Arbeitsrecht

Betriebsrat, Arbeitnehmer, Arbeitgeber, Vergabeverfahren, Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung, Bundeswehr, Vorhaben, Arbeitsleistung, Beteiligung, Dienstleistungen, Bundesamt, Frist, Ausschreibung, Nutzung von, Vorbringen der Parteien, schwerwiegende Verletzung

Aktenzeichen  25 Ca 11433/19

Datum:
4.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 54805
Gerichtsart:
ArbG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf € 46.169,96 festgesetzt.

Gründe

A.
Die Klage hat keinen Erfolg. Die Widerklage war aufgrund des Zugangs im Termin vom 28.05.2020 nicht zur Entscheidung reif. Insoweit war in einem Teilurteil gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG, § 301 ZPO nur über die Klage zu befinden.
Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete aufgrund der außerordentlichen Kündigung der Beklagten vom 27.09.2019. Der Hilfsantrag auf Weiterbeschäftigung fiel nicht zur Entscheidung an. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses, da das Arbeitsverhältnis beendet ist.
I.
Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis wurde durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 27.09.2019, zugegangen am 28.09.2019 wirksam beendet.
1. Der Kläger hat die Klage fristgemäß erhoben, § 13 Abs. 1, § 4 KSchG, so dass die Kündigung nicht gemäß § 7 KSchG als rechtswirksam gilt.
2. Die Kündigung vom 27.09.2019 ist als außerordentliche Verdachtskündigung wirksam, § 626 BGB.
a) Es liegt ein wichtiger Grund gemäß § 626 Abs. 1 BGB vor. Danach kann der Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer ihm auch unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.
Die erforderliche Überprüfung gemäß § 626 Abs. 1 BGB vollzieht sich demnach in zwei Stufen: Zum einen muss ein Grund vorliegen, der überhaupt an sich geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Zum anderen muss dieser Grund im Rahmen einer Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere auch des Verhältnismäßigkeitsprinzips, zum Überwiegen der berechtigten Interessen des Kündigenden an der fristlosen Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen.
b) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann auch der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung einen wichtigen Grund bilden. Eine Verdachtskündigung kann gerechtfertigt sein, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat. Der Verdacht muss auf konkrete Tatsachen gestützt sein. Der Verdacht muss ferner dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft. Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, dass eine außerordentliche Kündigung nicht zu rechtfertigen vermöchte (BAG, Urteil vom 21.06.2012 – 2 AZR 694/11 – juris). Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen des Arbeitgebers reichen zur Rechtfertigung eines dringenden Verdachts nicht aus (BAG, Urteil vom 06.09.2007 – 2 AZR 264/06 – juris).
c) Diese Anforderungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Es liegt der dringende Verdacht schwerer Pflichtverletzungen durch den Kläger vor.
Jedenfalls aufgrund der Findings mit den Nummern 30, 45, 61, 65, 86 und 97 besteht der dringende Verdacht, der Kläger habe vertrauliche Dokumente der Bundeswehr in nicht erlaubter Weise erlangt und weitergeleitet, zu dessen Besitz er nicht berechtigt war.
Dabei stellt die Kammer nicht auf eine etwaige strafrechtliche Bewertung ab.
Ebenfalls ist unerheblich, ob dem Kläger die Compliance-Vorschriften der Beklagten hinreichend bekannt waren. Ausreichend ist vielmehr die arbeitsvertragliche Pflichtverletzung, die die Kammer darin sieht, dass der dringende Tatverdacht besteht, dass der Kläger vertrauliche Dokumente der Bundeswehr erhalten bzw. besorgt und weitergeleitet hat, zu deren Besitz er nicht berechtigt war. Es besteht der dringende Tatverdacht, dass sich der Kläger unlauter verhalten und damit gegenüber der Beklagten seine Treuepflichten in schwerwiegender verletzt hat.
