Verwaltungsrecht

Zwangsvollstreckung von Zweitwohnungssteuerforderungen

Aktenzeichen  M 10 S 20.4106

Datum:
20.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 34767
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AO § 122 Abs. 2 Nr. 1
KAG Art. 10 Nr. 1, Art. 13 Abs. 1 Nr. 3b
VwGO § 74 Abs. 1 S. 2, § 80 Abs. 5, § 123 Abs. 3
VwZVG Art. 17 Abs. 1, Abs. 2, Art. 19 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, Art. 22, Art. 23 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 294 Abs. 1, § 920 Abs. 2

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 156,97 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die Vollstreckung von Zweitwohnungsteuerforderungen der Antragsgegnerin.
Der Antragsteller war ab 23. Oktober 2016 mit Nebenwohnsitz in der …straße 47 im Stadtgebiet der Antragsgegnerin und mit Hauptwohnsitz in Darmstadt gemeldet. Spätestens am 6. Dezember 2019 hatte die Antragsgegnerin Kenntnis vom neuen Hauptwohnsitz des Antragstellers in Augsburg, …lech 36.
Mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 11. Dezember 2019, der an die Anschrift …lech 36 in Augsburg adressiert war, wurde der Antragsteller für den Zeitraum vom 1. November 2016 bis 31. März 2019 zur Zweitwohnungsteuer in Höhe von insgesamt 2.363 EUR herangezogen. Ein Nachweis über die Zustellung des Bescheids befindet sich nicht in der Behördenakte. Aus einem Auszug aus einer Bescheidsdruck- und Versandliste der Antragsgegnerin ergibt sich jedoch, dass der Bescheid am 11. Dezember 2019 zur Post gegeben wurde.
Die Antragsgegnerin kündigte mit Schreiben vom 11. Mai 2020 gegenüber dem Antragsteller die Zwangsvollstreckung wegen der Zweitwohnungsteuerforderungen zuzüglich Säumniszuschlägen, Mahngebühr und Vollstreckungsankündigungsgebühr in Höhe von insgesamt 2.489 EUR an, da die mit Bescheid vom 11. Dezember 2019 bekannt gegebenen Zweitwohnungsteuerforderungen trotz Mahnung nicht beglichen worden seien.
Der Antragsteller wandte sich mit Schreiben vom 29. Juni 2020 an die Ausländerbehörde der Stadt Augsburg, das an die Antragsgegnerin weitergeleitet wurde. Er legte dar, dass er lediglich von August 2015 bis Ende Oktober 2016 bei seinem Cousin in der …straße 47 gewohnt habe. Im November 2016 sei er nach Darmstadt umgezogen. Bei der Ummeldung sei wohl ein Fehler passiert. Entgegen seines Wunsches und ohne dass ihm dies bewusst gewesen sei, sei die Adresse in der …straße im Stadtgebiet der Antragsgegnerin nicht abgemeldet, sondern als Zweitwohnsitz vermerkt worden. Er bitte, den Zweitwohnsitz auszutragen und dies an die Stadtkämmerei zu melden.
Mit Schreiben vom 27. Juli 2020 kündigte die Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller erneut die Zwangsvollstreckung, nunmehr insgesamt über 2.511,50 EUR, an.
Mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 30. Juli 2020 wurde gegenüber dem Antragsteller der Antrag auf Änderung des Zweitwohnungsteuerbescheids vom 11. Dezember 2019 bezüglich der Steuerfestsetzung der Jahre 2016 bis 2019 abgelehnt. Der Bescheid vom 11. Dezember 2019 sei zum 16. Januar 2020 bestandskräftig geworden. Eine Rücknahme des Bescheids gemäß § 130 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) werde nach pflichtgemäßer Ermessensausübung abgelehnt, weil der Antragsteller seinen Einwand, die Wohnung seit Oktober 2016 nicht mehr als Nebenwohnung innegehabt zu haben, im Rahmen eines Widerspruchs- oder Klageverfahrens gegen den Zweitwohnungsteuerbescheid hätte geltend machen können, dies aber unterlassen habe.
