Arbeitsrecht

Berufung, Arbeitnehmer, Erkrankung, Arbeitsleistung, Arbeitsvertrag, Arbeitgeber, Revision, Entgeltfortzahlung, Elternzeit, Weihnachtsgeld, Anspruch, Frist, Arztpraxis, Abmahnung, wichtiger Grund, Kosten des Rechtsstreits, Kosten des Verfahrens

Aktenzeichen  7 Sa 216/19

Datum:
8.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 50759
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 273, § 626
KSchG § 1 Abs. 2
PflegeZG § 3 Abs. 4
BEEG § 17 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Es stellt einen wichtigen Grund “an sich” für eine außerordentliche fristlose Kündigung dar, wenn der Arbeitnehmer in der unzutreffenden Annahme eines Zurückbehaltungsrechts an seiner Arbeitsleistung deren Erbringung über einen längeren Zeitraum (hier: mehrere Monate) verweigert.
2. Der Arbeitgeber kann das Recht, den Urlaub des Arbeitnehmers nach § 3 Abs. 4 PflegeZG und nach § 17 Abs. 1 BEEG zu kürzen, auch nach dem Ende von Pflegezeit und Elternzeit durch eine entsprechende Erklärung ausüben, solange das Arbeitsverhältnis noch besteht, Anschluss an BAG, Urteil vom 19.03.2019 – 9 AZR 495/17 -.

Verfahrensgang

2 Ca 1336/18 2019-05-28 Endurteil ARBGWUERZBURG ArbG Würzburg

Tenor

I. Auf die Berufungen der Klägerin und der Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichtes Würzburg – Kammer Aschaffenburg – 2 Ca 1336/18 – vom 28.05.2019 abgeändert.
II. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 28.01.2019 nicht zum 29.01.2019 aufgelöst worden ist. Im Übrigen wird die Kündigungsschutzklage abgewiesen.
III. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 550,80 € brutto zu zahlen.
IV. Die Berufung der Beklagten wird im Übrigen zurückgewiesen.
V. Die Berufung der Klägerin wird im Übrigen zurückgewiesen.
VI. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 4/5 und die Beklagte zu 1/5.  
VII. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

A.
Die Berufung der Klägerin ist zulässig.
Das Rechtsmittel der Berufung der Klägerin ist gem. § 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG i.V. m. §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
Die Berufung der Beklagten ist ebenfalls zulässig.
Das Rechtsmittel der Berufung der Beklagten ist gem. § 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG i.V. m. §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
B.
Die Berufungen beider Parteien sind teilweise begründet.
Das Arbeitsverhältnis der Parteien findet mangels wichtigen Grundes nicht durch die außerordentliche und fristlose Kündigung vom 28.01.2019 mit deren Zugang am 29.01.2019 ihr Ende, sondern durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung unter Wahrung der gesetzlichen Kündigungsfrist des § 622 Abs. 2 Nr. 5 BGB zum 30.06.2019. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung und Annahmeverzugslohn für die Zeit vom 01.09. bis 31.12.2018. Sie hat auch keinen Anspruch auf Abgeltung von Urlaubsansprüchen für die Jahre 2012 bis 2017.
Die Klägerin hat Anspruch auf arbeitsvertraglich vereinbartes Weihnachtgeld in Höhe von 414,00 € brutto. Die Klägerin hat auch Anspruch auf Abgeltung ihrer Urlaubsansprüche für das Jahr 2018 in Höhe von 550,80 € brutto.
I.
Das Arbeitsverhältnis der Parteien findet mangels wichtigen Grundes nicht durch die außerordentliche und fristlose Kündigung vom 28.01.2019 mit deren Zugang am 29.01.2019 sein Ende, sondern durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung unter Wahrung der gesetzlichen Kündigungsfrist des § 622 Abs. 2 Nr. 5 BGB zum 30.06.2019.
1. Die Wirksamkeit der nach § 623 BGB formwirksamen Kündigung vom 28.01.2019 ergibt sich nicht aus §§ 4, 7, 13 KSchG, da sie mit Klageerweiterung vom 06.02.2019 rechtzeitig angegriffen wurde.
2. Die Kündigung ist als außerordentliche Kündigung unwirksam mangels wichtigen Grundes nach § 626 Abs. 1 BGB.
a. Die Kündigung wahrt die Frist von zwei Wochen des § 626 Abs. 2 BGB.
(1) Gemäß § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB kann eine außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt nach Abs. 2 Satz 2 der Norm mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist der Fall, sobald er eine zuverlässige und möglichst vollständige Kenntnis der einschlägigen Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen soll oder nicht. Bei Vorliegen eines Dauertatbestandes läuft diese Frist erst an mit Beendigung dieses Tatbestandes.
