Verwaltungsrecht

Zuwendungsrecht, Rücknahme eines Zuwendungsbescheids, Überschreitung der maximalen Fördersumme, Unrichtige und unvollständige Angaben

Aktenzeichen  M 31 K 21.2981

Datum:
23.2.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 11105
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 3 Abs. 1
BV Art. 118 Abs. 1
BayVwVfG Art. 48
BayVwVfG Art. 49a

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Aufhebungsanspruch in Bezug auf den Rücknahmebescheid des Beklagten vom 26. April 2021 (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Rechtsgrundlage für den streitbefangenen Bescheid ist Art. 48 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG, weil der Zuwendungsbescheid vom 20. Mai 2020 – ausgehend vom Zeitpunkt seines Erlasses – teilweise rechtswidrig war. Die Klägerin durfte auch nicht in schutzwürdiger Weise auf den Bestand des Verwaltungsaktes, der eine einmalige Geldleistung gewährte, vertrauen (Art. 48 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 BayVwVfG). Die Jahresfrist des Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG wurde gewahrt; auf Rechtsfolgenseite ist die Ermessensbetätigung des Beklagten nicht zu beanstanden (§ 114 Satz 1 VwGO).
2. Der angegriffene Verwaltungsakt ist formell rechtmäßig, insbesondere ist die Klägerin vor Erlass mit Schreiben vom 28. August 2020, auf das sie mit ihren Ausführungen im Schreiben vom 4. September 2020 reagiert hat, gemäß Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG angehört worden.
3. An der materiellen Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Rücknahmebescheides bestehen keine Zweifel. Nach Art. 48 Abs. 1 BayVwVfG kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Sofern es sich – wie hier – um einen begünstigenden Verwaltungsakt handelt, ist bei der Rücknahme die Vertrauensschutzregelung des Art. 48 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Art. 48 Abs. 2 bis 4 BayVwVfG zu berücksichtigen. Ein Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, wenn der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit den öffentlichen Interessen an einer Rücknahme schutzwürdig ist (Art. 48 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG). Das Vertrauen ist dabei in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht und eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann (Art. 48 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG). Auf Vertrauen kann sich der Betroffene nicht berufen, wenn die Voraussetzungen des Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 bis 3 BayVwVfG vorliegen, insbesondere wenn der begünstigte Verwaltungsakt durch im Wesentlichen unrichtige oder unvollständige Angaben erwirkt wurde (Nr. 2) oder der Begünstigte die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (Nr. 3). In den Fällen des Satzes 3 wird der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen (Art. 48 Abs. 2 Satz 4 BayVwVfG).
3.1 Der streitbefangene Bescheid vom 20. Mai 2020, mit dem eine Corona-Soforthilfe i.H.v. 30.000 EUR zur Auszahlung bewilligt wurde, war teilweise rechtswidrig, insoweit als hierdurch – in Zusammenschau mit dem weiteren Bewilligungsbescheid vom 20. Mai 2020 – die maximale Fördersumme überschritten wurde.
Bei Zuwendungen der vorliegenden Art handelt es sich um freiwillige Maßnahmen des Beklagten. Eine Rechtsnorm, die konkret einen Anspruch der Klägerin auf Bewilligung der beantragten Zuwendung begründet, existiert nicht. Vielmehr erfolgt die Zuwendung auf der Grundlage der einschlägigen Förderrichtlinien im billigen Ermessen der Behörde und im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel (Art. 23, 44 BayHO). Ein Rechtsanspruch besteht danach nur ausnahmsweise, insbesondere aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 GG) durch eine Selbstbindung der Verwaltung aufgrund einer ständigen Verwaltungspraxis.
