Baurecht

Beiladung, Abstandsflächen, Geschoßflächenzahl, Nachbarschützende Festsetzung, Bebauungsplangebiet, Qualifizierter Bebauungsplan, Baugenehmigungsunterlagen, Erteilte Baugenehmigung, Baugenehmigungsbehörde, Rücksichtnahmegebot, Nachbarschutz, Verwaltungsgerichte, Baugrundstück, Verwaltungsakte mit Doppelwirkung, Begünstigender Verwaltungsakt, Postzustellungsurkunde, Befähigung zum Richteramt, Prozeßbevollmächtigter, Überbaubare Grundstücksfläche, Einzelnes Grundstück

Aktenzeichen  W 5 K 20.792

Datum:
25.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 7788
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1
BayBO Art. 68 Abs. 1 S. 1 Halbs. 1
BayBO Art. 60
BayBO Art. 6
BauGB § 30 Abs. 1
BauGB § 31 Abs. 2
BauNVO § 15 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger haben gesamtschuldnerisch die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Aufwendungen der Beigeladenen zu tragen. 
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Der Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
1. Die Klage ist hinsichtlich aller drei Kläger zulässig. Insbesondere ist die Klage auch hinsichtlich des Klägers zu 3) nicht deshalb unstatthaft, weil ihm gegenüber eine Ausfertigung der Baugenehmigung zum Zeitpunkt der Klagegerhebung noch nicht bekanntgegeben worden war. Die Anfechtungsklage ist nur gegen Verwaltungsakte statthaft, § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO. Eine Anfechtungsklage, die vor Ergehen des Verwaltungsaktes erhoben wird, ist zwar grundsätzlich unzulässig und wird auch durch das Ergehen des Verwaltungsaktes nicht nachträglich zulässig (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 74 Rn. 4a). Denn die Anfechtungsklage kann nur erhoben werden, wenn der Verwaltungsakt bereits äußerlich wirksam ist (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 42 Rn. 11). Der Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekanntgegeben wird (Art. 43 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG). Allerdings muss der Kläger nicht Bekanntgabeadressat des Verwaltungsakts sein. Erst durch die Bekanntgabe an jedenfalls einen (ersten) Adressaten oder Betroffenen wird der Verwaltungsakt existent und kann von diesem Zeitpunkt an mit Rechtsbehelfen angegriffen werden (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 21. Aufl. 2020, § 43 Rn. 4; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 42 Rn. 11). Bedeutung hat dies bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung, wie der hier streitgegenständlichen Baugenehmigung. Hier kann sich der Dritte gegen den einen anderen begünstigenden Verwaltungsakt auch dann mit der Anfechtungsklage wenden, wenn ihm der Verwaltungsakt nicht bekannt gegeben wurde (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 42 Rn. 11).
2. Die Klage hat in der Sache keinen Erfolg, da die angefochtene Baugenehmigung der Stadt W. vom 13. Mai 2020 nicht rechtswidrig ist und damit die Kläger nicht in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
2.1. Nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BayBO ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Vorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind. Insoweit ist die Beklagte hier zutreffender Weise vom regulären Genehmigungsverfahren nach Art. 60 BayBO ausgegangen.
Der Nachbar eines Vorhabens kann eine Baugenehmigung nur dann mit Erfolg anfechten, wenn öffentlich-rechtliche Vorschriften verletzt sind, die auch seinem Schutz dienen, oder wenn es das Vorhaben an der gebotenen Rücksichtnahme auf seine Umgebung fehlen lässt und dieses Gebot im Einzelfall Nachbarschutz vermittelt. Nur daraufhin ist das genehmigte Vorhaben in einem nachbarrechtlichen Anfechtungsprozess zu prüfen (vgl. OVG Münster, B.v. 5.11.2013 – 2 B 1010/13 – DVBl. 2014, 532; BVerwG, B.v. 28.7.1994 – 4 B 94/94; U.v. 19.9.1986 – 4 C 8.84; U.v. 13.6.1980 – IV C 31.77; alle juris).