Mit Schreiben vom 14. August 2020 teilte der Antragsteller der Stadtkämmerei der Antragsgegnerin unter Bezugnahme auf die Ankündigung der Zwangsvollstreckung vom 27. Juli 2020 mit, „die Bescheide zur Zweitwohnungsteuer nie erhalten“ zu haben. Seine aktuelle Adresse sei …lech 36 in Augsburg. Daraufhin erwiderte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 20. August 2020, dass sich die Einwendungen des Antragstellers gegen den Zweitwohnungsteuerbescheid richteten. Hierfür sei eine andere Fachdienststelle als die Stadtkämmerei zuständig, so dass das Schreiben vom 14. August 2020 dorthin weitergeleitet worden sei. Es werde vorsorglich darauf hingewiesen, dass ein eventuell bereits laufendes Beitreibungsverfahren nur auf Weisung dieser Fachdienststelle eingestellt werden könne.
Der Antragsteller hat am 4. September 2020 zur Niederschrift der Urkundsbeamtin des Verwaltungsgerichts München Klage auf Aufhebung des Bescheids vom 30. Juli 2020, zugestellt am 1. August 2020 (Ziffer 1) und auf Rücknahme des Zweitwohnungsteuerbescheids vom 11. Dezember 2019 (Ziffer 2) erhoben sowie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt (Ziffer 4). Er beantragt (in Ziffer 3) zudem:
Hinsichtlich der Ankündigung der Zwangsvollstreckung wird die aufschiebende Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) angeordnet.
Zur Begründung wird ausgeführt, der Antragsteller habe im Zeitraum von November 2016 bis Dezember 2019 nicht in der Wohnung …straße 47 gewohnt. Er sei im November 2016 nach Darmstadt und später nach Augsburg gezogen. Ihm sei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da er bereits am 3. August 2020 in der Rechtsantragstelle des Verwaltungsgerichts München vorstellig gewesen sei, man ihm aber gesagt habe, dass er mit dem Bescheid der Antragsgegnerin wiederkommen solle. In der Zwischenzeit habe er das Schreiben der Antragsgegnerin vom 20. August 2020 erhalten und gedacht, er solle eine Antwort abwarten.
Der Antragsgegner beantragt sinngemäß,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wird vorgetragen, die Bescheide vom 11. Dezember 2019 und 30. Juli 2020 seien rechtmäßig. Das Melderecht sei tauglicher Anknüpfungspunkt für die Erhebung der Zweitwohnungsteuer. Die Meldung einer Nebenwohnung in der …straße indiziere damit grundsätzlich das Innehaben einer Zweitwohnung. Die Antragsgegnerin habe anderslautende Informationen nicht vor Ablauf der Rechtsbehelfsfrist gegen den Bescheid vom 11. Dezember 2019 erhalten. Der Zweitwohnungsteuerbescheid vom 11. Dezember 2019 sei bestandskräftig geworden. Die Behauptung des Antragstellers, er habe den Bescheid über die Zweitwohnungsteuer nie erhalten, sei zweifelhaft. Ausweislich der Niederschrift über die Klageerhebung vom 4. September 2020 sei insbesondere der Zweitwohnungsteuerbescheid vom 11. Dezember 2019 als Anlage beigefügt gewesen. Der Antragsteller habe damit die behauptete Nichtzustellung selbst widerlegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die vorgelegte Behördenakte sowie die Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
1. Der im Hinblick auf die Ankündigung der Zwangsvollstreckung gestellte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 VwGO ist unzulässig. Denn in der Hauptsache ist eine Anfechtungsklage nicht statthaft. Die Ankündigung der Vollstreckung vom 27. Juli 2020 stellt keinen Verwaltungsakt, sondern eine bloße Mitteilung dar, die nicht auf das Setzen einer Rechtsfolge gerichtet ist und dadurch den Adressaten auch nicht gesondert beschwert (BFH, B.v. 21.8.2000 – VII B 46/00 – BeckRS 2000, 25005106; BayVGH, B.v. 2.8.2017 – 20 C 17.1130 – BeckRS 2017, 124601). Die Ankündigung weist den Schuldner noch einmal auf den Ernst der Situation hin und gibt ihm letztmalig die Gelegenheit, zur Abwendung der Vollstreckung freiwillig die Rückstände zu begleichen (vgl. BFH, a.a.O.).
2. Der gestellte Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist jedoch unter Berücksichtigung des Rechtsschutzbegehrens des Antragstellers gemäß §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO dahingehend umzudeuten, dass die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO verpflichtet werden soll, die Zwangsvollstreckung vorläufig (bis zur Entscheidung in der Hauptsache) nicht zu beginnen bzw. vorläufig einzustellen.
