Verwaltungsrecht

Zwangsvollstreckung einer Besichtigungsanordnung

Aktenzeichen  1 ZB 17.1039

Datum:
10.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 13736
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwZVG Art. 19, Art. 31, Art. 36

 

Leitsatz

1. Das Fehlen einer Duldungsanordnung gegenüber dem Mieter einer Wohnung stellt nur dann ein Vollstreckungshindernis bezogen die Verpflichtung des Vermieters, eine Besichtigung durch die Behörde zu ermöglichen, dar, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine solche zur Durchführung der Besichtigung nötig ist, insbesondere wenn der Mieter die Besichtigung verweigert. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 9 K 16.2327 2017-03-08 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens je zur Hälfte.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 2.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Kläger wenden sich als Miteigentümer eines mit einem Wochenendhaus bebauten Grundstücks gegen das fällig gestellte Zwangsgeld und die erneute Zwangsgeldandrohung. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 3. April 2014 verpflichtete der Beklagte den Kläger, binnen 3 Wochen nach Bestandskraft des Bescheids zu allen Räumen des Wochenendhauses Zutritt zu gewähren, und die Klägerin, diese Anordnung zu dulden. Gegenüber beiden Klägern wurde jeweils getrennt ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000 € angedroht. Nachdem ein Zutritt zu den Räumen an zwei Terminen nicht ermöglicht wurde, teilte der Beklagte am 18. April 2016 mit, dass das gegenüber dem Kläger angedrohte Zwangsgeld fällig geworden sei und drohte dem Kläger ein erneutes Zwangsgeld in Höhe von 2.000 Euro, der Klägerin ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000 Euro an. Die hiergegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. In dem Urteil wird ausgeführt, dass das Zwangsgeld fällig geworden sei, nachdem die Erfüllungsfrist für die Anordnung am 7. März 2016 abgelaufen sei. Die angebliche Vermietung des Hauses an Dritte sei kein Vollstreckungshindernis, da eine Duldungsanordnung gegenüber dem mittlerweile verstorbenen früheren Mieter ergangen sei. Unabhängig davon sei eine Duldungsanordnung nicht erforderlich, da eine Vermietung gegenüber der Behörde nicht substantiiert vorgetragen worden sei.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und des Vorliegens eines Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO), auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO), liegen nicht vor oder sind nicht dargelegt (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO).
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838). Das ist nicht der Fall.
Soweit die Kläger geltend machen, dass die Duldungsanordnung vom 3. Juli 2014 gegenüber dem früheren Mieter keine Duldungsverpflichtung für nachfolgende Mieter begründen könne, kann diese Frage offen bleiben. Das Verwaltungsgericht hat die Klageabweisung hinsichtlich der Feststellung der Zwangsgeldfälligkeit alternativ begründet. Bei mehrfacher, die Entscheidung jeweils selbstständig tragender Urteilsbegründung muss für jede dieser Begründungen ein Zulassungsgrund geltend gemacht sein und vorliegen (stRspr. vgl. BVerwG, B.v. 21.11.2017 – 8 B 11.17 – juris Rn. 3, B.v. 8.8.2008 – 9 B 31.08 – juris Rn. 7; BayVGH, B.v. 29.6.2018 – 1 ZB 17.449 – juris Rn. 3). Hieran fehlt es. Das Verwaltungsgericht hat ein Vollstreckungshindernis wegen einer Vermietung des Objekts zum einen verneint, weil die Vermietung nach Erlass der Grundverfügung und nach Erlass der Duldungsverfügung gegenüber dem früheren Mieter gemäß Art. 54 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 2 BayBO unschädlich sei. Zum anderen hat es ein solches Vollstreckungshindernis unabhängig davon nicht gesehen, da die Tatsache einer Vermietung gegenüber der Behörde nicht substantiiert dargelegt worden sei (vgl. UA S. 12). Da mit dem Zulassungsantrag ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur hinreichenden Substantiierung eines Vollstreckungshindernisses wegen Vermietung nicht bestehen, kommt es auf die Ausführungen der Kläger zur Wirkung der gegenüber dem früheren Mieter ausgesprochenen Duldungsanordnung nicht an.
