichkeit“ der Verfolgung im Falle einer Rückkehr. Nicht ausreichend ist hingegen, dass eine solche möglich ist oder nicht ausgeschlossen werden kann. Eine solche beachtliche Wahrscheinlichkeit im Falle einer nicht exponierten Stellung kann – wie bereits ausgeführt – auch den oben genannten aktuellen Stellungnahmen nicht entnommen werden. Die Kammer und der erkennende Einzelrichter gehen daher weiterhin davon aus, dass Asylbewerber, die sich vor allem im Hinblick auf einen positiven Ausgang des Asylverfahrens einer exilpolitischen Gruppe anschließen und sich dort nicht exponiert betätigen, im Falle einer Rückkehr nach Äthiopien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit politisch motivierten Verfolgungsmaßnahmen zu rechnen haben. Gerade wegen der intensiven Beobachtung exilpolitischer Auslandsaktivitäten durch äthiopische Stellen muss davon ausgegangen werden, dass auch den äthiopischen Behörden klar ist, dass eine große Zahl äthiopischer Asylbewerber nicht wegen ihrer politischen Überzeugung an exilpolitischen Veranstaltungen teilnimmt, sondern weil sie sich davon Vorteile im Asylverfahren erwartet. Im Hinblick darauf ist es nicht wahrscheinlich, dass die äthiopischen Behörden derartige Personen als „gefährlich“ erachten.
Dies gilt im Übrigen auch dann, wenn der betreffenden Person eine auf den ersten Blick exponiert erscheinende Position übertragen worden ist, ohne dass diese dann auch aktiv ausgefüllt wird. Im Hinblick auf die nach der Auskunftslage intensive Überwachung der äthiopischen exilpolitischen Szene im Bundesgebiet durch den äthiopischen Staat, führte das Gericht bereits mit Urteil vom 26.8.2013 (B 3 K 12.30096 – juris) aus, dass auch den äthiopischen Behörden klar ist, „dass die zuletzt immer mehr zu beobachtenden, inflationär entstehenden und wie Pilze aus dem Boden schießenden Vorstandsfunktionen für sich alleine betrachtet den jeweiligen Asylbewerber, wenn er sich ansonsten […] im Heimatland als unpolitisch erwiesen hat, nicht zu einem aus dem Kreis der bloßen Mitläufer herausragenden, ernsthaften und damit aus Sicht des äthiopischen Staates zu verfolgenden Oppositionellen machen. Vielmehr ist ausschlaggebend, ob der jeweilige Funktionsträger nicht nur durch das Innehaben eines Amtes, sondern durch sein davon unabhängiges politisches Engagement im Heimatland und im Bundesgebiet sich als eine von der Masse der äthiopischen Asylbewerber abhebende und nach außen erkennbar politisch interessierte und aktive Person darstellt.“ Diese Ausführungen gelten gegenwärtig (erst recht) uneingeschränkt fort.
Unter Heranziehung der vorstehenden Maßstäbe des Gerichts gehört der Kläger nicht zu dem gefährdeten Personenkreis, der im Falle der Abschiebung wegen exilpolitischer Tätigkeit im Ausland mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit befürchten müsste, von den äthiopischen Behörden in flüchtlingsrechtlich relevanter Weise belangt zu werden. Der Kläger ist ausweislich der Bescheinigung vom 15.01.2017 seit 21.05.2016 Mitglied der TBOJ/UOSG und hat im Jahr 2016 an drei Veranstaltungen der Organisation in Nürnberg teilgenommen. Der Kläger hatte in der mündlichen Verhandlung bereits Probleme, die OLF von der TBOJ/UOSG abzugrenzen. Ferner berichtete er dem Gericht zunächst, er habe an zwei Veranstaltungen in Frankfurt teilgenommen, obwohl die vorgelegte Bescheinigung drei Veranstaltungen in Nürnberg bestätigt. Zu den Demonstrationen in Frankfurt konnte der Kläger auch in der mündlichen Verhandlung keine weitergehenden Angaben machen. Er erklärte vielmehr nur, die Veranstaltungen seien schon länger. In diesem Zusammenhang hat sich auch herausgestellt, dass die letzte besuchte Veranstaltung eine der besagten Veranstaltungen in Frankfurt gewesen ist und sich der Kläger schon „seit einigen Jahren“ nicht mehr für die TBOJ engagiert, weil Schule und Familie für ihn vorgehen. Der Kläger hatte nach eigenen Angaben auch keine exponierte Stellung und keine besondere Funktion unter den Oppositionellen. Er ist nach eigenen Angaben nur (einfaches) Mitglied auf dem Papier und hat keine Zeit mehr für die Vereinigung.
Die exilpolitische Tätigkeit des Klägers führt daher nach Überzeugung des Gerichts nicht dazu, dass er von den äthiopischen Behörden als „gefährlicher Oppositioneller“ angesehen wird, weshalb es nicht beachtlich wahrscheinlich ist, dass er allein aufgrund seiner exilpolitischen Betätigung mit Verfolgungsmaßnahmen zu rechnen hat.
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter im Sinne des Art. 16a GG, da nicht einmal die weitergefassten Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 AsylG einschlägig sind.
