Europarecht

Anspruch auf Erteilung einer beschränkten Erlaubnis zur Nutzung von Tiefengrundwasser zum Zwecke der Frostschutzberegnung von Christbaumkulturen (abgelehnt), Anforderungen an die Prognose einer zu erwartenden schädlichen Gewässerveränderung (§ 12 Abs. 1 Nr. 1 WHG), Abweichung von der Einschätzung des Wasserwirtschaftsamts zu Lasten des Klägers durch die Genehmigungsbehörde, Ausübung des Bewirtschaftungsermessen (§ 12 Abs. 2 WHG), Anordnung der Beseitigung einer formell und materiell illegalen Brunnenanlage

Aktenzeichen  M 2 K 20.3647

Datum:
14.12.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 49465
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WHG §§ 3, 12, 46, 49
BayWG Art. 15, 29, 30
VwGO § 114

 

Leitsatz

1. Das Landesamt für Umwelt und die Wasserwirtschaftsämter verfügen als wasserwirtschaftliche Fachbehörden nach Art. 63 Abs. 3 BayWG über einen epistemischen Erkenntnis-, Erfahrungs- und Einschätzungsvorsprung, der Auswirkungen auf die Amtsermittlungspflichten nach § 86 Abs. 1 VwGO hat, aber keine die Kontrolldichte der Verwaltungsgerichte reduzierende Einschätzungsprärogative begründet.
2. Verbinden Wasserwirtschaftsämter ihre fachlichen Einschätzungen mit juristisch-ökonomischen Bewertungen der zu begutachtenden Vorhaben, verlassen sie den Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgabenzuschreibung (Art. 63 Abs. 3 BayWG) und können insoweit von vornherein keinen Erkenntnis-, Erfahrungs- und Einschätzungsvorsprung für sich in Anspruch nehmen.
3. Der auf viele Jahre angelegte Betrieb einer Brunnenanlage, die Zugriff auf einen besonders schützenswerten Tiefengrundwasserbestand ermöglicht, durch einen privatwirtschaftlich agierenden und kaum mit wasserwirtschaftlicher Kompetenz ausgestatteten Vorhabenträger ist grundsätzlich mit der Erwartung von schädlichen Gewässerveränderungen verbunden, die auch nicht durch gefahrenreduzierende Nebenbestimmungen mit genügender Sicherheit vermieden werden können (§ 12 Abs. 1 Nr. 1 WHG).
4. Im Rahmen des Bewirtschaftungsermessens nach § 12 Abs. 2 WHG ist die zuständige Behörde nicht verpflichtet, zugunsten eines privatnützigen Vorhabenträgers zu berücksichtigen, dass durch sein beabsichtigtes Zutagefördern von Grundwasser aus den oberen Schichten des tertiären Hauptgrundwasserleiters noch tiefer liegenderes Grundwasser geschont werde, das er ansonsten vom Wasserversorger aus dem öffentlichen Versorgungsnetz für seine Bewässerungszwecke beziehen würde.

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

A. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat weder einen Anspruch darauf, den Beklagten zu verpflichten, eine beschränkte Erlaubnis für das Zutagefördern von Grundwasser aus den bestehenden Brunnen auf dem Grundstück Fl.-Nr. …, Gem. …, zu erteilen noch einen Anspruch darauf, den Beklagten zu verpflichten, über den Antrag erneut nach der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der Bescheid ist auch im Übrigen rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
I. Der Kläger bedarf für den von ihm errichteten Brunnen einer beschränkten wasserrechtlichen Erlaubnis (1.). Hierauf hat er jedoch keinen Anspruch, die Ablehnung der beantragten Erlaubnis war nicht rechtswidrig (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Einer Erteilung einer Erlaubnis steht bereits § 12 Abs. 1 Nr. 1 WHG entgegen (2.), jedenfalls aber ist die Versagung der Erlaubnis nach Maßgabe des § 12 Abs. 2 WHG ermessensfehlerfrei erfolgt (3.).
1. a) Der Brunnen erschließt altes sog. Tiefengrundwasser und leitet dieses in ein Speicherbecken, von dem aus es zur Frostschutzberegnung verwendet wird. Tiefengrundwasser ist nach dem Merkblatt „Nutzung tiefer Grundwässer“ des Bayerischen Landesamts für Umwelt – nach Art. 63 Abs. 3 Satz 1 BayWG ebenso wie die Wasserwirtschaftsämter eine wasserwirtschaftliche Fachbehörde; zur normativen Maßgeblichkeit des Merkblatts vgl. a. Nr. 2.5.2.2 Verwaltungsvorschrift zum Vollzug des Wasserrechts (VVWas) – das Grundwasser, das im zweiten oder einem tiefer liegenden Grundwasserstockwerk zirkuliert. „Es unterscheidet sich in vieler[lei] Hinsicht vom sog. oberflächennahen Grundwasser. Die reine Tiefenlage ist kein begriffsbestimmendes Kriterium. Gemeint sind (…) jene Grundwässer, deren Zirkulation und damit auch die Neubildung nur sehr langsam erfolgt. Ihre Strömung orientiert sich nicht an lokalen Vorflutern, sondern an überregionalen Entwässerungssystemen. Aufgrund der geringen Regenerationsrate sind sie mindestens mehrere Jahrzehnte bis Jahrtausende alt. Rückschlüsse auf das Alter erlaubt der Gehalt an bestimmten Isotopen, die ausschließlich mit dem Niederschlag ins Grundwasser gelangen: Zum einen lässt sich aufgrund der Halbwertszeit von Radionukliden wie z. B. Tritium (3H; 12,3 Jahre) oder Kohlenstoff 14 (14C; 5730 Jahre) der Neubildungszeitpunkt errechnen. Zum andern kann auch der Gehalt an stabilen Isotopen wie Deuterium (2H) oder Sauerstoff 18 (18O) Hinweise auf die Neubildungsumstände geben (z. B. eiszeitliche Verhältnisse)“ – S. 2 des Merkblatts Nr. 1.4/6, Stand: 28. Juni 1995, abrufbar unter https://www.lfu.bayern.de/wasser/merkblattsammlung/teil1_grundwasserwirtschaft/index.htm.
Vorliegend hat eine Isotopenuntersuchung einer aus dem Brunnen des Klägers entnommenen Grundwasserprobe durch eine private Untersuchungsstelle (Prüfbericht vom 23.4.2018) ergeben, dass es sich um Grundwasser handelt, das deutlich von altem, vor mindestens 60 Jahren neu gebildeten Grundwasser dominiert wird. Auch das Wasserwirtschaftsamt geht von Tiefengrundwasser aus; der Brunnen erschließt im Wesentlichen Wasser aus den oberen Schichten des tertiären Hauptgrundwasserleiters (vgl. Gutachten vom 22.5.2018, Nr. 2.2.7, 2.3; zur geologischen Situation siehe auch die vom Kläger vorgelegte Stellungnahme J. W., S. 2 f., 8 f.).
b) Mit dem zielgerichteten Abpumpen dieses Grundwassers durch die Brunnenanlage und dem damit verbundenen planmäßigen Emporheben des Wassers an die Oberfläche fördert der Kläger Grundwasser zutage (vgl. zum Begriff Knopp/Müller in Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG, 56. EL Juli 2021, § 9 Rn. 69) und verwirklicht damit den Benutzungstatbestand des § 9 Abs. 1 Nr. 5 WHG. Der Benutzungstatbestand des § 9 Abs. 1 Nr. 4 WHG, der durch seine Einbeziehung der Legaldefinition von Gewässer auch Grundwasser erfasst (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WHG), wird hingegen nicht verwirklicht. Zwar wird der Brunnen als Bauwerk in einem phänomenologischen Sinne ins Grundwasser „eingebracht“, da andernfalls kein Wasser abgepumpt werden könnte. Eine Verwirklichung des Benutzungstatbestands des § 9 Abs. 1 Nr. 4 WHG liegt aber hierin nicht, weil dieser Vorgang integraler Bestandteil eines jeden Zutageförderns ist, das begrifflich nicht ohne hierzu geeignete Einrichtung denkbar ist (vgl. Knopp/Müller in Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG, 56. EL Juli 2021, § 9 Rn. 69 und Rn. 73). Infolgedessen ist Prüfungsmaßstab für das klägerische Anliegen hinsichtlich des Benutzungstatbestands – anders als der Beklagte offenbar (auch) meint (vgl. Seite 8 f. des Bescheids, dort aber im Zusammenhang mit der Rückbauverpflichtung) – nicht § 48 WHG und sein strenger Besorgnisgrundsatz. Die Frage, ob trotz der Einrichtungsbezogenheit des Benutzungstatbestands „Zutagefördern“ die Brunnenanlage für sich genommen (zusätzlich) einer wasser- oder außerwasserrechtlichen Anlagengenehmigung bedarf, da die behördliche Zulassung von Benutzungstatbeständen grundsätzlich nicht die Anlage, sondern nur die auf das Gewässer einwirkende Handlung legalisiert (vgl. Czychowski/Reinhardt, WHG, 12. Aufl. 2019, § 9 Rn. 9; Breuer/Gärditz, Öffentliches und privates Wasserrecht, 4. Aufl. 2017, Rn. 344 ff.), ist nicht Gegenstand des Verfahrens.
