Arbeitsrecht

Dienstvergehen

Aktenzeichen  Au 2 K 18.1911

Datum:
20.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 4635
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayDG Art. 7 Abs. 1 S. 2, Art. 23 Abs. 3 S. 2, Art. 32 S.1
BeamtStG § 34 S. 3, § 47 Abs. 1
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1, § 124 Abs. 2, § 124a, § 167

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Nr. 2 der Verfügung des Polizeipräsidiums * vom 6. Oktober 2018 wird aufgehoben.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.
1. Die Klage ist zulässig.
Insbesondere ist sie als Anfechtungsklage i.S.v. § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthaft, da Nr. 2 der Verfügung vom 8. Oktober 2018 einen Verwaltungsakt i.S.v. Art. 35 Satz 1 BayVwVfG darstellt. Da dem Kläger die schuldhafte Begehung eines Dienstvergehens i.S.v. § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG vorgeworfen wird, liegt hier die schärfste Form einer Missbilligung – eine sog. qualifizierte Missbildung – vor, welche zugleich die Tatbestandsvoraussetzungen eines Verwaltungsakts i.S.v. Art. 35 Satz 1 BayVwVfG erfüllt (vgl. BayVGH, B.v. 5.7.2016 – 3 ZB 14.1781 – BeckRS 2016, 48877 Rn. 18 m.w.N.).
2. Die Klage ist auch begründet.
Die Nr. 2 der Verfügung des Polizeipräsidiums * vom 8. Oktober 2018 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), da das dem Kläger vorgeworfene Dienstvergehen sich hinsichtlich der ungenehmigten Heimfahrten (S. 3 der Verfügung vom 6. Oktober 2018) nicht erhärtet hat (a.) und dieser Umstand angesichts der einheitlichen Ermessensausübung seitens des Beklagten (S. 9 ff. der Verfügung vom 6. Oktober 2018) zur Aufhebung der gesamten Nr. 2 der Verfügung vom 8. Oktober 2018 führt (b.).
a. Die schriftliche Missbilligung des Verhaltens des Klägers durch Verfügung des Polizeipräsidiums * vom 8. Oktober 2018 erfolgte u.a. aufgrund des Vorwurfs, dass er keine einzige Fahrt im Zeitraum zwischen Mai 2013 und Dezember 2016 als Heimfahrt deklariert habe, obwohl vom Bayerischen Landeskriminalamt eine Heimfahrt am 25. Juni 2016 festgestellt worden sei. Zudem hätten sich bei Durchsicht der vom Landeskriminalamt erstellten Fahrlisten weitere Fahrten ergeben, bei denen es sich aufgrund des erfassten zeitlichen Ablaufs und des angegebenen Start- bzw. Zielorts, um Heimfahrten mit einem Dienstfahrzeug gehandelt haben müsse (28.5/29.5.2013, 28.4./29.4.2014, 19.3./20.3.2015, 21.9./22.9.2015, 7.12./8.12.2015, 2.6./3.6.2016, 19.7./20.7.2016). Es sei nicht mehr nachvollziehbar, ob die vom Kläger im überprüften Zeitraum getätigten Heimfahrten mit dem Dienstfahrzeug tatsächlich genehmigt worden seien. In die vorgesehenen Heimfahrten-Listen sei jedenfalls keine Eintragung erfolgt.
Jedenfalls hinsichtlich dieses Vorwurfs liegen die (tatsächlichen) Voraussetzungen für ein Dienstvergehen i.S.v. § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG und damit für eine (qualifizierte) Missbilligung nicht vor.