Sind die Fördervoraussetzungen – wie hier – zulässigerweise in Richtlinien geregelt, müssen diese von der zuständigen Bewilligungsbehörde gleichmäßig angewendet werden. Die Verwaltungsgerichte haben sich auf die Prüfung zu beschränken, ob bei der Anwendung der jeweiligen Richtlinie im Einzelfall der Gleichheitssatz verletzt oder der Rahmen, der durch die gesetzliche Zweckbestimmung im zugrundeliegenden Haushaltsgesetz/Haushaltsplan gezogen ist, nicht beachtet worden ist. Entscheidend ist allein, wie die zuständige Behörde die Richtlinie im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger, zu einer Selbstbindung führenden Verwaltungspraxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen an den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV) gebunden ist. Dabei darf eine solche Richtlinie nicht – wie Gesetze oder Rechtsverordnungen – gerichtlich ausgelegt werden, sondern sie dient nur dazu, eine dem Gleichheitsgrundsatz entsprechende Ermessensausübung der Behörde zu gewährleisten (BVerwG, U.v. 16.6.2015 – 10 C 15.14 – juris Rn. 24; BayVGH, B.v. 18.5.2020 – 6 ZB 20.438 – juris Rn. 6; U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – juris Rn. 26; VG München. U.v. 27.1.2020 – 31 K 19.4697 – juris Rn. 22). Bei der rechtlichen Beurteilung staatlicher Fördermaßnahmen, die – wie hier – nicht auf Rechtsnormen, sondern lediglich auf Verwaltungsvorschriften beruhen, kommt es nicht auf eine objektive Auslegung der Richtlinien an, sondern nur darauf, wie die entsprechenden Vorgaben von der zuständigen Stelle tatsächlich verstanden und praktiziert worden sind. Insoweit hat sie auch die Interpretationshoheit über die maßgeblichen Verwaltungsvorschriften, sodass es allein darauf ankommt, wie die Förderrichtlinien als administrative Binnenvorschrift im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger behördlicher Praxis gehandhabt wurden (vgl. BayVGH, B.v. 18.5.2020 aaO juris Rn. 10; zusammenfassend auch VG München, U.v. 16.2.2021 – M 31 K 20.5502 – juris Rn. 22). Nur entsprechend den vorgenannten Grundsätzen kann ein Anspruch auf Förderung im Einzelfall bestehen.
Der Zuwendungsbescheid war rechtswidrig, weil die Voraussetzungen für die Gewährung einer (weiteren) Soforthilfe i.H.v. 30.000 Euro zum Zeitpunkt des Bewilligungsbescheides am 20. Mai 2020 nicht vorlagen. Gemäß Nr. 5 der einschlägigen Förderrichtlinien in der gültigen Fassung vom 1. April 2020 beträgt die maximale Fördersumme bei Antragstellern mit bis zu 50 Beschäftigten 30.000 Euro. Demnach steht der Klägerin bei der im Antrag angegeben Zahl von 41,8 Beschäftigten lediglich eine maximale Fördersumme i.H.v. 30.000 Euro zu. Angesichts der bereits zuvor ausgezahlten Soforthilfe i.H.v. 15.000 Euro hätte nach entsprechender Verrechnung lediglich ein Differenzbetrag i.H.v. 15.000 Euro zur Auszahlung bewilligt werden dürfen. Da dies unterblieb, kam die bewilligte Soforthilfe in voller Höhe zur Auszahlung. Hinsichtlich des überschießenden Betrags i.H.v. 15.000 Euro liegt daher ein Verstoß gegen die ständige Verwaltungspraxis der Beklagten vor.
Die Staffelung der Förderhöhe nach der Anzahl der Beschäftigten ist nicht zu beanstanden. Der Vertreter der Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung die Zuwendungspraxis in dieser Weise dargelegt und bestätigt. Aufgrund des freiwilligen Charakters der Förderung und dem weiten Ermessen des Förderungsgebers bei der Aufstellung von Förderrichtlinien müssen diese, wie ausgeführt, von der zuständigen Bewilligungsbehörde gleichmäßig (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV), im Einklang mit Art. 23 und 44 BayHO, ohne Verstoß gegen andere Rechtsvorschriften und gemäß dem Förderzweck angewendet werden, wie dieser in den selbst gegebenen Richtlinien zum Ausdruck kommt. Es ist jedenfalls nicht willkürlich, wenn der Zuwendungsgeber ein dergestalt formalisiertes Verfahren vorsieht, da hierfür sachliche Gründe gegeben sind. In Massenverfahren wie dem Vorliegenden kann insbesondere unter Beschleunigungs- und Effektivitätsgesichtspunkten ein Zuwendungsgeber das Verfahren so ausgestalten, dass die Entscheidungsfindung über den Antrag nach bestimmten standardisierten und formalisierten Abläufen erfolgt. Dem verwaltungsverfahrensrechtlichen Effektivitäts- und Zügigkeitsgebot (Art. 10 Satz 2 BayVwVfG) kommt bei der administrativen Bewältigung des erheblichen Förderantragsaufkommens im Zusammenhang der Corona-Soforthilfe besondere Bedeutung zu; dies gerade auch deswegen, um den Antragstellern möglichst schnell Rechtssicherheit im Hinblick auf die Erfolgsaussichten ihrer Anträge und damit über die (Nicht-) Gewährung der Soforthilfe geben zu können (vgl. VG München, U.v. 17.2.2021 – M 31 K 20.4944 – juris Rn. 30; B.v. 25.6.2020 – M 31 K 20.2261 – juris Rn. 18; VG Düsseldorf, U.v. 14.12.2020 – 20 K 4706/20 – juris Rn. 48). Da die Zahl der Beschäftigten nachvollziehbar in Zusammenhang mit der Größe des Unternehmens und damit regelmäßig auch seinem Umsatz steht, ist diese Staffelung der Förderhöchstsummen nicht willkürlich.