c) Die nach § 8 Abs. 1 WHG i.V.m. Art. 15 Abs. 1 BayWG ausgelöste Erlaubnispflicht ist auch nicht ausnahmsweise zu verneinen. Die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 WHG liegen ersichtlich nicht vor. Aber auch die Voraussetzungen für eine erlaubnisfreie Benutzung des Grundwassers nach § 46 WHG sind nicht gegeben (aa), ebenso wenig die Ausnahme nach Art. 29 BayWG (bb).
aa) Der vom Kläger verfolgte Benutzungszweck wird von denjenigen Zwecken, die in § 46 Abs. 1 Satz 1 WHG genannt sind, nicht erfasst. Insbesondere soll das Zutagefördern nicht für den landwirtschaftlichen Hofbetrieb erfolgen. Unter einem landwirtschaftlichen Hofbetrieb im Sinne der Vorschrift ist jede Verwendung zu landwirtschaftlichen Zwecken auf dem Hof, dem Mittelpunkt des landwirtschaftlichen Betriebs, zu verstehen (vgl. zum Begriff der Landwirtschaft § 201 BauGB). Nicht erfasst werden hingegen die externen landbaulich genutzten Flächen wie Äcker, Wiesen und Weiden sowie Nebenbetriebe. Hierfür spricht die Entstehungsgeschichte der Norm und die Berücksichtigung des ausdrücklich durch § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WHG privilegierten Verwendungszwecks des „Tränkens von Vieh außerhalb des Hofbetriebes“ (vgl. Meyer in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: 73. EL August 2014, § 46 WHG Rn. 10; Czychowski/Reinhardt, WHG, 12. Aufl. 2019, § 46 Rn. 14). Der Kläger möchte aber gerade seine insoweit externen Bewirtschaftungsflächen, auf denen er Christbaumkulturen anbaut, bewässern.
Außerdem lässt die Entnahme von Tiefengrundwasser nach Maßgabe von Nr. 2.5.2.2 VVWas – hier wie im Regelfall – signifikante nachteilige Auswirkungen auf den Wasserhaushalt besorgen, so dass die Voraussetzung des § 46 Abs. 1 Satz 1 WHG a.E. nicht erfüllt ist.
bb) Die Voraussetzungen des Art. 29 BayWG liegen ebenfalls nicht vor. Abgesehen davon, dass bei einer jährlichen Entnahmemenge von 30.000 m³ nicht mehr von einer geringen Menge auszugehen sein dürfte, verwirklicht der Kläger jedenfalls seinen Benutzungstatbestand nicht für die Zwecke der Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit, sondern um Frostschäden an seinen Christbaumkulturen zu verhindern, die die Marktfähigkeit der Bäume reduzieren würden.
2. Ein Anspruch des Klägers auf Erlaubniserteilung besteht nicht. Der Erteilung einer Erlaubnis steht bereits § 12 Abs. 1 Nr. 1 WHG entgegen. Hiernach ist eine Erlaubnis von Gesetzes wegen zu versagen (gebundene Entscheidung, vgl. Czychowski/Reinhardt, WHG, 12. Aufl. 2019, § 12 Rn. 10; Ell in Drost, Das neue Wasserrecht in Bayern, WHG, Stand: Januar 2016, § 12 Rn. Rn. 14; a.A. Pape in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: 61. EL April 2011, § 12 WHG Rn. 46), wenn schädliche, auch durch Nebenbestimmungen nicht vermeidbare oder nicht ausgleichbare Gewässerveränderungen zu erwarten sind.
a) § 12 Abs. 1 Nr. 1 WHG verlangt bei der Anwendung im Einzelfall zunächst von der Behörde und sodann anschließend – und insoweit mangels Reduktion der gerichtlichen Kontrolldichte vorrangig – vom zur Entscheidung angerufenen Gericht die Vornahme einer (Gefahren-)Prognose. Zum Zwecke der Rationalisierung der Prognose sind dabei deren analytische Bestandteile auseinanderzuhalten (vgl. zum Ganzen Riese in Schoch/Schneider, VwGO, Stand: 36. EL Februar 2019, § 114 Rn. 153; Ramsauer, NordÖR 2019, 157/163; Schönenbroicher in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Aufl. 2019, § 40 Rn. 124). Zunächst ist deshalb der nach den wasserrechtlichen Vorgaben maßgebliche zukünftige (schädigende) Sachverhalt bzw. Zustand zu identifizieren, auf dessen (Nicht-)Eintritt es kraft Gesetzes ankommt; vorliegend bildet nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 WHG dieses maßgebliche Prognoseereignis eine (künftige) schädliche Gewässerveränderung (näher unter b). Sodann ist zu bestimmen, mit welcher (Prognose-)Wahrscheinlichkeit dieses Ereignis (nicht) eintreten muss (darf). Vorliegend muss die Gefahr lediglich hinreichend wahrscheinlich sein (näher unter c). Schließlich bedarf es der Ermittlung und Anwendung einer wasserfachlichen Prognosemethode – vorliegend genügt u.a. die allgemeine Lebenserfahrung (näher unter d) – auf gegenwärtige Tatsachen (sog. Prognosebasis), um einen zumindest validen (Wahrscheinlichkeits-)Schluss auf den Eintritt oder Nichteintritt des Prognoseereignisses zu ziehen.
Im Rahmen dieser Prognose ist zweierlei zu beachten: Erstens unterliegt die Prognose (in all ihren analytisch-methodischen, gegenwartswie zukunftsbezogenen Bestandteilen) vollumfänglich der gerichtlichen Kontrolle. Ebenso wie im allgemeinen Sicherheitsrecht resultiert aus dem Prognosecharakter einer Gefahrbeurteilung kein Beurteilungsspielraum bzw. keine Einschätzungsprärogative (vgl. zu diesen Begriffen, auch im Wasserrecht, Jacob/Lau, NVwZ 2015, 241/242) und damit auch keine Reduktion der gerichtlichen Kontrolldichte (vgl. allg. Schneider in Schoch/Schneider, VwVfG, Stand: 1. EL August 2021, § 24 Rn. 171; speziell zum Sicherheitsrecht statt vieler prägnant Buchberger in Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 7. Aufl. 2021, Kap. K Rn. 78; a. A. unter Verweis auf nicht näher benannte, im allgemeinen Ordnungsrecht vermeintlich anerkannte Grundsätze Pape in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: 61. EL April 2011, § 12 WHG Rn. 29).
