Medizinrecht

Einstweilige Anordnung, Anspruchsberechtigung, Glaubhaftmachung, Verwaltungsgerichte, Anspruchsberechtigte, Vorwegnahme der Hauptsache, Befähigung zum Richteramt, Schutzimpfung, Anordnungsanspruch, Richtiger Antragsgegner, Mutter des Antragstellers, Ärztliches Attest, Anordnungsgrund, Streitwertfestsetzung, Prozeßkostenhilfeverfahren, Festsetzung des Streitwerts, Streitwertbeschwerde, Streitwertkatalog, Beschwerdeschrift, Wert des Beschwerdegegenstandes

Aktenzeichen  W 8 E 21.357

Datum:
19.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 6974
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123
CoronaImpfV § 1
CoronaImpfV § 2
CoronaImpfV § 3
CoronaImpfV § 4
CoronaImpfV § 6 Abs. 4
GG Art. 2 Abs. 2 S. 1
GG Art. 3 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der 57-jährige Antragsteller begehrt die sofortige Zurverfügungstellung einer Schutzimpfung gegen das SARS-CoV-2-Virus („Coronavirus“).
Mit Schreiben vom 12. März 2021 – bei Gericht eingegangen am 15. März 2021 – beantragte der Antragsteller, den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO gegen das Landratsamt bzw. Gesundheitsamt … (Impfzentrum) mit dem Ziel, dass ich einen sofortigen Impftermin erhalte.
Zur Begründung trägt der Antragsteller vor, er sei Hochrisikopatient der Priorisierungsgruppe 2. Er habe folgende Erkrankungen: Sehr starke Depression, Adipositas BMI über 40, Lungenerkrankung, Lungenembolie, Atemnot und er sei Marcumarpatient. Ferner leide er an Autoimmunerkrankungen und sei der Betreuer seiner fast 90-jährigen Mutter. Sein Ehemann müsse ab 24. März 2021 auf eine ambulante Reha, was zusätzlich ein hohes Risiko für den Antragsteller bedeute. Laut einem vorgelegten Attest des Hausarztes des Antragstellers vom 7. Januar 2021 sei der Antragsteller Risikopatient und chronisch erkrankt, weshalb dringendst die Covid-19-Impfung empfohlen werde.
Am 18. März 2021 beantragte das Landratsamt … für den Antragsgegner:
Der Antrag wird abgelehnt.
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt: Der Antrag sei zulässig, in der Sache aber unbegründet. Es fehle an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes und eines Anordnungsanspruchs. Es liege kein Anordnungsgrund vor, da der Antragsteller es bislang versäumt habe, einen Antrag beim Antragsgegner selbst zu stellen. Dies wäre ihm vor der gerichtlichen Geltendmachung möglich und zumutbar gewesen. Des Weiteren habe er auch keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Der Antragsteller sei gemäß dem beigefügten ärztlichen Attest im Jahr 1963 geboren und damit nicht aufgrund seines Alters gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 CoronaImpfV mit höchster Priorität anspruchsberechtigt, da er das 80. Lebensjahr noch nicht vollendet habe. Es sei daneben nicht erkennbar, dass er aufgrund eines der weiteren in § 2 Abs. 1 CoronaImpfV genannten Merkmale mit höchster Priorität Anspruch auf eine Schutzimpfung habe. Aufgrund seines Lebensalters sei er in keine der drei Priorisierungsstufen der CoronaImpfV eingeordnet. Aufgrund seines Vortrages, dass er Betreuer seiner fast 90-jährigen Mutter sei und des von ihm geschilderten Krankheitsbildes könne der Antragsteller grundsätzlich mit hoher Priorität einen Anspruch auf eine Schutzimpfung nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c bzw. Buchst j sowie Nr. 3a CoronaImpfV haben. Danach seien Personen mit einer schweren Depression, mit Adipositas bei einem BMI über 40 und bis zu zwei enge Kontaktpersonen von einer nicht in einer Einrichtung befindlichen pflegebedürftigen Person mit hoher Priorität anspruchsberechtigt. Zum Nachweis dieser