Verwaltungsrecht

Zweite Juristische Staatsprüfung

Aktenzeichen  M 4 K 17.2328

Datum:
10.8.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 36396
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
JAPO § 12, § 14, § 70 Abs. 4
VwGO § 101 Abs. 2,§ 113 Abs. 1, Abs. 5 S. 2, § 117 Abs. 3 S. 2, § 124, § 124 a Abs. 4
BGB § 1373, § 1378
FamFG § 243 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

I.Die Klage wird abgewiesen.
II.Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III.Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.   

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Über die Klage entscheidet das Gericht gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung, da die Beteiligten auf eine solche verzichtet haben.
Der Prüfungsbescheid des Landesjustizprüfungsamts vom 11. Oktober 2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Wiederholung der Aufgaben 3 und 4 (I.) oder auf Neubewertung der Aufgaben 3 und 11 und Neuverbescheidung (II.) (§ 113 Abs. 1, Abs. 5 Satz 2 VwGO).
I.
Ein Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten, sie die Aufgaben 3 und 4 wiederholen zu lassen, ist nicht ersichtlich.
Zur Begründung trug die Klagepartei vor, dass der privat mitgebrachte Stuhl des Prüflings direkt auf dem Prüfungsplatz vor der Klägerin am dritten und vierten Prüfungstag lautstark zu quietschen begonnen habe, was die Klägerin an beiden Tagen bei der Prüfungsaufsicht geltend gemacht habe. Weder eine Abhilfe, noch eine Schreibzeitverlängerung sei der Klägerin an diesen Tagen gewährt worden. Die Prüfungen an den beiden Tagen seien auch wesentlich schlechter als die übrigen Klausuren ausgefallen. Daraus folgt indes kein Anspruch der Klägerin auf Wiederholung der Prüfungsaufgaben.
Der Grundsatz der Chancengleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) verlangt zwar, dass für vergleichbare Prüflinge soweit wie möglich vergleichbare Prüfungsbedingungen gelten. Ungewöhnliche äußere Einwirkungen, die geeignet sind, die Konzentration eines Prüflings nicht nur unerheblich zu erschweren und ihn dadurch abzuhalten, seine wahre Befähigung nachzuweisen, sind eine Verletzung der Chancengleichheit (VGH BW, B.v. 5.11.2015 – 9 S 2284/14 – BeckRS 2015, 55390 Rn. 10 m.w.N.).
Unabhängig davon, ob die von der Klägerin vorgetragene Lärmbelästigung sich, wie geschildert, zugetragen hat und von welcher Intensität diese war, hat die Klägerin die notwendigen formellen Voraussetzungen für die Geltendmachung eines Anspruchs auf Wiederholung der Prüfungen 3 und 4 nicht eingehalten und deshalb keinen Anspruch auf Prüfungswiederholung.
1. Ein Anspruch auf Wiederholung einer Prüfung nach § 12 Abs. 1 Satz 1 JAPO wegen Mängeln, die die Chancengleichheit erheblich verletzt haben, setzt einen unverzüglich schriftlich gestellten Antrag beim Landesjustizprüfungsamt voraus, § 12 Abs. 2 Satz 1 JAPO. Die Klägerin kam zwar ihrer Obliegenheit zur unverzüglichen Mängelrüge während des Prüfungsverfahrens nach. Es bedarf für eine Wiederholung jedoch zwingend eines gesonderten, schriftlichen Antrags nach § 12 Abs. 2 Satz 1 JAPO (VG Ansbach, U.v. 21.12.2019 – AN 2 K 18.00169 – juris Rn. 46 ff.; VG Würzburg, U.v. 24.6.2009 – W 2 K 09.93 – juris Rn. 26 f.). Einen solchen stellte die Klägerin jedoch beim Landesjustizprüfungsamts im Folgenden nicht. Für diesen Antrag ist eine Ausschlussfrist von einem Monat nach Abschluss des Teils des Prüfungsverfahrens vorgesehen, der mit den Mängeln behaftet war, § 12 Abs. 2 Satz 3 JAPO. Der schriftliche Prüfungsteil (§ 5 JAPO) endete im Fall der Klägerin mit dem letzten schriftlichen Prüfungstag. Soweit man die Rüge der Geräuschentwicklung in der Klagebegründung vom 21. April 2017 als einen Antrag nach § 12 Abs. 1 JAPO auslegen würde, wäre diese verspätet.