Der so verstandene Antrag hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, da der Antragsteller einen Anordnungsanspruch auf vorläufige Verhinderung bzw. Einstellung der Zwangsvollstreckung nicht glaubhaft gemacht hat (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 Zivilprozessordnung – ZPO).
Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sog. Sicherungsanordnung) oder auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes, wenn dies nötig erscheint, um wesentliche Nachteile für den Antragsteller abzuwenden (sog. Regelungsanordnung). Nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO sind sowohl ein Anordnungsanspruch, d.h. der materielle Grund, für den der Antragsteller vorläufig Rechtsschutz sucht, als auch ein Anordnungsgrund, der insbesondere durch die Eilbedürftigkeit der Regelung begründet wird, glaubhaft zu machen.
Anhand dieser Maßstäbe hat der Antragsteller keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Der Antragsteller hat nach summarischer Prüfung keinen Anspruch auf vorläufige Verhinderung bzw. Einstellung der Zwangsvollstreckung, da die Vollstreckungsvoraussetzungen nach Art. 19 ff. Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG) vorliegen.
a) Gemäß Art. 19 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 VwZVG können Verwaltungsakte vollstreckt werden, wenn der förmliche Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung hat und die Verpflichtung nicht rechtzeitig erfüllt worden ist. Dies ist hier der Fall. Die aufschiebende Wirkung entfällt im vorliegenden Fall der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO. Der Antragsteller hat die geltend gemachten Forderungen bislang auch nicht bezahlt.
b) Auch die besonderen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung gemäß Art. 23 VwZVG sind erfüllt.
aa) Die an sich nach Art. 23 Abs. 1 Nr. 1 VwZVG erforderliche Zustellung des Zweitwohnungsteuerbescheids vom 11. Dezember 2019 konnte im vorliegenden Fall nach Art. 17 Abs. 1 VwZVG, der über Art. 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwZVG Anwendung findet, dadurch ersetzt werden, dass der Bescheid dem Empfänger durch einfachen Brief verschlossen zugesandt worden ist.
Auch wenn der Antragsteller in seinem Schreiben vom 14. August 2020 bestreitet, den Zweitwohnungsteuerbescheid erhalten zu haben, gilt der Bescheid nach Aktenlage am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post, hier am 14. Dezember 2019, als bekannt gegeben (Art. 17 Abs. 2 Satz 1 VwZVG).
Nach Art. 17 Abs. 2 Satz 1 VwZVG gilt bei Zusendung durch einfachen Brief die Bekanntgabe mit dem dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bewirkt, es sei denn, dass das zuzusendende Schriftstück nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist.
Hier ist der 11. Dezember 2019 als Tag der Aufgabe zur Post, der die Drei-Tages-Vermutung des Art. 17 Abs. 2 Satz 1 VwZVG ausgelöst hat, anzusehen. Zwar hat die Antragsgegnerin den Tag der Aufgabe zur Post nicht gemäß Art. 17 Abs. 4 Satz 1 VwZVG auf der bei den Akten verbleibenden Urschrift des Bescheids vermerkt. Aber bei der Zustellung maschinell erstellter Bescheide darf die Absendung nach Art. 17 Abs. 4 Satz 2 VwZVG in einer Sammelliste eingetragen werden. Dies ist vorliegend geschehen. Die Antragsgegnerin hat einen Auszug aus ihrer Sammelliste vorgelegt, der belegt, dass der an den Antragsteller gerichtete Zweitwohnungsteuerbescheid vom 11. Dezember 2019 am gleichen Tag versandt worden ist.
Der Bescheid gilt daher am 14. Dezember 2019 als bekannt gegeben. Es ist unbeachtlich, dass dies ein Samstag war. Die Rechtswirkung der Bekanntgabevermutung des Art. 17 Abs. 2 Satz 1 VwZVG tritt nicht gemäß Art. 31 Abs. 3 Satz 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz erst mit Ablauf des nächsten Werktags ein, weil diese Regelung nur für Fristen gilt. Art. 17 Abs. 2 Satz 1 VwZVG regelt aber keine Frist, sondern einen Termin (vgl. BayVGH, B.v. 23.7.1990 – GrS 1/90 – 19 B 88185 – NJW 1991, 1250 f. zur inhaltsgleichen Regelung in Art. 4 VwZVG; aA stRspr des BFH zu § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO, vgl. nur: BFH, B.v. 5.5.2014 – III B 85/13 – BeckRS 2014, 95344).