Anspruchsberechtigungen und zur Prüfung der Priorisierung sei gemäß § 6 Abs. 4 CoronaImpfV gegenüber dem Impfzentrum oder mobilem Impfteam ein entsprechendes ärztliches Zeugnis bzw. die entsprechende Bestätigung vorzulegen. Die aktuell beigefügten Unterlagen genügten diesem Erfordernis als Nachweis der entsprechenden Priorisierung jedoch nicht. Selbst wenn der Antragsteller zum aktuellen Zeitpunkt die erforderlichen Nachweise im Sinne von § 6 Abs. 4 CoronaImpfV vorlegen könnte, bestehe aber aufgrund der grundsätzlichen Einordnung des Antragstellers als Impfberechtigter mit allenfalls hoher Priorität kein Anspruch auf sofortige Impfung. Denn die allgemein bekannte Versorgungslage mit Impfstoffen ermögliche den Impfzentrum für Stadt und Landkreis … aktuell nur die Impfung von Personen mit höchster Priorität, zu denen der Antragsteller gerade nicht zähle. Ein Wechsel in die nächste Priorisierungsgruppe sei derzeit nicht absehbar, da zum einen der Impfstoff des Herstellers AstraZeneca auch für über 65-Jährige zugelassen worden sei und somit wiederum ausschließlich Impfungen in der höchsten Priorität durchgeführt werden dürften und zum anderen, da am Montag den 15. März 2021 ein Impfstopp für den Impfstoff von AstraZeneca verhängt worden sei, was zu einer weiteren Verzögerung des Wechsels in die nächste Priorisierungsgruppe führe. Ein Anspruch auf bevorzugte Schutzimpfung lasse sich auch nicht aus anderen Vorschriften herleiten. Die sich aus der CoronaImpfV ergebende Impfpriorisierung sei für die Kreisverwaltungsbehörde bindend, was sich unmittelbar aus § 1 Abs. 2 Satz 1 CoronaImpfV ergebe. Nach § 1 Abs. 2 Satz 2 CoronaImpfV könnten unter bestimmten Voraussetzungen Anspruchsberechtigte innerhalb der jeweiligen Priorisierungsgruppen vorrangig berücksichtigt werden. § 1 Abs. 3 CoronaImpfV eröffne keine Abweichungsmöglichkeit zum Zwecke der Berücksichtigung individueller Indikationen. Es sei nach der Entscheidung des Verordnungsgebers allenfalls möglich, die persönlichen Belange des Antragstellers innerhalb der Priorisierungsgruppe nach § 3 CoronaImpfV zu berücksichtigen. Priorisierungsgruppenübergreifend sei das nicht möglich; der Wortlaut der Verordnung sei insoweit eindeutig. Der Verordnungsgeber habe an zumindest eines der vom Antragsteller angeführten Krankheitsbilder sowie ggf. an die Zuordnung als Kontaktperson eine Eingruppierung in die zweithöchste Priorisierungsgruppe geknüpft, eine Eingruppierung in die höchste Prioritätsstufe aber bewusst nicht vollzogen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, insbesondere die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Der Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, den Antragsgegner zu verpflichten, dem Antragsteller sofort einen Impftermin gegen das SARS-CoV-2 Virus („Coronavirus“) zur Verfügung zu stellen, hat keinen Erfolg. Der anwaltlich nicht vertretene Antragsteller hat – bei verständiger Würdigung seines Vorbringens (§ 122 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 88 VwGO) – keinen Anspruch auf sofortige Zuteilung eines Impftermins und auch nicht auf eine vorzeitige Impfung durch eine Höherstufung in die Gruppe der Anspruchsberechtigten mit höchster Impfpriorität nach § 2 Abs. 1 der Verordnung zum Anspruch auf Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronavirus-Impfverordnung – CoronaImpfV) des Bundesministeriums für Gesundheit vom 10. März 2021.
Statthaft zur Verfolgung des Begehrens des Antragstellers ist ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung begegnet dabei bereits Zweifeln im Hinblick auf seine Zulässigkeit, jedenfalls ist er aber in der Sache unbegründet.