(2) Hier hat die Klägerin die vertraglich geschuldete Leistung als Mitarbeiterin in der Kinderbetreuung nach Ende der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit am 22.09.2018 nicht erbracht bis zum Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung. Für den Anlauf der Kündigungserklärungsfrist kann nicht auf den Zeitpunkt der Ausübung des Zurückbehaltungsrechtes mit Schreiben vom 26.09.2018 abgestellt werden. Damit wurde die Arbeitsverweigerung zwar angekündigt. Der darin liegende Vertragsverstoß wurde in der Folgezeit aber arbeitstäglich realisiert und aufrechterhalten und damit fortlaufend vertieft.
b. Ein wichtiger Grund für die Kündigung liegt im Ergebnis nicht vor.
(1) Nach § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dabei ist nach der Rechtsprechung des BAG zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, d.h. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile – jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – zumutbar ist oder nicht.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die beharrliche Weigerung eines Arbeitnehmers, seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, geeignet, eine Kündigung, sogar eine außerordentliche fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Ein Arbeitnehmer verweigert die ihm angewiesene Arbeit beharrlich, wenn er sie bewusst und nachdrücklich nicht leisten will. Ob er zur Arbeitsleistung verpflichtet war, entscheidet sich nach der objektiven Rechtslage. Verweigert der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung und macht ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB geltend, unterliegt die Ausübung des Zurückbehaltungsrechtes nach der Rechtsprechung des BAG dem Gebot von Treu und Glauben und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der Grundsatz von Treu und Glauben verbietet es dem Arbeitnehmer, seine Arbeitsleistung wegen eines verhältnismäßig geringfügigen Lohnanspruches zurückzuhalten. Dies folgt aus einer Analogie zu § 320 Abs. 2 BGB, BAG, Urteil vom 25.10.1984 – 2 AZR 417/83 -, Rn. 29, zitiert nach juris. Die Grenze der Geringfügigkeit ist dabei jedenfalls mit einem Zahlungsrückstand von eineinhalb bis zwei Monatsvergütungen überschritten, BAG, Urteil vom 25.10.1984, aaO; BAG, Urteil vom 25.10.2007 – 8 AZR 917/06 -, Rn. 52, zitiert nach juris.
Verweigert der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung in der Annahme, er handele rechtmäßig, hat grundsätzlich er selbst das Risiko zu tragen, dass sich seine Rechtsauffassung als unzutreffend erweist, BAG, Urteil vom 22.10.2015 – 2 AZR 569/14 -, Rn. 37, zitiert nach juris und BAG, Urteil vom 14.12.2017 – 2 AZR 86/17 -, Rn. 29, zitiert nach juris.
(2) Ein wichtiger Grund an sich für die Kündigung vom 28.01.2019 liegt hier vor.
Die Klägerin hat die geschuldete Arbeitsleistung ab dem ersten Tag nach dem Ende der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit am 22.09.2018, an dem sie verpflichtet gewesen wäre, bei der Beklagten wieder in der Kinderbetreuung zu arbeiten, nicht erbracht. Dies war ein Verstoß gegen ihre vertragliche Hauptleistungspflicht. Der Verstoß war auch beharrlich, da er über Monate hinweg fortgesetzt wurde bis zum Ausspruch der Kündigung. Der Vertragsverstoß war schließlich rechtswidrig und schuldhaft. Der Klägerin stand kein wirksam ausgeübtes Leistungsverweigerungsrecht für die Zurückbehaltung ihrer Arbeitskraft zur Seite. Im Zeitpunkt der Ausübung des Zurückbehaltungsrechtes lagen Rückstände bei der Gehaltszahlung von mehr als einem Bruttomonatsentgelt nicht vor. Das Zurückbehaltungsrecht wurde ausweislich des Schreibens des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 29.09.2018 ausgeübt wegen rückständiger Entgeltfortzahlung für Juli und August 2018 sowie nicht ausbezahlten Urlaubsgeldes 2018. Die Beklagte schuldete der Klägerin jedoch keine Entgeltfortzahlung für Juli und August 2018 nach dem rechtskräftigen Urteil des LAG Nürnberg vom 01.10.2019 – 7 Sa 105/19 -. Zum Zeitpunkt der Ausübung des Zurückbehaltungsrechtes war die Beklagte nur mit der Zahlung des Urlaubsgeldes 2018 in Höhe von 442,00 € brutto im Verzug. Dies war ein rückständiger Betrag von deutlich unter einem Bruttomonatsgehalt. Die Klägerin war daher nach Treu und Glauben nicht berechtigt, ihre Arbeitsleistung zurückzuhalten. Darüber hinaus wurde die Beklagte nicht vor der tatsächlichen Ausübung des Zurückbehaltungsrechtes zum Ausgleich der rückständigen Vergütungsbestandteile unter Gewährung einer angemessenen Zahlungsfrist aufgefordert.
