Arbeitsrecht

Entfernung aus dem Beamtenverhältnis wegen unerlaubtem Fernbleiben vom Dienst

Aktenzeichen  16b D 18.1673

Datum:
23.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 27399
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BDG § 10, § 13 Abs. 2 S. 1
BBG § 61 Abs. 1 S. 1, § 77 Abs. 1 S. 1, § 96 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1. Ist ein Beamter ohne vorherige Freistellung eigenmächtig dem Dienst ferngeblieben, kann eine nachträgliche Genehmigung von Urlaub das disziplinarrechtlich relevante eigenmächtige Fernbleiben vom Dienst nicht ungeschehen machen. Nichts anderes gilt für die nachträgliche Bewilligung von Gleitzeit. (Rn. 25 – 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Beamter wird von der Anzeige- und Mitwirkungspflicht nicht deshalb befreit, weil er sich aus verschiedenen persönlichen Gründen, psychischer oder physischer Natur, nicht in der Lage sieht, seiner Mitwirkungspflicht nachzukommen. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
3. Beeinträchtigungen der Persönlichkeit durch Mobbing zählen zu den subjektiven Beweggründen, die in die Zumessungsentscheidung nach § 13 Abs. 1 BDG zugunsten des Beamten einzustellen sind. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 19B DK 17.1552 2018-06-14 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht auf die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (§ 10 BDG) erkannt.
Das Disziplinarverfahren weist in formeller Hinsicht – wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat – keine Mängel auf. Im Übrigen wurden Verfahrensmängel von der Beamtin im Berufungsverfahren auch nicht geltend gemacht.
Die Beklagte hat mit ihrem Verhalten, insbesondere indem sie seit 11. September 2015 unerlaubt vom Dienst ferngeblieben ist, ein innerdienstliches Dienstvergehen im Sinne von § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG begangen (1.), die die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis rechtfertigt (2.). Die Berufung ist daher zurückzuweisen.
1. Der Senat legt seiner Entscheidung den Sachverhalt zugrunde, den das Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil (2., S. 14 bis 20) festgestellt hat, das sich dabei seinerseits die Feststellungen in der Disziplinarklage zu eigen gemacht hat. An der Richtigkeit der im angefochtenen Urteil festgestellten Tathandlungen besteht kein Zweifel. Die Beklagte gesteht die ihr vorgeworfenen Sachverhalte im Wesentlichen – jedenfalls hinsichtlich des für die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis allein ausreichenden Dienstvergehens des unerlaubten Fernbleibens vom Dienst am 3. Februar, 2./3. Juli und seit 11. September 2015 – auch zu und nimmt lediglich eine andere Wertung vor.
Das Dienstvergehen, das sich die Beklagte hat zuschulden kommen lassen, ist als schweres innerdienstliches Dienstvergehen einzustufen, weil die Beamtin schuldhaft die ihr obliegenden Dienstpflichten verletzt hat (§ 77 Abs. 1 Satz 1 BBG). Durch ihr Verhalten hat die Beklagte vorsätzlich und subjektiv vorwerfbar (schuldhaft) gegen ihre beamtenrechtliche Kernpflicht verstoßen, nicht unerlaubt vom Dienst fernzubleiben (§ 96 Abs. 1 Satz 1 und § 61 Abs. 1 Satz 1 BBG). Auch in diesem Zusammenhang wirft die Berufung keine durchgreifenden Bedenken gegen das angefochtene Urteil (UA 2., S. 14 