Im Einzelnen:
1. Es bestehen bereits Zweifel an der Zulässigkeit des Antrags, da der Antragsteller sich mit seinem Begehren nicht zunächst an den Antragsgegner gewandt, sondern vielmehr unmittelbar gerichtlichen (Eil-)Rechtsschutz nachgesucht hat. Es kann dahinstehen, ob im vorliegenden Fall aufgrund seiner besonderen Eilbedürftigkeit und dem Verhalten des Antragsgegners im Hinblick auf eine hohe Wahrscheinlichkeit der Ablehnung eines entsprechenden Antrags ausnahmsweise ein vorheriger erfolgloser Antrag beim Antragsgegner vertreten durch das Landratsamt …, entbehrlich war (vgl. hierzu Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 26. Auflage 2020, § 123 Rn. 22 m.w.N. zur Rechtsprechung). Denn jedenfalls hat der Antrag in der Sache keinen Erfolg, da der Antragsteller keinen Anordnungsanspruch auf sofortige Verabreichung einer Coronaschutzimpfung und auch nicht auf eine Höherstufung in die Gruppe der Anspruchsberechtigten mit höchster Priorität nach § 2 CoronaImpfV und damit verbunden auf eine vorzeitige Impfung glaubhaft gemacht hat.
Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gefahr zu verhindern oder wenn es aus anderen Gründen nötig erscheint. Der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung setzt nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 ZPO voraus, dass der Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft machen kann. Eine Glaubhaftmachung liegt vor, wenn das Vorliegen von Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sich als überwiegend wahrscheinlich darstellt.
Im Hinblick auf die durch Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistete Garantie effektiven Rechtsschutzes ist der Antrag dann begründet, wenn der geltend gemachte Anspruch hinreichend wahrscheinlich ist (Anordnungsanspruch) und es dem Antragsteller schlechthin unzumutbar ist, das Ergebnis des Hauptsacheverfahrens abzuwarten (Anordnungsgrund). Diese Voraussetzungen sind gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen.
Vorliegend besteht zudem die Besonderheit, dass eine Verpflichtung des Antragsgegners zur sofortigen bzw. vorzeitigen Impfung des Antragstellers zu einer Vorwegnahme der Hauptsache führen würde. Denn selbst bei einem Obsiegen in der Hauptsache könnte der Antragsteller nicht mehr zugesprochen bekommen, als was er ausgehend von dem gestellten Antrag sowie unter Berücksichtigung seines Vorbringens begehrt. Eine Vorwegnahme der Hauptsache widerspricht grundsätzlich dem Wesen und dem Zweck der einstweiligen Anordnung. Im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung kann das Gericht grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und einem Antragsteller nicht schon im vollen Umfang, wenn auch nur unter Vorbehalt einer neuen Entscheidung in der Hauptsache, das gewähren, was er nur in einem Hauptsacheprozess erreichen könnte. Im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG, welcher einen effektiven Rechtsschutz gewährleistet, ist eine Vorwegnahme der Hauptsache im Eilverfahren ausnahmsweise dann zulässig, wenn dies im Interesse des Rechtsschutzes erforderlich ist und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit auch für den Erfolg im Hauptsacheverfahren spricht (vgl. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 123 Rn. 13 f.).
Gemessen hieran liegen die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht vor, da eine noch zu erhebende Klage in der Hauptsache mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben wird.
Es kann dabei dahinstehen, ob der Antragsteller allein durch das Vorbringen, dass sich sein Ehemann ab 24. März 2021 in eine ambulante Reha begeben müsse, ein über den nachvollziehbaren Wunsch einer Vielzahl an Personen in vergleichbarer Situation möglichst schnell einen Termin für eine Schutzimpfung gegen das Coronavirus zu erhalten hinausgehendes individuelles Interesse an einer gerichtlichen Eilentscheidung und damit einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht hat, denn es fehlt jedenfalls an einem Anordnungsanspruch.