Zweitens ist zu beachten, dass das Wasserwirtschaftsamt durch Gesetz (Art. 63 Abs. 3 Satz 1 BayWG) als Fachbehörde zur innerbehördlichen Wissensgenerierung eingerichtet ist (Breuer/Gärditz, Öffentliches und privates Wasserrecht, 4. Aufl. 2017, Rn. 574) und es als wasserwirtschaftliche Fachbehörde über einen epistemischen Erkenntnis-, Erfahrungs- und Einschätzungsvorsprung verfügt (vgl. BayVGH, B.v. 7.8.2014 – 8 ZB 13.2583 – juris Rn. 8). Dieser hat, wenngleich keinen reduzierten Kontrollumfang, so doch zur Folge, dass seinen amtlichen Auskünften und Gutachten eine besondere Bedeutung und ein grundsätzlich wesentlich größeres Gewicht als Expertisen privater Fachinstitute zukommt (st. Rechtsprechung, vgl. nur BayVGH, B.v. 2.1.2020 – 8 ZB 19.47 – juris Rn. 11 m.w.N.). Hieraus resultiert für die Gerichte (wie auch im Verwaltungsverfahren für die zuständige Behörde) eine Veränderung der Amtsermittlungspflichten. Die Notwendigkeit einer Abweichung und eventuellen Einholung weiterer Gutachten zur Aufhellung des Sachverhalts wird lediglich dann nötig, wenn Stellungnahmen des Wasserwirtschaftsamts von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgehen, Widersprüche enthalten oder wenn – wie letztlich hier (näher unten Rn. 42) – die gewählte Methodik nicht geeignet ist, den einschlägigen Vorgaben Rechnung zu tragen (vgl. nur BayVGH, B.v. 2.5.2011 – 8 ZB 10.2312 – juris Rn. 11).
b) § 12 Abs. 1 Nr. 1 WHG benennt als maßgebliches Prognoseereignis (künftige) schädliche Gewässerveränderungen. § 3 Nr. 10 WHG definiert solche Veränderungen u.a. als Veränderungen von Gewässereigenschaften, die das Wohl der Allgemeinheit, insbesondere die öffentliche Wasserversorgung, beeinträchtigen. Gewässereigenschaften sind hierbei die auf die Wasserbeschaffenheit, die Wassermenge, die Gewässerökologie und die Hydromorphologie bezogene Eigenschaften von Gewässern und Gewässerteilen (§ 3 Nr. 7 WHG). Ein Gewässer ist wegen § 2 Abs. 1 Nr. 3 WHG auch Grundwasser im Sinne von § 3 Nr. 3 WHG. Öffentliche Wasserversorgung i.S.v. § 3 Nr. 10 WHG meint die der Allgemeinheit dienende Wasserversorgung (§ 50 Abs. 1 WHG) und damit die öffentliche Trinkwasserversorgung (vgl. BT-Drs. 16/12275, S. 54).
Eine „Beeinträchtigung“ (§ 3 Nr. 10 WHG) ist jede (als in der Zukunft realisiert gedachte) Störung, die nicht nur unerheblich ist (vgl. Guckelberger in Giesberts/Reinhardt, BeckOK Umweltrecht, Stand: 60. Ed. 1.10.2021, § 3 WHG Rn. 28; Faßbender in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 3 WHG Rn. 82). Eine Geringfügigkeitsgrenze muss also überschritten sein (Pape in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: 61. EL April 2011, § 12 WHG Rn. 38), wobei jedoch Summationswirkungen berücksichtigungsfähig sind (vgl. Pape in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: 61. EL April 2011, § 12 WHG Rn. 38: „Kumulationsgrundsatz“). Die (Un-)Erheblichkeit für sich genommen ist nicht relativ und daher nicht in Bezug zum Benutzungszweck, sondern „für sich“ zu bestimmen. Relativ wird die Betrachtung erst bei der Festlegung der maßgeblichen „kritischen“ Wahrscheinlichkeitsschwelle.
Das Zutagefördern des Grundwassers kann sich grundsätzlich auf die Wasserbeschaffenheit als einem Teilelement der Gewässereigenschaft im Sinne von § 3 Nr. 7 WHG auswirken. Wasserbeschaffenheit meint seine physikalische, chemische oder biologische Beschaffenheit (§ 3 Nr. 9 WHG). Die physikalische Beschaffenheit des Wassers wird u.a. vom Gehalt an absetzbaren Feststoffen, die chemische Zusammensetzung des Wassers bei Veränderungen der natürlicherweise vorhandenen gelösten oder aufgeschwemmten Beimengungen (Salze, Gase, Staub) beeinflusst (vgl. Guckelberger in Giesberts/Reinhardt, BeckOK Umweltrecht, Stand: 60. Ed. 1.10.2021, § 3 WHG Rn. 28). Zwar kann sich die Gefahr eines Schadstoffeintrags ins Grundwasser – und damit die Gefahr einer Veränderung der physikalischen oder chemischen Beschaffenheit – bei der Herstellung der Brunnenanlage des Klägers angesichts ihrer Fertigstellung nicht mehr realisieren und kann sie insoweit im Rahmen der Prüfung einer erst nachträglichen Erlaubniserteilung nicht berücksichtigt werden (vgl. zum „Baustellenrisiko“ bei der Errichtung einer Tiefgarage im Wasserschutzgebiet VG München, U.v. 22.2.2022 – M 2 K 20.1975). Eine solche Gefahr besteht aber auch durch den fortwährenden Brunnenbetrieb; würde sie sich realisieren, wäre eine nicht nur unerhebliche Störung zu bejahen. Sie besteht, weil die Durchbrechung der Deckschichten insoweit den natürlichen Schutz des Grundwassers vor Oberflächeneinflüssen beseitigt. Ein Schadstoffeintrag wirkt zumindest auf die chemische Beschaffenheit ein. Das Zutagefördern des Grundwassers beschleunigt darüber hinaus den Mengenumsatz und kann auf diese Weise auch die Tiefenverlagerung von Schadstoffen und damit einen Qualitätsverlust beschleunigen. Diese Grundwassergefährdung kann zudem zu einer Trinkwassergefährdung führen, weil der Brunnen des Klägers im Anstrombereich der Brunnen … I und II liegt, die der öffentlichen Wasserversorgung i.S.v. § 3 Nr. 10 WHG dienen. Eine Verunreinigung des Grundwassers beeinträchtigt daher nicht nur dessen ökologischen Eigenwert (vgl. BVerfG, B.v. 7.11.1995 – 2 BvR 413/88 – juris Rn. 176 = BVerfGE 93, 319/349 – Wasserpfennig), sondern auch eine bereits stattfindende Nutzung im öffentlichen Interesse der Trinkwasserversorgung.
Ob das Zutagefördern des Grundwassers des Weiteren auch die Wassermenge (als weiteres Teilelement der Gewässereigenschaft nach § 3 Nr. 7 WHG) beeinträchtigt, wenn – wie hier vom Wasserwirtschaftsamt angenommen (vgl. Gutachten vom 22.5.2018, S. 5 f.) – die mit Blick auf den beabsichtigten Verbrauch erforderliche Grundwasserneubildungsfläche zur Verfügung steht, kann vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen dahinstehen.
c) Die Beeinträchtigung im vorgenannten Sinne muss nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 WHG „zu erwarten“ sein. Mit diesem Begriff beschreibt der Gesetzgeber das notwendige Maß der (Prognose-)Wahrscheinlichkeit, mit der das schädigende Ereignis mindestens eintreten muss, damit die Erteilung einer Erlaubnis strikt versagt. Der normative Gehalt dieser Formulierung ist nach dem Sinn und Zweck des wasserrechtlichen Regelungsregimes auszulegen. Mit Blick auf die hohe Schutzwürdigkeit gerade des Grundwassers als Trinkwasserressource sind die Anforderungen nicht streng. Es ist zwar mehr zu verlangen als eine „nur entfernte Möglichkeit“ (BVerwG, U.v. 17.3.1989 – 4 C 30/88 – juris Rn. 18, nachgehend zu BayVGH, U.v. 31.10.1986 – 8 B 84 A.2119, jeweils zum WHG a.F.) oder eine „bloß theoretische Möglichkeit“ (BayGH, U.v. 31.3.2001 – 15 B 96.1537 – juris Rn. 56 zu § 3 Abs. 2 Nr. 2 WHG a.F.), weil sonst kaum Raum für eine Vermeid- bzw. Ausgleichbarkeit von schädlichen Gewässerveränderungen verbliebe, wie sie aber in § 12 Abs. 1 Nr. 1 WHG vorgesehen ist. Auch auf den Besorgnisgrundsatz kann es mit Blick auf die divergierenden Formulierungen in § 32 Abs. 2 Satz 1 WHG und § 48 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 WHG nicht ankommen (vgl. BVerwG, B.v. 10.10.2017 – 7 B 5/17 – juris Rn. 17; OVG Lüneburg, U.v. 14.12.2016 – 13 LC 48/14 – juris Rn. 72). Andererseits ist aber auch keine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich (vgl. OVG Lüneburg, U.v. 14.12.2016 – 13 LC 48/14 – juris Rn. 71; VG Regensburg, U.v. 6.11.2017 – RN 8 K 16.798 – juris Rn. 42; Schendel/Scheier in Giesberts/Reinhardt, BeckOK Umweltrecht, Stand: 60. Ed. 1.10.2021, § 12 WHG Rn. 5; Pape in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: 61. EL April 2011, § 12 WHG Rn. 32). Vielmehr gilt der Maßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit (BVerwG, B.v. 10.10.2017 – 7 B 5/17 – juris Rn. 17; OVG Lüneburg, U.v. 14.12.2016 – 13 LC 48/14 – juris Rn. 71), wobei das Maß des Hinreichenden auch im Wasserrecht – wie im allgemeinen Polizei- und Sicherheitsrecht auch („Je-desto-Formel“) – in Relation zum quantitativen und qualitativen Ausmaß des von der beabsichtigen Gewässerbenutzung ausgehenden Gefährdungspotentials gesetzt und hierdurch bestimmt werden muss (vgl. Pape in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: 61. EL April 2011, § 12 WHG Rn. 28; s.a. BVerwG, B.v. 10.10.2017 – 7 B 5/17 – juris Rn. 17; VGH BW, U.v. 6.3.1991 – 5 S 2630/89 – juris Rn. 30; BayVGH, U.v. 12.7.1977 – 525 VIII 75 – Leitsatz nach juris; VG Würzburg, U.v. 20.3.2012 – W 4 K 11.492 – juris Rn. 28; Knopp/Müller in Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG, 56. EL Juli 2021, § 12 Rn. 31).