II.
Der Klägerin steht auch kein Anspruch gegen den Beklagten zu, „über die Zweite Juristische Staatsprüfung“ der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
1. Prüfungsentscheidungen sind nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar.
Nach dem das Prüfungsrecht beherrschenden Grundsatz der Chancengleichheit müssen für vergleichbare Prüflinge so weit wie möglich vergleichbare Prüfungsbedingungen und Bewertungskriterien gelten. Mit diesem Grundsatz wäre es unvereinbar, wenn einzelne Kandidaten, indem sie einen Verwaltungsgerichtsprozess anstrengen, die Chance einer vom Vergleichsrahmen unabhängigen Bewertung erhielten. Die gleichmäßige Beurteilung aller vergleichbaren Kandidaten ist nur erreichbar, wenn den Prüfungsbehörden bei prüfungsspezifischen Wertungen ein Entscheidungsspielraum verbleibt und die gerichtliche Kontrolle insoweit eingeschränkt wird (BVerfG, B.v. 17.4.1991 – 1 BvR 419/81 – BVerfGE 84, 34 [52]).
Dieser prüfungsspezifische Bewertungsspielraum erstreckt sich auch auf die Notenvergabe bei Prüfungen wie der streitgegenständlichen: Die Prüfer müssen bei ihrem wertenden Urteil von Einschätzungen und Erfahrungen ausgehen, die sie im Laufe ihrer Examenspraxis bei vergleichbaren Prüfungen entwickelt haben und allgemein anwenden. Auch die Bestehensgrenze lässt sich nicht starr und ohne den Blick auf durchschnittliche Ergebnisse bestimmen. Daraus folgt, dass die Prüfungsnoten nicht isoliert gesehen werden dürfen, sondern in einem Bezugssystem zu finden sind, das durch die persönlichen Erfahrungen und Vorstellungen der Prüfer beeinflusst wird. Da sich die komplexen Erwägungen, die einer Prüfungsentscheidung zugrunde liegen, nicht regelhaft erfassen lassen, würde eine gerichtliche Kontrolle zu einer Verzerrung der Maßstäbe führen (BVerfG, B.v. 17.4.1991 – 1 BvR 419/81 – BVerfGE 84, 34 [51 f.]).
Gegenstände des prüfungsspezifischen Beurteilungsspielraumes sind etwa die Punktevergabe und Notengebung, soweit diese nicht mathematisch determiniert sind, die Einordnung des Schwierigkeitsgrades einer Aufgabenstellung, bei Stellung verschiedener Aufgaben deren Gewichtung untereinander, die Würdigung der Qualität der Darstellung, die Gewichtung der Stärken und Schwächen in der Bearbeitung sowie die Gewichtung der Bedeutung eines Mangels (BVerwG, U.v. 12.11.1997 – 6 C 11.96 – juris Rn. 22; B.v. 13.5.2004 – 6 B 25/04 – juris Rn. 11; Niehues/Fischer, Prüfungsrecht, 6. Aufl. 2014, Rn. 635). Ebenso handelt es sich um eine den Prüfern vorbehaltene prüfungsspezifische Wertung, ob im Hinblick auf eine entsprechend determinierte Notenstufe bzw. zugeordnete Punktzahl eine Prüfungsleistung als „brauchbar“ zu bewerten ist (BVerwG, U.v. 12.11.1997, a.a.O.). In diesen Bereich des prüfungsspezifischen Bewertungsspielraumes dürfen die Gerichte grundsätzlich nicht eindringen, sondern haben nur zu überprüfen, ob die Prüfer die objektiven, auch rechtlich beachtlichen Grenzen ihres Bewertungsspielraumes überschritten haben (vgl. BVerwG, B.v. 13.5.2004 – 6 B 25/04 – juris; BVerfG, B.v. 17.4.1991 – 1 BvR 419/81 – BVerfGE 84, 34 ff.).