Der Antrag richtet sich zwar gegen den richtigen Antragsgegner. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 CoronaImpfV sind die Länder für die Leistungserbringung in Impfzentren und durch mobile Impfteams grundsätzlich zuständig. Die Impfzentren werden von den Ländern oder im Auftrag der Länder errichtet und betrieben. Nach § 3 Abs. 2 GDVG sind die unteren Behörden für Gesundheit, Veterinärwesen und Verbraucherschutz sachlich zuständig, soweit nichts anderes bestimmt ist. Es ist folglich mangels ersichtlicher anderweitiger Regelung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes davon auszugehen, dass für die Erfüllung des Impfanspruchs die untere Gesundheitsbehörde zuständig und damit vorliegend für den im Landkreis … wohnhaften Antragsteller, das Landratsamt … und damit dessen Rechtsträger der richtige Antragsgegner ist (vgl. so auch BayVGH, B.v. 10.2.2021 – 20 CE 21.321 – Rn. 14; VG Regensburg, B.v. 3.2.2021 – RN 5 E 21.151 – S. 6 ff.).
Der Antragsteller hat jedoch keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Bei summarischer Prüfung besteht der begehrte Anspruch des Antragstellers – unabhängig von der Frage der Verfassungsmäßigkeit der CoronaImpfV – weder nach den Bestimmungen der CoronaImpfV noch unmittelbar aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG bzw. Art. 3 Abs. 1 GG. Letzterem Anspruch käme insbesondere Bedeutung zu, wenn man aufgrund eines Verstoßes gegen den Parlamentsvorbehalt zur Auffassung käme, dass die CoronaImpfV verfassungswidrig wäre.
Der Antragsteller hat zwar grundsätzlich einen Anspruch auf eine Schutzimpfung gegen das Coronavirus nach § 1 Abs. 1 CoronaImpfV, nicht jedoch auf die sofortige Impfung bzw. die Verabreichung einer Schutzimpfung mit höchster Priorität (§ 2 CoronaImpfV). Die allgemein bekannte Knappheit der Impfstoffe ermöglicht eine Teilhabe nur im Rahmen der aktuell zur Verfügung stehenden Kapazitäten und erfordert daher eine Priorisierung, welche in den §§ 2 bis 4 CoronaImpfV vorgenommen wurde, im Wesentlichen den Beschlussempfehlungen der Ständigen Impfkommission am Robert-Koch-Institut (STIKO) nach § 20 Abs. 2 IfSG entspricht und dem Grunde nach nicht zu beanstanden ist (vgl. BayVGH, B.v. 10.2.2021 – 20 CE 21.321 – BeckRS 2021, 1832 Rn. 16; LSG Niedersachsen-Bremen, B.v. 2.2.2021 – L 5 SV 1/21 B ER – juris; VG Würzburg, B.v. 18.3.2021 – W 8 E 21.352).
Dabei ist zunächst zu beachten, dass die vom Antragsteller vorgebrachten Aspekte, nach denen er Hochrisikopatient der zweiten Priorisierungsgruppe (§ 3 CoronaImpfV) sei und die Betreuung seiner fast 90-jährigen Mutter weder durch die Vorlage geeigneter ärztlicher Atteste bzw. des Betreuerausweises geschweige denn einen Nachweis, der den Anforderungen des § 6 Abs. 4 CoronaImpfV zum Nachweis der Anspruchsberechtigung und Prüfung der Priorisierung genügen würde, gegenüber dem Gericht glaubhaft gemacht wurden. Das vorgelegte ärztliche Attest vom 7. Januar 2021 bescheinigt lediglich pauschal, dass der Antragsteller Risikopatient und chronisch erkrankt sei, weshalb die Covid-19-Impfung dringendst empfohlen werde. Für das nach § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 CoronaImpfV zum Nachweis der Anspruchsberechtigung erforderliche ärztliche Zeugnis über das Vorliegen der Erkrankung genügt es zwar, wenn dieses das Vorliegen einer in § 3 Absatz 1 Nummer 2 Buchst. a bis j CoronaImpfV aufgelisteten Erkrankung bescheinigt. Eine ausdrückliche Benennung der Erkrankung ist aus Datenschutzgründen nicht erforderlich (vgl. Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit zur CoronaImpfV, Stand: 9. März 2021, zu Absatz 4 und zu Absatz 5, S. 33). Jedoch genügt das vorgelegte ärztliche Attest diesen Anforderungen nicht, da es keinerlei Angaben über das Vorliegen von Krankheiten, die zu einer Anspruchsberechtigung nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a bis j CoronaImpfV führen, enthält.
