Aktenzeichen M 10 S 20.2818
AO § 171 Abs. 10 S. 1, § 175 Abs. 1 Nr. 1, § 351 Abs. 2
Leitsatz
Der Grundsteuermessbescheid ist Grundlagenbescheid für den Grundsteuerbescheid. Die darin getroffenen Entscheidungen eines Finanzamtes über die persönliche und sachliche Steuerpflicht des Eigentümers entfalten für die Grundsteuerfestsetzung Bindungswirkung. (Rn. 27) (red. LS Andy Schmidt)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 70,86 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes im Wesentlichen gegen seine Heranziehung zur Grundsteuer A.
Der Antragsteller ist seit … Juni 2011 im Grundbuch für … beim Amtsgericht …, Blatt …, als Eigentümer der land- und forstwirtschaftlichen Grundstücke Flur-Nr. …, …, …, …, …, …, …, … Gemarkung … eingetragen. Bis 17. Juni 2019 war er zudem als Eigentümer des Waldgrundstücks mit der Flur-Nr. … eingetragen.
Mit Bescheid vom 10. November 2010 setzte das Finanzamt … für den Betrieb der Land- und Forstwirtschaft mit den Flur-Nrn. …, …, …, …, …, … und … der Gemarkung … einen Einheitswert zum 1. Januar 2009 i.H.v. 4.397 EUR fest.
Ebenfalls mit Bescheid vom 10. November 2010 setzte das Finanzamt … für den genannten Betrieb den Grundsteuermessbetrag zum 1. Januar 2009 auf 26,38 EUR fest*
Mit Bescheid vom 2. Januar 2020 setzte die Antragsgegnerin die Grundsteuer A für den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb mit den Flur-Nrn. …, …, …, …, …, … und … der Gemarkung … für 2020 und die Folgejahre auf jeweils 81,78 EUR fest.
Mit Schreiben vom 3. Februar 2020 erhob der Antragsteller bei der Antragsgegnerin sinngemäß Widerspruch gegen den Grundsteuerbescheid vom 2. Januar 2020 und beantragte unter anderem die Aussetzung der Vollziehung der festgesetzten Steuer.
Mit Schreiben vom 10. Februar 2020 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab. Zudem half sie dem Widerspruch nicht ab und legte ihn dem Landratsamt … zur Entscheidung vor.
Mit Schreiben vom 22. April 2020 teilte das Finanzamt … dem Antragsteller, der Antragsgegnerin und der Widerspruchsbehörde mit, dass auch nach Wegfall des Grundstücks Flur-Nr. … eine Wertfortschreibung zum 1. Januar 2020 nicht in Betracht komme und der Einheitswert für den Betrieb des Antragstellers wie bisher 4.397 EUR betrage. Dabei passte das Finanzamt die Aufzählung der zum Betrieb gehörenden Flurnummern an die Eigentumsverhältnisse an und führte nun im Vergleich zu den früheren Bescheiden zusätzlich die Flur-Nrn. … und … der Gemarkung … auf, jedoch nicht mehr die Flur-Nr. …
Mit Änderungsbescheid vom 29. April 2020 passte die Antragsgegnerin die Aufzählung der Flurnummern an die Mitteilung des Finanzamts an und setzte für den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb mit den Flur-Nrn. …, …, …, …, …, …, … und … erneut eine Grundsteuer A für 2020 und die Folgejahre i.H.v. jeweils 81,78 EUR fest.
Mit Schreiben vom 7. Mai 2020, bei der Antragsgegnerin eingegangen am 11. Mai 2020, erhob der Antragsteller auch gegen den Grundsteuerbescheid vom 29. April 2020 sinngemäß Widerspruch und beantragte auch für diesen die Aussetzung der Vollziehung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Juni 2020, dem Antragsteller zugestellt am 12. Juni 2020, wies das Landratsamt … die Widersprüche zurück und setzte eine Gebühr i.H.v. 35 EUR zzgl. Auslagen i.H.v. 3,09 EUR fest. Auf die Ausführungen dort wird verwiesen.
Zudem erließ das Landratsamt … eine Kostenrechnung vom selben Tag über 38,09 EUR.
Am 22. Juni 2020 erhob der Antragsteller Klage zum Verwaltungsgericht München (M 10 K 20.2803) und beantragt sinngemäß, den Grundsteuerbescheid der Antragsgegnerin vom 2. Januar 2020 in Form des Änderungsbescheids vom 29. April 2020 in Form des Widerspruchsbescheids vom 10. Juni 2020 nebst Kostenrechnung des Landratsamts … aufzuheben.
Gleichzeitig beantragt er sinngemäß:
Die aufschiebende Wirkung der Klage wird angeordnet.
Zur Begründung von Klage und Eilantrag führt der Antragsteller aus, er sei nicht Eigentümer der Grundstücke und daher nicht Schuldner der erhobenen Grundsteuer. Das Grundbuch sei insoweit falsch, was auf eine erbrechtliche Streitigkeit betreffend die Grundstücke zurückzuführen sei. Der Eilantrag beziehe sich auch auf sämtliche Kosten, z.B. auch die Rechnung des Landratsamts … vom 10. Juni 2020. Im Übrigen wird auf die Begründung verwiesen.