Der Bewertungsspielraum ist überschritten, wenn die Prüfungsbehörden Verfahrensfehler begehen, anzuwendendes Recht verkennen, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgehen, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe verletzen oder sich von sachfremden Erwägungen leiten lassen. Ein in diesem Sinne allgemeingültiger Bewertungsgrundsatz ist es, dass zutreffende Antworten und brauchbare Lösungen im Prinzip nicht als falsch bewertet werden und zum Nichtbestehen führen dürfen. Soweit die Richtigkeit oder Angemessenheit von Lösungen wegen der Eigenart der Prüfungsfrage nicht eindeutig bestimmbar ist, gebührt zwar dem Prüfer ein Bewertungsspielraum, dem aber ein Antwortspielraum des Prüflings gegenübersteht. Eine vertretbare und mit gewichtigen Argumenten folgerichtig begründete Lösung darf nicht als falsch gewertet werden. Überschritten wird der Beurteilungsspielraum ferner, wenn eine Bewertung auf einer wissenschaftlich-fachlichen Annahme des Prüfers beruht, die einem Fachkundigen als unhaltbar erscheinen muss (BVerfG, B.v. 17.4.1991 – 1 BvR 419/81 – BVerfGE 84, 34 [53 ff.]; BVerwG, B.v. 13.5.2004 – 6 B 25/04 – juris Rn. 11). Die wissenschaftlich-fachlichen Wertungen können vom Gericht stärker, wenn auch nicht vollständig, überprüft werden. Eine fachliche Antwort lässt sich bei entsprechendem Fachwissen als „richtig“, „falsch“ oder bei bestehenden Unklarheiten zumindest als „vertretbar“ bezeichnen. Ob eine als „falsch“ bewertete Lösung diese Voraussetzungen erfüllt, muss das Gericht gegebenenfalls durch Sachverständige klären. Bei der Beurteilung juristischer Fachfragen, insbesondere bei juristischen Staatsprüfungen, ist allerdings in aller Regel von der erforderlichen Qualifikation und Fachkompetenz der Verwaltungsgerichte auszugehen (BVerwG, U.v. 24.2.1993 – 6 C 38/92 – juris; BVerwG, B.v. 21.7.1998 – 6 B 44/98 – juris).
Das Gericht hat die zu Grunde liegenden Prüfungsbewertungen nur insoweit zu überprüfen, als vom Prüfling dagegen substantiierte Einwendungen vorgebracht werden. Der Prüfling muss also auf vermeintliche Irrtümer und Rechtsfehler wirkungsvoll hinweisen (BVerfG, B.v. 17.4.1991 – 1 BvR 419/81 – BVerfGE 84, 34, 48). Dazu genügt es nicht, dass er sich generell gegen eine bestimmte Bewertung seiner Prüfungsleistungen wendet und etwa pauschal eine zu strenge Korrektur bemängelt. Vielmehr muss er konkret darlegen, in welchen Punkten die Korrektur bestimmter Prüfungsleistungen nach seiner Auffassung Bewertungsfehler aufweist, indem er substantiierte Einwände gegen Prüferbemerkungen und -bewertungen erhebt. Macht er geltend, dass etwa eine als falsch bewertete Antwort in Wahrheit vertretbar sei und auch so vertreten werde, so hat er dies unter Hinweis auf entsprechende Fundstellen näher darzulegen (BVerwG, U.v. 24.2.1993 – 6 C 35/92 – juris Rn. 27).
Ist die vom Prüfling gerügte Bewertung einer Prüfungsaufgabe fehlerhaft und hat dieser Fehler Einfluss auf das Prüfungsergebnis, so führt dies zur Aufhebung des Bescheides über die Prüfungsendnote und zur Verpflichtung der Prüfungsbehörde, das Prüfungsverfahren durch Neubewertung der betreffenden Aufgabe fortzusetzen (BVerwG, U.v. 16.3.1994 – 6 C 5/93 – juris Rn. 22). Können allerdings Auswirkungen dieser materiellen Prüfungsfehler auf das Ergebnis der Prüfungsentscheidung ausgeschlossen werden, so folgt – wie bei unwesentlichen Verfahrensfehlern – aus dem Grundsatz der Chancengleichheit, dass ein Anspruch auf Neubewertung nicht besteht, weil sich die Prüfungsentscheidung im Ergebnis als zutreffend und damit als rechtmäßig darstellt (BVerwG, B.v. 13.3.1998 – 6 B 28/98 – juris Rn. 7).