2.2. Für eine Verletzung des Bauordnungsrechts (Art. 60 Satz 1 Nr. 2 BayBO) ist von vornherein nichts ersichtlich.
Insbesondere werden vorliegend die Abstandsflächen gemäß der Vorschrift des Art. 6 BayBO zum Grundstück der Kläger eingehalten. Gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 BayBO sind vor den Außenwänden von Gebäuden Abstandsflächen von oberirdischen Gebäuden freizuhalten. Diese Abstandsflächen müssen auf dem Grundstück selbst liegen, Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO. Die Tiefe der Abstandsfläche bemisst sich gemäß Art. 6 Abs. 4 Satz 1 BayBO nach der Wandhöhe und beträgt gemäß Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO (in der bis zum 31. Januar 2021 geltenden Fassung) 1 H, mindestens 3 m. Allerdings ist die Neuregelung in Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO (BayBO-Novelle 2021 durch G.v. 23.12.2020 – GVBl. S. 663), wonach die Tiefe der Abstandsfläche grundsätzlich (nur noch) 0,4 H, mindestens 3 m beträgt, auch dem hiesigen gerichtlichen Verfahren zugrunde zu legen. Zwar ist bei Nachbarklagen maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage grundsätzlich der Zeitpunkt der Genehmigungserteilung (vgl. BayVGH, U.v. 4.10.1991 – 2 B 88.1284 – juris). Aus Gründen der Prozessökonomie sind jedoch nachträgliche Änderungen zugunsten des Bauherrn zu berücksichtigen, weil ihm aufgrund der veränderten Umstände im Falle der Aufhebung der Baugenehmigung ein Anspruch auf erneute Genehmigungserteilung zustünde (BayVGH, U.v. 4.10.1991 – 2 B 88.1284; BVerwG, B.v. 22.4.1996 – 4 B 54.96; beide juris).
Insoweit lässt sich den genehmigten Planunterlagen (vgl. Grundriss Obergeschoss und Schnitt D-D, Bl. A2 der Bauakte) unzweifelhaft entnehmen, dass bzgl. des streitgegenständlichen Vorhabens die nach Art. 6 Abs. 4 und 5 BayBO a.F. erforderlichen Abstandsflächen von 1 H, mindestens 3 m, eingehalten sind. Die Wandhöhe beträgt ab natürlichem, also nicht aufgefülltem, Gelände 8,44 m (vgl. Schnitt D-D), der Abstand der westlichen Außenwand zur Grundstücksgrenze beträgt ebenfalls 8,44 m (vgl. Schnitt D-D und Grundriss Obergeschoss). Erst recht ist damit die Abstandsfläche von 0,4 h, mindestens 3 m, nach Art. 6 Abs. 4, 5 BayBO n.F. eingehalten.
Gemäß Ziffer 1020 der streitgegenständlichen Baugenehmigung ist aufgrund Art. 48 BayBO die Barrierefreiheit zu gewährleisten; ausgenommen ist das Besucherzimmer für Angehörige. Unabhängig von der Frage, ob es hier überhaupt einer Abweichung nach Art. 63 BayBO bedurfte bzw. ob eine solche hier überhaupt erteilt wurde, kann diese Regelung der Drittanfechtungsklage schon deshalb nicht zum Erfolg verhelfen, weil sie lediglich der öffentlichen Wohlfahrt, nicht aber dem Nachbar- oder Individualrechtsschutz dient (vgl. Würfel in Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, Stand 140. EL Febr. 2021, Art. 48 Rn. 18; Obermayr in BeckOK Bauordnungsrecht Bayern, Stand 17. Edition, 1.1.2021, Art. 48 Rn. 26).
Für eine Verletzung der anderen öffentlich-rechtlichen Anforderungen, soweit wegen der Baugenehmigung eine Entscheidung nach anderen öffentlich-rechtlichen Anforderungen entfällt, ersetzt oder eingeschlossen wird (Art. 60 Satz 1 Nr. 3 BayBO), ist ebenfalls nichts ersichtlich.
2.3. Dem Vorhaben der Beigeladenen stehen auch keine – nach Art. 60 Satz 1 Nr. 1 BayBO zu prüfenden – bauplanungsrechtlichen Gründe entgegen.
Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit richtet sich hier nach § 30 Abs. 1 BauGB, da das Vorhaben im Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplans „… … – … … – Gebiet südlich der …straße zwischen der Bahnlinie … und dem Main“ vom 26. September 1962 / 24. Juli 1963 / 12. Februar 1964, ortsüblich bekannt gemacht am 18. Februar 1965 (künftig: Bebauungsplan „… …“), liegt. Das Bauvorhaben entspricht den Festsetzungen des Bebauungsplans, die im Übrigen erteilte Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans hinsichtlich der Überschreitung der Geschossflächenzahl verletzt die Kläger nicht in ihren subjektiven Rechten.
2.3.1.
Vorliegend hat die Beklagte auf den Antrag vom 23. Oktober 2019 eine Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB von der Überschreitung der Geschossflächenzahl erteilt. Die Beigeladene ist der Auffassung, dass die Baugenehmigungsbehörde wohl zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass das Vorhaben der Beigeladenen insoweit einer Befreiung von der Geschossflächenzahl bedarf, so dass sie ins Leere gehe.
