Arbeitsrecht

Anspruch auf Übernahme der Erfüllung eines Schmerzensgeldanspruches

Aktenzeichen  W 1 K 18.1441

Datum:
19.9.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 55465
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBG Art. 97 Abs. 1, Abs. 2
VwGO § 113 Abs. 5 S. 2, § 114

 

Leitsatz

Ein Vollstreckungsbescheid kann einen rechtskräftig festgestellten Anspruch im Sinne des Art. 97 BayBG begründen. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides des Landesamtes für Finanzen vom 12.10.2018 verpflichtet, über den Antrag des Klägers vom 12.05.2017, die Erfüllung des mit Vollstreckungsbescheides des Amtsgerichts Coburg vom 25.10.2016 rechtskräftig festgestellten Anspruchs des Klägers auf Schmerzensgeld in Höhe von 2.000,00 € zu übernehmen, erneut unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.
II. Von den Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu 4/5 und der Kläger 1/5 zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostengläubiger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostenschuldner vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist im Sinne eines Bescheidungsurteils begründet, da der Kläger einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung des Dienstherrn über seinen Antrag auf Erfüllungsübernahme durch den Beklagten hat. Die Ablehnung des Antrags ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§§ 113 Abs. 5 Satz 2, 114 VwGO).
Nach Art. 97 Abs. 1 BayBG kann der Dienstherr die Erfüllung eines rechtskräftig festgestellten Anspruchs auf Schmerzensgeld übernehmen, welcher daraus resultiert, dass ein Beamter in Ausübung des Dienstes oder außerhalb dessen wegen seiner Eigenschaft als Beamter einen tätlichen rechtswidrigen Angriff erleidet. Der Dienstherr kann den Anspruch bis zur Höhe des festgestellten Schmerzensgeldbetrages übernehmen, soweit dies zur Vermeidung einer unbilligen Härte notwendig ist. Eine solche liegt nach Art. 97 Abs. 2 BayBG insbesondere vor, wenn die Vollstreckung über einen Betrag von mindestens 500,00 ? erfolglos geblieben ist. Die Übernahme der Erfüllung ist innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Jahren nach Rechtskraft des Urteils schriftlich unter Nachweis der Vollstreckungsversuche zu beantragen (Art. 97 Abs. 3 BayBG).
Die Voraussetzungen zur Erfüllungsübernahme nach Art. 97 BayBG liegen grundsätzlich vor.
Der Kläger hat bei der Festnahme des Schädigers durch die Gegenwehr des Schädigers in Ausübung seines Dienstes einen tätlichen rechtswidrigen Angriff erlitten.
Aufgrund des rechtskräftigen Vollstreckungsbescheides des Amtsgerichts Coburg vom 25.10.2016 verfügt der Kläger über einen rechtskräftig festgestellten Anspruch auf Schmerzensgeld gegen einen Dritten, seinen Schädiger A.F.
Soweit der Beklagte die Auffassung vertritt, Vollstreckungsbescheide könnten keinen rechtskräftig festgestellten Anspruch im Sinne des Art. 97 BayBG ergeben, weil der geltend gemachte Anspruch wieder im Mahnverfahren noch bei Erlass des Vollstreckungsbescheids einer gerichtlichen Schlüssigkeitsprüfung unterzogen wird, kann dieser Einwand nicht durchgreifen. Art. 97 Abs. 1 Satz 1 BayBG unterscheidet seinem Wortlaut nach nicht, auf welche Weise die rechtskräftige Feststellung des Anspruchs zustande gekommen ist. Ein Vollstreckungsbescheid steht nach zivilprozessualen Grundsätzen einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Versäumnisurteil gleich (§§ 700 Abs. 1, 708 Nummer 2 ZPO). Mit Ablauf der 2-wöchigen Einspruchsfrist wird der ordnungsgemäß zugestellte Vollstreckungsbescheid daher formell und materiell rechtskräftig, so dass er auch einen rechtskräftig festgestellten Anspruch im Sinne des Art. 97 BayBG begründen kann. Es ist nicht ersichtlich, dass diese Norm aufgrund ihrer Entstehungsgeschichte so auszulegen wäre, dass sie auf die tatsächliche Durchführung einer gerichtlichen Kontrolle abzielt. Hierzu hat der Beklagte auch nichts Substanzielles vorgetragen. Auch Sinn und Zweck des Art. 97 BayBG gebieten nicht, die Norm entgegen ihres Wortlauts auszulegen. Das Mahnverfahren und der anschließende Vollstreckungsbescheid dienen insbesondere dazu, prozessökonomisch einen Vollstreckungstitel über eine Geldforderung zu erwirken, wenn Einwendungen des Schädigers nicht zu erwarten sind und eine Nichtzahlung primär auf der Zahlungsunfähigkeit des Schädigers beruht. Wären Vollstreckungsbescheide von Art. 97 BayBG nicht erfasst, wäre ein Beamter selbst bei einer von Anfang an ins Auge springenden Zahlungsunfähigkeit des Schädigers dazu angehalten, den zeit – und kostenaufwändigeren Klageweg einzuschlagen, wenn er sich einen Rückgriff auf Art. 97 BayBG offen halten wollte. Die dadurch faktisch erzwungene Umgehung des prozessökonomischen Mahnverfahrens stünde in Widerspruch zum Fürsorgegedanken des Art. 97 BayBG und bedurfte daher einer eindeutigen gesetzlichen Regelung.
Die Angemessenheit des festgestellten Schadensersatzbetrages muss der Dienstherrn indes nicht ungeprüft übernehmen, da Art. 97 BayBG ausdrücklich die Erfüllungsübernahme bis zur Höhe des festgestellten Betrages und mithin eine Ermessensentscheidung des Dienstherrn hinsichtlich der Höhe des zu übernehmenden Betrages vorsieht. Eine Ermessensentscheidung hierzu hat der Beklagte indes nicht getroffen, da er zu Unrecht von Fehlen eines rechtskräftig festgestellten Anspruchs ausging. Eine unbillige Härte liegt auch nach Auffassung des Dienstherrn vor, da dieser offensichtlich davon ausgeht, ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.000,00 ? wäre angesichts der erlittenen Verletzungen des Klägers angemessen, so dass der Mindestbetrag des Art. 97 Abs. 2 BayBG jedenfalls übertroffen ist. Es ist auch kein sonstiger Grund für eine Verweigerung der Erfüllungsübernahme (Gewährung einer einmaligen Unfallentschädigung nach Art. 62 BayBeamtVG oder eines Unfallausgleichs nach Art. 52 BayBeamtVG) ersichtlich (Art. 97 Abs. 2 Satz 2 BayBG).
Der Klage war daher im Sinne des Bescheidungsurteils überwiegend stattzugeben.
Die Kostenfolge folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO und berücksichtigt den jeweiligen Grad des Obsiegens und Unterliegens.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).


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