2. Unter Anwendung dieser Rechtsgrundsätze ergibt sich für den vorliegenden Fall, dass die gegen die Klausurbewertungen der Aufgabe 3 und Aufgabe 11 erhobenen Einwendungen nicht durchgreifen.
Die Korrekturen der Prüfungsleistung der Klägerin in den Aufgaben 3 und 11 sind nicht zu beanstanden. Mangels substantiierter Geltendmachung von Rügen in den anderen Prüfungen im Klageverfahren sind diese nicht zu überprüfen.
2.1. Die zivilrechtliche Klausur 3 wurde von beiden Korrektoren mit 3 Punkten (mangelhaft) bewertet.
2.1.1. Der Bevollmächtigte der Klägerin rügt, dass eine Formulierung der Klägerin bei den Ausführungen zum Verhältnis zwischen Zugewinnausgleichsanspruch und schuldrechtlichen Ansprüchen zwischen den Ehegatten zu streng bewertet bzw. falsch interpretiert worden sei. Entgegen der Korrekturanmerkung eines Prüfers („nicht im Anfangsvermögen“) habe die Klägerin mit ihrer Formulierung nicht ausdrücken wollen, dass der konkrete schuldrechtliche Anspruch aus dem Kontostand im Anfangsvermögen der Eheleute bei der Zugewinnsberechnung einbezogen werden müsse, da das Konto erst während der Ehezeit eröffnet worden sei. Die Klägerin habe nur grundsätzlich ausgeführt, dass wechselseitige Ansprüche im jeweiligen Anfangs- und Endvermögen zu berücksichtigen seien. Die Formulierung der Klägerin entspreche insoweit auch der Formulierung im Palandt, § 1374-1376 BGB, Rn. 69. Eine Einschränkung, dass die jeweiligen einzustellenden Positionen auch zum jeweiligen Stichtag der Berechnung vorgelegen haben müssen, sei – ebenso wie im Palandt – nicht erforderlich gewesen. Inwieweit im konkreten Fall der jeweilige Posten konkret im Anfangs- oder Endvermögen einzustellen sei, habe die Klägerin zu Recht nicht ausgeführt, da der Zugewinnausgleich nicht Verfahrensgegenstand der in der Klausur zu fertigenden gerichtlichen Entscheidung gewesen sei.
Nach Auffassung des Erstkorrektors im Nachprüfungsverfahren hat die Klägerin zur Begründung ihres Ergebnisses, dass schuldrechtliche Ansprüche zwischen Ehegatten „in der Regel“ nicht wegen eines Vorrangs des Güterrechts ausgeschlossen seien, angeführt, dass diese schuldrechtlichen Ansprüche „in die Endvermögens- und Anfangsvermögensbilanz einzustellen“ seien. Dies sei falsch, da ein Anspruch, der erst nach Begründung der Ehe entstanden sei, nicht zum Anfangsvermögen gehöre. Die Formulierung könne nicht als pauschale Aussage behandelt werden, weil die Klägerin die konkrete Aufgabenstellung und nicht abstrakte Rechtsfragen zu bearbeiten gehabt habe. Der Wortlaut der Ausführungen der Klägerin in der Klausur sei eindeutig so zu verstehen, dass ein Einstellen von schuldrechtlichen Ansprüchen zwischen Ehegatten in die Anfangsvermögens- und Endvermögensbilanz immer und damit auch für die vorliegende Fallgestaltung gelte.
Der Zweitkorrektor schloss sich den Ausführungen des Erstkorrektors im Nachprüfungsverfahren an.