bis 20) auf; solche sind auch sonst nicht ersichtlich, so dass der Senat auch insoweit den Entscheidungsgründen folgt und sie sich zu eigen macht (§ 125 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 117 Abs. 5 VwGO). Ergänzend hierzu wird Folgendes ausgeführt:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts knüpft der Begriff des nicht genehmigten Fernbleibens vom Dienst an die formale Dienstleistungspflicht des Beamten an. Diese beamtenrechtliche Grundpflicht fordert vom Beamten in erster Linie, sich während der vorgeschriebenen Zeit an dem vorgeschriebenen Ort aufzuhalten und dort die ihm übertragenen dienstlichen Aufgaben wahrzunehmen (stRspr BVerwG, B.v. 31.7.2019 – 2 B 56.18 – juris Rn. 6; U.v. 27.2.2014 – 2 C 1.13 – juris Rn. 22; U.v. 25.9.2003 – 2 C 49.02 – juris Rn. 17). Solange ein Beamter dienstunfähig ist, ist er von der Dienstleistungspflicht befreit, weil er sie nicht erfüllen kann (vgl. BVerwG, U.v. 12.10.2006 – 1 D 2.05 – juris Rn. 32 m.w.N.). Ein dienstfähiger Beamter wird in der Regel nur durch eine wirksame Urlaubsbewilligung oder sonstige Freistellung vom Dienst – sei es genehmigt oder kraft Gesetzes – von seiner Dienstleistungspflicht entbunden. Für das unerlaubte Fernbleiben vom Dienst kommt es nicht darauf an, ob materiell Anspruch auf Urlaub oder Freistellung bestand. Es bedarf vielmehr der ausdrücklichen oder stillschweigenden Entbindung von der Dienstleistungspflicht (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 31.8.2001 – 1 DB 23.01 – juris Rn. 7 m.w.N.).
Gemessen daran blieb die Beklagte wiederholt unerlaubt vom Dienst fern. Durch die nachträglich versehentliche Genehmigung des Geleitzeitantrags der Beklagten für den 3. Februar 2015 durch den Dienstvorgesetzen Dr. R. wurde die Dienstpflichtverletzung nicht etwa „geheilt“. Ist ein Beamter ohne vorherige Freistellung eigenmächtig dem Dienst ferngeblieben, kann eine nachträgliche Genehmigung von Urlaub das disziplinarrechtlich relevante eigenmächtige Fernbleiben vom Dienst nicht ungeschehen machen (BVerwG, U.v. 29.10.2003 – 2 WD 9.03 – juris Rn. 5). Nichts anderes gilt für die nachträgliche Bewilligung von Gleitzeit. Auch sie lässt die Eigenmächtigkeit des Fernbleibens in der Vergangenheit nicht entfallen (BVerwG, B.v. 28.2.2019 – 1 WB 5.18 – juris Rn. 23).
Ungeachtet eines angeblich bereits im Juni 2015 gestellten Gleitzeitantrags für den 2. und 3. Juli 2015 blieb die Beklagte damit auch an diesen Tagen unerlaubt vom Dienst fern, da es an einer vorher erteilten Genehmigung des Dienstherrn fehlte.
Das ab 11. September 2015 unerlaubte Fernbleiben vom Dienst wiegt aufgrund der langen Zeitdauer besonders schwer. Zwischen den Beteiligten steht außer Streit, dass die Beklagte ohne vorherige Genehmigung ihres „zuerst für ein Jahr“ avisierten Antrags auf Sonderurlaub ab 11. September 2015 nicht mehr zum Dienst erschienen ist („sich in Urlaub begeben hat“, vgl. Klageerwiderung vom 3.8.2017, S. 7). Krankmeldungen oder ärztliche Atteste für den Zeitraum ab 11. September 2015 legte die Beklagte trotz Aufforderung (Schr. vom 5.10.2015; § 96 Abs. 1 Satz 2 BBG) nicht vor. Ein Beamter wird jedoch von der Anzeige- und Mitwirkungspflicht nicht deshalb befreit, weil er sich aus verschiedenen persönlichen Gründen, psychischer oder physischer Natur, nicht in der Lage sieht, seiner Mitwirkungspflicht nachzukommen (Zängl a.a.O. MatR/II Rn. 209). Ihre Arbeitsunfähigkeit endete am 21. August 2015 (AU-Bescheinigungen Dr. H. vom 6.8.2015 und Dr. L. 19.8.2015). Nach dem Wochenende (22.