Insoweit verweist die Beigeladenenbevollmächtigte zum einen auf die Festsetzung des Bebauungsplans „… …“, wonach „nach § 17 Abs. 8 BNV (…) die Geschossflächenzahl an der Südseite der …straße, Teilstrecke zwischen … Straße und … sowie für den Baublock …-Straße, …straße, … Straße und …straße mit max. 1,5“ festgesetzt wird. Diese Festsetzung kann hier aber nicht zugrunde gelegt werden. Denn das Baugrundstück liegt zwar südlich der …straße, aber nicht an der „Südseite der …straße, Teilstrecke zwischen … Straße und …“, sondern deutlich von der Südseite der …straße entfernt; es handelt sich um das übernächste Grundstück, gelegen an der Westseite der …Straße. Es liegt auch nicht im „Baublock …Straße, …straße, … Straße und …straße“, sondern im Baublock „…Straße, … Straße, …straße und …straße“.
Allerdings spricht einiges dafür, dass – worauf die Bevollmächtigte der Beigeladenen in diesem Zusammenhang hinweist – hier eine Beschränkung des Baugrundstücks im Bebauungsplan „… …“ auf eine Geschossflächenzahl von 0,7 nicht zum Tragen kommt. Denn dieser enthält die Festsetzung, wonach die vorhandene, nicht mit Farbe angelegte Bebauung – wie dies hinsichtlich des Baugrundstücks der Fall ist – in ihrem Bauvolumen nicht vergrößert werden darf, dass sich aber bei Neubebauung der einzelnen Grundstücke Art und Maß der baulichen Nutzung nach der Baunutzungsverordnung vom 26. Juni 1962 richten. Nach § 17 Abs. 1 BauNVO 1962 richtet sich das Maß der baulichen Nutzung nach der Zahl der Vollgeschosse, d.h. sie beträgt bei zwei Vollgeschossen 0,7 und bei drei Vollgeschossen 0,9. Allerdings enthält der Bebauungsplan „… …“ bezogen auf das Baugrundstück keine Festsetzung hinsichtlich der Zahl der Vollgeschosse. Die Baugenehmigungsbehörde ging im Genehmigungsverfahren wohl zumindest zeitweise von einer Geschossflächenzahl von 0,9 aus, wie sich aus dem handschriftlichen Vermerk auf Bl. 40 der Bauakte: „Neubebauung nach BauNVO 1962 (GRZ 0,3, GFZ 0,9)“ ergibt. Letztlich kann diese Frage offenbleiben.
2.3.2.
Denn abgesehen davon führt jedenfalls die Erteilung der Befreiung hinsichtlich der Überschreitung der Geschossflächenzahl (GFZ zulässig: 0,7; geplant: 0,85) zu keiner Verletzung von Rechten der Kläger.
Hinsichtlich des Nachbarschutzes bei Befreiungen von Festsetzungen des Bebauungsplans (§ 31 Abs. 2 BauGB) muss unterschieden werden, ob die Festsetzung, von deren Einhaltung dispensiert wird, dem Nachbarschutz dient oder nicht. Bei einer Befreiung von einer nachbarschützenden Festsetzung führt jeder Fehler bei der Anwendung des § 31 Abs. 2 BauGB zur Aufhebung der Baugenehmigung. Im zweiten Fall fehlt es an einer solchen Verletzung einer nachbarschützenden Vorschrift aufgrund unzutreffender Annahme der Befreiungsvoraussetzungen. Der Nachbarschutz richtet sich dann nach den Grundsätzen des bauplanungsrechtlichen Gebots der Rücksichtnahme, das aufgrund der gemäß § 31 Abs. 2 BauGB gebotenen „Würdigung nachbarlicher Interessen“ Eingang in die bauplanungsrechtliche Prüfung findet (zum Ganzen: BVerwG, B.v. 8.7.1998 – 4 B 64.98 – juris Rn. 5; U.v. 9.8.2018 – 4 C 7.17 – juris Rn. 12; BayVGH, B.v. 21.5.2019 – 1 CS 19.474 – juris Rn. 4; B.v. 7.10.2019 – 1 CS 19.1499 – juris Rn. 16; B.v. 3.3.2020 – 9 CS 19.1514 – juris Rn. 14).