Dies ergibt sich jedenfalls und für die Kündigung ausreichend aus folgenden Findings:
Ausweislich des Findings 30 versandte der Kläger am 17.03.2017 an Gr. und Kr. per E-Mail eine PowerPoint Präsentation mit dem Titel „Weiterbildung – Dokumentenlage im Rahmen des Integrierten Planungsprozesses“ „vom 08 Dezember 2014. Der Kläger listete in dieser Präsentation auf, dass ihm die Dokumente MFZ 2018, PLL 2016, PMNL 2018, und FBA 2018 vorlägen mit dem Hinweis, dass die Präsentation nicht im großen Kreis verteilt werden soll, und dem Hinweis „offiziell dürfen wir die gelisteten Daten alle nicht habe“.
Bei diesen Dokumenten handelt es sich nach Ansicht der Kammer um vertrauliche Dokumente, zu deren konkreter Herkunft sich der Kläger nicht äußerte, so dass die Behauptung, er habe sie im Rahmen des Integrierten Planungsprozesses erhalten dürfen, eine reine Schutzbehauptung ist. Es wäre Sache des Klägers gewesen, im Einzelnen darzulegen, wann und zu welchem Zweck ihm die Unterlagen von wem überlassen worden sind.
Der dringende Tatverdacht, dass der Kläger nicht im Besitz der Unterlagen sein durfte, wird weiterhin dadurch bestätigt, dass der Kläger darauf hinweist, dass er die gelisteten Daten offiziell nicht haben dürfe. Soweit der Kläger meint, dass er damit nur unterstreichen wollte, dass die Unterlagen vertraulich behandelt werden sollten, überzeugt diese Einlassung die Kammer nicht und wird als weitere Schutzbehauptung bewertet.
Gleiches gilt für die Dokumente im Finding mit der Nummer 45. Hier versandte der Kläger am 19.09.2017 die „Leitlinie Zukunftsentwicklung 2017“, „Planungsvorgaben 2019“ sowie die „Planungsleitlinie 2019“ per E-Mail an Kollegen mit dem Hinweis „Wie immer gilt: diese Dokumente haben wir nicht. Bitte nicht quer streuen.“.
Auch bei diesen Dokumenten handelt es sich um Verschlusssachen, deren Herkunft der Kläger nicht genauer erläutert hat. Ein einfaches Bestreiten ist insoweit nicht ausreichend. Auch der Zusatz, den der Kläger verwendet, dass man diese Dokumente nicht haben dürfe, stützt den dringenden Verdacht, dass diese tatsächlich nicht im Besitz der Beklagten hätten sein dürfen.
Bezüglich der Dokumente im Finding mit der Nummer 61 besteht der dringende Verdacht, der Kläger habe sich die FFF MoTiv auf nicht offiziellem Weg beschafft. Der Hinweis Gro. könne sich eine Kopie machen und solle diese „gaaaaaanz weit unten“ in seinem Schreibtisch verschwinden lassen, bestärkt den dringenden Verdacht, dass die Herkunft der Unterlagen nicht auf offiziellem Weg erfolgt ist. Der Kläger kann auch nicht mit dem „Need to know-Prinzip“ erklären, warum die Unterlagen im Umschlag von Herrn Gr. das Büro nicht verlassen dürfen. Diese Andeutungen machen vielmehr deutlich, dass der Besitz der Unterlagen nicht unproblematisch war. Auch hier gilt, dass der Kläger nicht dazu vorträgt, von wem er in welchem Rahmen die Unterlagen erhalten hat und damit den ordnungsgemäßen Weg für die Beschaffung dieser Dokumente eingehalten hat. Der Verweis auf die Beteiligung der Beklagten im Rahmen des Planungsprozesses ist hierfür gerade nicht ausreichend.