Die Formulierungen und Wendungen zur Konkretisierung des Maßstabs der hinreichenden Wahrscheinlichkeit variieren in Rechtsprechung und Literatur je nach Fall und Lage. Allgemein gesprochen kann es notwendig sein, dass immerhin überwiegende Gründe für das Auftreten einer schädlichen Gewässerveränderung sprechen müssen (vgl. Knopp/Müller in Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG, 56. EL Juli 2021, § 12 Rn. 31 m.w.N.), geboten sein kann aber auch (nur), dass die Möglichkeit einer schädlichen Gewässerveränderung nicht von der Hand zu weisen ist (OVG NW, U.v. 5.12.2018 – 20 A 499/16 – juris Rn. 72).
Im vorliegenden Fall geht es um Grund- und Trinkwasser, dessen Schutz im Wasserrecht von herausragender Bedeutung ist. Der Gesetzgeber misst der sicheren Gewährleistung der öffentlichen Wasserversorgung innerhalb der wasserwirtschaftlichen Benutzungsordnung höchste Bedeutung zu (HessVGH, B.v. 17.8.2011 – 2 B 1484/11 – juris Rn. 19; ähnlich BayVGH, U.v. 12.7.1977 – 525 VIII 75 – Leitsatz nach juris). Dies zeigt sich in gesetzlichen Normierungen wie etwa § 3 Nr. 10 WHG, der die öffentliche Wasserversorgung hervorgehoben benennt, ferner etwa auch in der weitreichenden Ermächtigung zur Einschränkung von Grundstücksnutzungen in Wasserschutzgebieten nach § 52 Abs. 1 WHG (vgl. ausführlich Hünnekens in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: 93. EL August 2020, § 50 WHG Rn. 4 ff.). Daher rechtfertigt „schon eine geringe Wahrscheinlichkeit einer Beeinträchtigung“ (Knopp/Müller in Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG, 56. EL Juli 2021, § 12 Rn. 31; vgl. a. HessVGH, B.v. 17.8.2011 – 2 B 1484/11 – juris Rn. 20: „an die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Schadens (…) nur geringe Anforderungen“) die Bejahung einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit und damit (vorbehaltlich der Vermeid- bzw. Ausgleichbarkeit) die Versagung einer Erlaubnis oder Bewilligung für eine Grundwasserentnahme nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 WHG.
Dieses niedrige (aber „über“ dem Besorgnisgrundsatz liegende) Wahrscheinlichkeitsmaß rechtfertigt sich nicht nur mit Blick auf die Wertigkeit des hier vorliegenden Gefährdungsgegenstandes, sondern auch mit Blick auf die bloße Privatnützigkeit des konkreten Vorhabens des Klägers. Der Kläger baut Christbäume an und verdient damit seinen Lebensunterhalt. Damit ist eine Benutzung von Grundwasser zur Frostschutzberegnung aus seiner Sicht nachvollziehbarerweise ein überaus wichtiges, möglicherweise gar existentielles Vorhaben, das ein zusätzliches Gewicht aus dem Umstand ableiten kann, dass der Kläger bereits das Rückhaltebecken – auf Basis einer vom Beklagten wohl auch in Kenntnis seines weiteren Brunnenvorhabens erteilten Genehmigung – errichtet und finanziert hat. Dennoch findet die individuelle Wichtigkeit privatnütziger Anliegen, erst recht wenn mit ihnen auch keine mittelbare Gemeinnützigkeit verbunden ist, normativ keine Entsprechung in einer Erhöhung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabs (zu Gunsten des Klägers). Der Gesetzgeber hat sich in verfassungskonformer Weise (vgl. BVerfG, B.v. 15.7.1981 – 1 BvL 77/78 – BVerfGE 58, 300 ff.) für ein Regime entschieden, das unterirdisches Wasser zur Sicherung einer funktionsfähigen Wasserbewirtschaftung einer vom Grundstückseigentum gelösten öffentlich-rechtlichen Benutzungsordnung unterstellt (vgl. BVerfG, B.v. 15.7.1991 – 1 BvL 77/78 – juris Rn. 110 = BVerfGE 58, 300/328 – Naßauskiesing) und es auch nicht als Allgemeingut dem Zugriff der Berufsfreiheit aussetzt. Gewässer sind in wasserwirtschaftlicher Hinsicht öffentliche Sachen im Sondergebrauch und unterliegen öffentlicher Bewirtschaftung (vgl. Breuer/Gärditz, Öffentliches und privates Wasserrecht, 4. Aufl. 2017, Rn. 284 f., 315). Entsprechend wurde die behördliche Zulassungskontrolle als repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt ausgestaltet, so dass es keinen Grundsatz der Gewässerbenutzungsfreiheit gibt (vgl. Hasche in Giesberts/Reinhardt, BeckOK Umweltrecht, Stand: 60. Ed. 1.12.2017, WHG, § 8 Rn. 1). Damit ist normativ eine strukturelle Geringwertigkeit von rein privatnützigen Vorhaben verbunden, der es entspricht, nicht erst bei einer höheren Gefährdungswahrscheinlichkeit von einer zu erwartenden Beeinträchtigung im Sinne von § 12 Abs. 1 i.V.m. § 3 Nr. 10 WHG auszugehen.
d) Die Verknüpfung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabs mit einem durch den Benutzungstatbestand (möglicherweise) verursachten künftigen schädigenden Ereignis im jeweils konkreten Fall erfolgt – jedenfalls in den Fällen, in denen das hochwertige Schutzgut „Trinkwasser“ in Rede steht – allein durch Anwendung (nur) der allgemeinen Lebenserfahrung oder anerkannter fachlicher Regeln als Prognosemethode (vgl. zum Maßstab Knopp/Müller in Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG, 56. EL Juli 2021, § 12 Rn. 29 ff.; Czychowski/Reinhardt, WHG, 12. Aufl. 2019, § 12 Rn. 25; VG Regensburg, U.v. 6.11.2017 – RN 8 K 16.798 – juris Rn. 42). Die Anforderungen an die fachliche Methodik sind insoweit nicht besonders hoch; es bedarf etwa nicht von vornherein stets einer exakten Untersuchung konkreter geologischer Wirkungszusammenhänge vor Ort.
Diese – jedenfalls im Zusammenhang mit Trinkwasserschutz – wenig strengen Anforderungen an die Prognosemethode bringt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof zum Ausdruck, wenn er formuliert, dass eine Beeinträchtigung „nach vernünftiger Prognose“ möglich ist (BayVGH, U.v. 12.7.1977 – 525 VIII 75 – Leitsatz nach juris). Mit dieser Wendung verknüpft er begrifflich die jeder Prognose wesensmäßig inhärenten Bestandteile Wahrscheinlichkeitsmaß und Prognosemethode; damit wird zum Ausdruck gebracht, dass es für die Bejahung von § 12 Abs. 1 Nr. 1 WHG genügt, wenn auf der Basis allgemeiner Lebenserfahrung oder anerkannter fachlicher Regeln eine nicht nur unerhebliche Störung des Wohl der Allgemeinheit nicht von der Hand zu weisen ist. Diese wenig strengen Anforderungen rechtfertigen sich vorliegend überdies ebenfalls nicht nur mit Blick auf die Wertigkeit des hier vorliegenden Gefährdungsgegenstandes (vgl. a. insoweit VGH BW, U.v. 6.3.1991 – 5 S 2630/89 – juris Rn. 30), sondern auch mit Blick auf die bloße Privatnützigkeit des konkreten Vorhabens des Klägers (vgl. dazu oben Rn. 38).