In der Klageerwiderung wird vom Beklagten weiter auf die differenzierte Darstellung im Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 76. Auflage 2017, § 1376 Rn. 69, 61 hingewiesen, die die Klägerin gerade nicht vorgenommen habe. Es stelle keine Überschreitung des Beurteilungsspielraums dar, wenn der Korrektor die Wortwahl des Klausurbearbeiters für „bare Münze“ nehme. Eine mögliche alternative Interpretationsmöglichkeit der wörtlichen Ausführungen sei vom Korrektor nicht zu eruieren. Ein sorgfältiger Umgang mit der anzuwendenden Terminologie sei Teil der abgefragten Prüfungsleistung in der Zweiten Juristischen Staatsprüfung.
Die Einwendung der Klagepartei hat keinen Erfolg.
Das Gericht schließt sich der Stellungnahme der Korrektoren und den Ausführungen des Beklagten in der Klageerwiderung an. Erst- und Zweitkorrektor durften im Rahmen ihres Prüferspielraums erwarten, dass die Klägerin zum einen fallspezifische Ausführungen macht und zum anderen die richtige Terminologie verwendet. Der von der Klägerin formulierte Satz, mit dem sie begründet, warum schuldrechtliche Ansprüche nicht vom Zugewinnausgleich verdrängt werden, ist pauschal gehalten und zitiert sowohl das Anfangs- als auch das Endvermögen ohne weitere zeitliche Stichtagseinschränkungen. Die Korrektoren durften im Rahmen der Zweiten Juristischen Staatsprüfung, bei der ein konkret zu bearbeitender Fall vorgegeben wird, zu Recht davon ausgehen, dass die Klägerin fallspezifisch antwortet und keine allgemeinen Ausführungen macht. Die Wertungsfrage, ob Ausführungen zu rechtlichen Gesichtspunkten erwartet werden dürfen, fällt in den – der gerichtlichen Kontrolle nicht unterliegenden – prüfungsspezifischen Beurteilungsspielraum der Prüfer. Ein Beurteilungsfehler ist hierbei nicht zu erkennen.
Auch die exakte Terminologie ist Bestandteil der abgefragten Prüfungsleistung. Die fehlende Differenzierung lässt hier beurteilungsfehlerfrei eine Rüge der Korrektoren zu. Wie sich aus dem Gesetz ergibt, ist bereits die von der Klägerin verwendete Terminologie „Anfangs- und Endvermögensbilanz“ unklar, da nicht legal definiert. Was die Klägerin mit dem Begriff meinte (Zugewinn der einzelnen Ehegatten nach § 1373 BGB oder Ausgleichsforderung nach § 1378 BGB) ist insgesamt schwammig und nicht terminologisch exakt. Ein Überschreiten des Beurteilungsspielraums der Korrektoren liegt nicht vor.
2.1.2. Der Bevollmächtigte der Klägerin rügt weiter, dass die Berechnung der Kostenquote in der Kostenentscheidung der anzufertigenden Entscheidung fälschlicherweise nicht als Folgefehler gewertet worden sei. Die Klägerin sei im Rahmen ihrer Bearbeitung von einer Unterhaltssache ausgegangen, so dass die darauf basierende Kostenentscheidung nach § 243 S. 1 FamFG konsequent und plausibel sei. Bei Unterhaltssachen nach § 243 S. 1 FamFG würden die Kosten abweichend von der ZPO nicht streng nach Obsiegen und Unterliegen verteilt, sondern nach billigem Ermessen. Bei einer Quote von 3/8 zu 5/8 entspreche es billigem Ermessen, die Kosten gegeneinander aufzuheben.
Nach Auffassung des Erstkorrektors im Nachprüfungsverfahren ist bereits die Herleitung, dass es sich um eine Unterhaltssache handele, abwegig und widersprüchlich dargelegt. Aber selbst bei Zugrundelegung einer Kostenentscheidung nach § 243 S. 1 FamFG sei die Kostenentscheidung nicht nachvollziehbar. Bei einer Kostenentscheidung nach „billigem Ermessen“ müsse Ermessen ausgeübt werden und sich die Entscheidung an den in der Vorschrift benannten Kriterien orientieren, was die Klägerin indes gänzlich unterlassen habe. Die Klägerin habe eine unbrauchbare Leerformel ohne Begründung des konkreten Ergebnisses anhand der einschlägigen Bestimmungen benutzt.