Auch der Hinweis, ausgeführt im Finding Nr. 65, welchen der Kläger der E-Mail vom 17.01.2018 angeführt hat, mit der er eine Excel-Datei und eine PowerPointPräsentation die die Auswertung der Finanzbedarfsanalyse 3/4, der Planungsleitinline 3 sowie des Ressourcenplans 3/4 enthalten hat „Sind eingestuft und haben wir offiziell“ nicht, bestärkt den dringenden Verdacht, dass diese Unterlagen tatsächlich nicht im Besitz des Klägers hätten sein dürfen. Auch hier reicht ein einfaches Bestreiten des Klägers, dass die Beklagte nicht berechtigt gewesen sei, diese Dokumente einzusehen und auszuwerten nicht aus. Der Kläger kann auch nicht darauf verweisen, dass er im Rahmen des Planungsbeschaffungsprojektes eingebunden sein hätte müssen, sondern hätte darlegen müssen, von wem er die Unterlagen zu welchem Zwecke erhalten habe. Dies ist nicht geschehen.
Ein weiterer schwerwiegender Tatverdacht besteht weiterhin aufgrund des Findings mit der Nr. 86. Der Kläger konnte nicht schlüssig erklären, warum er von seinem privaten yahoo-Postfach ZIP-Archive an sein nationales A.-Postfach mit diversen Daten der Bundeswehr, welche teilweise als VS-NfD-Dokumente gekennzeichnet waren, gesandt hat. Eine ausreichende Erklärung hierfür wird nicht durch das Vorbringen, er habe immer offiziell an Wehrübungen teilgenommen, gegeben. Die Einlassung, seitens der Bundeswehr seien ihm während und am Ende des Lehrgangs Unterlagen überlassen worden ist derart pauschal, dass eine Rechtfertigung hierdurch nicht gegeben ist. Selbst wenn der Kläger die Unterlagen während der Wehrübung hätte verwenden dürfen, so erklärt sich damit auch nicht, warum er diese versenden durfte. Es ist nicht erkennbar, warum diese vertraulichen Unterlagen die Bundeswehr verlassen durften.
Gleiches gilt bezüglich der im Finding mit der Nr. 97 genannten Dokumente. Die versandte PowerPoint Präsentation „Impuls Planung“ mit dem Zusatz „Bitte nicht weiter streuen, da die Quellen zum Teil nachvollziehbar seien, stützt den dringenden Tatverdacht, dass die Unterlage nicht in offizieller Weise überlassen wurde. Der Kläger kann hierfür auch keine ihn entlastende Erklärung bieten.
d) Der Kläger kann sich zur Rechtfertigung seines Verhaltens auch nicht darauf stützen, dass er nicht darin unterwiesen worden sei, wie er mit Dokumenten, die als VS-NfD gekennzeichnet sind, umzugehen habe. Der Kläger unterzeichnete am 06.06.2012 die Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag zur Geheimhaltung. Ferner war er zum Umgang mit VS-Dokumenten grundsätzlich berechtigt, sogar bis zur höchsten Stufe. Insoweit war er damit vertraut, was dies bedeutete und konnte erkennen, dass die Erlangung solcher Dokumente bzw. die Beschaffung solcher Dokumente pflichtwidrig war.
Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass seine Verhaltensweise seitens der Beklagten geduldet und gewünscht gewesen sei und er nur seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung erbracht habe. Der Kläger hat dies lediglich pauschal vorgetragen, ohne seine Behauptungen zu substantiieren, wer von ihm, zu welchem Zeitpunkt verlangt hat, sich Informationen in Form von VS-Dokumenten auf nicht offiziellem Weg zu besorgen. Aus seiner Tätigkeit selbst ergibt sich dies entgegen der Ansicht des Klägers nicht.
