Arbeitsrecht

Beschwerde gegen Versagung der Prozesskostenhilfe

Aktenzeichen  9 C 15.2549

Datum:
3.5.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
ZPO ZPO § 114 I 1
VwZVG VwZVG Art. 32
VwGO VwGO § 166 I 1

 

Leitsatz

Hinreichende Erfolgsaussichten mit der Pflicht zur Gewährung von Prozesskostenhilfe bestehen bereits dann, wenn eine weitere Aufklärung des Sachverhalts erforderlich ist oder schwierige Rechtsfragen zu klären sind. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 4 K 15.620 2015-10-28 Bes VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

Dem Kläger wird unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 28. Oktober 2015 Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren im ersten Rechtszug unter Beiordnung von Rechtsanwalt … bewilligt.

Gründe

Gründe:
I. Der Kläger begehrt Prozesskostenhilfe für seine Klage gegen den Kostenbescheid des Landratsamts Aschaffenburg vom 9. Juni 2015. Mit diesem Bescheid wurde der Kläger zur Zahlung der Kosten der vom 22. bis 29. Mai 2015 durchgeführten Ersatzvornahme betreffend die Räumung des Grundstücks FlNr. 14872 Gemarkung L. von allen gelagerten Materialien und Maschinen beziehungsweise abgestellten Fahrzeugen und Anhängern herangezogen.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe. Der Räumungsbescheid vom 27. September 2012 sei unanfechtbar und die Ersatzvornahme rechtmäßig durchgeführt worden. Die Höhe der geltend gemachten Kosten sei nicht zu beanstanden und die Rechnung lasse erkennen, dass ein Verwertungserlös in Ansatz gebracht worden sei. Aus der Stellungnahme des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Karlstadt vom 8. Oktober 2012 ergebe sich, dass die Gegenstände auf dem zu räumenden Grundstück allenfalls Schrottwert hätten. Das Vorbringen des Klägers könne die Bewertung des Zustands der Geräte und Fahrzeuge auf dem geräumten Grundstück nicht erschüttern. Angesichts der Verhältnisse auf dem zu räumenden Grundstück, die vom Beklagten ausreichend dokumentiert worden seien, sei nicht anzunehmen, dass Gegenstände mit vertretbarem Aufwand hätten ausgesondert und dem Kläger zur Verfügung gestellt werden können.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers. Er beantragt,
unter Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 28. Oktober 2015 dem Kläger Prozesskostenhilfe zu gewähren und Herrn Rechtsanwalt … als anwaltschaftlichen Vertreter beizuordnen.
Der Beklagte beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II. Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Der Kläger hat einen Anspruch auf Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren im ersten Rechtszug, da er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann und die Klage nach dem im Prozesskostenhilfeverfahren maßgebenden Prognosemaßstab hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. §§ 114 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ZPO). Die Beiordnung des Bevollmächtigten beruht auf § 166 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 121 Abs. 2 ZPO.
Ausweislich der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse 21. April 2016 kann der Kläger die Kosten der Prozessführung nicht, auch nicht teilweise oder in Raten, selbst aufbringen. Die subjektiven Bewilligungsvoraussetzungen liegen demnach vor.