Im vorliegenden Fall ist auf der Basis allgemeiner Lebenserfahrung eine nicht nur unerhebliche Störung des Wohl der Allgemeinheit nicht von der Hand zu weisen. Sie ist hinreichend wahrscheinlich. Die Gefahr eines Schadstoffeintrags durch den Brunnenbetrieb, der stets mit einer Durchbrechung der schützenden Deckschichten verbunden ist, besteht (vgl. VG Regensburg, B.v. 20.11.2007 – RN 13 S 07.1796 – juris Rn. 60). Ein Zufluss biologisch verunreinigten Oberflächenwassers oder oberflächennahen, mit Schadstoffen belasteten Grundwassers ist grundsätzlich möglich, weil die schützenden Deckschichten durchbrochen wurden. Deshalb formuliert auch Nr. 2.1.18 VVWas, dass „die Möglichkeit einer schädlichen Gewässerveränderung, die das Wohl der Allgemeinheit gefährdet, (…) bereits dann gegeben (ist), wenn Deckschichten mit wesentlicher Schutzfunktion über dem Tiefengrundwasser erheblich geschwächt, entfernt oder durchdrungen werden“. Aus der Stellungnahme J. W. ergibt sich nichts anderes. Einerseits ist davon die Rede, dass „von der Existenz eines Brunnens allein (…) i.A. noch keine Gefahr (ausgeht)“, andererseits wird „die Wahrscheinlichkeit, dass durch einen Brunnen Schadstoffe in den Untergrund gelangen“ als (nur, aber immerhin) „gering“ bezeichnet. Eine nähere Begründung, weshalb es aus technischen oder physikalischen Gründen nur mit einer zu vernachlässigenden Wahrscheinlichkeit zu einem Eintrag kommen soll, fehlt.
Dass das Wasserwirtschaftsamt vorliegend im Ergebnis den Betrieb des Brunnens unter Hinweis auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und fehlende Alternativen für den Kläger akzeptiert hat (Gutachten vom 22.5.2018, S. 7 f.), ändert nichts an der Annahme einer hinreichend wahrscheinlichen Störung. Das Wasserwirtschaftsamt hat mit seiner juristisch-ökonomischen (Alternativen-)Bewertung den Rahmen seiner gesetzlichen Aufgabenzuschreibung überschritten und kann insoweit von vornherein keinen Erkenntnis-, Erfahrungs- und Einschätzungsvorsprung für sich in Anspruch nehmen. Der Beklagte und das Gericht weichen insoweit schon nicht von einer grundsätzlich Beachtung einfordernden Einschätzung des Wasserwirtschaftsamts ab. Das Wasserwirtschaftsamt hat im Rahmen normativer Vorgaben, die von der zuständigen Behörde durch rechtsmethodisch korrekte Auslegung zu ermitteln sind, eine fachliche Abschätzung der Prognosebasis zu liefern und eine (wasser-)fachliche Prognosemethodik zur Anwendung zu bringen. Es kommt daher nicht darauf an, ob das Wasserwirtschaftsamt bereits im Rahmen seiner Stellungnahme zur ordnungsgemäß angezeigten Brunnenbohrung einen Fehler gemacht hat, durch den es sich motiviert gesehen hat – letztlich aus einer Art Fairnessperspektive gegenüber dem Kläger -, den Brunnen hinzunehmen, solange bestimmte Auflagen eingehalten werden.
e) Schließlich geht das Gericht nicht davon aus, dass die zu erwartenden schädlichen Gewässerveränderungen im Sinne von § 12 Abs. 1 Nr. 1 WHG durch Nebenbestimmungen mit der gebotenen Sicherheit vermeidbar sind. Zwar nimmt das Wasserwirtschaftsamt in seiner Stellungnahme an, dass „nach Erfüllung“ der von ihm vorgeschlagenen „Auflagen ein (…) ausreichender Schutz des Tiefengrundwassers gewährleistet“ sei (Gutachten vom 22.5.2018, Nr. 2.2.7). Das Wasserwirtschaftsamt benennt dabei Auflagen, durch die aus seiner Sicht „deutlich höhere Anforderungen hinsichtlich des Brunnenausbaus, der Eigenüberwachung und der Dokumentation erfüllt werden, als sie normalerweise an Brunnen zur Feldbewässerung zu stellen sind“ (Gutachten vom 22.5.2018, Nr. 2.3).
Abgesehen davon, dass die gefahrenausschließenden Wirkungsweisen dieser Auflagen durch das Wasserwirtschaftsamt nicht vertieft dargelegt werden und diese jedenfalls bei Dokumentationspflichten, die nicht den Betrieb gestalten, sondern nur begleiten, auch nicht plausibel erscheinen, leiden die Annahmen des Wasserwirtschaftsamts an der Verknüpfung mit Verhältnismäßigkeitsüberlegungen (hier zugunsten des Klägers), mit der es aber seine Kompetenz überschreitet (vgl. oben Rn. 42). Durch diese unzulässige Vermengung von fachlichen und juristischen Wertungen geht bei den Ausführungen des Wasserwirtschaftsamts dieser für das Amt maßgebliche Bezugspunkt verloren. Denn das Wasserwirtschaftsamt hat ersichtlich zum Ausgangspunkt die Unzumutbarkeit einer Erlaubnisversagung genommen und vor diesem Hintergrund aus seiner Sicht möglichst wirkungsvolle Auflagen vorgeschlagen. Damit hat es zwar die wasserrechtlich vorgegebenen Gefahrenszenarien und den hierfür geltenden Wahrscheinlichkeitsmaßstab nicht völlig vernachlässigt und ist insoweit für das Tiefengrundwasser auch keine hohen Gefahren eingegangen, hat die Gefahrensensibilität des Gesetzes – nicht zuletzt vor dem Hintergrund des rein privatnützigen Vorhabens – aber doch zu gering gewichtet.
Außerdem stößt auch die Annahme des Wasserwirtschaftsamts auf Bedenken, durch die Anordnung der Geltung der Eigenüberwachungsverordnung über den gesetzlichen Geltungsbereich nach § 1 EÜV hinaus (im Wege der Nebenbestimmung, vgl. Gutachten vom 22.5.2018, Nr. 3.3.5) die Vermeidung von schädlichen Gewässerveränderungen erreichen zu können. Es bedarf dabei keiner näheren Untersuchung, ob und gegebenenfalls inwieweit die Eigenüberwachungsverordnung ihrem Sinn und Zweck nach einer Geltungserweiterung durch Nebenbestimmung von vornherein entgegensteht, da das Wasserwirtschaftsamt jedenfalls versäumt hat, die Frage zu beantworten, ob vom Kläger, der vorrangig Landwirtschaft betreibt, eine Befolgung der Anforderungen der Eigenüberwachung erwartet werden kann. Das ist keine Frage nach einer möglichen Unzuverlässigkeit des Klägers, sondern nach einer realistischen Umsetzung einer Nebenbestimmung, deren Zweck sich nicht schon mit der Anordnung erfüllt, sondern die „gelebt“ werden muss. Das Gericht geht davon aus, dass der auf viele Jahre angelegte Betrieb einer Brunnenanlage, die Zugriff auf einen besonders schützenswerten Tiefengrundwasserbestand ermöglicht, durch einen privatwirtschaftlich agierenden und – naturgemäß – kaum mit wasserwirtschaftlicher Kompetenz ausgestatteten Landwirt, der zugleich am Erhalt der Qualität des Wassers kein unmittelbares ökonomisches Interesse hat, solange es sich nur als Brauchwasser für die Christbaumkulturen eignet (und die erstrebte Erlaubnis nicht nach § 18 WHG widerrufen wird), mit der Erwartung von schädlichen Gewässerveränderungen verbunden ist, die auch nicht durch gefahrenreduzierende Nebenbestimmungen mit genügender Sicherheit vermieden werden können (vgl. zum Maßstab HessVGH, B.v. 17.8.2011 – 2 B 1484/11 – juris Rn. 20; s.a. BayVGH, B.v. 22.12.1999 – 4 ZB 99 711 – juris Rn. 25). Insoweit können den betrieblichen Abläufen und Interessen geschuldete Umsetzungsdefizite auch dann nicht mit genügender Sicherheit ausgeschlossen werden (vgl. VG Ansbach, U.v. 5.7.2006 – AN 9 K 05.03922 – juris Rn. 50), wenn man richtigerweise die Annahme rechtmäßigen Verhaltens des Adressaten einer Nebenbestimmung zugrunde legt. Insoweit genügen die – durch die Dokumentationspflichten gegebenenfalls erleichterten – repressiven Reaktionsmöglichkeiten der zuständigen Behörde zur Vermeidung von schädlichen Gewässerveränderungen nicht.