Auch der Einwand des Klägers, er sei berechtigt zum Umgang mit VSDokumenten gewesen und sei stets davon ausgegangen, dass die Dokumente, die er erhalten habe, auch zu erhalten, vermag nicht zu überzeugen. Zunächst erfolgt vom Kläger keine Einordnung, im Rahmen welchen geordneten Prozesses er die vertraulichen Dokumente erhalten hat. Darüber hinaus greift der Einwand des Klägers auch deshalb nicht durch, da der Kläger bei keinem einzigen Dokument seinen Ansprechpartner bzw. Informanten bei der Bundeswehr namentlich benennt, um diese Behauptung zu überprüfen. Darüber hinaus lassen auch seine Anmerkungen in den E-Mails, dass man bestimmte Dokumente offiziell nicht haben dürfe, keinen anderen Schluss zu, als dass die Dokumente auf inoffiziellem Wege zu ihm gelangt sind. Der Einwand, dies sei nur ein besonderer Hinweis auf die Vertraulichkeit überzeugt die Kammer in diesem Zusammenhang nicht.
e) Die im Rahmen der Auswertung des PCs des Klägers beim Kläger gefundenen EMails und Dokumente, welche zu den Findings führten unterliegen auch keinem Beweisverwertungsverbot, weder aufgrund eines etwaigen Verstoßes gegen die geltenden Konzernbetriebsvereinbarung „Grundlagen der Einführung und Anwendung von IT-Systemen und Datenschutz“ vom 12. Dezember 2012 in der Fassung vom 17. Juli 2018 sowie die Konzernbetriebsvereinbarung „Privatnutzung betrieblicher E-Mail und Internet-Anschlüsse“ vom 12.Dezember 2012 noch aus sonstigen Gründen.
aa) Etwaig Verletzungen von Bestimmungen in Konzernbetriebsvereinbarungen durch die Beklagten hindern die Verwertung der von der Beklagten im Rahmen der Untersuchung des Computers des Klägers erhobenen Daten nicht. Eventuelle in den Betriebsvereinbarungen zum Ausdruck kommende eigenständige Verwertungsverbote bei Verstößen gegen die in den Betriebsvereinbarungen zur Auswertung und Erhebung von Daten befindlichen Regelungen, begründen kein gerichtliches Verwertungsverbot oder eine Einschränkung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) durch das Gericht. Die Betriebsparteien können gegenüber der Rechtspflege, zu denen u.a. die Gerichte berufen sind, mangels Regelungskompetenz keine über die Gesetze hinausgehenden Verwertungsverbote schaffen (in diesem Sinne wohl auch BAG 22. September 2016 – 2 AZR 848/15). Auch eine Umdeutung eines in einer Betriebsvereinbarung geregelten Verwertungsverbots in einen Prozessvertrag zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in dem Sinne, dass der Arbeitgeber sich auf Sachvortrag, der auf einem Verstoß gegen die Betriebsvereinbarung beruht, redlicherweise nicht berufen darf, ist nicht möglich (vgl. Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 06. Juni 2018 – 21 Sa 48/17 -, Rn. 148, juris)
bb) Es kann dahingestellt bleiben, aufgrund welchen konkreten Anfangsverdachts die Beklagte die Auswertung der Daten vorgenommen habe. Ein Verwertungsverbot liegt nicht vor.
Ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers ging mit der Auswertung der Daten nicht einher. Soweit der Kläger sich darauf beruft, dass es sich bei den Findings um sog. Zufallsfunde handelt, ist festzustellen, dass diese verwertbar sind, soweit im Rahmen einer Interessenabwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen und der Funktionsfähigkeit einer Rechtspflege das allgemeine Persönlichkeitsrecht den Vorrang nicht verdient (vgl. BAG 23.08.2018 – 2 AZR 133/18 – juris).