Die Weiterbeschäftigung der Klägerin war der Beklagten hier bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar.
Liegt ein wichtiger Grund an sich für eine außerordentliche Kündigung vor, so ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile – jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – zumutbar ist oder nicht. Hier hatte die Beklagte zwar mit der Abmahnung vom 04.09.2018 die Klägerin darauf hingewiesen, dass sie unentschuldigtes Fehlen nicht akzeptiere und gegebenenfalls wegen eines solchen Vertragsverstoßes die Kündigung auszusprechen sich vorbehalte. Sie hat aber nach der unwirksamen Ausübung des Zurückbehaltungsrechtes noch monatelang mit dem Ausspruch der Kündigung zugewartet bis Januar 2019. Die Beklagte wartete auch noch den Termin der Güteverhandlung im Parallelverfahren am 23.10.2018 ab, um dort eine einvernehmliche Lösung mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu suchen. In diesem Termin wurde ein widerruflicher Vergleich geschlossen mit einer einvernehmlichen Trennung der Parteien zum 31.10.2018. Nachdem die Beklagte diesen Vergleich widerrief, erklärte sie wiederum keine Kündigung, sondern wartete noch den Termin zur streitigen Verhandlung am 08.01.2019 ab. Dort wurde wiederum ein widerruflicher Vergleich geschlossen, der eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.01.2018 vorsah. Erst nach dem Widerruf dieses Vergleiches durch die Klägerin mit Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten vom 14.01.2018 sah sich die Beklagte veranlasst, die streitgegenständliche Kündigung auszusprechen. Daraus ergibt sich aus Sicht des Berufungsgerichtes ohne weiteres, dass die beharrliche Arbeitsverweigerung der Klägerin aus Sicht der Beklagten als Vertragsverstoß nicht die Bedeutung hatte, eine unverzügliche Trennung von der Klägerin ohne Wahrung der Kündigungsfrist zu verfolgen. An dieser Wertung ist die Beklagte festzuhalten.
3. Die Kündigung vom 28.01.2019 ist als ordentliche Kündigung sozial gerechtfertigt und beendet das Arbeitsverhältnis der Parteien unter Wahrung der gesetzlichen Kündigungsfrist des § 622 Abs. 2 Nr. 5 BGB zum 30.06.2019.
a. Das KSchG findet Anwendung nach §§ 1, 23 KSchG.
b. Die Kündigung scheitert nicht an einer fehlenden oder fehlerhaften Anhörung des Betriebsrates nach § 102 BetrVG. Die Klägerin bestreitet zwar formelhaft eine ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrates mit Nichtwissen. Sie behauptet aber schon gar nicht, dass es bei der Beklagten überhaupt einen Betriebsrat gibt, der anzuhören gewesen wäre. Dies zählt zur Vortragslast der Klägerin, der sie nicht genügt hat.
c. Die Kündigung ist aus verhaltensbedingten Gründen wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung der Klägerin sozial gerechtfertigt nach § 1 Abs. 2 KSchG.
(1) Eine Kündigung ist nach der ständigen Rechtsprechung des BAG nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers bedingt und damit nicht sozial ungerechtfertigt, wenn dieser seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat, eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht und dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers über die Kündigungsfrist hinaus in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile nicht zumutbar ist.
Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist nach der ständigen Rechtsprechung des BAG, in jüngerer Zeit mit Urteil vom 13.12.2018 – 2 AZR 370/18 -, Rn. 30, zitiert nach juris, grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Der Abmahnung bedarf es nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist, BAG, Urteil vom 29.06.2017 – 2 AZR 302/16 -, Rn. 28, zitiert nach juris.
(2) Hier liegt nach den obigen Ausführungen zum wichtigen Grund nach § 626 Abs. 1 BGB eine erhebliche Verletzung der Hauptleistungspflicht der Klägerin über einen längeren Zeitraum vor, die auch rechtswidrig und schuldhaft war.
Ferner bedurfte es einer Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung nicht mehr. Die Nichtaufnahme der Arbeit und die bewusste und gewollte Weigerung, die Hauptleistungspflicht der Klägerin aus dem bestehenden Arbeitsvertrag über vier Monate hinweg zu erbringen, stellt eine ganz erhebliche Pflichtverletzung der Klägerin dar. Der Klägerin mußte deshalb klar sein, dass ein solches Verhalten von der Beklagten nicht toleriert werden wird.