3. Ungeachtet der Bejahung des Versagungsgrundes aus § 12 Abs. 1 Nr. 1 WHG hat der Beklagte jedenfalls das ihm andernfalls nach § 12 Abs. 2 WHG zustehende Bewirtschaftungsermessen fehlerfrei ausgeübt.
a) Liegen die in § 12 Abs. 1 WHG genannten oder in Bezug genommenen Versagungsgründe nicht vor, ist eine Erteilung der wasserrechtlichen Erlaubnis grundsätzlich möglich, steht aber im Bewirtschaftungsermessen der Behörde (§ 12 Abs. 2 WHG). Bei der Ausübung des Bewirtschaftungsermessen ist wie bei jeder Ermessensausübung der Zweck der Ermächtigung zu beachten und die gesetzlichen Grenzen einzuhalten (Art. 40 BayVwVfG). Das Bewirtschaftungsermessen verlangt daher, dass die Ermessensausübung sich an wasserwirtschaftlichen Gesichtspunkten ausrichtet und sich im Rahmen des durch § 12 Abs. 1 WHG vorgegebenen Zwecks der nachhaltigen Gewährleistung der wasserwirtschaftlichen Ordnung – und insbesondere an den Bewirtschaftungsgrundsätzen des § 6 WHG und seinen Konkretisierungen in den Bewirtschaftungszielen der §§ 27, 28, 44, 47 WHG – orientiert. Die Behörde hat vor allem wasserwirtschaftlich relevante öffentlichen Belange zu fördern, sie vor Beeinträchtigungen zu bewahren und hinsichtlich des vorhandenen Wassers eine gerechte Verteilungsordnung zu schaffen (vgl. Knopp/Müller in Sieder/Zeitler/Dahme/ Knopp, WHG, 56. EL Juli 2021, § 12 Rn. 46 m.w.N.; Czychowski/Reinhardt, WHG, 12. Aufl. 2019, § 12 Rn. 33).
Auf eine fehlerfreie Ausübung des Bewirtschaftungsermessen besteht ein Anspruch; ein Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis wird nur selten in Betracht kommen (vgl. VG Augsburg, U.v. 23.9.2019 – Au 9 K 19.144 – juris Rn. 40).
Die Kontrolle des Gerichts hat sich nach § 114 Satz 1 VwGO darauf zu beschränken, ob vom Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist und die rechtlichen Grenzen des Ermessens eingehalten worden sind. Das Gericht prüft dabei, ob die entscheidungserheblichen Tatsachen zutreffend ermittelt und die rechtlichen Bindungen des Ermessens gewahrt worden sind. Nicht zu prüfen ist, ob eine andere Lösung zweckmäßiger gewesen wäre (vgl. VG Regensburg, U.v. 6.11.2017 – RN 8 K 16.798 – juris Rn. 45).
b) Vorliegend hat der Beklagte die Ausübung seines Bewirtschaftungsermessens zwar eher unstrukturiert dargestellt, es aber im Ergebnis unter Einbeziehung des Verbesserungsgebots und des Verschlechterungsverbots nach § 47 WHG und Überlegungen zum sparsamen Umgang mit (Tiefen-)Grundwasser (vgl. hierzu auch LT-Drs. 12/16495), dem Verhindern von Verunreinigungen und der Privatnützigkeit des Vorhabens fehlerfrei ausgeübt. Er hat sich mit allen seinen Überlegungen und in seine Ermessensausübung eingestellten Aspekten an normativ relevanten wasserwirtschaftlichen Gesichtspunkten orientiert. Weder seine Wertungen noch das gefundene Ergebnis, dass zur Ermöglichung der Frostschutzberegnung einer Christbaumkultur kein Zutagefördern von Tiefengrundwasser gestattet wird, stoßen auf Bedenken. Der vorsorgende Grund- und Trinkwasserschutz ist maßgebliches Anliegen des Wasserrechts. Geprägt wird die Ermessensausübung auch durch den im Landesentwicklungsprogramm vom 22. August 2013, Stand: 1. Januar 2020, festgelegten Grundsatz der Raumordnung (vgl. Art. 2 Nr. 3 LPlG) Nr. 7.2.2: Tiefengrundwasser soll besonders geschont und nur für solche Zwecke genutzt werden, für die seine speziellen Eigenschaften notwendig sind. Die speziellen Eigenschaften des hier betroffenen Tiefengrundwassers sind für die vom Kläger verfolgten Zwecke nicht notwendig. Dass der Kläger womöglich über keine „sinnvollen Alternativen“ zur Bewässerung (Schriftsatz vom 10.12.2021, S. 6) verfügt, ändert daran nichts. Dass diese möglichen nachteiligen Wirkungen auf den Kläger und seinen Betrieb trotz der damit verbundenen Belastungen die Ermessensausübung nicht zu Gunsten des Klägers ausfallen lassen, ist Folge der auf die Wasserbewirtschaftung ausgerichteten Ermessendirektive des § 12 Abs. 1 WHG und des Umstands, dass es keine grundrechtlich fundierte Gewässerbenutzungsfreiheit gibt. Die Wasserrechtsbehörde muss demnach weder bei der Festlegung von Nebenbestimmungen noch bei ihrer Entscheidung über das „Ob“ einer Erlaubnis ihre Entscheidungen danach ausrichten, dass mit der beantragten Gewässerbenutzung in jedem Fall ein angemessener Gewinn erzielt werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 5.9.2019 – 8 ZB 16.1851 – juris Rn. 12; BayVGH, U.v. 7.10.2004 – 22 B 03.3228 – juris Rn. 37, jeweils für eine Auflage; Czychowski/Reinhardt, WHG, 12. Aufl. 2019, § 12 Rn. 33).
Ermessensfehler ergeben sich auch nicht deshalb, weil der Beklagte – unter Verweis auf eine Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamts – gegen den vorgenommenen und nach § 49 Abs. 1 WHG angezeigten Erdaufschluss („Bohrung“) bis zu einer Tiefe von 40 m im Vorfeld der Brunnenerrichtung keine Einwände erhoben hat. Es kann offen bleiben, ob diese Äußerung des Beklagten anlässlich der Bohranzeige fachlich und rechtlich zutreffend gewesen ist, insbesondere, ob bereits für den Erdaufschluss ein Erlaubnisverfahren wegen der Verwirklichung eines Benutzungstatbestands – etwa nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 WHG, versteht man Bohrung als ersten und integralen Schritt des Zutageförderns (vgl. hierzu oben Rn. 22; VG Augsburg, U.v. 23.9.2019 – Au 9 K 19.144 – juris Rn. 25) oder nach § 9 Abs. 2 Nr. 2 WHG – hätte durchgeführt werden müssen (zu Pumpversuchen bei Probebohrungen siehe aber auch § 46 Abs. 1 Nr. 1 WHG, hierzu Rossi in Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG, 56. EL Juli 2021, § 46 Rn. 20). Denn in keinem Fall ergibt sich hieraus ein Anspruch auf Erlaubniserteilung oder auch nur ein ermessensleitender Aspekt. Da für die Bohrung kein Erlaubnis-, sondern allein ein Anzeigeverfahren durchgeführt wurde, kann weder eine vorbescheidsähnliche Bindungswirkung noch ein auf eine positive Zulassungsentscheidung gerichteter Vertrauensschutzaspekt entstehen. Hätte das Wasserwirtschaftsamt – wie es womöglich sachgerecht gewesen wäre – nur bei einer Bohrung von bis zu 30 m keine Einwände erhoben, so mag es sein, dass die Bohrungen mangels Wasserführung abgebrochen worden, die Kosten nur halb so hoch gewesen (vgl. Stellungnahme J. W., S. 8 f.) und die Deckschichten gar nicht erst durchstoßen worden wären. Dass es anders gekommen ist, begründet aber keinen Anspruch auf Fortführung und Vertiefung eines im jetzigen Zulassungsverfahren erkannten bewirtschaftungswidrigen Zustands durch formelle Legalisierung. Die Rechtsanwendung im Rahmen eines Zulassungsverfahrens steht noch weniger als die Ausübung repressiver hoheitlicher Befugnisse unter dem Vorbehalt des Vertrauens- oder Investitionsschutzes als Ausdruck der Verhältnismäßigkeitsbindung; allenfalls kann es insoweit – je nach Fall – zu einer (amts-)haftungsrechtlichen Verantwortungsteilung kommen.