Damit war der Bescheid über die Gewährung der Corona-Soforthilfe vom 20. Mai 2020 rechtswidrig.
Unschädlich ist, dass die Bewilligung der Soforthilfe i.H.v. 15.000 Euro bezüglich des Erstantrags vom 19./20. März 2020 erst am gleichen Tag wie der streitbefangene Bescheid erfolgte. Denn zum einen war der streitbefangene Bescheid auch unabhängig von dem zweiten Bescheid für sich genommen rechtswidrig, indem er keine Verrechnung mit der bereits ausgezahlten Soforthilfe i.H.v. 15.000 Euro vornahm und damit einen zu hohen Auszahlungsanspruch festsetzte. Darüber hinaus sind beide Bescheide wegen der Verzahnung des bisherigen Förderprogramms, die in das hier streitige Förderverfahren hineinwirkte (vgl. Nr. 6.3 und 6.4 der Richtlinien vom 17. März 2020, BayMBl. 2020 Nr. 156, und Nr. 6.2 in der geänderten Fassung vom 1. April 2020, BayMBl. 2020 Nr. 170) im Zusammenhang zu betrachten. Wie der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, wurden die Anträge aus dem Monat März 2020 im Interesse einer schnellen Unterstützung der Betroffenen derart abgearbeitet, dass zunächst eine rasche Auszahlung der pauschalen Summe von 15.000 Euro erfolgte und die Verbescheidung hintangestellt wurde. Als dann die Erhöhung der Fördersummen durch das hinzugekommene Bundesprogramm erfolgte, wurde die Verbescheidung und Auszahlung dieser Anträge bzw. der Aufstockeranträge priorisiert. Da gerade die fehlenden Angaben der Klägerin zu dem bereits gestellten Erstantrag zur gesonderten Bearbeitung beider Anträge führten, war es letztlich eine Frage des Zufalls, welcher Antrag zuerst verbeschieden wurde.
3.2 Der rechtswidrige Zuwendungsbescheid konnte auch ohne Verstoß gegen Vertrauensschutzgesichtspunkte (Art. 48 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 BayVwVfG) von der Beklagten zurückgenommen werden. Die Klägerin kann sich nicht auf Vertrauensschutz berufen, weil sie die Zuwendung durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren (Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 BayVwVfG). Sie hat bei der zweiten Antragstellung trotz entsprechender Aufforderung nicht angegeben, dass sie bereits einen früheren Antrag auf Soforthilfe gestellt hat, und hat den früheren Antrag auch nicht zurückgezogen. Die Ausführungen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, wonach ihr aufgrund der unterschiedlichen Ausgestaltung der Antragsformalitäten nicht klar gewesen sei, dass die beiden Verfahren miteinander in Zusammenhang stünden, vermögen nicht zu überzeugen. Die Frage im zweiten Antragsformular („Haben Sie schon einmal einen Antrag auf Soforthilfe des Bundes oder des Landes Bayern gestellt?“) ist unmissverständlich, auch für einen Laien ohne besondere juristische Kenntnisse. Aufgrund der Art der Fragestellung und den Folgefragen im Falle einer Bejahung der Frage nach einem früheren Antrag, liegt hier auch kein Fall eines lediglich nicht vollständig ausgefüllten Antragsformulars vor. Vielmehr ist das Fehlen von Angaben zu einem früheren Antrag nach dem bei der Auslegung von Willenserklärungen im Verwaltungsverfahren maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont (vgl. Schmitz in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Auflage, § 22 Rn. 46) dahingehend zu verstehen, dass die Klägerin bisher keinen Antrag gestellt hat. Ob der Klägerin die Fehlerhaftigkeit der Angabe dennoch nicht bewusst gewesen sein mag, kann dahinstehen, weil ein Verschulden für die Anwendung des Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 BayVwVfG nicht erforderlich ist und die bloße Verursachung der Rechtswidrigkeit durch den Antragsteller für den Ausschluss von Vertrauensschutz nach dieser Vorschrift genügt (vgl. statt vieler aktuell VG Düsseldorf, U.v. 14.12.2020 – 20 K 4706/20 – juris Rn. 44 m.w.N.). Vorliegend hat die Klägerin durch die Falschangabe eine Bewilligung und Auszahlungsforderung in der vollen Höhe des Maximalsatzes 30.000 Euro erwirkt, ohne dass eine Verrechnung mit dem bereits ausbezahlten Betrag i.H.v. 15.000 Euro erfolgte.
