Arbeitsrecht

Beamter in der Integrierten Leitstelle – Anspruch auf Gewährung von Freizeitausgleich

Aktenzeichen  AN 1 K 18.01540

Datum:
15.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 19859
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBG Art. 87 Abs. 1, Abs. 2
BayAzV § 2 Abs. 1, § 4 Abs. 1, § 5, § 9 Abs. 3 S. 1
BayBesG § 61
ArbZG § 17 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Gemäß Art. 87 Abs. 2 Satz 2 BayBG ist innerhalb eines Jahres für die über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus geleistete Mehrarbeit Dienstbefreiung zu gewähren, wenn der Beamte durch dienstlich angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit mehr als 5 Stunden im Monat über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus beansprucht wird. Dabei ist der Beamte zur Vermeidung der Verwirkung seiner Ansprüche auf Gewährung von Dienstbefreiung verpflichtet, seine vermeintlichen Ansprüche wegen geleisteter Mehrarbeit unverzüglich anzumelden, wenn der Dienstherr nur einen Teil ausgleicht. (Rn. 48) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Beamter ist verpflichtet, anlässlich der vom Dienstherrn anerkannter Mehrarbeitszeiten und der auf dieser Basis erfolgten Gewährung von Freizeitausgleich darauf hinzuweisen, dass nach seiner Meinung für den fraglichen Zeitraum noch weitere Ansprüche wegen Mehrarbeit bestehen. Kommt der Beamte dieser Pflicht nicht nach, so hat er einen etwaigen Anspruch verwirkt. (Rn. 49) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Ausgleichsanspruch des Beamten ist spätestens dann verwirkt, wenn dieser länger als ein Jahr mit der Geltendmachung weiterer Dienstbefreiungen zuwartet, wie sich aus Art. 87 Abs. 2 Satz 2 BayBG ergibt. (Rn. 50) (redaktioneller Leitsatz)
4. Der Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit aufgrund des Anfalls von Bereitschaftszeiten liegt die Überlegung zugrunde, dass Bereitschaftszeiten der Höhe nach nicht voll als Arbeitszeit zählen, sodass eine höhere wöchentliche Dienstpflicht festgelegt werden kann. Ob die Verlängerung der wöchentlichen Arbeitszeit in angemessenem Verhältnis steht, richtet sich insbesondere nach dem Anteil des Bereitschaftsdienstes am gesamten Dienst und nach der mehr oder weniger stark beanspruchenden Gestaltung des Bereitschaftsdienstes, entzieht sich im Übrigen aber einer rein rechnerischen Bestimmung.(Rn. 63 – 64) (redaktioneller Leitsatz)
5. Die Anordnung oder Genehmigung von Mehrarbeit durch den Dienstherren unterliegt keinem Schriftformerfordernis, sie muss sich aber auf konkrete und zeitlich abgegrenzte Mehrarbeitstatbestände beziehen; nicht erforderlich ist, dass im Zeitpunkt der Anordnung oder Genehmigung die Anzahl der zu leistenden oder bereits geleisteten Mehrarbeitsstunden bekannt ist. Der Dienstherr entscheidet über die Anordnung oder Genehmigung von Mehrarbeit nach Ermessen. (Rn. 70) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Beklagte trägt 14%, der Kläger trägt 86% der Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Die Beteiligten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der jeweils andere Teil vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

1. Soweit sich der Rechtsstreit durch übereinstimmende Erledigterklärung in der Hauptsache teilweise erledigt hat, bedarf es keines gesonderten Einstellungsbeschlusses. Über die Kostentragung ist zusammen mit dem nicht erledigten Teil der Hauptsache zu entscheiden (Zimmermann-Kreher in: BeckOK VwGO, § 161 Rn. 12).
2. Abweichend von dem im Klageschriftsatz angekündigten Klageantrag hat der Bevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung seinen Klageantrag dahingehend gestellt, dass für die über die Erledigung hinausgehenden, zwischen den Parteien strittigen Arbeitsstunden anstelle einer Vergütung die Gewährung von Freizeitausgleich begehrt wird. Insoweit handelt es sich jedoch nicht um eine Klageänderung im Sinne des § 91 VwGO, da sowohl die Gewährung eines Freizeitausgleichs als auch einer Mehrarbeitsvergütung auf demselben Lebenssachverhalt beruht. Dabei liegt jeweils die Fragestellung zugrunde, welche jährliche Sollarbeitszeit vom Kläger zu erbringen war und wie viele Stunden dem Kläger für die geleistete Arbeit bzw. Wochenfeiertage gutzuschreiben sind.
