Um eine eigene Kanzlei gründen zu können, benötigen Sie Startkapital und einen Businessplan. Beides direkt nach dem Studium parat zu haben, gelingt den wenigsten. Und dann stehen die großen Fragen im Raum: Gibt es nicht schon zu viele Anwälte auf dem Markt? Wie hebt man sich von der Masse ab?
Kompetenz statt guter Noten
Ein großer Vorteil der Selbstständigkeit: Sie müssen sich nirgends bewerben. Haben Sie Ihr Jurastudium nicht mit exzellenten Noten abgeschlossen, fällt es Ihnen womöglich schwer, bei einer Bewerbung als angestellter Anwalt erfolgreich zu sein. Ihre potenziellen neuen Mandanten kümmern sich jedoch nicht um Ihre Noten. Für sie zählt nur der Erfolg vor Gericht. Wenn Sie Ihre eigene Kanzlei gründen, müssen Sie niemandem Ihre Noten vorzeigen, sondern lediglich Ihre Fähigkeiten als guter Anwalt beweisen.
Junganwälte sind gefragt
Der Arbeitsmarkt hat sich gewandelt. In der heutigen Zeit besteht bei vielen Kanzleien ein ständiger Bedarf für Junganwälte. Somit müssen Sie nach dem Jurastudium nicht gezwungenermaßen sofort eine eigene Kanzlei gründen. Außerdem stehen Juristen nach dem Staatsexamen zahlreiche andere Möglichkeiten offen, als zwangsläufig im Anwaltsberuf zu arbeiten.
Bekanntheit will erarbeitet werden
In jedem Fall sollten Sie Geduld und Belastbarkeit mitbringen. Sie müssen sich bewusst sein, dass es ohne eine gewisse Bekanntheit oder Werbung dauern wird, bis Sie Mandanten für sich gewinnen können.
Praktische Erfahrung als Angestellter sammeln
Zudem fällt es Ihnen leichter, Ihre Kanzlei gründen zu können, wenn Sie bereits Erfahrung mit der Organisation einer solchen gemacht haben. Daher kann es von Vorteil zu sein, zunächst als angestellter Anwalt bei einer bestehenden Kanzlei einzusteigen, um sich Wissen anzueignen. Praktische Erfahrung in Büroalltag, Buchhaltung und Terminplanung ist nicht zu verachten.
Online-Rechtsberatung – Segen oder Fluch?
Die Digitalisierung kann Fluch und Segen bedeuten, wenn Sie Ihre eigene Kanzlei gründen wollen. Mit Legal-Tech und dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) steht Ihnen die digitale Welt offen. Gleichzeitig bieten Ihnen Kanzleisoftwares und Remote Rechtsberatung neue unkomplizierte Möglichkeiten zur Betreuung Ihrer Mandanten. Jedoch hält die digitale Welt inzwischen für fast alle rechtlichen Unklarheiten Antworten bereit, weshalb es viele Mandanten nicht als notwendig erachten, einen Anwalt zu Rate zu ziehen. Dies kann es Ihnen noch schwerer machen, auf dem Markt Fuß zu fassen, wenn Sie noch keine gewisse Bekanntheit erlangt haben.
Eingeschränkte Entfaltungsmöglichkeiten
Die Annahme, in einer eigenen Kanzlei mehr Freiheit zu besitzen, ist oft falsch. Denn der Anwaltsberuf folgt rechtlichen Regelungen, die mehr oder weniger begrenzt sind. Bei Zulassungen, Vergütung, Ausbildung und Marketing müssen Sie den gesetzlichen Vorschriften folgen.
Ihre Zulassung ist gefährdet!
In vielen Berufen ist es möglich, sich zunächst „auszuprobieren“. Scheitert man aus finanziellen Gründen, gibt man die Selbständigkeit auf und kann sich schnell wieder als Angestellter bewerben. Nicht so im Anwaltsberuf. Denn nach der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) verlieren Sie Ihre Zulassung als Anwalt, wenn Sie in einen Vermögensfall geraten und dieser die Interessen Ihrer Mandanten gefährdet. Viele Anwälte zögern daher, Insolvenz anzumelden, aus Angst, Ihre Anwaltszulassung widerrufen zu müssen. Meist ist es jedoch schwer, die Kanzlei in einer so schlechten finanziellen Lage weiterzuführen und noch schwerer, sie wieder herauszumanövrieren.
Fazit
Selbständigkeit will immer gut durchdacht sein. Gerade der Start in den Anwaltsberuf wird eine große Herausforderung. Stellen Sie sich daher die Frage, ob Sie es sich zutrauen, eine eigene Kanzlei gründen zu können. Wägen Sie die oben genannten Vorteile und Risiken gut ab, informieren Sie sich so gut wie möglich – letztlich liegt die Entscheidung bei Ihnen.