Zivil- und Zivilprozessrecht

Minderungsanspruch bei Verlegung des Abflugortes

Aktenzeichen  154 C 19092/17

Datum:
5.2.2018
Fundstelle:
RRa – 2020, 15
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 638 Abs. 3, Abs. 4, § 651 c Abs. 1, § 651d Abs. 1

 

Leitsatz

1. Der in der Buchungsbestätigung eines Reiseveranstalters enthaltene Zusatz „Fluginformation (Details & Flugzeiten unverbindlich)“ ist unwirksam (ebenso BGH BeckRS 2014, 04345). (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Verlegung des Abflugortes stellt einen Reisemangel dar (ebenso LG Kleve LSK 1998, 050017). (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine Verschiebung der Flugzeit generell stellt bei rechtzeitigem Hinweis keinen Reisemangel dar, da davon auszugehen ist, dass der erste bzw. der letzte Tag für die An- und Abreise eingesetzt werden. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 45,77 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 17.10.2017 zu zahlen sowie den Kläger von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten seines Prozessbevollmächtigten … in Höhe von 83,54 € freizustellen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 85 % und die Beklagte 15 % zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung des jeweils anderen durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der andere vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 705,50 € festgesetzt.

Gründe

I. Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet.
1. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Minderungsanspruch des Reisepreises in Höhe von 45,77 €. Der Anspruch ergibt sich aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Pauschalreisevertrag i.V.m. §§ 651 d Abs. 1, 651 c Abs. 1, 638 Abs. 3, Abs. 4 BGB. Der bereits gezahlte Reisepreis ist in dieser Höhe zurück zu zahlen.
a. Ein Reisemangel lag nach Ansicht des Gerichts vor, da die Beklagte den Abflugort von Berlin Schöneberg auf Leipzig geändert und gleichzeitig die Abflugzeit um 45 Minuten vorverlegt hat.
Die Beklagte hatte kein Recht, einseitig den Abflugort zu verändern. Der in der Buchungsbestätigung der Beklagten (Anlage K1) enthaltene Zusatz „Fluginformation (Details & Flugzeiten unverbindlich)“ ist unwirksam (vgl. BGH, Urteil vom 10.12.2013, Az. X ZR 24/13, NJW 2014, 1168).
Das Gericht ist der Auffassung, dass eine Verlegung des Abflugortes einen Reisemangel darstellt (so auch LG Kleve, Urteil vom 03.09.1997, Az. 4 S 128/97, gefunden über juris; für die Änderung des Ankunftsortes als Mangel: AG Hamburg, Urteil vom 04.03.2004, RRa 2004, 122; AG Gifhorn, Urteil vom 28.09.2004, RRa 2005, 69; AG Düsseldorf, Urteil vom 31.07.1997, Az. 53 C 7069/97, gefunden über juris). Das OLG Düsseldorf hat in seinem Urteil vom 21.07.1994, Az. 18 U 17/94, VuR 1995, 216, die Ansicht vertreten, bei der Verlegung des Abflugortes nach Frankfurt statt Düsseldorf handele es sich nur um eine bloße Unannehmlichkeit und nicht um einen Mangel der Reiseleistung. Auch wenn die Entfernung zwischen den Abflugorten Berlin und Leipzig zur Entfernung zwischen Düsseldorf und Frankfurt vergleichbar ist, sieht das entscheidende Gericht hierin nicht eine bloße Unannehmlichkeit. Reisende wählen zum einen bewusst einen Abflugort aus, der für sie günstig ist. Zum anderen stellen sie sich im Rahmen ihrer Planung auf den vereinbarten Abflugort ein, planen die Anreise, informieren sich über die örtlichen Begebenheiten wie beispielsweise Parkmöglichkeiten. Es handelt sich um einen wesentlichen Bestandteil der Reise.
b. Für den Reisemangel hält das Gericht eine Minderung in Höhe von 15 % eines Tagesreisepreises für angemessen.