Die schriftliche Missbilligung eines bestimmten Verhaltens eines Beamten bildet eine Unterform der in Art. 7 Abs. 1 Satz 2 BayDG vorgesehenen missbilligenden Äußerungen, die nicht ausdrücklich als Verweis bezeichnet werden und keine Disziplinarmaßnahmen darstellen. Als Missbilligung wird grundsätzlich jede dienstaufsichtliche Beanstandung des Verhaltens eines Beamten betrachtet, gleichgültig in welcher Form sie geschieht. Die Missbilligung findet ihre Rechtsgrundlage in der aus dem allgemeinen Beamtenrecht folgenden Geschäftsleitungs-, Weisungs- und Aufsichtsbefugnis des Dienstherrn, die ihn im Rahmen der Dienstaufsicht berechtigt, auf eine reibungslose und rechtsfehlerfreie Erledigung der Dienstgeschäfte hinzuwirken und bei Bedarf kritisch einzuschreiten. Die Missbilligung ist als gemilderter Tadel eines der Ordnung zuwiderlaufenden Verhaltens zu verstehen, der spezial- und/oder generalpräventiven Zwecken dient. Es handelt sich um ein außerdisziplinarrechtliches pädagogisches Mittel, das Dienstvorgesetzte besitzen, um auf ein dienstlich zu beanstandendes Verhalten angemessen reagieren zu können. Die Ermächtigung, ein dienstliches Verhalten eines Beamten zu missbilligen, ergibt sich aus der dem Dienstherrn im Rahmen des beamtenrechtlichen Über- und Unterordnungsverhältnisses zustehenden Leitungs-, Aufsichts- und Weisungsbefugnis. Der Dienstherr ist aufgrund dieser Befugnis berechtigt und nach den Umständen des Einzelfalls sogar verpflichtet, auf die reibungslose und fehlerfreie Erledigung der Dienstgeschäfte hinzuwirken und erforderlichenfalls kritisch-missbilligend gegen unterstellte Beamte einzuschreiten. Diese müssen eine rechtmäßige missbilligende Äußerung infolge der ihnen aufgrund des Beamtenverhältnisses obliegenden Treue- und Folgepflicht hinnehmen (vgl. BayVGH, B.v. 5.7.2016 – 3 ZB 14.1781 – BeckRS 2016, 48877 Rn. 8 ff. m.w.N.).
Eine missbilligende Äußerung kann nur ausgesprochen werden, wenn objektiv ein Anlass bestanden hat, sich missbilligend über den Beamten zu äußern. Dann steht der Erlass einer Missbilligung im Ermessen des Dienstvorgesetzten. Die Entscheidung kann gerichtlich nur dahingehend – eingeschränkt – überprüft werden, ob der gesetzliche Rahmen verkannt, ob ein unrichtiger Sachverhalt zugrunde gelegt, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt wurden, wobei auch zu prüfen ist, ob die ausgesprochene missbilligende Äußerung in einem angemessenen Verhältnis zum Anlass steht (vgl. BayVGH, B.v. 5.7.2016 – 3 ZB 14.1781 – BeckRS 2016, 48877 Rn. 11 f. m.w.N).
Vorliegend hat der Beklagte jedenfalls hinsichtlich des Vorwurfs der nicht richtigen Eintragungen bzw. pflichtwidrigen Heimfahrten einen unrichtigen Sachverhalt zugrunde gelegt. Insofern kann dem Kläger für die konkret benannten (vermeintlichen) Heimfahrten ein (schuldhafter) Verstoß gegen die Pflicht, dienstlichen Anordnungen von Vorgesetzten nachzukommen und deren allgemeine Richtlinien zu befolgen (§ 35 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG), nicht nachgewiesen werden.
Gemäß Nr. 1.7 des Präsidiumsschreiben vom 1. August 2012 können Dienstreisen im Einzelfall an der Wohnung angetreten oder beendet werden, wenn die dabei notwendige Fahrt zwischen Dienststelle und Wohnort in der Dienstreisegenehmigung beinhaltet ist. Unabhängig davon, ob im Falle der dem Kläger hier vorgeworfenen Heimfahrten wirklich Dienstreisen i.S.v. Nr. 1.1 des Präsidiumsschreibens vom 1. August 2012 i.V.m. Art. 2 Abs. 2 BayRGK vorlagen, ergibt sich aus dieser Regelung jedenfalls, dass Heimfahrten des Klägers zumindest dann nicht pflichtwidrig waren, wenn sie durch den Leiter der KPI * genehmigt wurden. Dass solche Heimfahrten genehmigt werden konnten, entsprach auch der internen Praxis der KPI *. Dies ergibt sich sowohl aus der Weisung des ehemaligen Leiters der KPI * vom 28. Januar 2013 (Blatt 93 f. des Teils 1 der Vorgangsakten) als auch aus dessen Ausführungen in der mündlichen Verhandlung vom 20. Februar 2020 (S. 5 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung).