Indem die Klägerin in dem Antragsformular weiterhin bestätigte, dass sie die Bedingungen gelesen und akzeptiert habe, greift neben Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 BayVwVfG auch der Ausschlusstatbestand der Nr. 3 der Vorschrift ein. Danach kann sich der Begünstigte auf ein schutzwürdiges Vertrauen nicht berufen, wenn er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Dabei setzt „grobe Fahrlässigkeit“ zivilrechtlichen Grundsätzen entsprechend voraus, dass die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wird und sich die Rechtswidrigkeit kraft Parallelwertung in der Laiensphäre aufdrängt, was insbesondere dann der Fall sein kann, wenn der Adressat eines Verwaltungsakts einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht anstellt, bestehenden Zweifeln an der Richtigkeit eines VA nicht nachgeht, oder grob pflichtwidrig keine kritische Prüfung des Bescheides vornimmt (Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs aaO § 48 Rn. 161 f). Da vorliegend auf die Förderhöchstsumme von 30.000 Euro bei einer Zahl von bis zu 50 Beschäftigten bereits unter Nr. 1 des Antragsformulars hingewiesen wurde, musste es sich der Klägerin bei entsprechender Parallelwertung in der Laiensphäre geradezu aufdrängen, dass ihr keine Soforthilfe von insgesamt 45.000 Euro zustand. Auch hier überzeugen die Ausführungen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, wonach sie nicht habe ahnen können, dass sich die Förderhöchstsumme auf beide Anträge gemeinsam beziehe, nicht. Denn schon die zugrundeliegenden Förderrichtlinien (in der maßgeblichen Fassung vom 1. April 2020) bestimmen unter Nr. 6.2, dass das bayerische Soforthilfeprogramm hinter dem Bundesprogramm zurücktritt. Auf den Umstand, dass es sich bei dem neuen Bundesprogramm letztlich um eine Aufstockung des bisherigen bayerischen Soforthilfe-Programms handelt, sowie auf das damit verbundene Prozedere zur Erlangung einer höheren Förderung („Differenzbetrag“) im Falle eines bereits gestellten Erstantrags (Angabe des Erstantrags bei der zweiten Antragstellung, Rücknahme des bisherigen Antrags) wird im Übrigen deutlich auf der Homepage des zuständigen Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie zum Förderprogramm „Soforthilfe Corona“ unter der Rubrik „Häufig gestellte Fragen“ hingewiesen. Auch mit Blick auf den weiteren Bescheid vom 20. Mai 2021, mit der der Klägerin eine weitere Soforthilfe i.H.v. 15.000 Euro bewilligt wurde ohne dass auf den parallel ergangenen Bescheid Bezug genommen wurde, musste sich aufdrängen, dass hier eine versehentliche Doppelbewilligung erfolgte. Damit befand sich die Klägerin zumindest grob fahrlässig in Unkenntnis über die Rechtswidrigkeit der Gewährung einer Corona-Soforthilfe i.H.v. weiteren 30.000 Euro mit Bescheid vom 20. Mai 2020.