Bei der Bemessung der Minderung war zu berücksichtigen, dass lediglich ein Reisetag, nämlich der 03.06.2017, durch die Änderung des Abflug-Flughafens betroffen war, und es sich bei diesem Tag ohnehin um einen Reisetag handelte. Der Zielflughafen wurde durch die ebenfalls leicht veränderte Flugzeit 40 Minuten früher erreicht. Ferner war zu berücksichtigen, dass der in Berlin wohnhafte Kläger – auch wegen der zusätzlichen Vorverlegung des Abfluges um 45 Minuten – eine um wenige Stunden verlängerte Anreise zum Abflugort hatte. Weitere Unannehmlichkeiten ergaben sich dadurch, dass der Abreiseort nicht dem Ankunftsort entsprach. Zusätzliche Kosten für die Anreise sind dem Kläger nicht entstanden, da die streitgegenständliche Reise ein „Rail&Fly“-Ticket beinhaltete, also die kostenlose Anreise mit der Deutschen Bahn. Die Nachtruhe des Klägers wurde durch die Änderung des Abflugortes nicht gestört.
Der Tagesreisepreis beträgt 305,11 € (2.746,- € : 9 Tage). 15 % hiervon betragen 45,77 €.
2. Der Kläger hat Anspruch auf Freistellung von den außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 83,54 € gemäß §§ 651 f Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB.
Die Rechtsanwaltskosten stellen einen adäquat kausalen Schaden aus der Schlechterfüllung des Reisevertrages dar. Die Einschaltung eines Rechtsanwalts war hier erforderlich und angemessen, da die Beklagte sich auf das Schreiben des Klägers vom 02.06.2017 hin, nicht bereit erklärte, die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche zu erfüllen.
Der Erstattungsanspruch besteht jedoch nur hinsichtlich eines Streitwerts, der dem tatsächlich bestehenden Anspruch des Klägers in Höhe von 45,77 € entspricht. Die Rechtsanwaltskosten betragen danach 83,54 € (1,3 Gechäftsgebühr gemäß VV Nr. 2300 RVG: 58,50 €, Auslagenpauschale gemäß VV Nr. 7002 RVG: 11,70 €, 19 % Mehrwertsteuer).
3. Der Kläger hat außerdem Anspruch auf Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit gemäß §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.
II. Die Klage war abzuweisen, soweit der Kläger einen über 45,77 € hinausgehenden Betrag geltend gemacht hat.
1. Der Kläger hat keinen weitergehenden Anspruch auf Minderung wegen der Änderung der Flugzeiten.
Eine Verschiebung der Flugzeit generell stellt bei rechtzeitigem Hinweis keinen Reisemangel dar, da davon auszugehen ist, dass der erste bzw. der letzte Tag für die An- und Abreise eingesetzt werden (vgl. Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2017, § 651 c, Rn. 91, m.w.N.). Die überwiegende Rechtsprechung geht außerdem davon aus, dass erst ab einer Flugverspätung von über 4 Stunden ein Mangel besteht und kürzere Verspätungen als reine Unannehmlichkeit hinzunehmen sei (Münchener Kommentar zum BGB, a.a.O., m.w.N.). In der Vorverlegung der Flugzeit wird überwiegend kein Mangel gesehen soweit die Nachtruhe nicht gestört ist und kein Reisetag verloren geht (Münchener Kommentar, a.a.O., Rn. 93).
Die Vorverlegung des Hinfluges von 15:30 Uhr auf 14:45 Uhr stellt für sich genommen somit keinen Reisemangel dar. Auch die Verlegung des Rückfluges von 09:45 Uhr auf 10:45 Uhr stellt keinen Reisemangel dar, zumal dem Kläger hiermit ein längeres Verweilen am Urlaubsort ermöglicht wurde.
2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 19,- € für die zusätzlichen Kosten der Hundepension.
Die Unterbringung des Hundes des Klägers während der Reisezeit war nicht Vertragsgegenstand der streitgegenständlichen Reise und fällt nicht in den Schutzbereich des Reisevertragsrechts.
3. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten über einen Betrag von 83,54 € hinaus (s. o. unter I.2.).
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO.
Die Verfahrenskosten waren verhältnismäßig nach dem Obsiegen der Parteien zu teilen.
IV. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 11, 711 S. 1, S. 2, 709 S. 2 ZPO.
V. Der Streitwert wurde gemäß §§ 63 Abs. 2 S. 1, 48 Abs. 1 S. 1 GKG, § 3 ZPO.


Ähnliche Artikel


Nach oben