Die Abwägung der beiderseitigen Interessen der Parteien unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles führt dazu, dass das Beendigungsinteresse der Beklagten das Interesse der Klägerin an der Fortsetzung ihres Arbeitsverhältnisses überwiegt.
Zugunsten der Klägerin waren ihre Unterhaltspflichten und ihre langjährige Betriebszugehörigkeit zu berücksichtigen. Zu ihren Lasten fällt jedoch entscheidend ins Gewicht, dass sie über Monate hinweg rechtswidrig und schuldhaft in der Form des Vorsatzes der Arbeit ferngeblieben ist. Die ordentliche Kündigung ist vor diesem Hintergrund angemessen. Eine dauerhafte Weiterbeschäftigung der Klägerin über den 30.06.2019 hinaus ist der Beklagten nicht mehr zumutbar.
II.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle nach § 3 EFZG für die Zeit vom 01.09. bis 22.09.2018.
(1) Insoweit kann das Gericht Bezug nehmen auf die Ausführungen im rechtskräftigen Urteil vom 01.10.2019 – 7 Sa 105/19 – zu dem im dortigen Verfahren verfolgten Entgeltfortzahlungsanspruch für die Zeit vom 17.07. bis 31.08.2018. Diese werden nachrichtlich hierher übernommen wie folgt:
„Die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit muss die alleinige Ursache für die Arbeitsverhinderung sein, BAG, Urteil vom 24.03.2004 – 5 AZR 355/03 -, dort Rdz. 27, zitiert nach juris. Entgeltfortzahlung ist nur geschuldet, wenn ohne Arbeitsunfähigkeit gearbeitet worden wäre. Dies ist dann nicht der Fall, wenn der Arbeitnehmer entweder nicht leistungswillig, also zur Leistung außerstande ist, oder nicht leistungsfähig, also zur Leistung nicht bereit war und deshalb auch kein Annahmeverzug seitens des Arbeitgebers vorgelegen hätte, wenn der Arbeitnehmer nicht arbeitsunfähig erkrankt wäre. Im Rahmen eines Streites um Annahmeverzug hat der Arbeitgeber darzulegen und zu beweisen, dass der Arbeitnehmer zur Leistung objektiv außer Stande oder objektiv nicht bereit war. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 297 BGB. Hat der Arbeitgeber Indizien vorgetragen, aus denen auf eine fehlende Leistungsfähigkeit oder den fehlenden Leistungswillen des Arbeitnehmers geschlossen werden kann, ist es Sache des Arbeitnehmers, diese Indizwirkung zu erschüttern. Dazu muss er substantiiert Tatsachen vortragen, aus denen sich Leistungsfähigkeit und Leistungswilligkeit ergibt. Trägt er nichts vor oder lässt er sich nicht substantiiert ein, gilt die Behauptung des Arbeitgebers, der Arbeitnehmer sei während des Verzugszeitraums leistungsunfähig bzw. -unwillig gewesen, als zugestanden. Andernfalls ist der Arbeitgeber für die die fehlende Leistungsfähigkeit bzw. den fehlenden Leistungswillen begründenden Tatsachen beweispflichtig, Urteil vom 22.02.2012 – 5 AZR 249/11 -, dort Rdz. 17, zitiert nach juris. Für den erforderlichen Beweisantritt kann der Arbeitgeber dann auf das substantiierte Vorbringen des Arbeitnehmers abstellen, um nicht nur Ausforschungsbeweis anzutreten.“
(2) Daraus ergibt sich für den vorliegenden Fall:
Die Parteien hatten wegen der Wiederaufnahme der Beschäftigung der Klägerin telefonischen Kontakt. Die Klägerin hatte hier ihren Wunsch zum Ausdruck gebracht, vorzugsweise vormittags zu arbeiten, da ihre Kinder zu dieser Zeit in der Schule wären. Dies hatte die Beklagte abgelehnt und eine Beschäftigung in der Spielewelt wie früher nachmittags und am Samstag als Kinderbetreuung angeboten. Darauf hatte die Klägerin reagiert mit der E-Mail vom 26.02.2018, in der sie mitteilte, dass es ihr momentan nicht möglich ist nach Beendigung der Pflegezeit, die Arbeit wiederaufzunehmen. Im ersten Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 12.07.2018 wurde keine Arbeitsleistung als Kinderbetreuung nachmittags und am Samstag angeboten. Ausdrücklich bittet der Prozessbevollmächtigte dort um Mitteilung, wann „diese veränderte Arbeitszeit vormittags ab 17. Juli 2018 zu absolvieren“ ist. Dabei nimmt er Bezug auf seine vorherigen Ausführungen, dass die Klägerin nur vormittags von 09:00 Uhr bis 12:00 Uhr arbeiten möchte mit einer Begrenzung auf 10 Stunden die Woche. Auch mit dem weiteren Schreiben vom 16.07.2018 wird keine Arbeitsleistung als Kinderbetreuung nachmittags und am Samstag angeboten. Dort wird vielmehr klargestellt, dass der erste Arbeitstag nach der Pflegezeit der 17.07.2018 sei. Weiter wird ausgeführt, dass sich ernsthaft die Frage stelle, welche Tätigkeit die Beklagte am 17.07.2018 um 10:00 Uhr anbieten möchte, wenn die Klägerin zu dieser Zeit bei der Beklagten erscheint. Die Beklagte verschloss sich dem Wunsch der Klägerin nach alternativer Beschäftigung nicht kategorisch im Ablehnungsschreiben vom 17.07.2018, lehnte aber „in aller Deutlichkeit“ ab, die Klägerin nur vormittags von 09:00 bis 12:00 Uhr zu beschäftigen.