Selbst wenn man die vorgebrachten Risikofaktoren als glaubhaft gemacht unterstellt, vermitteln diese „lediglich“ einen Anspruch auf eine Schutzimpfung mit hoher Priorität nach § 3 CoronaImpfV. In § 3 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c CoronaImpfV sind etwa Personen mit schwerer Depression genannt, in § 3 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. j CoronaImpfV solche mit Adipositas bei einem BMI über 40. Bezüglich der Betreuung der Mutter des Antragstellers kommt zudem eine Priorisierung nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a CoronaImpfV als eine enge Kontaktperson einer nicht in einer Einrichtung befindlichen pflegebedürftigen Person in Betracht, obgleich es hierzu wiederum an näheren Angaben fehlt. Ob es sich bei der vom Antragsteller pauschal angeführten Lungenerkrankung um eine solche im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e CoronaImpfV handelt, vermag das Gericht ohne entsprechende ärztliche Atteste nicht zu erkennen.
Demgemäß ist der Antragsteller nach obigen Ausführungen – die Richtigkeit seiner Angaben unterstellt – jedenfalls nach § 3 Abs. 1 CoronaImpfV mit hoher Priorität anspruchsberechtigt im Hinblick auf eine Schutzimpfung gegen das Coronavirus, nicht aber mit höchster Priorität nach § 2 CoronaImpfV, was ggf. einen Anspruch auf sofortige jedenfalls aber auf vorzeitige Schutzimpfung vermitteln würde.
Eine andere Einordnung des Antragstellers bzw. ein Anspruch auf die Erteilung eines sofortigen Impftermins ergibt sich auch nicht aus Härtefallregelungen bzw. Öffnungsklauseln der CoronaImpfV.
Eine Einzelfallentscheidung dahingehend, Personen wie den Antragsteller mit hoher Priorität nach § 3 CoronaImpfV in die Gruppe der Personen mit höchster Priorität nach § 2 CoronaImpfV höherzustufen und ihm einen sofortigen Impftermin zuzuteilen, kommt aus Priorisierungsgründen grundsätzlich nicht in Betracht. Die Neufassung der Corona-Impfverordnung vom 8. Februar 2021 und auch die aktuell gültige Fassung vom 10. März 2021 bieten angesichts des Wortlauts („Die Länder und der Bund haben den vorhandenen Impfstoff so zu nutzen, dass …“, § 1 Abs. 2 Satz 1 CoronaImpfV) keinen Anhaltspunkt mehr für eine behördliche Ermessensentscheidung (vgl. VG Osnabrück, B.v. 4.3.2021 – 3 B 4/21; VG Frankfurt, B.v. 12.2.2021 – 5 L 219/21.F – juris). Die Regelung des § 1 Abs. 3 CoronaImpfV, wonach von der Reihenfolge nach Absatz 2 Satz 1 abgewichen werden kann, wenn dies für eine effiziente Organisation der Schutzimpfungen oder eine zeitnahe Verwendung vorhandener Impfstoffe notwendig ist, insbesondere um einen Verwurf von Impfstoffen zu vermeiden, führt zu keiner anderen Beurteilung. Denn diese Regelung stellt angesichts ihres klaren Wortlauts ein objektives Recht dar, welches allein einer möglichst effizienten Impforganisation dient, und verleiht der einzelnen Person kein subjektiv-öffentliches Recht auf Berücksichtigung eines besonderen individuellen Schutzbedarfs (BayVGH, B.v. 10.2.2021 – 20 CE 21.321 – BeckRS 2021, 1832 Rn. 19). Hinsichtlich der sofortigen Zuteilung eines Impftermins ist ohnehin zu beachten, dass im Zuständigkeitsbereich des Landratsamtes … nach dessen unwiderlegtem Vorbringen noch nicht einmal alle Personen der höchsten Priorisierungsstufe vollständig geimpft sind, weshalb der Antragsteller letztlich mit seinem Antrag auf sofortige Impfung nicht nur eine Höherstufung in die Gruppe der Anspruchsberechtigten mit höchster Priorität, sondern vielmehr auch innerhalb dieser Gruppe Vorrang vor anderen genannten Personengruppen begehrt (vgl. VG Potsdam, B.v. 4.2.2021 – VG 6 L 89/21 – juris Rn. 11). Für die Glaubhaftmachung bzw. das Vorliegen eines derartigen Anspruchs fehlt es an substantiiertem Vorbringen und auch sonst an Anhaltspunkten.