Der Zeuge * konnte sich in der mündlichen Verhandlung vom 20. Februar 2020 daran erinnern, dass er im Jahr 2015 zwei Heimfahrten genehmigt habe (S. 5 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung). Warum diese Fahrten in der für das Jahr 2015 geführten Genehmigungsliste nicht auftauchten (Blatt 531 des Teils 2 der Vorgangsakten), könne er nicht mehr sagen. Die geführte Liste habe allerdings lediglich internen Zwecken gedient, um sagen zu können, wo der jeweilige Beamte und das jeweilige Dienstfahrzeug seien.
Diese Ausführungen zeigen, dass die dem Vorwurf der ungenehmigten Heimfahrten (auch) zugrunde liegenden internen Listen der KPI * (vgl. S. 7 der Verfügung vom 8. Oktober 2018) keine zuverlässige Schlussfolgerung dahingehend erlauben, dass die dem Kläger in der Verfügung vom 8. Oktober 2018 vorgeworfenen Heimfahrten auch tatsächlich nicht genehmigt worden waren. Vielmehr kann aus dieser Liste weder zuverlässig gefolgert werden, dass in diesem Zeitraum keine Heimfahrten des Klägers erfolgten, noch, dass etwaige Heimfahrten nicht genehmigt wurden. Die Vornahme der entsprechenden Eintragungen in der Heimfahrtenliste war prinzipiell Sache des Leiters der KPI * bzw. dessen Stellvertreter, sodass das Fehlen solcher Eintragungen nicht dem Kläger vorzuwerfen ist. Nichtsdestotrotz wurde dem Kläger auch ausdrücklich das Missachten der Vorgaben bezüglich der Genehmigung von Heimfahrten mit dem Dienstkraftfahrzeug vorgeworfen (vgl. S. 7 der Verfügung vom 8. Oktober 2018) und somit nicht nur die fehlende Eintragung des Fahrtzwecks in diesen Fällen.
Damit hat der Beklagte seiner Verfügung vom 8. Oktober 2018 jedenfalls insoweit einen unrichtigen Sachverhalt zu Grunde gelegt, da er es für möglich hielt, dass in den von ihm konkret genannten Fällen keine Genehmigung vorhanden war, weil diese Heimfahrten nicht in der Genehmigungsliste auftauchten. Ein Pflichtverstoß des Klägers kann aber insofern nicht sicher nachgewiesen werden und ihm demnach auch nicht in Form einer Missbilligung vorgehalten werden. Wenn der Beklagte sich dafür entscheidet dem Kläger ausdrücklich ein Dienstvergehen i.S.v. § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG vorzuhalten – wenn auch „nur“ in Form einer schriftlichen Missbilligung – muss sich die notwendige vorwerfbare Dienstpflichtverletzung – wie auch im Disziplinarrecht – aus einem sicher vorliegenden Sachverhalt ergeben.
b. Zwar liegen im Fall des Klägers nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens deutliche Anhaltspunkte dafür vor, dass er durch die jahrelange Nichteintragung des Fahrtenzwecks in die Fahrtenbücher der Dienstfahrzeuge schuldhaft gegen dienstliche Weisungen von Vorgesetzten (Präsidiumsschreiben vom 22. August 2011 und Weisung des ehemaligen Dienststellenleiters der KPI * vom 25. April 2013) verstoßen hat. Da aber der Beklagte die ausgesprochene Missbilligung im konkreten Fall zusätzlich rechtsfehlerhaft auf den Vorwurf von ungenehmigten Heimfahrten (s.o.) gestützt hat, hat er das ihm hinsichtlich der Aussprache einer (qualifizierten) Missbilligung zustehende Ermessen nicht in rechtsfehlerfreier Art und Weise ausgeübt. Er hat nämlich einen Sachverhalt miteinbezogen, für welchen ein objektiver Anlass für eine Missbilligung nicht gegeben ist (s.o.).