Der Vermutung der Bekanntgabe des streitgegenständlichen Bescheids am 14. Dezember 2019 steht nach summarischer Prüfung auch nicht entgegen, dass der Antragsteller nachträglich mit Schreiben vom 14. August 2020 bestreitet, den Bescheid erhalten zu haben.
Bestreitet der Empfänger, dass ihm der Verwaltungsakt überhaupt zugegangen ist, obliegt es der Behörde, den Nachweis über den Zugang des Verwaltungsakts zu führen. Eine weitere Substantiierung kann vom Empfänger nicht verlangt werden, weil ihm eine solche objektiv nicht möglich ist. Insofern genügt ein „schlichtes“ Bestreiten des Zugangs des Verwaltungsakts durch den Empfänger, um die gesetzliche Vermutung des Zugangs zu erschüttern (vgl. zu § 122 AO: Füssenich, in BeckOK, AO, Stand: 1.10.2020, § 122 Rn. 198 unter zahlreichen Verweisen auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs).
Der von der Behörde zu erbringende Nachweis für den Zugang des Verwaltungsakts beim Empfänger kann auf Indizien gestützt werden, aus denen sich der tatsächliche Zugang ableiten lässt. Das Gericht hat die für und gegen den behaupteten Nichtzugang des Verwaltungsakts sprechenden Umstände zu berücksichtigen und im Rahmen freier Beweiswürdigung gegeneinander abzuwägen (Füssenich, a.a.O., Rn. 200).
Im konkreten Fall ist nach Auffassung des Gerichts unter Abwägung aller Umstände aufgrund von Indizien davon auszugehen, dass der Antragsteller den Bescheid tatsächlich erhalten hat.
Die Antragsgegnerin sandte den Bescheid vom 11. Dezember 2019 an den ihr (spätestens) am 6. Dezember 2019 bekannt gewordenen neuen Hauptwohnsitz des Antragstellers …lech 36 in Augsburg. Hierbei handelt es sich auch gerade um die Adresse, die der Antragsteller in seinem Schreiben vom 14. August 2020, mit dem er den Zugang des Bescheids bestreitet, als aktuelle Adresse angegeben hat. Der so adressierte Bescheid vom 11. Dezember 2019 kam – entgegen der vorgehenden Zustellversuche – nicht als unzustellbar zurück. Für die erfolgreiche Zustellung des Bescheids spricht zudem, dass der Antragsteller sich erst sehr spät – nämlich am 14. August 2020 – auf den fehlenden Zugang beruft. Bereits in der Ankündigung der Zwangsvollstreckung vom 11. Mai 2020, die der Antragsteller mit der Klageerhebung vorgelegt und damit nachweislich erhalten hat, ist der Bescheid vom 11. Dezember 2019 erwähnt. Wenn der Antragsteller den Bescheid vom 11. Dezember 2019 tatsächlich nicht erhalten hätte, hätte es sich nach Zugang des Schreibens vom 11. Mai 2020 aufgedrängt, sich bei der Antragsgegnerin nach dem Bescheid vom 11. Dezember 2019 zu erkundigen oder zu monieren, den Bescheid nicht erhalten zu haben. Dies ist jedoch nicht geschehen. Vielmehr trat der Antragsteller (erst) Ende Juni an die Stadt Augsburg heran mit der Bitte, „die Austragung des Zweitwohnsitzes“ zu veranlassen. Als weiteres Indiz kommt hinzu, dass der Antragsteller im Zuge der Klageerhebung den Bescheid vom 11. Dezember 2019 gerade in Kopie vorgelegt hat. Dies belegt, dass er den Bescheid auf jeden Fall erhalten hat. Im Zuge der Klageerhebung hat er auch nicht vorgetragen, den Bescheid zunächst nicht erhalten zu haben. Wenn er den Bescheid wirklich zunächst nicht bekommen hätte, hätte es sich bei Klageerhebung aufgedrängt, darzulegen, wann er den Bescheid denn tatsächlich (nach dem 14. August 2020) erhalten hat und ggf. insoweit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu beantragen sowie zu begründen. Dies gilt hier insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Antragsteller im Hinblick auf den Bescheid vom 30. Juli 2020 erkannt hat, dass er Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen muss und diesen Antrag auch begründet hat.