3. Die zulässige Klage ist im anhängig gebliebenen Teil unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung eines zusätzlichen, über die von der Beklagten anerkannten 134,7 Stunden hinausgehenden Freizeitausgleiches gemäß Art. 87 Abs. 2 Satz 2 des Bayerischen Beamtengesetzes (BayBG) in der Fassung vom 30. März 2012, da es an einer ausgleichspflichtigen Mehrarbeit in den Jahren 2013 bis 2017 fehlt.
a) Soweit der Kläger Freizeitausgleich für die Jahre 2013 und 2014 begehrt, ist ein ggf. bestehender Anspruch bereits verwirkt.
Gemäß Art. 87 Abs. 2 Satz 2 BayBG ist innerhalb eines Jahres für die über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus geleistete Mehrarbeit Dienstbefreiung zu gewähren, wenn der Beamte durch dienstlich angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit mehr als 5 Stunden im Monat über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus beansprucht wird. Dabei ist der Beamte zur Vermeidung der Verwirkung seiner Ansprüche auf Gewährung von Dienstbefreiung verpflichtet, seine vermeintlichen Ansprüche wegen geleisteter Mehrarbeit unverzüglich anzumelden, wenn der Dienstherr – wie hier – nur einen Teil ausgleicht (BayVGH, B.v. 20.11.2018 – 6 CE 18.2332 – juris Rn. 10; B.v. 5.10.2016 – 3 ZB 14.2462 – juris Rn. 9; B.v. 23.11.1982 – 3 B 82 A.1793 – ZBR 1983, 152; VG Augsburg, B.v. 14.2.2019 – Au 2 K 18.961 – juris Rn. 27; VG Ansbach, U.v. 20.12.2016 – AN 1 K 16.00595 – juris Rn. 110 f.).
Aus den durch die Beklagte vorgelegten Stundenbuchungsübersichten für den Kläger aus den Jahren 2013 bis 2017 ergibt sich jeweils am Jahresende eine Gesamtstundensumme. Die im Falle des Klägers jeweils als Guthaben ausgewiesenen Stunden wurden dann in das Folgejahr übertragen und im Rahmen der Dienstplanung durch Gewährung von Freizeitausgleich berücksichtigt. Der Kläger hätte demnach spätestens jeweils zum Beginn des Folgejahres erkennen können, welches Stundenguthaben die Beklagte berechnet hat. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat für diesen Fall festgestellt, dass ein Beamter verpflichtet ist, anlässlich der vom Dienstherrn anerkannter Mehrarbeitszeiten und der auf dieser Basis erfolgten Gewährung von Freizeitausgleich darauf hinzuweisen, dass nach seiner Meinung für den fraglichen Zeitraum noch weitere Ansprüche wegen Mehrarbeit bestehen. Kommt der Beamte dieser Pflicht nicht nach, so hat er einen etwaigen Anspruch verwirkt (BayVGH, B.v. 20.11.2018 – 6 CE 18.2332 – juris Rn. 10).
Der Ausgleichsanspruch ist aber auf jeden Fall spätestens dann verwirkt, wenn der Beamte – wie hier – länger als ein Jahr mit der Geltendmachung weiterer Dienstbefreiungen zuwartet. Denn das Gesetz bestimmt in Art. 87 Abs. 2 Satz 2 BayBG ausdrücklich einen Zeitraum von einem Jahr, innerhalb dessen der Freizeitausgleich zu gewähren ist. Damit wird der Ausgleichsanspruch nicht zuletzt im Interesse einer geordneten und vorhersehbaren Einsatz- und Personalplanung in einer Weise konkretisiert, auf die sich sowohl der Beamte als auch der Dienstherr einzustellen haben (BayVGH, B.v. 20.11.2018 – 6 CE 18.2332 – juris Rn. 10).