Ob und inwieweit eine Norm des Bauplanungsrechts betroffenen Nachbarn Abwehrrechte einräumt, ist grundsätzlich durch Auslegung zu ermitteln. Dies gilt auch für die Festsetzungen eines Bebauungsplans, die gemäß § 10 Abs. 1 BauGB normativen Charakter haben (OVG Hamburg, U.v. 14.7.2008 – 2 Bf 277/03 – juris Rn. 22 m.w.N.). Während Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung grundsätzlich generell und unabhängig davon, ob der Nachbar durch die gebietswidrige Nutzung unzumutbar oder auch nur tatsächlich spür- und nachweisbar beeinträchtigt wird, schon kraft bundesrechtlicher Vorgabe als drittschützend angesehen werden (vgl. BVerwG, B.v. 27.8.2013 – 4 B 39.13 – juris Rn. 3 m.w.N.; U.v. 16.9.1993 – 4 C 28.91 – juris Rn. 12), wobei als wesentlich hierfür das wechselseitige Austauschverhältnis durch Regelung und Ausgleich der verschiedenen Nutzungen aufgrund der Festsetzungen des Bebauungsplans angesehen wird, folgt aus Art. 14 GG kein Gebot, Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung (§§ 16 ff. BauNVO) drittschutzfreundlich auszulegen. Ob der Plangeber eine Festsetzung zum Maß der baulichen Nutzung auch zum Schutze des Nachbarn trifft oder ausschließlich objektiv-rechtlich ausgestaltet, darf er regelmäßig selbst und ohne Bindung an das Eigentumsrecht des Nachbarn entscheiden (BVerwG, U.v. 16.9.1993 – 4 C 28.91 – juris Rn. 11; U.v. 9.8.2018 – 4 C 7.17 – juris Rn. 17). Dabei dient ein Bebauungsplan mit Rücksicht auf seine städtebauliche Ordnungsfunktion für das Plangebiet zunächst öffentlichen Interessen (OVG Hamburg, U.v. 17.1.2002 – 2 Bf 359/98 – juris Rn. 46), weshalb seine Festsetzungen in erster Linie aus städtebaulichen Gründen getroffen werden.
Von einer neben diese Ordnungsfunktion tretenden nachbarschützenden Wirkung einer Festsetzung ist daher ausnahmsweise erst dann auszugehen, wenn konkrete Anhaltspunkte für einen entsprechenden planerischen Willen erkennbar sind. Ob dies der Fall ist, ist durch Auslegung des Schutzzwecks der jeweiligen Festsetzung im konkreten Einzelfall zu ermitteln, wobei sich ein entsprechender Wille unmittelbar aus dem Bebauungsplan selbst (etwa kraft ausdrücklicher Regelung von Drittschutz), aus seiner Begründung, aus sonstigen Vorgängen im Zusammenhang mit der Planaufstellung oder aus einer wertenden Beurteilung des Festsetzungszusammenhangs ergeben kann (BayVGH, B.v. 24.7.2020 – 15 CS 20.1332 – juris Rn. 23; zusammenfassend BayVGH, B.v. 18.6.2018 – 15 ZB 17.635 – juris Rn. 16 m.w.N.; vgl. auch BVerwG, U.v. 19.9.1986 – 4 C 8.84 – juris Rn. 11; B.v. 19.10.1995 – 4 B 215.95 – juris Rn. 3; B.v. 13.12.2016 – 4 B 29.16 – juris Rn. 5; U.v. 9.8.2018 – 4 C 7.17 – juris Rn. 14; B.v. 11.6.2019 – 4 B 5.19 – juris Rn. 4; BayVGH, B.v. 21.5.2019 – 1 CS 19.474 – juris Rn. 4; B.v. 7.10.2019 – 1 CS 19.1499 – juris Rn. 17).
Die Auslegung des Bebauungsplans „… …“ ergibt, dass sich ein Wille der plangebenden Gemeinde, den Festsetzungen zur Geschossflächenzahl, von denen im Rahmen der Baugenehmigung eine Befreiung erteilt wurde, drittschützende Wirkungen zukommen zu lassen, weder dem Bebauungsplan (also dessen Planzeichnung und textlichen Festsetzungen) noch aus den vorgelegten Verfahrensakten entnehmen lässt. Die Klägerseite hat insoweit auch nichts Substantiiertes vorgebracht.
Mangels Befreiung von einer nachbarschützenden Festsetzung des Bebauungsplans kommt es auf die Frage, ob bei der Erteilung der Befreiung alle Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB vorlagen und insgesamt hierbei eine ermessensfehlerfreie Entscheidung getroffen wurde, daher vorliegend nicht an.
2.3.3.
Entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten der Kläger wird auch das Gebot der Rücksichtnahme durch die erteilte Befreiung nicht verletzt.
(1) Die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB von – wie hier – nicht nachbarschützenden Festsetzungen des Bebauungsplans die Rechte des Nachbarn verletzen kann, ist im Rahmen der Würdigung nachbarlicher Belange nach den Maßstäben zu beantworten, die das Bundesverwaltungsgericht zum Gebot der Rücksichtnahme i.V.m. § 15 Abs. 1 BauNVO entwickelt hat (vgl. BVerwG, B.v. 8.7.1998 – 4 B 64.98 – juris; vgl. auch BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris). Wird von nicht nachbarschützenden Festsetzungen des Bebauungsplans eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB erteilt, so hat der Nachbar über die das Rücksichtnahmegebot konkretisierende „Würdigung nachbarlicher Interessen“ hinaus keinen Anspruch auf eine Einhaltung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB (vgl. BVerwG, B.v. 8.7.1998 – 4 B 64.98 – juris Rn. 5). Drittschutz im Falle einer Befreiung von einer nicht nachbarschützenden Festsetzung besteht vielmehr nur dann, wenn seine nachbarlichen Interessen nicht hinreichend berücksichtigt worden sind.
