Zivil- und Zivilprozessrecht

Verjährung des Haftpflichtanspruchs infolge eines Verkehrsunfalls

Aktenzeichen  4 U 320/18

Datum:
28.9.2018
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 53940
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
VVG § 115, § 124 Abs. 1
BGB § 197 Abs. 1 Nr. 3

 

Leitsatz

1. Ein titelersetzendes Anerkenntnis des Haftpflichtversicherers, das ein Feststellungsurteil über die Schadensersatzpflicht mit der Folge “ersetzen” kann, dass sich die Verjährung der Ersatzansprüche des Geschädigten für den Zukunftsschaden nach § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB richtet, liegt auf Grund der Reichweite der Erklärung nur bei einem eindeutigen Anerkenntnis vor (ebenso OLG Saarbrücken BeckRS 2017, 114592 Rn. 30). (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Werden Schädiger und Haftpflichtversicherer gleichzeitig verklagt, führt die Abweisung der Klage gegen den Versicherer auch zur Klageabweisung gegen den Schädiger (Anschluss an BGH BeckRS 2003, 6354). (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

4 U 320/18 2018-06-04 Hinweisbeschluss OLGNUERNBERG OLG Nürnberg

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 16. Januar 2018, Aktenzeichen 2 O 20/17, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 138.330,33 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger macht als Sozialhilfeträger gegen die Beklagten übergegangene Ansprüche aus einem Verkehrsunfall von Frau K. B. am 7. Mai 1998 geltend.
Das Landgericht hat die Klage wegen Verjährung abgewiesen.
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 16. Januar 2018 (Bl. 87 ff. d.A.) Bezug genommen.
Der Kläger hat Berufung eingelegt und beantragt im Berufungsverfahren:
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 16. Januar 2018 aufgehoben.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten samtverbindlich verpflichtet sind, dem Kläger 50 % sämtlicher bisheriger und künftiger Sozialhilfeaufwendungen für Frau K. B., geboren am … 1988, zu erstatten, welche aus dem Unfall vom 7. Mai 1998 in N./P. resultieren.
Hilfsweise zu Ziffer 2 wird beantragt:
a) Die Beklagten haben samtverbindlich an den Kläger 172.912,92 € (einhundertzweiundsiebzigtausend neunhundertzwölf Euro und zweiundneunzig Cent) nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klageschrift vom 2. Januar 2017 zu zahlen.
b) Es wird festgestellt, dass die Beklagten samtverbindlich verpflichtet sind, dem Kläger 50 % sämtlicher weiterer Sozialhilfeaufwendungen für Frau K. B., geboren am … 1988, zu erstatten, welche aus dem Unfall vom 7. Mai 1998 in N./P. resultieren.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Es wird auf die Berufungsbegründung vom 2. Mai 2018 (Bl. 124 ff. d.A.) und auf die Berufungserwiderung vom 18. Mai 2018 (Bl. 141 ff. d.A.) verwiesen.
II.
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 16. Januar 2018, Aktenzeichen 2 O 20/17, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist. Die Rechtssache wirft keine grundsätzlichen Fragen auf. Diese sind durch die obergerichtliche Rechtsprechung bereits geklärt; es geht nur um die Anwendung auf den Einzelfall. Eine mündliche Verhandlung ist nicht erforderlich. Sowohl im Urteil des Landgerichts als auch im Hinweisbeschluss des Senats wurde für den Kläger deutlich, worin der Organisationsmangel gesehen wird, so dass ihm die Möglichkeit eröffnet war, schriftsätzlich dazu Stellung zu nehmen.
Zur Begründung wird im Übrigen auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats vom 4. Juni 2018 (Bl. 148 ff. d.A.) Bezug genommen.
Auch die Ausführungen in der Gegenerklärung vom 24. August 2018 (Bl. 169 ff. d.A.) geben zu einer Änderung keinen Anlass.