Für die Personengruppen, die nach § 3 der CoronaImpfV mit hoher Priorität oder nach § 4 der CoronaImpfV mit erhöhter Priorität Anspruch auf Schutzimpfung haben, enthalten § 3 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. k und § 4 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. i CoronaImpfV jeweils eine Regelung, die die Berücksichtigung nicht ausdrücklich genannter medizinischer Härtefälle, bei denen ein erhöhtes, hohes oder sehr hohes Risiko für einen schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf nach einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 besteht, ermöglichen soll. Eine entsprechende Höherstufung in die Gruppe mit höchster Priorität nach § 2 CoronaImpfV ist nicht vorgesehen. Angesichts der oben genannten Regelungen für die Gruppen der hohen und erhöhten Priorität ist für eine etwaige entsprechende Anwendung der Vorschriften kein Raum, da vom Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke nicht ausgegangen werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 10.2.2021 – 20 CE 21.321 – BeckRS 2021, 1832 Rn. 18).
Eine Einordnung des Antragstellers in die Kategorie der Personen, die mit höchster Priorität und ggf. sofort Anspruch auf Schutzimpfung haben, sieht die Coronavirus-Impfverordnung auch unter dem Gesichtspunkt eines atypischen Einzelfalls nicht vor.
Ein Anspruch des Antragstellers auf Erteilung eines sofortigen Impftermins ergibt sich auch weder unmittelbar aus seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG auf Leben und körperliche Unversehrtheit noch folgt aus dem genannten Grundrecht unmittelbar ein Teilhabeanspruch des Antragstellers an den verfügbaren Impfkontingenten noch aus Art. 3 Abs. 1 GG ein Anspruch auf Gleichbehandlung (vgl. VG Osnabrück, B.v. 4.3.2021 – 3 B 4/21).
Darüber hinaus ist ein Leistungs- oder Teilhabeanspruch des Antragstellers aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ist nicht gegeben, weil auch dieser sich wegen der aktuell begrenzten Kapazität der Impfstoffe an nachvollziehbaren, wissenschaftlich basierten Erkenntnissen orientieren und damit ähnlichen Kriterien folgen muss wie der Anspruch nach § 1 Abs. 1 Satz 1 CoronaImpfV (BayVGH, B.v. 10.2.2021 – 20 CE 21.321 – BeckRS 2021, 1832 Rn. 20). Insbesondere dürften diesbezüglich keine anderen Darlegungsanforderungen gelten wie bei einer Einzelfallfalleinstufung in die Gruppe hoher (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. j CoronaImpfV) bzw. erhöhter (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. i CoronaImpfV) Impfpriorität, wobei – ungeachtet des § 6 Abs. 6 CoronaImpfV – in jedem Fall entsprechende nachvollziehbare (ärztliche) Zeugnisse zur Glaubhaftmachung zu fordern sind, woran es vorliegend aber fehlt.
Wie die staatlichen Organe ihre Verpflichtung zu einem effektiven Schutz des Lebens erfüllen, obliegt grundsätzlich ihrer eigenen Verantwortung (BVerfG, B.v. 16.10.1977 – 1 BvQ 5/77 – juris, Rn. 14). Die Verfassung gibt dabei den Schutz als Ziel vor, nicht aber seine Ausgestaltung im Einzelnen. Die sich aus dem Grundrecht des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ergebende Schutzpflicht ist verletzt, wenn die öffentliche Gewalt Schutzvorkehrungen entweder überhaupt nicht getroffen hat oder offensichtlich die getroffenen Regelungen und Maßnahmen gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind, das Schutzziel zu erreichen (BVerfG, B.v. 29.10.1987 – 2 BvR 624/83, 2 BvR 1080/83, 2 BvR 2029/83 – juris, Rn. 101). Das in der CoronaImfpV geregelte Schutzniveau entspricht diesen Anforderungen, wobei sich der Verordnungsgeber im Rahmen des im zukommenden weiten Gestaltungsspielraums bewegt. Schutzvorkehrungen werden weder unterlassen noch erweisen sie sich als gänzlich ungeeignet (vgl. VG Osnabrück, B.v. 4.3.2021 – 3 B 4/21).