Die Klägerin erkrankte am ersten Tag nach Ende der Pflegezeit arbeitsunfähig bis einschließlich Samstag, den 22.09.2018. Sie meldete sich zu Beginn der Folgewoche nicht wegen der Wiederaufnahme der Arbeit ab Donnerstag in der Kinderbetreuung und bot auch die Arbeitsleistung nicht an. Mit Schreiben vom Mittwoch, den 26.09.2018 ließ die Klägerin vielmehr ihren Prozessbevollmächtigten mitteilen, dass sie zwar weiterhin arbeitsunfähig krank sei, „aber aufgrund nicht geringen Forderung hiermit rein vorsorglich nochmals ausdrücklich bzgl. ihrer Arbeitskraft von ihrem Zurückbehaltungsrecht aufgrund der unterbliebenen Zahlung Gebrauch“ mache. Am Donnerstag, den 27.09.2018 nahm sie die Arbeit nicht auf und legte auch keine weiteren Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen mehr vor.
Das Gericht sieht in diesem Geschehensverlauf hinreichende Indizien für eine fehlende Leistungswilligkeit oder fehlende Leistungsfähigkeit der Klägerin. Die Beklagte trägt mit diesen unstreitigen Tatsachen vor, was sie vortragen kann. Die Beklagte hatte keine näheren Erkenntnisse darüber, wie das häusliche Leben bei der Klägerin im Hinblick auf die Pflegebedürftigkeit ihres erstgeborenen Sohnes und ihrer Mutter organisiert war. Sie wusste nur aus dem Schreiben der Klägerin vom 26.06.2018, dass diese jedenfalls nicht zu den angebotenen Arbeitszeiten als Kinderbetreuung am Donnerstag und am Freitag jeweils nachmittags und am Samstag arbeiten wollte oder konnte, sei es, weil sie die Pflegesituation für Sohn und Mutter nicht verschlechtern wollte oder weil sie eine alternative Pflegesituation gar nicht schaffen konnte.
Darüber hinaus ergibt sich schon kein Anspruch der Klägerin auf Entgeltzahlung im Krankheitsfall über sechs Wochen hinaus nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des BAG zur Einheit des Verhinderungsfalles. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG besteht bei durchgängiger Arbeitsunfähigkeit auf Grund einer oder auch mehrerer überlappender Erkrankungen Anspruch auf Entgeltfortzahlung nur für 6 Wochen ab Beginn der Arbeitsunfähigkeit (Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalles).
Hier macht die Klägerin geltend, ein neuer Entgeltfortzahlungszeitraum habe am 03.09.2018 mit der Durchfallerkrankung begonnen. Die Lungenentzündung sei am 01.09.2018 ausgeheilt gewesen, am 02.09.2018, einem Sonntag, sei sie arbeitsfähig gewesen. In der ärztlichen Bescheinigung vom 14.09.2018 sei ihr fehlende Arbeitsfähigkeit „in der Zeit vom 20.08.18 bis 2.9.18“ bescheinigt worden. Daraus ergebe sich im Vergleich zu einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, dass sie am 02.09.2018 nicht mehr arbeitsunfähig gewesen sei, sondern arbeitsfähig. Denn in einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung werde mit dem dort angegebenen Enddatum der letzte Tag der Arbeitsunfähigkeit festgestellt mit der Formulierung „voraussichtlich arbeitsunfähig bis einschließlich oder letzter Tag der Arbeitsunfähigkeit“. Dieses Auslegungsergebnis der ärztlichen Bescheinigung vom 14.09.2018 erschließt sich dem Berufungsgericht nicht. Mit „bis 02.09.2018“ wird der letzte Tag des Zeitraumes benannt, nicht der erste Tag eines sich anschließenden Zeitraumes. Ebenso wenig ist mit „vom 20.08.2018“ der letzte Tag vor dem bezeichneten Zeitraum benannt, sondern der erste Tag des benannten Zeitraumes. Damit war die Klägerin nach Aktenlage arbeitsunfähig erkrankt wegen ihrer Lungenentzündung bis einschließlich 02.09.2018 und wieder arbeitsunfähig erkrankt ab 03.09.2018 wegen Durchfall. Eine Phase der Arbeitsfähigkeit zwischen den beiden Erkrankungen ist nicht ersichtlich vorgetragen.