Die Klage bietet nach dem im Verfahren der Prozesskostenhilfe maßgeblichen Prognosemaßstab hinreichende Aussicht auf Erfolg. Im Rahmen der Prüfung hinreichender Erfolgsaussichten nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO dürfen die eigentliche Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht aus dem Hauptsacheverfahren in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorverlagert werden und die Anforderungen nicht überspannt werden (BVerfG, B. v. 28.1.2013 – 1 BvR 274/12 – juris Rn. 12). Der Erfolg muss nicht gewiss sein; es genügt eine gewisse Wahrscheinlichkeit die bereits gegeben ist, wenn ein Obsiegen ebenso infrage kommt wie ein Unterliegen. Hinreichend ist die Erfolgsaussicht jedenfalls dann, wenn die Entscheidung von einer schwierigen, ungeklärten Rechtsfrage abhängt oder wenn der vom Beteiligten vertretene Rechtsstandpunkt zumindest vertretbar erscheint (BayVGH, B. v. 22.1.2016 – 9 C 15.2201 – juris Rn. 8). Die Klärung strittiger Rechts- oder Tatsachenfragen hat grundsätzlich nicht im Prozesskostenhilfeverfahren, sondern im Hauptsacheverfahren zu erfolgen; sofern eine Beweiserhebung ernsthaft in Betracht kommt und keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Klägers ausgehen wird, ist grundsätzlich Prozesskostenhilfe zu gewähren (BVerfG, B. v. 28.8.2014 – 1 BvR 3001/11 – juris Rn. 12, 13). Diese Anforderungen hat das Verwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 28. Oktober 2015 zwar zugrunde gelegt, inhaltlich jedoch überspannt.
Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 28. Oktober 2015 beinhaltet im Rahmen einer umfangreichen Prüfung der Erfolgsaussichten wesentliche Elemente einer Beweiswürdigung des vorliegenden Falles und eine Auseinandersetzung mit schwierigen Rechtsfragen des Zwangsvollstreckungsrechts. Es kann daher offen bleiben, ob die Klage angesichts der Aktenlage und des durch Lichtbilder seitens der Behörden dokumentierten Zustands der Gegenstände tatsächlich in vollem Umfang erfolgreich sein wird. Erforderlich ist im Hinblick auf den klägerischen Vortrag und Unstimmigkeiten im Sachverhalt jedenfalls eine weitere Sachverhaltsaufklärung durch das Verwaltungsgericht:
So stimmen z. B. die Feststellungen der auf dem Grundstück befindlichen Gegenstände in der Auflistung des Klägers im Verfahren W 4 E 15.503 nicht mit den Feststellungen des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Karlstadt vom 8. Oktober 2012 und vom 22./29. Juli 2014 überein; eine Auflistung der anlässlich der Ersatzvornahme im Zeitraum vom 22. bis 29. Mai 2015 tatsächlich entfernten Gegenstände findet sich in den Akten nicht. Auch die vom Kläger vorgelegten (undatierten) Lichtbilder weichen im Vergleich zu den von der Behörde mehrfach dokumentierten Zuständen der Gegenstände erheblich ab, so dass die vorgelegten Unterlagen zu würdigen sind und gegebenenfalls Anlass zu weiterer Aufklärung besteht. Ferner dürfte im Hinblick auf den Vortrag des Klägers zur behaupteten Werthaltigkeit der geräumten Gegenstände zumindest eine Vernehmung des Mitarbeiters des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Karlstadt sowie gegebenenfalls von Mitarbeitern der Entsorgungsfirma in Betracht zu ziehen sein. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, ob bei Funktionsfähigkeit einzelner Fahrzeuge oder Gegenstände ein sofortiges Entfernen dieser Gegenstände durch den Kläger im Falle einer zutreffenden Information vom tatsächlichen Durchführungstermin in Betracht gekommen wäre.
Zwar ist eine Beweisantizipation im Prozesskostenhilfeverfahren in eng begrenztem Rahmen zulässig (BVerfG, B. v. 28.8.2014 – 1 BvR 3001/11 – juris Rn. 12). Hier geht das Verwaltungsgericht allerdings über diesen Rahmen hinaus und nimmt im Verfahren der Prozesskostenhilfe das Ergebnis einer Beweiswürdigung trotz aufklärungsbedürftiger Aspekte, die sich aus dem Sachverhalt und Klagevortrag ergeben, teilweise vorweg.
Eine Kostenentscheidung ist nicht erforderlich, da die Kosten für das Beschwerdeverfahren nicht erstattet werden (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO) und Gerichtsgebühren nur bei einer Zurückweisung der Beschwerde anfallen (Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses der Anlage 1 zum GKG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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