Vorliegend überwiegt aus Sicht der erkennenden Kammer das Interesse an der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers. Dies aus Sicht der Kammer schon deshalb, weil die Auswertung in Kenntnis des Klägers stattfand. Aus der fehlenden Heimlichkeit der Datenerhebung ergibt sich, dass sein Persönlichkeitsrecht nicht wie im Falle einer ihm nicht bekannten und dauerhaften Datenerhebung verletzt wurde. Der Eingriff bezog sich auf die dienstlichen Daten und erfolgte in Kenntnis des Betriebsrats und des Datenschutzbeauftragten.
f) Die Verdachtskündigung ist auch nicht deshalb unwirksam, weil der Kläger nicht ordnungsgemäß angehört wurde. Die Anhörung mit Schreiben vom 17.09.2019 erfolgte vielmehr ordnungsgemäß.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kommt der Anhörung des Arbeitnehmers vor Ausspruch einer Kündigung besondere Bedeutung zu.
Bei einer Verdachtskündigung besteht in besonderem Maße die Gefahr, dass der Arbeitnehmer zu Unrecht beschuldigt wird. Daher ist es gerechtfertigt, die Erfüllung der Aufklärungspflicht als Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigung anzusehen. Lediglich der Verdacht einer Verfehlung kann für den Ausspruch einer Kündigung nur genügen, wenn der Arbeitgeber den Verdacht weder auszuräumen, noch die erhobenen Vorwürfe auf eine sichere Grundlage zu stellen vermochte. Der Arbeitnehmer muss die Möglichkeit erhalten, die Verdachtsgründe zu entkräften und Entlastungstatsachen anzuführen. Der gebotene Umfang der Anhörung richtet sich entsprechend dem Zweck der Aufklärung nach den Umständen des Einzelfalls. Die Anhörung muss sich auf einen konkretisierten Sachverhalt beziehen. Der Arbeitgeber darf den Arbeitnehmer nicht lediglich mit einer unsubstantiierten Wertung konfrontieren und ihm nicht wesentliche Erkenntnisse vorenthalten. Er muss alle erheblichen Umstände angeben, aus denen er den Verdacht ableitet. Sodann hat der Arbeitnehmer die Möglichkeit, sich zum Verdachtsvorwurf und den ihn tragenden Verdachtsmomenten in einer die Aufklärung fördernden Weise zu äußern. Verletzt der Arbeitgeber schuldhaft die sich aus der Aufklärungspflicht ergebende Anhörungspflicht, kann er sich im Prozess nicht auf den Verdacht als Kündigungsgrund berufen (BAG, Urteil vom 28.11.2007 – 5 AZR 952/06).
Gemessen an diesen Voraussetzungen lag kein Fehler im Rahmen der Anhörung vor. Die Beklagte konfrontierte den Kläger mit 100 Findings, welche alle aus Sicht der Kammer hinreichend konkret und damit für den Kläger einlassungsfähig waren. Weder die Anzahl der Findings noch deren Inhalt rechtfertigte es, dem Kläger eine längere Frist zur Stellungnahme zu gewähren, als es erfolgt ist. Es wäre aus Sicht der Kammer dem Kläger möglich gewesen, Stellung zu nehmen. Dies insbesondere deshalb, weil die Findings sich alle auf den gleichen Pflichtenkreis beziehen.
g) Die Beklagte hat auch die Frist zum Ausspruch der Kündigung gemäß § 626 Abs. 2 BGB eingehalten.
aa) Nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts beginnt die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB, wenn der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen hat und ihm deshalb die Entscheidung über die Zumutbarkeit einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses/Dienstverhältnisses möglich ist (BAG, Urteil vom 02.03.2006, 2 AZR 46/05). Zu den maßgeblichen Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen die Kündigung sprechenden Umstände. Ohne eine umfassende Kenntnis des Kündigungsberechtigten vom Kündigungssachverhalt kann sein Recht zur außerordentlichen Kündigung nicht verwirken.