Die gesetzlichen Grenzen des Ermessens sind vorliegend auch nicht dann überschritten, sollte der Beklagte für andere privatnützige Brunnen, die Tiefengrundwasser nutzen, in rechtswidriger Weise Erlaubnisse erteilt haben. Ob dies der Fall ist, bedarf keiner Aufklärung, weil niemand unter Berufung auf den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG einen Anspruch darauf herleiten kann, dass die Behörde eine gesetzwidrige Entscheidung wiederholt („keine Gleichheit im Unrecht“; vgl. BayVGH, U.v. 14.12.1983 – 4 N 81 A.436 – NVwZ 1985, 502/506; Gößl in Sieder/Zeitler, Bayerisches Wassergesetz, Art. 58 Rn. 54). Ob und inwieweit es gegebenenfalls Abwehransprüche des Klägers gegen die rechtswidrige Begünstigung Dritter geben könnte („gleichheitsgrundrechtlicher Konkurrenzschutz“, vgl. Boysen in von Münch/Kunig, GG, 7. Aufl. 2021, Art. 3 Rn. 83), bedarf hier keiner Entscheidung.
Dass der Beklagte in rechtmäßiger Weise – und damit nach den Grundsätzen der ständigen Verwaltungspraxis durchaus ermessensrelevant und latent anspruchsbegründend (vgl. Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 40 Rn. 123 ff.) – bislang sein Bewirtschaftungsermessen zugunsten vergleichbarer Benutzungstatbestände ausgeübt hat, ist nicht substantiiert vorgetragen und auch nicht anderweitig erkennbar. Das angeführte Naturbad hat offenbar noch gar keine Erlaubnis erhalten und verfolgt jedenfalls nicht nur privatnützige Interessen; es fehlt insoweit an der Vergleichbarkeit des Sachverhalts.
Auch die Überlegung des Wasserwirtschaftsamts und des Klägers, eine Nutzung des „klägerischen“ Grundwassers nur aus dem ersten wasserführenden Tertiärhorizont sei grundwasserschonender als die Befüllung des Speicherbeckens mit Trinkwasser, das der konkrete Versorger aus noch tieferen Schichten beziehe (vgl. Stellungnahme J. W., S. 8 f.; Gutachten des Wasserwirtschaftsamts vom 22.5.2018, S. 8), zwingt den Beklagten nicht, sein Bewirtschaftungsermessen anders auszuüben. Es muss nicht entschieden werden, ob diese eingeforderte wasserwirtschaftliche Gesamtbetrachtung rechtlich überhaupt zulässigerweise zugunsten des Klägers herangezogen werden dürfte und ob sich die Überzeugungskraft des Einwands nicht vor dem Hintergrund möglicher Durchlässigkeiten der Grundwasserleiter ohnehin relativiert; der Beklagte ist jedenfalls von Gesetzes wegen nicht gezwungen, sich diese Sicht zu eigen zu machen. Denn die durch die vorliegende Handhabung der Zulassungsregelungen durch das Landratsamt – als konkrete Verwirklichung des wasserrechtlichen Bewirtschaftungsregimes – bewirkte Konzentration von Grundwassererschließungen auf wenige Benutzer, namentlich den örtlichen Trinkwasserversorger, reduziert die möglichen Quellen von Grundwassergefährdungen und erleichtert auch die Kontrolle durch die Gewässeraufsicht. Weniger Brunnen bergen weniger Gefahren – auch dann, wenn hierdurch möglicherweise vermehrt schutzwürdigeres Grundwasser verbraucht wird. Dass der Beklagte diesen Vorteil dem möglichen Nachteil den Vorzug gibt, ist gerade Ausdruck und nicht Überschreitung des Bewirtschaftungsermessens. Die Konzentrationsentscheidung erfährt im Übrigen auch dadurch wasserwirtschaftlichen Sinn, dass sie es gegebenenfalls erleichtert, eine zum Zwecke der Ressourcenschonung notwendige Kontingentierung des für landwirtschaftliche Zwecke zur Verfügung stehenden Grund-/Trinkwassers effektiv durchzusetzen. Die vom Kläger vorgetragene Perspektive auf Nutzungskonflikte (vgl. Schriftsatz vom 10.12.2021, S. 10) kann insoweit nicht überzeugen.
Die Versagung der beschränkten Erlaubnis ist ferner nicht deshalb ermessensfehlerhaft, weil durch nachträgliche Auflagen (§ 13 Abs. 1, 2 WHG) oder durch jederzeitigen Widerruf der Erlaubnis (§ 18 Abs. 1 WHG) auf Schäden (verwirklichte Gefahren) oder anderweitige neue Erkenntnisse reagiert werden könnte. Wäre diese Auffassung richtig, verbliebe für eine ermessensgerechte Versagung einer Erlaubnis nach § 12 Abs. 2 WHG kein Raum; das wäre mit der Ausgestaltung der Norm als repressivem Verbot mit Befreiungsvorbehalt allerdings ersichtlich unvereinbar.
Schließlich ergibt sich kein Ermessensfehler daraus, dass der Beklagte – wie der Kläger vorträgt – nur nicht genug Personal zur Durchführung einer effektiven Gewässeraufsicht hat. Die Zulassungs- und die Kontrollebene sind zu trennen. Weder folgt aus viel Personal eine Absenkung der Erlaubnisvoraussetzungen noch aus zu wenig Personal eine Erhöhung. Auch aus der vom Kläger kritisierten Überlegung des Landratsamts, im Falle einer freiwilligen Übernahme des Brunnenbetriebs durch den Trinkwasserzweckverband (gewissermaßen im Auftrag und zum Wohl des Klägers), sein Ermessen anders auszuüben, folgt kein Ermessensfehler für den streitgegenständlichen Bescheid. Das Gericht kann zwar das Unbehagen des Klägers darüber nachvollziehen, dass das Landratsamt seine Bereitschaft für eine mutmaßlich klägergünstige Entscheidung vom Verhalten eines Zweckverbands abhängig macht, der sich schon im Vorfeld gegen das Vorhaben des Klägers ausgesprochen hat. Es kann offenbleiben, ob eine solche Verknüpfung von Drittverhalten und Erlaubniserteilung rechtlich zulässig ist (vgl. für die Kostenebene § 13 Abs. 2 Nr. 4 WHG) – denn das Landratsamt ist jedenfalls nicht verpflichtet, im Falle der Verweigerung der Mitwirkung des Dritten die Erlaubnis zu erteilen.
II. Die Beseitigungsanordnung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Nach § 49 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Satz 1 WHG hat die zuständige Behörde die Einstellung oder die Beseitigung der Erschließung anzuordnen, wenn unbefugt Grundwasser erschlossen wird. § 49 Abs. 3 Satz 2 WHG ist eine Rechtsfolgenverweisung (anders wohl VG Augsburg, U.v. 23.9.2019 – Au 9 K 19.144 – juris Rn. 31 a.E.). Die in § 49 Abs. 3 Satz 1 WHG genannten Tatbestandsmerkmale (nachteilige Veränderungen und anderweitige Vermeidungs- bzw. Ausgleichsmöglichkeiten) sind im Falle des § 49 Abs. 3 Satz 2 WHG daher nicht zu prüfen. Wären insbesondere die Vermeidungs- bzw. Ausgleichsmöglichkeiten von dem Verweis des Satzes 3 auf Satz 2 mitumfasst, würden trotz des Charakters des § 12 Abs. 2 WHG als repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt nachträgliche Legalisierungsmöglichkeiten im gleicher Weise wie beispielsweise bei Art. 76 Satz 1 BayBO ein Hindernis für repressives behördliches Einschreiten darstellen.