Auch unabhängig davon ist das Vertrauen der Klägerin nicht schutzwürdig, selbst wenn sie die Fördermittel bei ihrer Vermögensdisposition miteinbezogen hat (vgl. Art. 48 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG), was im Übrigen lediglich pauschal vorgetragen wurde. Maßgeblich zu berücksichtigen ist insofern, dass es zumindest auch im Verantwortungsbereich der Klägerin lag, zu eruieren, bis zu welcher Höhe sie aufgrund ihrer Beschäftigtenzahl förderberechtigt war (vgl. zur primären Verantwortlichkeit für die Antragsberechtigung: VG München, U.v. 23.3.2021 – M 31 K 20.6004 – juris Rn. 33 m.w.N.), zumal sowohl im Antragsformular als auch der zugrundeliegenden Förderrichtlinie deutlich darauf hingewiesen wird, dass im Falle einer Überkompensation die zu viel erhaltene Soforthilfe zurückzuzahlen ist. Dabei hat sie – wie ausgeführt – im konkreten Einzelfall nicht das zu fordernde Maß an Sorgfalt walten lassen. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Soforthilfe hier aufgrund der pandemiebedingten Sondersituation unbürokratisch größtenteils allein auf der Grundlage von Versicherungen und Erklärungen des Antragstellers ohne jegliche Überprüfung dieser Angaben vor Erlass des Zuschussbescheides gewährt wurde, kam dem Antragsteller eine besondere Verantwortung für die eigenen Angaben zu. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang umfangreich zu den aus ihrer Sicht bestehenden Unklarheiten bezüglich der Förderbedingungen und dem Verhältnis zwischen dem Förderprogramm des Landes mit dem späteren des Bundes vorträgt, ändert dies nichts daran, dass schon bei der Antragstellung klar aus dem Antragsformular, aus der Richtlinie und dem Vollzug deutlich wurde, dass das Bundesförderprogramm eine Aufstockung des Landesprogramms bedeutet und daher eine Verrechnung bis zum genannten maximalen Förderbetrag zu erfolgen hat. Zudem gilt mit Blick auf die unterbliebene Angabe des Erstantrags, dass die Klägerin, die aufgrund dieser unrichtigen Angaben die zu hohe Geldleistung erhalten hat, den Beweis schuldig bleibt, dass die Leistung anderweitig gerechtfertigt ist (Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs aaO § 48 Rn. 154).
3.3 Die Beklagte hat schließlich auch ermessensfehlerfrei von ihrer Rücknahmebefugnis Gebrauch gemacht. Das Gericht hat insoweit nur zu überprüfen, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder vom Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist (§ 114 Satz 1 VwGO). Die im Bescheid angeführten Erwägungen der Beklagten, wonach das Interesse der öffentlichen Hand an einer ordentlichen Haushaltsführung im vorliegenden Fall das Interesse der Klägerin an einem Behaltendürfen der unrechtmäßigen Leistung übersteige, sind sonach nicht zu beanstanden. Sie hat bei der Entscheidung über die Rücknahme des Zuwendungsbescheids insbesondere den Umstand berücksichtigt, dass Klägerin die Rechtswidrigkeit der zu hoch bewilligten Soforthilfe kannte oder grob fahrlässig nicht kannte.
Nach Art. 48 Abs. 2 Satz 4 BayVwVfG wird in den Fällen des Satzes 3 der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. In einem solchen Fall entfällt sodann nicht nur die Schutzwürdigkeit des Vertrauens, sondern es greift zudem auch eine entsprechende Ermessenslenkung im Sinne einer regelmäßigen behördlichen Pflicht zur Rücknahme ein. Anders wäre es nur bei einem atypischen Ausnahmefall (vgl. statt vieler Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 21. Aufl. 2020, § 48 Rn. 127b und 127c; vgl. auch VG München, U.v. 16.2.2021 – M 31 K 20.5502 – juris Rn. 35), für dessen Vorliegen vorliegend allerdings nichts ersichtlich ist. Diese Vorgehensweise entspricht nach den Ausführungen in der mündlichen Verhandlung auch der geübten Verwaltungspraxis der Beklagten im Vollzug der Richtlinien zu den Corona-Soforthilfen und genügt auch insoweit dem Gleichheitssatz.
4. Die Rückforderung der gezahlten Corona-Soforthilfe in der geltend gemachten Höhe ist auf Grundlage von Art. 49a Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG ebenfalls rechtmäßig. Danach sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit – wie hier – ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden ist. Die zu erstattende Leistung ist gemäß Art. 49a Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG durch schriftlichen Verwaltungsakt festgesetzt.
Die Klage war nach alledem abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über ihre vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO


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