Der Kündigungsberechtigte, der Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist zu laufen beginnt. Es genügt nicht allein die Kenntnis des konkreten, die Kündigung auslösenden Anlasses, der einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellen soll. Bei einer vom Arbeitgeber erklärten außerordentlichen Kündigung gehören auch solche Aspekte zum Kündigungssachverhalt, die für den Arbeitnehmer und gegen die Kündigung sprechen. Außerdem gehört es zu den vom Kündigungsberechtigten zu ergründenden maßgeblichen Umständen, mögliche Beweismittel für eine ermittelte Pflichtverletzung zu beschaffen und zu sichern (BAG, Urteilvom27.01.2011, 2 AZR 825/09).
bb) Gemessen daran, hat die Beklagte die Frist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Die Frist begann damit erst, nachdem der Beklagten der Zwischenbericht am 16.09.2020 vorgelegt wurde und der Stellungnahme des Klägers mit Schreiben vom 23.09.2019. Da die Kündigung vom 27.09.2019 dem Kläger am 28.09.2019 zugegangen ist, erfolgte dies innerhalb der maßgeblichen Zweiwochenfrist.
cc) Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass die Beklagte ihn erstmals bereits Ende des Jahre 2018 angehört hat. § 626 Abs. 2 BGB treibt den Arbeitsgeber nicht zur hektischen Eile oder soll ihn veranlassen, ohne eine genügende Prüfung des Sachverhalts oder vorhandener Beweismittel voreilig zu kündigen. Der Arbeitgeber ist vielmehr berechtigt, nach pflichtgemäßem Ermessen notwendig erscheinende Maßnahmen zur Aufklärung zügig durchzuführen. Gemessen daran ist nicht ersichtlich, dass dies nicht geschehen ist. Die Beklagte hat hierzu vorgetragen, dass im Zeitraum vom 31. Januar 2019 bis 13. Februar 2019 Bürobesichtigungen und ein Austausch der Hardware beim Kläger stattfanden und im Anschluss die IT ausgewertet werden musste. Anhaltspunkte dafür, dass dies nicht zügig stattgefunden hat, liegen nicht vor.
3. Der Betriebsrat wurde mit Schreiben vom 23.09.2019 ordnungsgemäß zur beabsichtigten Kündigung angehört, § 102 Abs. 1 BetrVG.
a) Nach § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm gemäß § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam. Will der Betriebsrat gegen eine außerordentliche Kündigung Bedenken erheben, muss er dies gemäß § 102 Abs. 2 Satz 3 BetrVG dem Arbeitgeber spätestens innerhalb von drei Tagen schriftlich mitteilen. Eine vor Fristablauf ausgesprochene Kündigung ist gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam, es sei denn, es liegt bereits eine abschließende Stellungnahme des Betriebsrats vor (vgl. BAG 12. Dezember 1996 – 2 AZR 803/95 – juris).
Für die Mitteilung der Kündigungsgründe gilt der Grundsatz der „subjektiven Determinierung“ (BAG 21. November 2013 – 2 AZR 797/11 – juris). Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat die Umstände mitteilen, die seinen Kündigungsentschluss tatsächlich bestimmt haben. Dem kommt er dann nicht nach, wenn er dem Betriebsrat einen schon aus seiner eigenen Sicht unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt darstellt. Zu einer vollständigen und wahrheitsgemäßen Information gehört darüber hinaus die Unterrichtung über Tatsachen, die ihm – dem Arbeitgeber – bekannt und für eine Stellungnahme des Betriebsrats möglicherweise bedeutsam sind, weil sie den Arbeitnehmer entlasten und deshalb gegen eine Kündigung sprechen können.