1. Unter Grundwassererschließung im Sinne von Art. 49 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2 WHG ist jede Maßnahme zu verstehen, durch die Grundwasser freigelegt wird oder sonst zutage tritt (Schwender/Rossi in Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG, 56. EL Juli 2021, § 49 Rn. 25). Der Kläger fördert mit der errichteten Brunnenanlage Grundwasser zutage und legt es damit im diesen Sinne frei. § 49 WHG ist auch anwendbar, wenn das Freilegen zugleich – wie hier – einen Benutzungstatbestand erfüllt (vgl. Schwender/Rossi in Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG, 56. EL Juli 2021, § 49 Rn. 16). Die Benutzung (und die mit ihr verwirklichte Erschließung) ist auch unbefugt; sie ist, wie dargelegt, erlaubnispflichtig, eine Erlaubnis wurde indes nicht erteilt.
Da vorliegend die Erschließung Teil des unbefugt verwirklichten Benutzungstatbestands nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 WHG ist, kommt es nicht darauf an, dass der Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 21. Juli 2015 mitgeteilt hat, keine Einwände gegen die Bohrung nach Maßgabe des vom Kläger unterzeichneten Anzeigeformulars (also insbesondere nur bis zu einer Tiefe von 40 m und ohne Anbohrung des zweiten Grundwasserstockwerks) zu haben und insoweit sein Handeln möglicherweise als befugt im Sinne von § 49 Abs. 3 Satz 2 WHG angesehen werden könnte (vgl. VG Augsburg, U.v. 23.9.2019 – Au 9 K 19.144 – juris Rn. 28). Es ist daher auch nicht möglich, zumindest von einer befugten Erschließung bis zu einer Tiefe von 40 m bzw. bis zum zweiten Grundwasserstockwerk auszugehen und insoweit eine Einstellung oder Beseitigung für rechtswidrig zu halten.
2. Die Norm verpflichtet die Behörde zur Einstellung oder zur Beseitigung. Raum für Verhältnismäßigkeitsüberlegungen mit Blick auf die Belastungswirkungen beim Kläger sind insoweit nur bei der Auswahl der Rechtsfolge (Einstellung oder Beseitigung) vorgesehen; eine Hinnahme der Erschließung in Form des Weiterbetriebs des Brunnens ist der Behörde von vornherein verwehrt (kein Entschließungsermessen, vgl. VG Augsburg, U.v. 23.9.2019 – Au 9 K 19.144 – juris Rn. 30). Ob und in welchem Umfang bei gebundenen Entscheidungen dennoch Verhältnismäßigkeitsüberlegungen durch die Behörde oder die Verwaltungsgerichte vorgenommen werden dürfen oder gar müssen (vgl. Mehde, DÖV 2014, 541 ff.), bedarf vorliegend keiner näheren Untersuchung. Denn gegen die streitgegenständliche Beseitigungsanordnung bestehen keine Bedenken. Die Einstellung der Erschließung – d.h. die bloße Stilllegung des Brunnens ohne Beseitigung der Anlage und ohne Wiederverschließung des Bodens – ist schon nicht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit geboten und daher erst recht nicht die Hinnahme des weiteren Betriebs des Brunnens.
Die Verpflichtung zum Rückbau ist gegenüber einer bloßen Einstellung des Betriebs geeigneter zum effektiven Schutz des Trinkwassers. Ein länger ungenutzter Brunnen, der die Deckschicht offen hält, erhöht die schon jetzt bestehenden Gefahren nochmals. Vor diesem Hintergrund hat auch ein – für den Kläger kostengünstiger und daher weniger belastender – Teilrückbau keinen Sinn und ist aus Gründen des vorsorgenden Grundwasserschutzes abzulehnen (vgl. Schreiben des Wasserwirtschaftsamts vom 7.7.2018). Die bloße Einstellung ist auch nicht aus Gründen der Zumutbarkeit einer Beseitigung vorzuziehen. Dass die bisher getätigten Investitionen entwertet werden, hat der Kläger durch eigenes Verhalten veranlasst; an der Verantwortlichkeit des Klägers für seine Vornahme- und Investitionsentscheidungen ändert auch die Haltung des Landratsamts anlässlich der Bohranzeige nichts. Die Errichtung des Brunnens geht über die Anzeige ohnehin hinaus; aber auch soweit die Durchführung der Bohrung von der Zustimmung des Landratsamts gedeckt war, trägt der Kläger die Risiken. Denn die gebotene Verfüllung des Bohrloch obläge ihm auch für den Fall, dass die Bohrung wegen fehlender Grundwasservorkommen ins Leere gegangen wäre. Es spielt im Rahmen der Beseitigungsanordnung für die Risikoverteilung keine Rolle, ob die Bohrfolgen wegen faktischer Unergiebigkeit oder wegen normativer Zulassungsverweigerung hinsichtlich der eigentlich intendierten Benutzung rückgängig zu machen sind. Allenfalls kann es auch hier insoweit – je nach Fall – nur zu einer (amts-)haftungsrechtlichen Verantwortungsteilung kommen.
III. Die dem Kläger auferlegte Verpflichtung, innerhalb von sechs Wochen nach Bestandskraft des Bescheids zunächst ein entsprechendes Rückbaukonzept vorzulegen (Nr. II.1 des Bescheids), kann sich entweder auf Art. 67 Abs. 1 BayWG stützen, sofern man davon ausgeht, dass der Rückbau und die Wiederverfüllung des Bohrlochs den Benutzungstatbestand des § 9 Abs. 1 Nr. 4 WHG erfüllt (vgl. VG München, U.v. 28.6.2011 – M 2 K 11.1003 – juris Rn. 13), oder jedenfalls als eine die Rückbauverpflichtung effektivierende (Annex-)Verpflichtung auf die gleiche Rechtsgrundlage wie die Rückbauverpflichtung selbst (§ 49 Abs. 3, 1 WHG). In letzterem Fall wäre das Gericht berechtigt und verpflichtet, die Rechtsgrundlage austauschen. Es ist als allgemeiner Grundsatz anerkannt, dass die zur Kontrolle des Verwaltungshandelns berufenen Gerichte in ihrer Bewertung der Rechtslage, namentlich in der Frage, anhand welcher Rechtsnormen das Verwaltungshandeln zu überprüfen ist und aufgrund welcher Rechtsnormen es als rechtmäßig erachtet werden kann, unabhängig von der Rechtsauffassung der Verwaltung sind (vgl. nur BVerwG, B.v. 29.7.2019 – 2 B 19.18 – juris Rn. 24). Der Austausch einer Rechtsgrundlage ist nur dann ausgeschlossen, soweit der Bescheid durch die Berücksichtigung der anderen Rechtsnorm und die dadurch geänderte Begründung in seinem Wesen verändert wird. Dies wäre vorliegend nicht der Fall. Für die Beurteilung einer Wesensänderung sind bei Ermessensentscheidungen – wie hier – im jeweiligen Einzelfall die Zielsetzungen und die Voraussetzungen der im Bescheid gewählten und der tatsächlich einschlägigen Norm in den Blick zu nehmen (vgl. BayVGH, U.v. 23.7.2020 – 14 B 18.1472 – juris Rn. 31 f.). In beiden Fällen geht es hier um eine Vorbereitung zur fachgerechten Umsetzung der Beseitigungsanordnung; hierbei sind, auch mit Blick auf den Kläger, in beide Rechtsgrundlagen die gleichen Aspekte einzustellen.
IV. Die Zwangsgeldandrohung (Nr. III des Bescheids) ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Sie findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 29 Abs. 2 Nr. 1, Art. 31, Art. 36 VwZVG. Da die Zwangsgeldandrohung an die Bestandskraft des Grundverwaltungsakts anknüpft, liegt ein vollziehbarer Grundverwaltungsakt im Sinn von Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 VwZVG vor. Die Androhung differenziert auch nach den dem Kläger auferlegten Pflichten und wirf insoweit keine Bestimmtheitsprobleme auf. Die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes hält sich im Rahmen von Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG. Die jeweils gesetzte Erfüllungsfrist von sechs Wochen ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
C. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1, 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.


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