3. Dem Kläger steht kein Anspruch auf subsidiären Schutz gem. § 4 AsylG zu. Er kann sich weder auf § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 AsylG noch auf § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG berufen.
a) Es gibt – insbesondere im Hinblick auf die obigen Ausführungen zum Flüchtlingsschutz – keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland ein ernsthafter Schaden (Todesstrafe, Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung) im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 AsylG droht.
b) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3. Nach dieser Vorschrift gilt als ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Der Begriff des internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes in § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ist unter Berücksichtigung des humanitären Völkerrechts auszulegen (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 – 10 C 43/07 – juris). Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie unter anderem für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind und über innere Unruhen und Spannungen, wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen, hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konfliktes im Sinne des Art. 15 c QualRL nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wie sie typischerweise in Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfen zu finden sind. Ein solcher innerstaatlicher bewaffneter Konflikt kann landesweit oder regional bestehen und muss sich nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 a.a.O.). Der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen muss, kann aber umso geringer sein, je mehr der Schutzsuchende möglicherweise belegen kann, dass er aufgrund von in seiner persönlichen Situation liegenden Umständen spezifisch betroffen ist (vgl. EuGH, U.v. 17.2.2009 – C-465.7 – juris).
Ein innerstaatlicher Konflikt im obigen Sinne ist im Herkunftsland des Klägers nicht ersichtlich (vgl. nur VG Ansbach, U.v. 19.9.2017 – AN 3 K 16.30505 – juris; VG Ansbach, U.v. 14.2.2018 – AN 3 K 16.31836 – juris; VG Bayreuth, U.v. 6.3.2018 – B 7 K 17.32889 – juris).
4. Nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG oder § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind ebenfalls nicht gegeben. Insoweit wird zunächst auf den streitgegenständlichen Bescheid Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 VwGO).
a) Hervorzuheben ist insbesondere, dass eine Abschiebung trotz schlechter humanitärer Verhältnisse nur in sehr außergewöhnlichen Einzelfällen als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung bewertet werden kann und die Voraussetzung des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK erfüllt. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Äthiopien führen nicht zu der Annahme, dass bei einer Abschiebung des Klägers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliegt. Der Kläger ist jung und erwerbsfähig. Er hat zwar nach eigenen Angaben in Äthiopien nicht gearbeitet, hat aber eine Ausbildung im Bereich Elektronik begonnen. Dennoch kann er auf sämtliche Hilfstätigkeiten zur Sicherung des Existenzminimums verwiesen werden. Weiterhin ist von einer existenzsichernden Unterstützung des Klägers im Rahmen des Familienverbundes auszugehen. Der Kläger verfügt über Eltern und hat nach eigenen Angaben „bei und von den Eltern gut gelebt“. Er hat mehrere Geschwister und eine Großfamilie in Äthiopien. Es ist nicht ersichtlich, dass er bei einer Rückkehr an diese Verhältnisse nicht anknüpfen könnte.
b) Dem Kläger droht auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen würde. Er berichtete zwar von einer Hauterkrankung. Diese führt aber nicht zur Feststellung eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG liegt eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, vor. Insbesondere ist es nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist (§ 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG).
Die vom Kläger geschilderten Hautprobleme stellen weder eine lebensbedrohliche noch eine schwerwiegende Erkrankung dar. Im Übrigen ist für das Gericht nicht ersichtlich, dass sich die Krankheit durch die Abschiebung alsbald wesentlich verschlechtern würde. Er erklärte gegenüber dem Gericht, er müsse alle fünf Monate zum Arzt und bekomme dort eine Creme, die er aber nicht näher bezeichnen könne. Im Rahmen weiterer Nachfragen äußerte sich der Kläger dahingehend, dass er zuletzt im Juli 2017 wegen der Hautprobleme beim Arzt gewesen sei. In der Bundesamtsakte findet sich lediglich ein Attest eines Allgemeinarztes vom 14.02.2017, wonach der Kläger im Jahr 2016 wegen einer Pityriasis versicolor alba (= Kleienpilzflechte) zweimal in Behandlung gewesen ist. Weitere Angaben, insbesondere zur Schwere der Erkrankung, den verordneten Medikamenten bzw. zum Behandlungserfolg enthält die ärztliche Bescheinigung nicht (vgl. auch § 60a Abs. 2c AufenthG). Auch in der mündlichen Verhandlung wurden keine aktuelleren Bescheinigungen vorgelegt. Der Kläger erklärte jedoch dem Gericht, nach dem Eincremen verschwinde die Flechte innerhalb eines Monats. Ferner hat der Kläger bereits in Äthiopien mit der Krankheit gelebt. Die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot aus gesundheitlichen Gründen sind daher schon im Ansatz nicht gegeben.
5. Es bestehen auch gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung einschl. der Zielstaatbestimmung im Hinblick auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG keine Bedenken. Zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, auf den gemäß § 77 Abs. 1 AsylG abzustellen ist, sind Gründe, die dem Erlass der Abschiebungsandrohung gegenüber dem Kläger entgegenstünden, nicht ersichtlich. Denn er ist, wie oben ausgeführt, nicht als Flüchtling bzw. Asylberechtigter anzuerkennen. Ihm steht auch kein subsidiärer Schutz oder ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG zu. Er besitzt zudem keine asylunabhängige Aufenthaltsgenehmigung (§ 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 Abs. 1 und 2 AufenthG).
6. Gründe, die gegen die Rechtmäßigkeit der von der Beklagten festgesetzten Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots sprechen, liegen nicht vor.
7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gem. § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 30 RVG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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