Der Zweitkorrektor schloss sich im Nachprüfungsverfahren den Ausführungen des Erstkorrektors an.
In der Klageerwiderung wird ausgeführt, dass billiges Ermessen keine „blinde Schätzung“ bedeute. Bei der nach § 234 FamFG vorzunehmenden Ermessensausübung komme den in Satz 2 genannten Kriterien ein besonderes Gewicht zu. Es bedürfe – insbesondere bei Beimessung eines besonderen Gewichts hinsichtlich eines der Kriterien – einer nachvollziehbaren Darlegung der erfolgten Ermessensausübung. Warum sich die Klägerin nicht an der Obsiegensquote orientiert habe, sei von ihr nicht nachvollziehbar dargelegt worden. Ob die Kostenaufhebung im Ergebnis praxistauglich sei, spiele keine Rolle, da auch ein in der Praxis verwertbares Ergebnis stets einer entsprechenden Begründung bedürfe.
Die Einwendung der Klägerin hat keinen Erfolg. Das Gericht schließt sich der Stellungnahme der Korrektoren und den Ausführungen des Beklagten in der Klageerwiderung an. Erst- und Zweitkorrektor durften im Rahmen ihres Prüferspielraums erwarten, dass die Klägerin zum einen im Tenor eine korrekte Formulierung verwendet und zum anderen ihre Entscheidung in der Beschlussbegründung ausreichend nachvollziehbar begründet. Auch eine Entscheidung nach billigen Ermessen, die zu einer Kostenaufhebung führt, muss die tragenden Ermessenserwägungen wenigstens kurz darlegen. Die Ausführung der Korrektoren im Begründungsblatt „ohne Substanz“ ist daher nicht beurteilungsfehlerhaft. Auf einen Folgefehler kann sich die Klägerin nicht berufen, da vorliegend nicht die Verwendung der falschen Norm von den Korrektoren beanstandet wurde, sondern die Formulierung und die fehlende Begründung der von der Klägerin gewählten Quote („Quote unplausibel“, vgl. Begründungsblatt). Ein Bewertungsfehler des Erst- oder Zweitkorrektors ist daher nicht gegeben.
2.2 Die steuerrechtliche Klausur 11 wurde von beiden Korrektoren mit 5 Punkten (ausreichend) bewertet.
2.2.1. Mit der ersten Einwendung rügt der Bevollmächtigte der Klägerin, dass „die Ablehnung der Unfallkosten des Karl Jung als Werbungskosten“ durch die Klägerin im Ergebnis fachlich richtig sei, denn der Bundesfinanzhof habe mit Urteil vom 20. März 2014 (Az. VI R 29/13) entschieden, dass auch außergewöhnliche Kosten von § 9 Abs. 2 EStG erfasst würden und damit nicht abzugsfähig seien. Für den vorliegenden Fall habe das Finanzgericht Rheinland-Pfalz mit Entscheidung vom 23. Februar 2016 deshalb festgestellt, dass Unfallkosten nicht als Werbungskosten zu berücksichtigen seien, da mit der Entfernungspauschale sämtliche Aufwendungen abgegolten seien.
Der Erstkorrektor führte hierzu im Nachprüfungsverfahren aus: „Die genannte Behandlung der Unfallkosten ist stark lückenhaft. Es wird weder steuerlich argumentiert noch ansatzweise die in der Nachprüfungsrüge zitierte Rechtsprechung dargestellt.“ Die derzeit geltende Rechtslage sei dem BMF-Schreiben vom 31. Oktober 2013 zu entnehmen, wonach Unfallkosten weiterhin als allgemeine Werbungskosten neben der Entfernungspauschale zu berücksichtigen seien. Eine hiervon abweichende Rechtsauffassung hätte einer Diskussion anhand des § 9 Abs. 2 EStG bedurft.
Die Klägerin bleibt mit ihrer Einwendung erfolglos.