Aufgrund des ausdrücklich vom Beklagten in der schriftlichen Missbilligung herangezogenen disziplinarrechtlichen Grundsatzes der Einheitlichkeit des Dienstvergehens (vgl. S. 9 der Verfügung vom 8. Oktober 2018) wurden die dem Kläger vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen seitens des Beklagten hinsichtlich ihres Schweregrades einheitlich gewürdigt (vgl. S. 9 ff. der Verfügung vom 8. Oktober 2018) und auch einheitlich bewertet (vgl. S. 11 der Verfügung vom 8. Oktober 2018: „Ihr Fehlverhalten erfordert jedoch in jedem Fall eine dienstrechtliche Maßregelung und Pflichtenermahnung, die in Form einer schriftlichen Missbilligung (Art. 7 Abs. 1 Satz 2 BayDG) ausgesprochen wird. Es ist davon auszugehen, dass diese schriftliche Missbilligung Ihres Fehlverhaltens den Zweck der Pflichtenmahnung in ausreichendem Umfang erfüllt“ [Hervorhebung nicht im Original]).
Der Beklagte hat damit sowohl das ihm angesichts der wohl objektiv vorliegenden Dienstpflichtverletzung (s.o.) zustehende Entschließungsermessen zur Aussprache einer Missbilligung als auch das Auswahlermessen hinsichtlich der Art der auszusprechenden Missbilligung (vgl. VG Regensburg, U.v. 13.3.2019 – RN 1 K 18.90 – BeckRS 2019, 14914) unter einheitlicher Zugrundelegung eines zumindest teilweise unzutreffenden Sachverhalts ausgeübt.
Da für die erkennende Kammer anhand der einheitlichen Ausübung des Entschließungs- und Auswahlermessens durch den Beklagten somit nicht ersichtlich ist, ob er aufgrund der objektiv vorliegenden Pflichtverletzungen auch eine schriftliche (qualifizierte) Missbilligung ausgesprochen oder es bei einer milderen Maßnahme belassen hätte, kann somit die Aufhebung der ausgesprochenen qualifizierten Missbilligung auch nur einheitlich erfolgen. Es ist mit anderen Worten nicht ersichtlich, dass es sich um mehrere die Ermessensausübung des Beklagten jeweils selbständig tragende Gründe handelte (siehe dazu: BVerwG, U.v. 26.11.1987 – 2 C 53.86 – NJW 1988, 783/784). Vielmehr ist davon auszugehen, dass der der Verfügung vom 8. Oktober 2018 zu Grunde liegende Sachverhalt in seiner Gesamtheit zu der getroffenen Entscheidung führte und damit die Rechtmäßigkeit von der Sachgemäßheit aller Beweggründe abhängt und nur einheitlich beantwortet werden kann.
Daher kann auch dahinstehen, ob die konkrete Art und Weise der Ermessensausübung des Beklagten durch das Unterlassen jeglicher Sanktionen gegenüber solchen Beamten der KPI, die ebenfalls den Fahrtenzweck nicht in die Fahrtenbücher eintrugen, den Anforderungen von Art. 3 Abs. 1 GG gerecht wurde, d.h. ob für diese differierende Vorgehensweise sachliche Gründe vorhanden waren (vgl. z.B. BVerwG, B.v. 22.4.1995 – 4 B 55. 95 – BeckRS 1995, 31228610).
3. Der Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO. Gründe, die Berufung zuzulassen, bestehen nicht (§ 124 Abs. 2, § 124a VwGO).


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