Das Gebot der Rücksichtnahme (grundlegend BVerwG, U.v. 25.2.1977 – IV C 22.75 – BVerwGE 52, 122) soll einen angemessenen Interessenausgleich gewährleisten. Ihm kommt drittschützende Wirkung zu, soweit in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist. Die an das Gebot der Rücksichtnahme zu stellenden Anforderungen hängen im Wesentlichen von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Die vorzunehmende Interessenabwägung hat sich daran zu orientieren, was dem Rücksichtnahmebegünstigten und dem Rücksichtnahmeverpflichteten jeweils nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Dies beurteilt sich nach der jeweiligen Situation der benachbarten Grundstücke. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung des Rücksichtnahmeberechtigten ist, desto mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die Interessen des Bauherrn sind, die er mit dem Vorhaben verfolgt, desto weniger muss er Rücksicht nehmen (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 13.3.1981 – 4 C 1.78 – juris Rn. 33). Das Gebot der Rücksichtnahme ist demnach nur dann verletzt, wenn die den Klägern aus der Verwirklichung des geplanten Vorhabens resultierenden Nachteile das Maß dessen übersteigen, was ihnen als Nachbarn billigerweise noch zumutbar ist (Mitschang/Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 14. Aufl. 2019, § 35 Rn. 80).
Bei Anwendung dieser Grundsätze erweist sich das Bauvorhaben der Beigeladenen in seinen Auswirkungen auf das Grundstück der Kläger im Ergebnis nicht als rücksichtslos. Im Einzelnen:
(2) Für eine Verletzung von Nachbarrechten durch die Überschreitung der Geschossflächenzahl (GFZ zulässig: 0,7; geplant: 0,85) ist von vornherein nichts ersichtlich, zumal auf dem Anwesen der Kläger eine Geschossflächenzahl von 0,7 (ebenfalls) nicht eingehalten wird. Denn entgegen der Behauptung des Klägerbevollmächtigten halten sich die Kläger gerade nicht an diese Geschossflächenzahl, vielmehr beträgt die Geschossflächenzahl ausweislich der Baugenehmigungsunterlagen zum Umbau des Mehrfamilienhauses mit Dachgeschossausbau 0,95 (vgl. Bl. 28 der BA 13088 zur Baugenehmigung vom 6.3.2003).
(3) In der Rechtsprechung zum Rücksichtnahmegebot ist anerkannt, dass eine Verletzung (auch) dann in Betracht kommt, wenn durch die Verwirklichung des genehmigten Vorhabens ein in der unmittelbaren Nachbarschaft befindliches Wohngebäude „eingemauert“ oder „erdrückt“ wird. Eine solche Wirkung kommt vor allem bei nach Höhe und Volumen „übergroßen“ Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht (BVerwG, U.v. 13.3.1981 – 4 C 1/78 – juris Rn. 38: 12-geschossiges Gebäude in 15 m Entfernung zu 2,5-geschossigem Nachbarwohnhaus; U.v. 23.5.1986 – 4 C 34/85 – juris Rn. 15: drei 11,05 m hohe Siloanlagen im Abstand von 6 m zu einem 2-geschossigen Wohnanwesen; vgl. auch BayVGH, B.v. 10.12.2008 – 1 CS 08.2770 – juris Rn. 23; B.v. 5.7.2011 – 14 CS 11.814 – juris Rn. 21). Hauptkriterien bei der Beurteilung einer „abriegelnden“ bzw. „erdrückenden“ Wirkung sind u.a. die Höhe des Bauvorhabens und seine Länge sowie die Distanz der baulichen Anlage in Relation zur Nachbarbebauung.
Dass das Bauvorhaben der Beigeladenen den Klägern gegenüber erdrückende Wirkung entfalten würde, hat von vornherein auszuscheiden. Eine erdrückende Wirkung des zweigeschossigen Gebäudes der Beigeladenen mit einer Wandhöhe (und einer Dachhöhe) von 8,44 m auf das dreigeschossige (wohl zwei Vollgeschosse) Anwesen der Kläger mit einer Wandhöhe von ca. 6,30 m und einer Firsthöhe von 10,55 m (vgl. Ansichten/Schnitte der Bauakte BA 13055) scheidet sowohl von den Ausmaßen als auch bzgl. der baulichen Gestaltung aus. Für die Annahme einer erdrückenden Wirkung eines Nachbargebäudes ist kein Raum, wenn dessen Baukörper nicht erheblich höher ist als das betroffene Gebäude (vgl. BayVGH, B.v. 11.5.2010 – 2 CS 10.454 – juris). Vielmehr überragt hier das in seiner Fassade etwas niedrigere und mit 20,50 m in etwa gleich lange Gebäude auf dem Grundstück der Kläger das Gebäude der Beigeladenen hinsichtlich des Daches (Firsthöhe) in der Höhe um zwei Meter. Darüber hinaus spricht hier auch der für Wohngebiete nicht unbedeutende Abstand des Vorhabens der Beigeladenen von 8,44 m zur Grundstücksgrenze und der Gesamtabstand zwischen den Gebäuden der Kläger und der Beigeladenen von über 13,00 m (im Obergeschoss) deutlich gegen eine erdrückende Wirkung.