Zwar darf eine vom Prüfling vorgetragene und mit gewichtigen Argumenten versehene, fachlich vertretbare Antwort nicht deshalb als falsch gewertet werden, weil die Prüfer fachlich anderer Ansicht sind als der Prüfling (vgl. BVerfG vom 17.4.1991 BVerfGE 84, 34 [55] und BVerfGE 84, 59 [79]; BVerwG vom 9.12.1992 BVerwGE 91, 262 [266]). Als vertretbar im Sinne des dem Prüfling zustehenden Antwortspielraums ist eine Lösung jedoch nur dann anzusehen, wenn sie von ihm selbst mit gewichtigen Argumenten folgerichtig vertreten wird (vgl. Zimmerling/Brehm NVwZ 2009, 358/364 m.w.N.). Es liegt innerhalb des von den Gerichten zu respektierenden Bewertungsspielraums, wenn der Prüfer die Vertretbarkeit der Lösung nicht ausschließt, jedoch die Argumente der Klägerin für wenig überzeugend hält oder die Qualität der Darstellung bemängelt (BayVGH, B.v. 29. April 2009 – 7 ZB 08.996 – juris Rn. 24).
Die Korrektoren beanstanden ausweislich der Anmerkungen zur Klausur und der Stellungnahmen im Nachprüfungsverfahren nicht das Ergebnis der Klägerin, dass Unfallkosten neben der Entfernungspauschale als allgemeine Werbungskosten nicht angesetzt werden können. Die Korrektoren monieren, dass die Begründung lückenhaft ist und nicht steuerrechtlich hergeleitet wird. Als Korrekturanmerkung auf Seite 18 der Klausur ist ein „Ungleichzeichen“ und „Bgr“ ersichtlich. In dem Begründungsbogen der Erstbewertung steht neben dem Punkt Unfallkosten „Wesentliches fehlt; Begründung unzutreffend“. Es gibt nach den zusammenfassenden Anmerkungen auf Seite 2 des Begründungsbogens „eine Vielzahl von kleineren und größeren Lücken sowie Ungenauigkeiten: (…) – Unfallkosten Karl Jung (…)“.
Angesichts der nur vier Sätze umfassenden Begründung der Klägerin zu diesem Punkt, die maßgeblich auf § 7 StVG, also das Betriebsrisiko des Unfallwagens, die Pflichtversicherungsfähigkeit desselben und der Möglichkeit, auch per Bahn zu fahren, abstellen, liegt keine willkürliche oder sachfremde Beurteilung der Korrektoren vor. Steuerrechtliche Fachbegriffe oder Einordnungen finden durch die Klägerin nicht statt.
Beurteilungsfehler der Prüfer sind nach den obigen Ausführungen nicht ersichtlich.
2.2.2. Soweit die Klägerseite Zweifel daran aufwirft, ob die positiven Aspekte der Arbeit in der Bewertung ausreichend Berücksichtigung gefunden haben (Anschaffungskosten Laptop, Ausführungen zu Kapitaleinkünften, Grundwissen im Bereich der Lohnsteuerabzugsmerkmale, etc.) und erklärt, dass die Benotung mit fünf Punkten nach einer Gesamtbetrachtung der Klausur mit hohem Schwierigkeitsgrad zu streng sei, setzt der Bevollmächtigte seine subjektive Beurteilung der Arbeit an die Stelle der Korrektoren. Die Frage, ob positive Aspekte einer Arbeit ausreichend Berücksichtigung gefunden haben, fällt aber in den – der gerichtlichen Kontrolle nicht unterliegenden – prüfungsspezifischen Beurteilungsspielraum der Prüfer (BVerfG, B.v. 17.4.1991 – 1 BvR 419/81 – BVerfGE 84, 34 [51 f.]). Aus dem Begründungsblatt ergibt sich, dass die Prüfer die vom Bevollmächtigten aufgezählten Punkte gesehen und berücksichtigt haben. Es ist nicht ersichtlich, dass die Prüfer bei ihrer Bewertung positive Prüfungsleistungen der Klägerin nicht berücksichtigt hätten.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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