Obwohl der Kläger jederzeit Einblick in das elektronische Buchungssystem hat nehmen können, forderte er erstmals mit E-Mail vom 6. März 2018 die Beklagte auf, ihm die Stundensalden für die Jahre 2013 bis 2018 mitzuteilen. Erst dieser daraufhin mit E-Mail der Beklagten vom 7. März 2018 mitgeteilten Saldenberechnung widersprach der Kläger mit E-Mail vom 9. April 2018 ausdrücklich. Unter Berücksichtigung der Jahresfrist des Art. 87 Abs. 2 Satz 2 BayBG könnte der Kläger einen Anspruch auf Gewährung von Freizeitausgleich demnach nur noch für die Jahre 2016 und 2017 geltend machen.
Allerdings hat der Kläger mit Schreiben vom 16. Februar 2016 Einspruch gegen die erhöhte Wochenarbeitszeit von 41,5 Stunden eingelegt. Bei Auslegung dieses Schreibens auch als Einspruch hinsichtlich der gutgeschriebenen Mehrarbeit, für deren Berechnung die wöchentliche Arbeitszeit maßgeblich ist, wirkt dieses verwirkungshemmend hinsichtlich der für 2015 bestehenden Mehrarbeitsstunden, nicht aber für die in den Jahren 2013 und 2014 bestehenden Mehrarbeitsstunden, da diesbezüglich Verwirkung zum Zeitpunktes des Eingangs des klägerischen Schreibens bei der Beklagten bereits eingetreten war.
Keinen Einfluss auf die Verwirkung hat dabei die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 17.11.2016 – 2 C 23.15 – BVerwGE 156, 262), dass auch bei Mehrarbeit in der Form des Bereitschaftsdienstes – wie bei Volldienst – Anspruch auf vollen Freizeitausgleich im Verhältnis 1 zu 1 besteht, da vorliegend nicht streitgegenständlich war, in welchem Umfang Bereitschaftszeiten auszugleichen sind. Aber selbst wenn der Antragsteller in der Zeit vor diesem Urteil im Unklaren über die Rechtslage gewesen wäre, hätte dies nichts an seiner Obliegenheit geändert, weitergehende Ansprüche auch bei entgegenstehender Erlasslage jedenfalls innerhalb des Jahreszeitraums geltend zu machen (BayVGH, B.v. 20.11.2018 – 6 CE 18.2332 – juris Rn. 10).
b) Auch besteht kein Anspruch auf Freizeitausgleich für die Zeit vom 14. Mai 2016 bis 27. Dezember 2017, da der Kläger während dieser Zeit dienstunfähig erkrankt war.
Für diese Zeit wurde dem Kläger die zu leistende Arbeitszeit – anfangs unter Berücksichtigung der erhöhten regelmäßigen Arbeitszeit von 41,5 Stunden, ab der Herausnahme aus dem Dienstplan der ILS zum 1. September 2016 unter Berücksichtigung der regelmäßigen Wochenarbeitszeit von 40 Stunden – vollständig gutgeschrieben. Eine darüberhinausgehende Gutschrift von Mehrarbeitsstunden ohne tatsächliche Arbeitsleistung scheidet offensichtlich aus.
c) Darüber hinaus besteht kein Anspruch auf Gewährung eines Freizeitausgleichs, soweit für den Kläger eine erhöhte wöchentliche Arbeitszeit von 41,5 Stunden und damit auch eine erhöhte Jahresarbeitszeit von 2165,41 Stunden galt. Denn bei den 1,5 Stunden, die über die regelmäßige Arbeitszeit gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 BayAzV hinausgehen, handelt es sich nicht um Mehrarbeit, sondern um reguläre Arbeitszeit.
aa) Die regelmäßig zu erbringende Arbeitszeit richtet sich nach der gemäß Art. 87 Abs. 1 BayBG durch die Staatsregierung erlassenen Verordnung über die Arbeitszeit für den bayerischen öffentlichen Dienst (Bayerische Arbeitszeitverordnung – BayAzV) in der jeweils gültigen Fassung. Gemäß § 2 Abs. 1 BayAzV betrug die regelmäßige Wochenarbeitszeit bis 31. Juli 2013 41 Stunden in der Woche, seit 1. August 2013 beträgt sie 40 Stunden in der Woche.
Gemäß § 4 Abs. 1 BayAzV können oberste Dienstbehörden und von ihr ermächtigte Behörden die Arbeitszeit entsprechend den dienstlichen Bedürfnissen erhöhen, wenn der Dienst Bereitschaftszeiten enthält. In einem Bezugszeitraum von zwölf Monaten darf die wöchentliche Arbeitszeit 48 Stunden nicht überschreiten. Der Anteil des Bereitschaftsdienstes beträgt bei Beamten im Sinne des Art. 132 BayBG im Regelfall nicht mehr als 18 Stunden in der Woche.