III.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Annahmeverzugsvergütung nach §§ 611a, 615 BGB für die Zeit vom 23.09.2018 bis 31.12.2018.
Die Klägerin hat für diesen Zeitraum ihre Arbeitsleistung nicht angeboten. Sie hat für diesen Zeitraum auch kein Zurückbehaltungsrecht an ihrer Arbeitsleistung geltend machen können, wie oben bereits ausgeführt.
IV.
Die Klägerin hat Anspruch auf Weihnachtsgeld 2018 in Höhe von 414,00 € brutto, wie das Erstgericht zutreffend erkannt und begründet hat. Das Berufungsgericht macht sich die Ausführungen des Erstgerichtes zu eigen nach § 69 Abs. 2 ArbGG.
Zum Vorbringen der Beklagten in der Berufung ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass es dahingestellt bleiben kann, ob es sich bei dem vertraglich vereinbarten Weihnachtsgeld ausschließlich um eine Betriebstreueprämie handelt oder auch um zusätzliche Vergütung für Arbeit oder einfach um eine zusätzliche Zahlung des Arbeitgebers zu den erhöhten Aufwendungen des Arbeitnehmers anlässlich des Weihnachtsfestes. Die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen der Parteien sehen keine Kürzung des Weihnachtsgeldes vor für den Fall, dass die Klägerin über mehrere Monate hinweg keine Arbeitsleistung erbringt. Daraus ergibt sich deshalb keine Kürzungsmöglichkeit für die Beklagte. Eine solche Kürzungsmöglichkeit lässt sich auch nicht aus Sinn und Zweck der Sonderzahlung ermitteln, wenn mit dieser Sonderzahlung verschiedene Zwecke verfolgt werden und jedenfalls einer der Zwecke auch verwirklicht wird. Dies ist hier der Fall. Die Klägerin war zu Weihnachten und auch zum Jahreswechsel 2018 Arbeitnehmerin bei der Beklagten in unbefristeter Beschäftigung, also betriebstreu und mit den erhöhten Ausgaben anlässlich des Weihnachtsfestes konfrontiert.
Die arbeitsvertragliche Verfallfrist von drei Monaten wurde mit der Klageerhebung mit Klageerweiterung vom 28.02.2018 noch im Februar 2018 gewahrt.
V.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Urlaub in Natur, nachdem das Arbeitsverhältnis zum 30.06.2019 geendet hat. Insoweit war die Entscheidung des Erstgerichtes, das Urlaubsgewährung jedenfalls für den Urlaub des Jahres 2018 zugesprochen hatte, aufzuheben.
VI.
Die Klägerin hat Anspruch auf Urlaubsabgeltung nach § 7 Abs. 4 BUrlG gegen die Beklagte in Höhe von 550,80 € brutto.
Mit der Feststellung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.06.2019 ist die Gewährung von Urlaub in Natur nicht mehr möglich und damit der Hilfsantrag auf Zahlung von Urlaubsabgeltung zur Entscheidung angefallen.
(1) Arbeitnehmer erwerben auch in der Elternzeit nach BEEG und in der Pflegezeit nach PflegeZG einen Anspruch auf Urlaub nach §§ 1, 3 BUrlG. Dies gilt auch für einen im Arbeitsvertrag vereinbarten übergesetzlichen Urlaub, soweit für diesen übergesetzlichen Urlaub keine eigenen Regelungen im Arbeitsvertrag getroffen wurden, die ein Entstehen eines Urlaubsanspruches in der Elternzeit und in der Pflegezeit von vorneherein ausschließen.
Der Arbeitgeber kann aber den Urlaubsanspruch kürzen. Nach § 4 Abs. 4 PflegeZG kann der Arbeitgeber den Erholungsurlaub, der der oder dem Beschäftigten für das Urlaubsjahr zusteht, für jeden vollen Kalendermonat der vollständigen Freistellung von der Arbeitsleistung um ein Zwölftel kürzen. Nach 17 Abs. 1 BEEG kann der Arbeitgeber den Erholungsurlaub, der dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin für das Urlaubsjahr zusteht, für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel kürzen.