Ferner hat der Antragsteller keinen Anspruch aus Art. 3 Abs. 1 GG auf Gleichbehandlung mit in die höchste Prioritätsgruppe eingestuften Personen bzw. mit Personen der zweiten Prioritätsgruppe i.S.v. § 3 CoronaImpfV, die bereits geimpft wurden.
Aus dem Gleichbehandlungsgebot nach Art. 3 Abs. 1 GG folgt, dass wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln ist. Differenzierungen bedürfen stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Allerdings ist der Gesetzgeber durch das Gleichheitsgebot nicht gehindert, sich in Massenverfahren an Stelle eines ausschließlich individuellen Wirklichkeitsmaßstabes aus Gründen der Verfahrensvereinfachung generalisierender, pauschalierender und typisierender Regelungen zu bedienen (vgl. OVG NW, B.v. 22.1.2021 – 13 B 58/21 – juris Rn. 10).
Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG ist vorliegend nicht ersichtlich. Die in der CoronaImpfV vorgenommene Einordnung bestimmter Personengruppen in die höchste Prioritätsstufe nach § 2 CoronaImpfV ist durch Sachgründe gerechtfertigt. Die erfolgte Priorisierung ist dabei grundsätzlich nicht zu beanstanden. Sie entspricht im Wesentlichen den Beschlussempfehlungen der am RKI angesiedelten Ständigen Impfkommission nach § 20 Abs. 2 IfSG – STIKO (vgl. zuletzt den „Beschluss der STIKO zur 3. Aktualisierung der COVID-19-Impfempfehlung und die dazugehörige wissenschaftliche Begründung“, Stand der Aktualisierung vom 12. März 2021; abzurufen unter: RKI – Impfungen A – Z – STIKO-Empfehlungen zur COVID-19-Impfung – Epidemiologisches Bulletin -; zuletzt abgerufen am 18. März 2021). Das Gericht hat keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass diese Empfehlungen nicht auf den jeweils neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren und regelmäßig evaluiert werden (vgl. auch BayVGH, B.v. 10.2.2021 – 20 CE 21.321 – BeckRS 2021, 1832 Rn. 16; LSG Niedersachsen-Bremen, B. v. 2.2.2021 – L 5 SV 1/21 B ER – juris).
Die vom Antragsteller vorgebrachten individuellen Risikofaktoren wurden bei der Aufstellung der CoronaImpfV jedenfalls zum Großteil ausdrücklich benannt und vom Verordnungsgeber in rechtlich zu beanstandender Weise nicht für eine Anspruchsberechtigung mit höchster Priorität nach § 2 Abs. 1 CoronImpfV berücksichtigt.
Im Übrigen führen Einzelfälle, in denen Personen außerhalb der durch die Priorisierung vorgegebenen Reihenfolge geimpft worden sind bzw. an die möglicherweise unberechtigterweise ein Impftermin vergeben wurde, nicht dazu, dass der Antragsteller daraus für sich einen Anspruch für sich herleiten könnte. Er kann keine Gleichbehandlung „im Unrecht“ für sich beanspruchen (vgl. statt vieler BVerwG, U.v. 26.2.1993 – 8 C 20/92 – juris Rn. 14 m.w.N.).
Nach alledem hat der Antragsteller unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Zuteilung eines sofortigen Impftermins bzw. Höherstufung in die Gruppe der Anspruchsberechtigten mit höchster Priorität gegen den Antragsgegner und der Antrag war abzulehnen.
2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG. Da der Antragsteller wie dargestellt eine Vorwegnahme der Hauptsache begehrt, war von einer Halbierung des Streitwerts gemäß Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs abzusehen.


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