1. Der Grundsatz der Schadenseinheit ist auch im Rahmen der Vorschrift des § 115 VVG anzuwenden. Denn die Höchstfrist der Verjährung von zehn Jahren soll der durch den Direktanspruch eingetretenen erhöhten Belastung der Versicherer Rechnung tragen. Zugleich wird durch diese Frist berücksichtigt, dass Schuldner des Anspruchs ein Versicherungsunternehmen ist und Versicherungsunternehmen auf einen möglichst baldigen Abschluss ihres Rechnungswerks Wert legen müssen (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juni 2003 – VI ZR 256/02, NJW-RR 2003, 1327 unter II 2 c cc). Diesem Gedanken würde es widersprechen, wenn für jede Vermögenseinbuße ein eigener Verjährungszeitraum von zehn Jahren zu laufen beginnen würde.
2. Sowohl nach den Regelungen des PflVG als auch denjenigen des VVG wird die Verjährung des Haftpflichtanspruchs dadurch gehemmt, dass der Geschädigte seinen Direktanspruch gegen den Versicherer bei diesem anmeldet. Die Hemmung beginnt mit dem Zugang der erstmaligen Anmeldung beim Versicherer und dauert bis zum Eingang dessen schriftlicher Entscheidung beim Antragsteller (Greger/Wickel, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 5. Aufl., § 21 Rn. 40 [zum VVG); BGH, Urteil vom 16. Februar 1984 – III ZR 208/82, juris Rn. 17 [zum PflVG]).
Das Landgericht hat zutreffend ausgeführt, dass durch das Schreiben der Beklagten zu 1 vom 2. Mai 2001 (Anlage K 6), das an demselben Tag durch Fax versendet worden ist, eine durch eine Forderungsanmeldung eingetretene Hemmung beendet worden ist. Denn aus dem Schreiben ergibt sich, dass die Beklagte zu 1 auf der Grundlage der vereinbarten Haftung von 50 % die berechtigten Schadensersatzansprüche erfüllen wird. Das Schreiben stellt daher eine eindeutige Erklärung zu der Forderungsanmeldung dar. Selbst wenn man die gesamte Verjährungsfrist von zehn Jahren erst ab diesem Zeitpunkt berechnen würde, wäre die Verjährung spätestens am 3. Mai 2011 eingetreten.
3. Entgegen der Ansicht des Klägers ist das Schreiben in der Anlage K 6 aber kein titelersetzendes Anerkenntnis. Ein titelersetzendes Anerkenntnis liegt vor, wenn der Schädiger – in der Regel vertreten durch seinen Haftpflichtversicherer – dem Geschädigten ein schriftliches Anerkenntnis abgibt, um ihm eine Feststellungsklage zu ersparen. Ein solches Anerkenntnis kann ein Feststellungsurteil über die Schadensersatzpflicht mit der Folge „ersetzen“, dass sich die Verjährung der Ersatzansprüche des Geschädigten für den Zukunftsschaden nach § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB richtet. Auf Grund der Reichweite der Erklärung ist jedoch eine eindeutige Anerkenntniserklärung erforderlich (Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 1. Juni 2017 – 4 U 122/16, juris Rn. 45). Das Schreiben in der Anlage K 6 ist zwar als eindeutige und endgültige Entscheidung über die Forderungsanmeldung zu verstehen; dadurch kommt aber für einen objektiven Erklärungsempfänger nicht zum Ausdruck, dass er nun von einer dreißigjährigen Verjährungsfrist ausgehen kann. Denn es ist weder ersichtlich, dass dieser Punkt bei der Forderungsanmeldung eine Rolle gespielt hat, noch dass es bei der Forderungsanmeldung im Wesentlichen um Zukunftsschäden ging.
4. Der Senat hält an seiner im Hinweisbeschluss dargelegten Auffassung fest, dass auch Ansprüche gegenüber dem Beklagten zu 2 verjährt sind. Im Übrigen dürfte in der vorliegenden Konstellation (gleichzeitige Klage gegen die Versicherung und Schädiger; Abweisung der Klage gegen die Versicherung wegen Ablauf der Verjährungsfrist des § 115 Abs. 2 VVG) gemäß § 124 Abs. 1 VVG schon allein wegen der Abweisung der Klage gegen die Beklagte zu 1 auch die Klage gegen den Beklagten zu 2 abzuweisen sein (vgl. W.-T. Schneider in Langheid/Wandt, Münch-KommWG, 2. Aufl., § 115 Rn. 30 m.w.N.; BGH, Urteil vom 24. Juni 2003 – VI ZR 256/02, NJW-RR 2003, 1327).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.


Ähnliche Artikel


Nach oben