bb) Die weitere Vollstreckungsvoraussetzung des Art. 23 Abs. 1 Nr. 2 VwZVG ist gegeben, da die Zweitwohnungsteuerforderungen am 16. Januar 2020 fällig geworden sind.
cc) Ausweislich der Ankündigung der Zwangsvollstreckung vom 11. Mai 2020 ist der Antragsteller gemahnt worden (Art. 23 Abs. 1 Nr. 3 VwZVG). Diesbezüglich sind auch keine Einwände seitens des Antragstellers erhoben worden.
dd) Im Hinblick auf die zusammen mit der Hauptforderung beigetriebenen Nebenforderungen (Säumniszuschläge, Mahngebühr und Vollstreckungsankündigungsgebühr) bedarf es keines Leistungsgebots, § 254 Abs. 2 Satz 1 und 2 AO i.V.m. Art. 10 Nr. 1, Art. 13 Abs. 1 Nr. 6a Kommunalabgabengesetz (KAG).
c) Soweit der Antragsteller rügt, die Zweitwohnung im maßgeblichen Zeitraum nicht innegehabt zu haben, ist dies als nicht nachträglich entstandener Einwand gegen den zu vollstreckenden Anspruch nach Art. 21 Satz 2 VwZVG im Vollstreckungsverfahren unbeachtlich.
d) Gründe gemäß Art. 22 VwZVG, die Vollstreckungsmaßnahmen einzustellen, sind im konkreten Fall weder vorgetragen noch ersichtlich. Insbesondere greift Art. 22 Nr. 2 VwZVG, nach dem Vollstreckungsmaßnahmen einzustellen sind, wenn der zu vollstreckende Verwaltungsakt rechtskräftig aufgehoben wird, nicht ein. Zwar macht der Antragsteller geltend, dass er einen Anspruch auf Aufhebung des Bescheids vom 11. Dezember 2019 habe. Aber eine rechtskräftige Aufhebung dieses Bescheids liegt im Entscheidungszeitpunkt des Gerichts nicht vor. Selbst wenn das Gericht im vorliegenden Eilverfahren feststellen würde, dass ein solcher Aufhebungsanspruch bestünde, wäre diese Entscheidung jedenfalls nicht rechtskräftig. Daher kann an dieser Stelle offenbleiben, ob die Voraussetzungen für die Rücknahme des Bescheids nach § 130 AO i.V.m. Art. 10 Nr. 1, Art. 13 Abs. 1 Nr. 3b KAG vorliegen.
e) Die in 2020 fällig gewordenen Forderungen sind auch offensichtlich nicht verjährt.
3. Soweit man den gestellten Eilantrag (weit) als Antrag nach § 123 VwGO im Hinblick auf die in der Hauptsache in Ziffer 1 der Anträge (nach Umdeutung) erhobene Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage gegen den Bescheid vom 30. Juli 2020 verstehen wollte, hätte dieser keinen Erfolg. Er wäre bereits unzulässig, da der Bescheid vom 30. Juli 2020 bestandskräftig geworden ist. Die Klageerhebung am 4. September 2020 wahrt nicht die einmonatige Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO.
Die Klagefrist beginnt mit der Bekanntgabe des Bescheids vom 30. Juli 2020 gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO i.V.m. Art. 10 Nr. 1, Art. 13 Abs. 1 Nr. 3b KAG zu laufen, da der Bescheid mit einfachem Brief versandt wurde.
Nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, bei einer Übermittlung im Inland am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.
Die Drei-Tages-Vermutung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt nachweislich früher zugegangen ist. Im Hinblick auf den Zweck dieser Vorschrift kann nicht in entsprechender Anwendung von § 130 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auf einen tatsächlich früheren Zugang abgestellt werden. Denn § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO ist eine gesetzliche Vermutung und nur insoweit widerlegbar, als ein späterer oder ein gänzlich fehlender Zugang im Raum steht (Füssenich, a.a.O., Rn. 173 m.w.N. aus der Rspr. des BFH).