Der Erwägung des Verwaltungsgerichts, dass eine Vermietung gegenüber der Behörde nicht substantiiert vorgetragen worden sei, tritt die Zulassungsbegründung nur insofern entgegen, als darauf verwiesen wird, es sei mit Schriftsatz vom 29. Juli 2016 und Schriftsatz vom 1. März 2017 im Klageverfahren vorgetragen worden, dass die Räume vermietet gewesen seien. Es seien die Namen der Mieter genannt worden. Dieser Einwand ist nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der rechtlichen Bewertung des Verwaltungsgerichts darzulegen, da es auf diese Schriftsätze nicht entscheidungserheblich ankommt. Das Verwaltungsgericht hatte darüber zu entscheiden, ob das Zwangsgeld entsprechend der Mitteilung des Beklagten vom 18. April 2016 fällig geworden ist. Nach Art. 31 Abs. 3 Satz 3 VwZVG wird das Zwangsgeld fällig, wenn die geforderte Pflicht bis zum Ablauf der Frist des Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG nicht erfüllt wird. Maßgeblich ist daher, ob das Vollstreckungshindernis bei Ablauf der hier auf den 7. März 2016 hinausgeschobenen Erfüllungsfrist substantiiert geltend gemacht wurde. Mithin kommt es nicht darauf an, ob die Kläger im nachfolgenden Klageverfahren mit Schriftsätzen vom 29. Juli 2016 und 1. März 2017 nach Eintritt der Fälligkeit Anhaltspunkte vortragen, die ein Mietverhältnis substantiiert darlegen können. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass die Behörde bei Fristablauf keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte für das Bestehen eines Mietverhältnisses hatte.
Darüber hinaus sind auch jetzt keine konkreten Anhaltspunkte dafür genannt worden, dass sich ein Mieter der Besichtigung der Wohnung widersetzen würde. Das Fehlen einer Duldungsanordnung wäre nur dann ein Vollstreckungshindernis gewesen, wenn Anhaltspunkte dafür bestanden hätten, dass eine solche zur Durchführung der Besichtigung nötig ist (vgl. BayVGH, B.v. 22.3.2002 – 2 ZB 98.3441 – juris Rn. 3; B.v. 11.7.2001 – 1 ZB 01.1255 – NVwZ-RR 2002, 608; B.v. 14.8.2003 – 22 ZB 03.1661 – juris Rn. 27). Aus den Behördenakten ist indes zu ersehen, dass zwischen den Parteien über eine Terminvereinbarung gesprochen wurde, ohne dass die Klägervertreterin auf eine Verweigerung des Betretens durch Mieter hingewiesen hätte (vgl. Bl. 342 und 354 der Behördenakte). Auch auf die schriftliche Terminbestimmung durch das Landratsamt vom 4. Februar 2016 haben die Kläger nicht mit diesem Einwand reagiert. Aufgrund dieser Umstände bedürfte es im vorliegenden Verfahren substantiierter Angaben, aus denen sich gleichwohl ergibt, dass die Mieter eine Besichtigung verweigerten, um dem Darlegungserfordernis zu genügen. Hieran fehlt es.
Die Berufung ist auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Die Kläger machen als Verfahrensmangel eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes (§ 86 Abs. 1 VwGO) geltend und tragen hierzu vor, das Verwaltungsgericht hätte der Frage eines bestehenden Mietverhältnisses und des Einverständnisses mit einer Begehung weiter nachgehen müssen. Sie übersehen dabei, dass die Untersuchungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO nur Tatsachen erfasst, die nach der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts entscheidungserheblich sind (vgl. BVerwG, B.v. 12.2.2019 – 9 B 47.18 – juris Rn. 14; BayVGH, B.v. 17.3.2008 – 1 ZB 07.57 – juris Rn. 22). Da es – wie ausgeführt – nach der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts auf den Nachweis der Vermietung im Klageverfahren nicht ankam, scheidet eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht aus. Im Übrigen wäre es Sache der Kläger, die allein in ihrer Sphäre liegenden Tatsachen darzulegen und nachzuweisen.
Die Kläger haben die Kosten des Zulassungsverfahrens je zur Hälfte zu tragen, da ihr Rechtsmittel erfolglos geblieben ist (§ 154 Abs. 2 VwGO, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m § 100 ZPO). Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit und entspricht dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Betrag.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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