Von dieser Möglichkeit der angemessenen Anpassung hat die Beklagte für die in der ILS … eingesetzten Beamten durch die Dienstvereinbarung zur Regelung der Arbeitszeit in der Integrierten Leitstelle … (im Folgenden: Dienstvereinbarung), abgeschlossen zwischen der Berufsfeuerwehr der Stadt … und der Personalvertretung der Berufsfeuerwehr …, vom 13. Dezember 2013 Gebrauch gemacht und ab 1. August 2013 eine wöchentliche Arbeitszeit von 41,5 Stunden festgelegt. Bis zum Inkrafttreten der Dienstvereinbarung galt eine Arbeitszeit von 42,5 Stunden.
bb) Insoweit wurde die Dienstvereinbarung auch durch die innerhalb der Verwaltung der Beklagten zuständige Stelle getroffen, da es sich bei dem Dienststellenleiter der Berufsfeuerwehr um die durch die oberste Dienstbehörde ermächtigte Behörde im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 BayAzV gehandelt hat. Denn nach § 3 Abs. 1 der Rahmendienstvereinbarung über die Regelung und Flexibilisierung der Arbeitszeit bei der Stadt … vom 25. Juni 1997 sind die Dienststellenleitungen für den ordnungsgemäßen Geschäftsablauf der Dienststelle verantwortlich. Die jeweiligen Arbeitszeiten sind unter Berücksichtigung der in der Dienstvereinbarung enthaltenen Grundsätze zwischen der Dienststellenleitung und den Beschäftigten festzulegen. Der Oberbürgermeister konnte seine personalrechtlichen Befugnisse dabei auch auf die Dienststellenleiter übertragen, weil die personalrechtlichen Befugnisse – soweit sie nicht das personal- und beamtenrechtliche Grundverhältnis im Sinne des Art. 43 Abs. 1 GO berühren – unter Berücksichtigung der Größe des Personalapparates der Stadt … den laufenden Angelegenheiten des Art. 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GO zuzuordnen sind.
Darüber hinaus hat der Personal- und Organisationsausschuss der Beklagten das der Festlegung der wöchentlichen Arbeitszeit für die Beamten der ILS zugrundeliegende Gutachten der Fa. … GmbH vom 5. April 2012 zur Kenntnis genommen und darauf aufbauend mit Beschluss vom 18. September 2012 den geänderten Stellenplan für die Feuerwehr … gebilligt.
cc) Die für die Beamten der ILS … geltende regelmäßige Wochenarbeitszeit wurde auch entsprechend § 4 Abs. 1 Satz 1 BayAzV in angemessenem Verhältnis verlängert.
Der Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit aufgrund des Anfalls von Bereitschaftszeiten liegt die Überlegung zugrunde, dass Bereitschaftszeiten der Höhe nach nicht voll als Arbeitszeit zählen, sodass eine höhere wöchentliche Dienstpflicht festgelegt werden kann (Heizer in: BeckOK BeamtenR Bayern, BayBG Art. 87 Rn. 5.3). Solange die sich aus Europarecht ergebende Höchstgrenze von 48 Stunden eingehalten wird und sich die Erhöhung in einem angemessenen Verhältnis hält, steht die Fürsorgepflicht des Dienstherrn einer Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit unter Berücksichtigung der Bereitschaftszeiten nicht entgegen.
Ob die Verlängerung der wöchentlichen Arbeitszeit in angemessenem Verhältnis steht, richtet sich insbesondere nach dem Anteil des Bereitschaftsdienstes am gesamten Dienst und nach der mehr oder weniger stark beanspruchenden Gestaltung des Bereitschaftsdienstes (Plog/Wiedow, BBG, Stand April 2019, § 87 BBG Rn. 27), entzieht sich im Übrigen aber einer rein rechnerischen Bestimmung (Plog/Wiedow, BBG, Stand April 2019, § 87 BBG Rn. 28).