(4) Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots kann auch nicht unter dem – von Klägerseite mehrfach vorgebrachten – Aspekt der Einsichtnahme in ihr Grundstück bzw. ihr Gebäude gesehen werden. Vielmehr müssen die Kläger die Möglichkeit der Einsichtnahme in ihr Grundstück hinnehmen. Das öffentliche Baurecht vermittelt keinen generellen Schutz vor unerwünschten Einblicken. Der Nachbar hat insbesondere keinen Rechtsanspruch darauf, dass Räume, Fenster und Balkone des Bauvorhabens so angeordnet werden, dass sein Grundstück nicht oder nur eingeschränkt eingesehen werden kann (vgl. Dirnberger in Busse/Kraus, BayBO, Stand 140. EL Febr. 2021, Art. 66 Rn. 440). Das bauplanungsrechtliche Gebot des Einfügens bezieht sich nur auf die in § 34 Abs. 1 BauGB genannten städtebaulichen Merkmale der Art der baulichen Nutzung, des Maßes der baulichen Nutzung, der Bauweise und der überbaubaren Grundstücksfläche. Die Möglichkeit der Einsichtnahme ist – als nicht städtebaulich relevant – davon nicht angesprochen (vgl. BVerwG, B.v. 24.4.1989 – 4 B 72.89 – juris Rn. 7 und B.v. 3.1.1983 – 4 B 224.82 – juris Rn. 5; BayVGH, B.v. 9.10.2012 – 15 CS 12.1852 – juris Rn. 11). Das Gebot der Rücksichtnahme bietet in aller Regel keinen Schutz vor Einsichtsmöglichkeiten auf Grundstücke (vgl. BayVGH, B.v. 6.8.2010 – 15 CS 09.3006 – juris Rn. 28; OVG Schleswig, B.v. 16.10.2009 – 1 LA 42/09 – juris Rn. 11; VGH Mannheim, B.v. 3.3.2008 – 8 S 2165/07 – juris Rn. 8). Anhaltspunkte für einen Ausnahmefall, in dem Einblicksmöglichkeiten in das Nachbargrundstück, die durch ein neues Bauvorhaben geschaffen werden, unter besonders gravierenden Umständen als Verletzung des bauplanungsrechtlichen Gebots der Rücksichtnahme angesehen werden, sind hier nicht ersichtlich. Dies könnte etwa der Fall sein, wenn durch das neue Bauvorhaben unmittelbare Einsichtsmöglichkeiten aus kurzer Entfernung in Wohnräume geschaffen werden, zumal in rückwärtig gelegene Räume, die sich wegen ihrer Lage besonders zur Nutzung als Schlafräume anbieten (so OVG Thüringen, B.v. 11.5.1995 – 1 EO 486/94 – juris Rn. 51 und OVG Bremen, B.v. 14.5.2012 – 1 B 65/12 – juris Rn. 16) oder wenn eine Dachterrasse aus kurzer Entfernung Einsichtsmöglichkeiten nicht nur in einen Innenhof, sondern auch in die Fenster eines Nachbargebäudes eröffnet (vgl. OVG Magdeburg, B.v. 12.12.2011 – 2 M 162/11 – juris Rn. 13).