Die subjektive Determination des Inhalts der Anhörung führt nicht dazu, dass bei einer verhaltensbedingten Kündigung auf die Mitteilung persönlicher Umstände des Arbeitnehmers ganz verzichtet werden könnte, wenn sie für den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers ohne Bedeutung waren. Bei den „Sozialdaten“ handelt es sich zwar um Umstände, die nicht das beanstandete Verhalten des Arbeitnehmers selbst betreffen. Nach Sinn und Zweck der Anhörung darf der Arbeitgeber dem Betriebsrat aber keine persönlichen Umstände des Arbeitnehmers vorenthalten, die sich bei objektiver Betrachtung entscheidend zu seinen Gunsten auswirken und deshalb schon für die Stellungnahme des Betriebsrats bedeutsam sein können. Der Wirksamkeit einer auf Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers gestützten Kündigung steht das Unterlassen der Angabe von dessen genauen „Sozialdaten“ bei der Betriebsratsanhörung deshalb nur dann nicht entgegen, wenn es dem Arbeitgeber auf die genauen Daten ersichtlich nicht ankommt und der Betriebsrat jedenfalls die ungefähren Daten ohnehin kennt; er kann dann die Kündigungsabsicht des Arbeitgebers auch so ausreichend beurteilen. Eine nähere Begründung der den Kündigungsentschluss tragenden Abwägung ist wegen des Grundsatzes der subjektiven Determinierung regelmäßig nicht erforderlich. Die Anhörung zu der Absicht, das Arbeitsverhältnis zu kündigen, impliziert eine Abwägung zu Lasten des Arbeitnehmers (BAG, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 2 AZR 736/13 -, Rn. 13 – 15, juris).
b) Gemessen an diesen Grundsätzen war die Betriebsratsanhörung der Beklagten nicht fehlerhaft.
aa) Soweit dem Betriebsrat die Anzahl der Kinder mit „1“ mitgeteilt wurde, konnte die Beklagte nur die ihr bekannten Sozialdaten mitteilen. Der Kläger hat nicht vorgetragen, wann er die Beklagte über die Geburt des zweiten Kindes im September 2019 informiert hat. Dass die Beklagte aus anderen Gründen von der weiteren Unterhaltspflicht Kenntnis erlangt hat, ist nicht ersichtlich, womit die unrichtige Mitteilung der Sozialdaten nicht zu Lasten der Beklagten geht.
bb) Die Anhörung ist auch nicht deshalb unrichtig, weil die Beklagte dem Betriebsrat das Eintrittsdatum des Klägers mit 01.03.2012 mitgeteilt hat und nicht über die weitere Anrechnung der Bundeswehr und damit über das mit Schreiben vom 30.01.2014 mitgeteilte fiktive Eintrittsdatum 11.02.2007 für Sozialleistungen informiert hat. Aus der Betriebsratsanhörung geht erkennbar hervor, dass es der Beklagten angesichts der Vorwürfe nicht auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit ankommt.
cc) Der Betriebsrat wurde auch nicht unrichtig informiert, weil ihm 100 Findings mitgeteilt wurden und die Beklagte im Kündigungsschutzprozess nur einzelne Findings hervorhebt. Dem Betriebsrat wurden sämtliche Findings inhaltlich mitgeteilt, so dass für ihn selbst erkennbar war, dass einzelne Findings mehr Gewicht haben, als andere. Eine Irreführung, welche zur Unwirksamkeit der Betriebsratsanhörung führen würde, kann darin gerade nicht erkannt werden.
4. Sonstige Unwirksamkeitsgründe sind nicht erkennbar, so dass das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 28.09.2019, dem Tag des Zugangs der außerordentlichen Kündigung endete.
II.
Aufgrund der wirksamen Beendigung des Arbeitsverhältnisses besteht kein Anspruch des Klägers auf die Erteilung eines Zwischenzeugnisses. Ein Endzeugnis wurde nicht eingeklagt.
B.
I.
Die Kostenentscheidung bleibt aufgrund des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Kosten der Endentscheidung vorbehalten.
II.
Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes erfolgt gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG, § 3, § 5 ZPO, § 42 GKG.
C.
Gegen dieses Urteil ist für die nicht beschwerte Beklagte kein Rechtsmittel gegeben. Der Kläger kann gegen dieses Urteil nach Maßgabe der nachfolgenden RechtsmittelbelehrungBerufung einlegen. Im Einzelnen gilt:


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