Die Kammer hat keine Zweifel daran, dass die Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit um 1,5 Stunden die Anforderung an ein angemessenes Verhältnis erfüllt. Die Beklagte erläuterte in der mündlichen Verhandlung, dass rechnerisch die Bereitschaftszeit pro Mitarbeiter 145,72 Stunden pro Jahr bei 48,57 Nachtdiensten pro Jahr beträgt. Aufgerundet ergeben sich damit etwa drei Stunden Bereitschaftszeit pro Woche. Von den zu leistenden Wochenstunden entfallen damit 38,5 Stunden auf die Regelarbeitszeit, während es sich bei den verbleibenden drei Stunden um Bereitschaftszeiten handelt, in denen die Disponenten nach unwidersprochenem Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 24. Januar 2019, Seite 6 Mitte, nur „in sehr seltenen Fällen, im unteren einstelligen Bereich pro Mitarbeiter jährlich, auf Grund akuter Notlagen in extremen Situationen ihren Dienst als Disponenten“ aufnehmen müssen.
Selbst bei einer rein rechnerischen Betrachtung würde sich die Erhöhung der regelmäßigen Wochenarbeitszeit um 1,5 Stunden als angemessen darstellen, da die Bereitschaftszeiten im Verhältnis zur gesamten (erhöhten) wöchentlichen Arbeitszeit 7,2% darstellen, im Verhältnis zur Arbeitszeit mit vollem Dienst (= 38,5 Stunden) 7,8%.
Hinzukommt, dass bei Berücksichtigung der 40-Stunden-Woche gemäß § 2 Abs. 1 BayAzV 1,5 Stunden der Bereitschaftszeit wie Arbeitszeit mit vollem Dienst, die der Kläger ohnehin erfüllen müsste, gewertet werden. Die zu leistenden wöchentlichen Bereitschaftszeiten führen damit nur zur Hälfte zu einem Aufschlag auf die Regelarbeitszeit. Gleichzeitig wird der Kläger während der Bereitschaftszeiten äußerst selten in Anspruch genommen.
Letztlich blieb die Verlängerung der wöchentlichen Arbeitszeit für die Beamten der ILS aber auch noch unterhalb der von 2004 bis 2012 für alle Bayerischen Beamten geltende Verlängerung der Arbeitszeit auf 42 Stunden in der Woche, gegen die keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestanden (BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 30.1.2008 – 2 BvR 398/07 – juris; BayVerfGH, E.v. 20.9.2005 – Vf. 13-VII-04 – juris). Insoweit stellte das BVerfG fest, dass die Festlegung der Arbeitszeit im Organisationsermessen des Dienstherrn, das seine Grenze in dem hergebrachten Grundsatz der Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber seinen Beamten findet, steht. Der Dienstherr darf die Wochenarbeitszeit insbesondere nicht auf ein Maß festlegen, das die Beamten übermäßig belastet oder gar geeignet ist, ihre Gesundheit zu gefährden (BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 30.1.2008 – 2 BvR 398/07 – juris Rn. 8).
dd) Im Übrigen würde es sich bei den über die regelmäßige Wochenarbeitszeit von 40 Stunden hinausgehenden Arbeitszeit nicht um eine dienstlich angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit im Sinne des Art. 87 Abs. 2 Satz 2 BayBG handeln.
Nach der Rechtsprechung des BVerwG (BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 2 C 23/15 – juris Rn. 14 m.w.N.) unterliegt die Anordnung oder Genehmigung von Mehrarbeit keinem Schriftformerfordernis, sie muss sich aber auf konkrete und zeitlich abgegrenzte Mehrarbeitstatbestände beziehen; nicht erforderlich ist, dass im Zeitpunkt der Anordnung oder Genehmigung die Anzahl der zu leistenden oder bereits geleisteten Mehrarbeitsstunden bekannt ist. Der Dienstherr entscheidet über die Anordnung oder Genehmigung von Mehrarbeit nach Ermessen. Dabei hat er insbesondere zu prüfen, ob nach dienstlichen Notwendigkeiten überhaupt Mehrarbeit erforderlich ist und welchem Beamten sie übertragen werden soll.