Anhaltspunkte für einen Ausnahmefall, in dem Einblicksmöglichkeiten in das Nachbargrundstück, die durch ein neues Bauvorhaben geschaffen werden, unter besonders gravierenden Umständen als Verletzung des bauplanungsrechtlichen Gebots der Rücksichtnahme gesehen werden, sind hier nicht ersichtlich. Solche unzumutbaren Einsichtsmöglichkeiten aus kurzer Entfernung werden durch das Bauvorhaben schon deshalb nicht geschaffen, weil hier immerhin ein Abstand von über 13 m zwischen der Außenwand des streitgegenständlichen Anbaus und der dieser zugewandten Außenwand des Wohnhauses der Kläger besteht. Soweit die Klägerin zu 2) Einsichtsmöglichkeiten in ihr Bad/WC – aus einem Abstand von über 13 m – geltend macht, kann sie diese in zumutbarer Weise ohne nennenswerten Aufwand durch Sichtschutzeinrichtungen unterbinden. Auch hinsichtlich der weiteren Räume des Wohnhauses der Kläger ist in diesem Zusammenhang auf Maßnahmen der architektonischen Selbsthilfe (Gardinen, Rollos) hinzuweisen. Dass vom Anwesen der Beigeladenen Einblicke in die Gärten des Grundstücks der Kläger bzw. auf Terrassen und Balkone möglich sind – wie die Kläger vorbringen – kann von vornherein zu keiner Beeinträchtigung des Rücksichtnahmegebots führen, sondern ist als sozialadäquat hinzunehmen. Nicht nachzuvollziehen ist das Vorbringen der Klägerseite, wonach durch den Wintergartenanbau die Personenzahl im Hospiz erheblich erhöht werden würde und auch eine Cafeteria geplant sei; beides ist nach den Angaben der Beigeladenen ausweislich der Bauantragsunterlagen gerade nicht der Fall. Im Übrigen handelt es sich – wie den Planunterlagen eindeutig zu entnehmen ist – nicht um einen „klassischen“ Wintergarten mit einer nahezu vollständigen Verglasung, vielmehr weist der Anbau lediglich zwei große Fenster mit einer Höhe von 2 m und einer Breite von 6 m auf, wobei das südöstliche Fenster zum großen Teil nicht zum Grundstück der Kläger, sondern Richtung Süden ausgerichtet ist. Das Besucherzimmer weist nur ein einziges Fenster auf, das ausschließlich Richtung Süden, nicht nach Westen, zum Anwesen der Kläger, ausgerichtet ist.
(5) Soweit sich die Klägerseite auf die von dem Hospiz der Beigeladenen ausgehenden Immissionen wie Geräusche und Lichtimmissionen beruft, kann dies der Klage nicht zum Erfolg verhelfen.
Die Kläger haben insoweit vorgebracht, dass der Wintergarten darüber hinaus als Cafeteria genutzt werden solle, was mit weiteren Lärmbelästigungen verbunden sei. Von den Bewohnern des Hospizes gehe bereits jetzt eine erhebliche Lärmbelästigung etwa durch Stöhnen, laute Musik und Geschrei aus. Die durch den Anbau bezweckte Steigerung der Lebensqualität der Patienten führe zu einer Minderung der Lebensqualität der Nachbarn. Es sei auch eine erhebliche Störung der Kläger durch Beleuchtung und Lärm zu erwarten, insbesondere an Kinoabenden.
Bei der Bestimmung der Grenze der Zumutbarkeit von Umwelteinwirkungen, genauer von Lärmimmissionen, ist grundsätzlich auf die Begriffsbestimmungen des Immissionsschutzrechts zurückzugreifen. Das Bundesimmissionsschutzgesetz legt diese Grenze und damit das Maß der gebotenen Rücksichtnahme mit Wirkung auch für das Baurecht im Umfang seines Regelungsbereiches grundsätzlich allgemein fest (BVerwG, U.v. 23.9.1999 – 4 C 6/98 – BVerwGE 109, 314). Was die Zumutbarkeit von Lärmimmissionen angeht, können anerkanntermaßen die TA Lärm (Sechste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz – Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm, vom 26.8.1998, GMBl. S. 503) bzw. die darin enthaltenen Immissionsrichtwerte herangezogen werden. Die TA Lärm gehört zu den sogenannten „normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften“, welche vorbehaltlich abweichender Erkenntnisse im Regelfall der gerichtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden.
Zu berücksichtigen ist aber, dass die Orientierungswerte der TA Lärm vorliegend schon deshalb nicht angewandt werden können, weil Ziffer 1 Abs. 2 Buchst. h) der TA Lärm Anlagen für soziale Zwecke von ihrem Anwendungsbereich ausnimmt. Unter Anlagen für soziale Zwecke im Sinne der BauNVO sind alle Einrichtungen mit Unterbringungs- und Betreuungszwecken zu verstehen, bei denen nach außen wahrnehmbare, für den jeweiligen sozialen Zweck typische menschliche Lebensäußerungen im Vordergrund stehen. Es handelt sich um Nutzungen, die auf Hilfe, Unterstützung, Betreuung und ähnliche fürsorgerische Maßnahmen ausgerichtet sind (vgl. Fickert/Fieseler, BauNVO, BauNVO, 13. Aufl 2019, Vorbem. §§ 2-9 Rn. 14). Die streitgegenständliche Einrichtung eines Hospizes ist als derartige Anlage für soziale Zwecke einzustufen (vgl. OVG Münster, B.v. 23.7.1998 – 10 B 1319/98 – juris Rn. 25; VG Hamburg, B.v. 12.12.2013 – 9 K 2327/13 – juris Rn. 36; Decker in Jäde/Dirnberger, BauGB – BauNVO, 9. Aufl. 2018, § 3 BauNVO Rn. 10).
Gemessen an diesen rechtlichen Grundsätzen gehen von dem geplanten Vorhaben keine Lärmimmissionen aus, die den Klägern nicht mehr zumutbar wären. Ein Ausnahmefall, der außergewöhnliche Besonderheiten aufweisen würden, ist nicht gegeben.