Unter dem 7. Juli 2020 beantragt die Antragsgegnerin sinngemäß:
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO wird abgelehnt.
Zur Begründung wurde auf den Widerspruchsbescheid und die bisher vor dem Verwaltungsgericht geführten Verfahren verwiesen.
Hinsichtlich des übrigen Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtssowie die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der gemäß § 88, § 122 Abs. 1 VwGO als Antrag auf Anordnung der nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO ausgeschlossenen aufschiebenden Wirkung der Klage verstandene Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ist unzulässig und bleibt daher ohne Erfolg.
1. Soweit mit dem vorliegenden Antrag sinngemäß die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die mit Änderungsbescheid der Antragsgegnerin vom 29. April 2020 festgesetzte Grundsteuer A begehrt wird, ist er mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig.
Für einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen einen Grundsteuerbescheid besteht dann kein schutzwürdiges Interesse, wenn dieser Antrag – wie hier – (lediglich) mit Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Entscheidungen im Grundsteuermessbescheid begründet wird.
Nach § 351 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) können Entscheidungen in einem Grundlagenbescheid nur durch Anfechtung dieses Bescheids, nicht auch durch die Anfechtung des Folgebescheids angegriffen werden. Grundlagenbescheide sind nach der Definition in § 171 Abs. 10 Satz 1 AO solche, die als Feststellungsbescheid, Steuermessbescheid oder sonstiger Verwaltungsakt für die Festsetzung einer Steuer bindend sind. Vorläufiger Rechtsschutz ist in diesen Fällen durch einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheids beim Finanzamt oder -gericht zu suchen.
Als Korrelat für diese Einschränkungen bestimmt § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO, dass Folgebescheide von Amts wegen zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern sind, wenn die zugrunde liegenden Grundlagenbescheide erlassen, aufgehoben oder geändert werden; ferner ist grundsätzlich auch die Vollziehung eines Folgebescheids auszusetzen, soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheids finanzbehördlicher- oder -gerichtlicherseits ausgesetzt worden ist (§ 361 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 6 AO, § 69 Abs. 2 Satz 4 Finanzgerichtsordnung – FGO).
Aus dieser Rechtslage zieht die finanzgerichtliche Rechtsprechung einschließlich des Bundesfinanzhofs (vgl. insoweit grundlegend BFH, U.v. 29.10.1987 – VIII R 413/83 – BFHE 181, 319 m.w.N.; B.v. 24.8.2004 – IX S 7/04 – juris) den Schluss, dass für einen Antrag auf Aussetzung des Folgebescheids kein schutzwürdiges Interesse besteht, wenn dieser Antrag mit Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Entscheidungen im Feststellungs- oder Messbescheid begründet wird. Dieser Rechtsprechung hat sich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof für Realsteuern (§§ 3 Abs. 2, 1 Abs. 2 Nr. 6 AO) angeschlossen (vgl. zu Gewerbesteuern BayVGH, B.v. 30.6.2008 – 4 CS 08.1409 – juris).
Im vorliegenden Fall stellt der Einheitswertbescheid des Finanzamts … vom 10. November 2010 einen Grundlagenbescheid für den am selben Tag ergangenen Grundsteuermessbescheid dar. Dieser Grundsteuermessbescheid wiederum ist Grundlagenbescheid für den Grundsteuerbescheid der Antragsgegnerin (Halaczinsky in Rössler/Troll, BewG, Stand: 32. EL September 2020, § 19 Rn. 66). Die darin getroffenen Entscheidungen des Finanzamts über die persönliche und sachliche Steuerpflicht des Antragstellers entfalten für die Grundsteuerfestsetzung durch die Antragsgegnerin Bindungswirkung (vgl. § 184 Abs. 1 Satz 4, § 182 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 4, § 3 Abs. 2 AO, §§ 10, 13 Grundsteuergesetz – GrStG).
Daher können die vom Antragsteller vorgebrachten Einwendungen zur persönlichen Steuerpflicht im vorliegenden Verfahren der Anfechtung des Grundsteuerbescheids als Folgebescheid nicht berücksichtigt werden. Dem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO fehlt das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis.
2. Auch insoweit als sich der Antragsteller zudem gegen die sofortige Vollziehbarkeit sämtlicher Kosten richtet, bleibt der Antrag ohne Erfolg.
Insoweit richtet sich der Antrag schon gegen den falschen Antragsgegner. Gläubiger der Widerspruchsgebühr und der festgesetzten Auslagen ist der Freistaat Bayern als Rechtsträger der Widerspruchsbehörde, nicht die Gemeinde, die den Ausgangsbescheid erlassen hat.
Damit bleibt der Antrag insgesamt ohne Erfolg.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nrn. 1.5 und 3.1 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.