Möchte der Arbeitgeber den Anspruch auf Erholungsurlaub kürzen, muss er nach der jüngsten Rechtsprechung sein Kürzungsrecht ausüben. Dazu ist eine hierauf gerichtete rechtsgeschäftliche Erklärung erforderlich, die dem Arbeitnehmer zugehen muss. Die Kürzungserklärung kann ausdrücklich oder stillschweigend abgegeben werden. Dazu ist es ausreichend, dass dem Arbeitnehmer – abweichend von seinem Urlaubsverlangen – nur der gekürzte Urlaub gewährt wird oder für ihn erkennbar ist, dass der Arbeitgeber sein Kürzungsrecht ausüben will. Es findet jedoch keine Kürzung von Gesetzes wegen statt.
Die Regelung in § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG setzt voraus, dass der Anspruch auf Erholungsurlaub bei Zugang der Kürzungserklärung noch besteht. Daran fehlt es, wenn das Arbeitsverhältnis beendet ist und der Arbeitnehmer Anspruch auf Urlaubsabgeltung hat. Das Gesetz unterstellt allein den „Erholungsurlaub“ der Kürzungsbefugnis des Arbeitgebers, nicht dagegen den Abgeltungsanspruch, BAG, Urteil vom 19.03.2019 – 9 AZR 495/17 -, Rn. 31, 32, zitiert nach juris. Deshalb kann der Arbeitgeber die Kürzungserklärung nur abgeben im bestehenden Arbeitsverhältnis, hier aber vor, während und nach dem Ende der Elternzeit, BAG, Urteil vom 19.03.2019 – 9 AZR 495/17 -, Rn. 35 zitiert nach juris. Will er die Kürzungserklärung abgeben, so ist dafür eine Erklärung erforderlich, die dem Arbeitnehmer zugeht. Diese Erklärung kann ausdrücklich oder stillschweigend abgegeben werden. Ausreichend ist es, dass dem Arbeitnehmer nur der gekürzte Urlaub gewährt wird oder für ihn erkennbar ist, dass der Arbeitgeber sein Kürzungsrecht ausüben will, BAG, Urteil vom 19.03.2019 – 9 AZR 495/17 -, Rn. 31, zitiert nach juris.
(2) Hier hat die Klägerin mit Schreiben vom 09.08.2018 die Gewährung von Jahresurlaub 2011 bis 2018 mit insgesamt 22 Urlaubstagen vom 20.08.2018 bis 24.06.2019 geltend gemacht. Dieses Schreiben ging bei der Beklagten am 10.08.2018 ein. Der beantragte Urlaub wurde nicht bewilligt. Die Beklagte hat im laufenden gerichtlichen Verfahren geltend gemacht, sie habe die Kürzung erklärt. Unstreitig ist eine entsprechende Kürzungserklärung für das Kalenderjahr 2018. Die Klägerin hat in ihrem Urlaubsantrag mit Schreiben vom 09.08.2018 für 255 Urlaubstage für die Jahre 2011 bis 2018 selbst ausgeführt, dass mit Schreiben der Beklagten vom 12.01.2018 der Urlaub für jeden vollen Kalendermonat der Pflegezeitfreistellung gekürzt wurde und ihr deshalb nur noch ein Urlaubsanspruch für das Jahr 2018 von 18 Tagen und nicht von 36 Tagen zusteht. Weitere Kürzungserklärungen für die Jahre 2012 bis 2017 hat die Klägerin bestritten.
Auch für die Jahre 2011 bis 2017 liegt eine Kürzungserklärung der Beklagten vor.
Die Beklagte hat im Verfahren und im noch bestehenden Arbeitsverhältnis mit Klageerwiderung vom 12.02.2019 vorgetragen, „dass die Beklagte erklärt hat, den Urlaubsanspruch für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um 1/12 zu kürzen.“ Dies hat die Klägerin bestritten. Einer Beweisaufnahme war diese Behauptung der Beklagten nicht zugänglich. Die Klägerin war wiederholt und durchgängig in der Zeit von 2011 bis 2018 in Elternzeit nach der Geburt des zweiten und dritten Kindes und in Pflegezeit für das erstgeborene Kind und die Mutter. Von daher hätte Anlass für die Beklagte bestanden, wiederholt bei der jeweiligen Inanspruchnahme die Kürzung zu erklären. Vor diesem Hintergrund ist die nach Zeit, Ort und weiteren Umständen der Kürzungserklärung unsubstantiierte Behauptung der Beklagten einer Beweisaufnahme nicht zugänglich gewesen.