Eine Anordnung bzw. Genehmigung kann sich dabei weder aus einer Zeiterfassungskarte (BayVGH, B.v. 10.5.2019 – 3 ZB 17.275 – juris Rn. 6) noch aus einer Einteilung im regulären Dienstplan, selbst wenn der höhere Dienstvorgesetzte hiervon Kenntnis hat (VG Augsburg, B.v. 14.2.2019 – Au 2 K 18.961 – juris Rn. 33 m.w.N.), ergeben. Eine nachträgliche Genehmigung einer ständig anfallenden Mehrarbeit scheidet aus (BayVGH, B.v. 10.5.2019 – 3 ZB 17.275 – juris Rn. 6).
ee) Ein Anspruch auf Freizeitausgleich nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB scheidet offensichtlich aus, da dieser nur für rechtswidrige, über die unionsrechtlich höchstens zulässige wöchentliche Arbeitszeit hinaus geleistete Zuvielarbeit in Betracht kommt (BVerwG, B.v. 2.4.2019 – 2 B 43/18 – juris Rn. 11; U.v. 26.7.2012 – 2 C 29/11 – juris; U.v. 29.9.2011 – 2 C 32/10 – juris), die hier nicht vorliegt.
d) Soweit der Kläger einen Ausgleichsanspruch aus der Pausenregelung in Gliederungspunkt A.3.4 i.V.m. Gliederungspunkt B.2 der Dienstvereinbarung, wonach Ruhepausen auf dem Betriebsgelände einzubringen sind, herleiten will, hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen dargelegt, dass die Pausen in der berücksichtigten Arbeitszeit enthalten sind. Insoweit kann dahinstehen, ob die Beklagte von den in der ILS eingesetzten Beschäftigten und Beamten während der Ruhepausen einen Verbleib in den Räumlichkeiten der ILS erwarten durfte (so OVG RhPf, U.v. 23.3.2012 – 2 A 11355/11.OVG – juris zu der rheinland-pfälzischen Pausenregelung).
e) Der Kläger kann auch aus der Nichtberücksichtigung von Wochenfeiertagen keine über die von der Beklagten anerkannten Ansprüche auf Freizeitausgleich im Umfang von 134,7 Stunden hinausgehenden Ansprüche herleiten.
Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 BayAzV vermindert sich die regelmäßige Arbeitszeit für gesetzliche Feiertage sowie für sonstige ganz oder teilweise dienstfreie Tage (§ 5 Abs. 2 und 3), soweit sie auf die Tage von Montag bis Freitag fallen, um die Arbeitszeit, die an diesen Tagen zu leisten wäre. Gemäß § 9 Abs. 3 Satz 1 BayAzV gilt die verminderte Arbeitszeit nach § 2 Abs. 1 Satz 2 für Beamte im Schichtdienst ohne Rücksicht darauf, ob die davon betroffenen Beamten an den für die Beamten mit einer Arbeitszeitregelung nach § 7 oder § 8 ganz oder teilweise dienstfreien Tagen Dienst leisten müssen oder dienstfrei haben.
Soweit der Kläger an auf die Tage Montag bis Freitag entfallenden Feiertagen Dienst geleistet hat, erfolgte eine Gutschrift für die tatsächlich geleistete Arbeitszeit sowie eine weitere Gutschrift in Höhe der an diesem Tag zu leistenden Arbeitszeit auf das Arbeitszeitkonto, sodass die Regelung des § 9 Abs. 3 Satz 1 BayAzV ausreichend berücksichtigt wurde.
Hinsichtlich der auf einen Montag bis Freitag fallenden Feiertage oder sonstigen dienstfreien Tage, an denen der Kläger in den Jahren 2013 bis 2016 nicht zur Dienstausübung eingeteilt gewesen war, hat die Beklagte im Laufe des gerichtlichen Verfahrens zugesagt, nachträglich Freizeitausgleich zu gewähren. Insoweit macht es nach Auffassung der Kammer keinen Unterschied, ob die Beklagte – wie in § 2 Abs. 1 Satz 2, § 9 Abs. 3 Satz 1 BayAzV vorgesehen – die Sollarbeitszeit vermindert oder aber zusätzliche Stunden auf dem Arbeitszeitkonto gutschreibt, da mit beiden Verfahrensweisen das gleiche Ergebnis erreicht wird.
Die Beklagte hat dabei sowohl die Anzahl der nachträglich anzuerkennenden Tage als auch die pro Tag anzurechnenden Stunden zutreffend festgestellt. § 2 Abs. 1 Satz 2 BayAzV geht von der Berücksichtigung der Arbeitszeit aus, die an diesen Tagen nach § 7 Abs. 2 Sätze 2 und 3 BayAzV oder § 8 Abs. 1 Satz 2 BayAzV zu leisten wäre. Für Beamte im Schichtdienst sieht § 9 Abs. 3 Satz 1 BayAzV eine Anrechnung der Wochenfeiertage auch dann vor, wenn der Beamte an dem Wochenfeiertag durch den Dienstplan nicht zum Dienst eingeteilt war, also gerade keine Arbeitszeit zu erbringen hatte.