Unter Berücksichtigung dieser Maßgaben kann im konkreten Fall nicht auf den vom Antragsteller tatsächlich angegebenen Zugangszeitpunkt am 1. August 2020 abgestellt werden. Maßgeblich sind auch insoweit der Tag der Aufgabe zur Post sowie die Drei-Tages-Vermutung. Zwar ist im Hinblick auf den Bescheid vom 30. Juli 2020 der Tag der Aufgabe zur Post weder in der Behördenakte vermerkt noch insoweit eine Sammelliste über den Versand vorgelegt worden, so dass der Tag der Aufgabe zur Post unklar ist. Da der Antragsteller aber mit der Klageerhebung angegeben hat, den Bescheid am 1. August 2020 erhalten zu haben, kann im Rahmen der summarischen Prüfung unterstellt werden, dass der Bescheid spätestens am 31. Juli 2020 (Freitag) versandt worden ist. Dieses Datum als Tag der Aufgabe zur Post zugrunde gelegt, galt der Bescheid vom 30. Juli 2020 nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO jedenfalls am 3. August 2020 (Montag) als bekannt gegeben. Die Klagefrist begann damit (spätestens) am 4. August 2020 zu laufen (§ 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1 BGB) und endete am Donnerstag, den 3. September 2020 (§ 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB). Die Klageerhebung am 4. September 2020 wahrt daher die Klagefrist nicht.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 60 Abs. 1 VwGO ist nicht zu gewähren. Der Antragsteller hat nicht dargelegt und nach § 60 Abs. 2 Satz 2 VwGO glaubhaft gemacht, dass er ohne sein Verschulden gehindert war, die Klagefrist einzuhalten. Er hat vorgetragen, er sei bereits am 3. August 2020 in der Rechtsantragstelle vorstellig gewesen und darauf verwiesen worden, mit Bescheid wiederzukommen. Aufgrund des Schreibens der Antragsgegnerin vom 20. August 2020 habe er jedoch gedacht, abwarten zu müssen.
Diese Begründung rechtfertigt nicht die Annahme eines Wiedereinsetzungsgrundes im Sinne des § 60 Abs. 1 VwGO. Es erschließt sich dem Gericht nicht, warum der Antragsteller aufgrund des Schreibens vom 20. August 2020 davon ausging, er solle mit der Klageerhebung zuwarten. Dieses Schreiben ist lediglich eine Nachricht der Antragsgegnerin über die interne Abgabe an eine andere Fachdienststelle. Aus dem Schreiben wird gerade deutlich, dass ein eventuell laufendes Beitreibungsverfahren weitergeführt wird. Unklar ist auch, warum der Antragsteller am 4. September 2020 – ohne eine Antwort auf das Schreiben vom 20. August 2020 erhalten zu haben – plötzlich doch eine Klageerhebung für erforderlich hielt. Der Antragsteller ist in der korrekten Rechtsbehelfsbelehrung:auf die Klagefrist von einem Monat hingewiesen worden. Mangelnde Rechtskenntnisse entschuldigen ein Fristversäumnis nicht. Es obliegt dem Beteiligten, sich unverzüglich juristischen Rat einzuholen und eine zutreffende wie klare Rechtsbehelfsbelehrung:zu befolgen (vgl. hierzu: Peters in BeckOK, VwGO, Stand: 1.7.2020, § 60 Rn. 11 m.w.N.).
4. Soweit man den gestellten Eilantrag darüber hinaus (weit) als Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO im Hinblick auf die in der Hauptsache in Ziffer 2 der Anträge erhobene Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 11. Dezember 2019 verstehen wollte, hätte dieser keinen Erfolg. Er wäre unzulässig, da er aufgrund der Bestandskraft des Bescheids vom 11. Dezember 2019 nicht statthaft wäre oder jedenfalls das Rechtsschutzbedürfnis fehlen würde. Die Klageerhebung am 4. September 2020 wahrt nicht die einmonatige Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO gegen den Bescheid vom 11. Dezember 2019. Die Klagefrist begann aufgrund der Bekanntgabe des Bescheids am 14. Dezember 2019 (siehe hierzu bereits oben) am 15. Dezember 2019 zu laufen und endete am 14. Januar 2020.
Auch insoweit ist keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 60 Abs. 1 VwGO). Selbst wenn man den in Ziffer 4 gestellten Wiedereinsetzungsantrag auch auf den Bescheid vom 11. Dezember 2019 bezöge, hätte der Antragsteller diesen jedenfalls nicht begründet, da sich seine Argumentation zum Wiedereinsetzungsgrund aufgrund des zeitlichen Kontexts auf den Bescheid vom 30. Juli 2020 bezieht. Im Übrigen ist nichts vorgetragen, was eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen könnte (siehe hierzu bereits oben).
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nrn. 1.5 und 1.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (1/16 des in Beitreibung befindlichen Betrags).


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