Aus dem Vortrag der Beklagten mit Klageerwiderung vom 12.02.2019, „dass die Beklagte erklärt hat, den Urlaubsanspruch für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um 1/12 zu kürzen“ ergibt sich jedoch für die Klägerin erkennbar, dass die Beklagte jedenfalls ihr Kürzungsrecht ausüben will. An dieser Erklärung hat die Beklagte auch festgehalten mit weiterem Schreiben an das Gericht vom 09.04.2019. Mit dieser Erklärung im laufenden gerichtlichen Verfahren konnte die Beklagte daher den Urlaubsanspruch der Klägerin noch kürzen nach § 4 Abs. 4 PflegeZG und nach § 17 Abs. 1 BEEG, da das Arbeitsverhältnis nicht durch die außerordentliche Kündigung vom 28.01.2019 zum 29.01.2019 aufgelöst wurde, sondern erst durch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung zum 30.06.2019. Das Arbeitsverhältnis bestand daher im Zeitpunkt der Kürzungserklärung noch.
Dadurch sind die gerichtlich geltend gemachten Urlaubsansprüche für die Jahre 2012 bis 2017 erloschen, da die Klägerin in diesen Jahren durchgängig in Elternzeit und Pflegezeit war.
Abzugelten ist deshalb nur der Urlaub 2018. Dieser berechnet sich nach den vertraglichen Vereinbarungen mit 36 Kalendertagen in der 6-Tage-Woche bei einer 3-Tage-Woche von Donnerstag bis Samstag mit 36 x 3/6 = 18 Tagen. Dieser Anspruch wurde mit der Kürzungserklärung mit Schreiben vom 12.01.2018 gekürzt bei Elternzeit und Pflegezeit vom 01.01. bis 17.07.2018 um 6/12 auf 9 Tage.
Die Urlaubsabgeltung berechnet sich nach § 11 BUrlG wie das Urlaubsentgelt. Dabei war der gesetzliche Mindestlohn nach § 1 MiLoG zugrunde zu legen mit 8,84 € brutto je Stunde, hinter dem der in der langjährigen Betriebsabwesenheit der Klägerin nicht mehr erhöhte Lohn von (758,00 € brutto: 90 Stunden =) 8,42 € brutto je Stunde zurückbleibt. Eine Anrechnung des vertraglich vereinbarten Urlaubs- und Weihnachtsgeldes ist dabei nicht möglich, da diese jedenfalls nicht ausschließlich zusätzliche Vergütung für erbrachte Arbeitsleistung darstellen, BAG, Urteil vom 20.09.2017- 10 AZR 171/16 -, Rn. 17, zitiert nach juris.
Der einzelne Urlaubstag ist daher abzugelten mit 8,84 € brutto x 90 Stunden pro Monat x 3 Monate: 13 Wochen: 3 Tage = 61,20 € brutto.
Damit errechnet sich die der Klägerin zustehende Urlaubsabgeltung für 2018 mit 9 Urlaubstage x 61,20 brutto = 550,80 € brutto.
Die Beklagte kann dem Anspruch der Klägerin auch nicht den Einwand von Treu und Glauben nach § 242 BGB entgegenhalten.
(1) Nach § 1 BUrlG ist das Entstehen eines Urlaubsanspruches nur davon abhängig, dass ein Arbeitsverhältnis besteht und nicht davon, dass der Arbeitnehmer auch eine Arbeitsleistung erbringt. Dies zeigen schon die obigen Ausführungen zum Entstehen des Urlaubsanspruches auch bei Elternzeit und Pflegezeit. Der Arbeitgeber kann dem Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers deshalb nicht entgegenhalten, er handele rechtsmissbräuchlich bei einem Urlaubsverlangen, wenn der Arbeitnehmer keine oder nur eine geringe Arbeitsleistung erbracht hat, ErfK., Kommentar, 19. Auflage, 2019, § 1 BUrlG, Rn. 20.
(2) Hier kann die Beklagte daher dem klägerischen Begehren einer Urlaubsabgeltung nicht entgegenhalten, dass diese im Kalenderjahr 2018 keine Arbeitsleistung erbracht hat.
Die Berufungen beider Parteien hatten daher nur teilweise Erfolg wie aus dem Tenor ersichtlich und waren im Übrigen zurückzuweisen.
C.
Der Parteien tragen die Kosten des Verfahrens anteilig im Verhältnis ihres Obsiegens und Unterliegens, § 92 Abs. 1 ZPO.
D.
Für die Zulassung der Revision nach § 72 Abs. 2 ArbGG besteht kein gesetzlich begründeter Anlass. Der Entscheidung des Gerichtes liegen die einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechungsgrundsätze und im Übrigen die Würdigung der Umstände des Einzelfalles zugrunde.


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