Im vorliegenden Fall ergeben sich besondere Umstände der sozialen Adäquanz der Lärmimmissionen daraus, dass es sich bei der hier zu beurteilenden Einrichtung eines Hospizes um eine Anlage für soziale Zwecke handelt. Die Beigeladene nimmt mit dieser Einrichtung eine öffentliche Aufgabe wahr, deren Erfüllung im besonderen öffentlichen Interesse liegt und deren Funktionsfähigkeit gewährleistet sein muss (vgl. BayVGH, U. v. 31.3.2006 – 22 B 05.1683 – juris). Von den Klägern als betroffene Nachbarn kann deshalb hier mehr Verständnis und Akzeptanz erwartet werden. Unzumutbare Geräuschimmissionen durch Schmerzensschreie anzunehmen, wie dies die Klägerseite tut, hat auszuscheiden.
In diesem Zusammenhang bleibt auch festzuhalten, dass nicht das Geringste dafür ersichtlich ist, dass durch den Neubau (Wintergarten und Besucherzimmer) es zu einer Verschlechterung der Lärmsituation auf dem Baugrundstück wie auch auf dem Grundstück der Kläger kommen wird, zumal die Zahl der Bewohner durch die Baumaßnahme nicht erhöht wird. Hier ist auch zu berücksichtigen, dass ausweislich der Nutzungsbeschreibung eine Nutzung des Wintergartens vorgesehen ist als Rückzugsmöglichkeit für Angehörige und Patienten und für verschiedene Therapiemöglichkeiten und sich der Nutzungszeitraum im Wesentlichen – abgesehen von einzelnen Kinoabenden bis ca. 20:30 Uhr – auf die Zeit zwischen 11:00 Uhr und 18:00 Uhr beschränken wird.
Es sind auch keinerlei Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Geräuschimmissionen des Hospizes über das Maß hinausgehen, das in einem allgemeinen Wohngebiet üblich ist, zumal die Fachkraft für Immissionsschutz bei der Stadt W. in seiner Fachstellungnahme vom 13. November 2019 keinerlei Bedenken angemeldet hat.
Soweit die von Klägerseite bemängelte Wertminderung ihrer Immobilie („ist natürlich auch der Wert ihres eigenen Gebäudes erheblich reduziert“) an die Nähe eines Hospizes und die damit verbundene Konfrontation mit dem Tod anknüpft, ist kein baurechtlich erheblicher Umstand angesprochen (vgl. hierzu OVG Münster, B.v. 3.6.1997 – 10 B 941/97 – juris Rn. 35).
Schließlich sind auch keinerlei Anhaltspunkte für unzumutbare Lichtimmissionen, die auf das Wohnhaus der Kläger einwirken würden, ersichtlich. Wie bereits mehrfach dargelegt soll der Wintergarten nur zu eingeschränkten Zeiten, von vereinzelten Ausnahmen abgesehen nur zur Tageszeit, genutzt werden. Darüber hinaus hat die Beigeladene Verdunkelungs- und Verschattungsmöglichkeiten baulich vorgesehen. Warum diese Maßnahmen, wie die Klägerseite vorbringt, nicht genutzt werden würden, ist für die Kammer nicht nachvollziehbar. Im Übrigen wäre auch insoweit auf Maßnahmen der architektonischen Selbsthilfe seitens der Kläger zu verweisen. Der von Klägerseite angestellte Vergleich eines gelegentlich stattfindenden privaten Filmabends für wenige Personen bis 20:30 Uhr mit einem gewerblichen Kino entbehrt jeglicher Grundlage.
2.4. Wenn die Kläger schließlich vortragen lassen, dass Bedenken im Hinblick auf das Grundwasser bestünden, dass nämlich durch die weitere Bebauung das Gewicht des Gebäudes massiv erhöht werde und so hierdurch Grundwasseradern verändert oder umgeleitet würden, kann dem die Kammer nicht folgen. Es ist nicht der geringste Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass der Anbau im 1. Obergeschoss des Gebäudes der Beigeladenen irgendwelche Beeinträchtigungen der Standsicherheit des Bestandsgebäudes herbeiführen kann. Welche Gründe dazu führen könnten, dass die Bodenplatte des Gebäudes sich durch das zusätzliche Gewicht des Anbaus derart absenken würde, dass hierdurch Grundwasserströme verändert bzw. umgeleitet würden, bleibt nach dem Vorbringen der Kläger völlig unsubstantiiert.
Nach allem war die Klage abzuweisen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 i.V.m. § 159 Satz 2 VwGO. Als im Verfahren unterlegen haben die Kläger die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nach § 162 Abs. 3 VwGO aus Billigkeitsgründen den Klägern aufzuerlegen, denn die Beigeladene hat einen eigenen Antrag gestellt und sich damit einem Kostenrisiko ausgesetzt (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).
Der Ausspruch hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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