Die Dienstvereinbarung für die ILS … (Anlage A) sieht für die dort eingesetzten Beamten und Beschäftigten unterschiedliche Dienstzeiten vor. Unterschieden wird zwischen Tag- und Nachtschichten, wobei für die einzelnen Schichtarten verschiedene Zeitrahmen/-dauer festgelegt sind. Zeitpunkt und Art der abzuleistenden Schicht werden durch den Dienstplan festgelegt.
Damit weicht die Situation für einen Schichtdienst leistenden Beamten von dem Normalfall des § 2 Abs. 1 Satz 2 BayAzV dahingehend ab, dass für die Beamten im Schichtdienst eine Arbeitszeit, die an den Wochenfeiertagen abzuleisten wäre, gerade nicht feststeht. Denn die abzuleistende Arbeitszeit ergibt sich erst durch den Dienstplan, bei arbeitsfreien Wochenfeiertagen enthält dieser aber offensichtlich keinen Eintrag.
§ 9 Abs. 3 Satz 1 BayAzV enthält keine Regelung hinsichtlich der anzurechnenden Arbeitszeit. Auch in der Dienstvereinbarung finden sich keine Ausführungen zum Vollzug des § 9 Abs. 3 Satz 1 BayAzV. Ein Hinweis, wie der „Wert eines Tages“ festgelegt wird, ergibt sich lediglich aus einer „Definition“ bei Gliederungspunkt A.4 der Dienstvereinbarung, die jedoch gemäß Gliederungspunkt B. 2 für Beamten nicht analog heranzuziehen ist. Nach dieser Definition würde bei längerfristiger Erkrankung dem Arbeitszeitkonto pro Krankheitstag 1/5 der wöchentlichen Arbeitszeit gutgeschrieben werden.
Nach Auffassung der Kammer ist es nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte für arbeitsfreie Wochenfeiertage zur Festlegung der Wertigkeit eines arbeitsfreien Tages einen für alle in der ILS eingesetzten Beamten geltenden durchschnittlichen Wert heranzieht, der unabhängig von den möglichen Schichten gilt und sich an der 5-Tage-Woche gemäß § 5 Abs. 1 BayAzV orientiert. Da § 9 Abs. 3 Satz 1 BayAzV i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 2 BayAzV die Anrechnung von Wochenfeiertagen an den Tagen Montag bis Freitag regelt, kann eine 7-Tage-Woche nicht maßgeblich sein, was im Übrigen auch zu einer Schlechterstellung der Beamten im Schichtdienst gegenüber nicht im Schichtdienst eingesetzten Beamten führen würde. Auch ergeben sich keine Hinweise, dass für die in der ILS eingesetzten Beamten und Beschäftigen grundsätzlich eine 3,5-Tage-Woche gelten würde. Insbesondere zeigt der Rahmendienstplan (Anlage A der Dienstvereinbarung), dass die Schichtplanmodelle für die Disponenten durchaus zwischen zwei und sechs Arbeitstagen variieren. Als Auslegungshilfe kann im Übrigen auch § 49 Abs. 2 TVöD-TB-K herangezogen werden, der für Beschäftigte, die regelmäßig nach Dienstplan, der Wechsel- oder Schichtdienst an sieben Tagen in der Woche vorsieht, eingesetzt werden, regelt, dass sich die regelmäßige Wochenarbeitszeit um ein Fünftel der arbeitsvertraglich vereinbarten durchschnittlichen Wochenarbeitszeit reduziert, wenn sie an einem gesetzlichen Feiertag, der auf einen Werktag fällt, dienstplanmäßig nicht zur Arbeit eingeteilt sind.
3. Das Gericht hat im Urteil über die Kosten zu entscheiden, § 161 Abs. 1 VwGO. Soweit sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt hat, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes über die Kosten des Verfahrens, § 161 Abs. 2 VwGO.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Unter Gegenüberstellung des anerkannten Freizeitausgleichs im Umfang von 134,7 Stunden gegenüber den vom Kläger geforderten 987,35 Stunden ergibt sich ein Unterliegen der Beklagten im Umfang von 14%.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 124 a Abs. 1 VwGO nicht vorliegen.


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