-23.8.2015) nahm sie (genehmigte) Gleit- (vom 24. bis 26.8.2015 sowie vom 8. bis 10.9.2015) und Urlaubstage (27.8. bis 7.9.2015). Trotz einer ambulanten Behandlung am 1. Oktober 2015 bescheinigte die behandelnde Ärztin eine Arbeitsunfähigkeit (lediglich) vom 17. bis 21. August 2015 (VG-Akte S. 120). Die Beklagte selbst ließ durch ihre Bevollmächtigte vortragen (Klageerwiderung S. 7), dass Zweifel an ihrer Dienstfähigkeit nicht berechtigt gewesen seien. Der Leistungsabfall sei auf Probleme im zwischenmenschlichen Bereich zurückzuführen gewesen. Die Beklagte nahm weder die ihr von Prof. Dr. D. mit Schreiben vom 23. September 2015 vorgeschlagenen Termine zur Untersuchung ihrer Dienstfähigkeit wahr noch leistete sie der Untersuchungsanordnung des Dienstherrn vom 6. November 2015 Folge. Aufgrund der offensichtlich fehlenden Mitwirkungsbereitschaft der Beklagten und mangels jeglichen Anhaltspunktes für eine über den 21. August 2015 hinaus bestehende Erkrankung war weder das Erstgericht noch der Senat gehalten, weitere Aufklärungsmaßnahmen hinsichtlich ihres Gesundheitszustandes vorzunehmen.
2. Das festgestellte Verhalten der Beklagten ist als schweres Dienstvergehen einzustufen, weil sie schuldhaft die ihr obliegenden Pflichten verletzt hat (§ 77 Abs. 1 Satz 1 BDG). Denn die Beamtin hat nachhaltig und über einen langen Zeitraum hinweg in massiver Weise gegen ihre Dienstpflichten verstoßen. Der Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens gebietet es, das durch mehrere Verfehlungen zutage getretene Fehlverhalten eines Beamten einheitlich zu würdigen (BVerwG, B.v. 11.2.2000 – 1 DB 20/99 – juris Rn. 6). Liegen mehrere Dienstpflichtverletzungen vor, die in keinem inneren oder äußeren Zusammenhang stehen und damit eine gewisse Selbständigkeit haben, so bestimmt sich die zu verhängende Disziplinarmaßnahme in erster Linie nach der schwersten Verfehlung, vorliegend nach dem unerlaubten Fernbleiben vom Dienst (BVerwG, U.v. 8.9.2004 – 1 D 18.03 – juris Rn. 47; BayVGH, U.v. 11.5.2016 – 16a D 13.1540 – juris Rn. 66).
Durch das schuldhafte Fernbleiben vom Dienst hat die Beklagte gegen ihre gesetzliche Pflicht zur ordnungsgemäßen Diensterfüllung nach § 96 Abs. 1 Satz 1 und § 61 Abs. 1 Satz 1 BBG – einer für jeden Beamten ohne weiteres erkennbaren Kernpflicht – verstoßen. Dieser vorsätzlich und somit schuldhaft begangene Verstoß gegen die vorgenannte beamtenrechtliche Pflicht stellt ein innerdienstliches Dienstvergehen gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG dar, da die Dienstpflichtverletzungen sowohl formell in das Amt der Beklagten und materiell in die damit verbundene dienstliche Tätigkeit eingebunden waren. Das Fehlverhalten der Beklagten wiegt schwer i.S.v. § 13 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 BDG. Es hat zur Folge, dass die Beklagte das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren hat. Deshalb ist nach § 13 Abs. 2 Satz 1 BDG auf die disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme zu erkennen.
Welche Disziplinarmaßnahme angemessen und erforderlich ist, richtet sich nach § 13 BDG. Die Disziplinarmaßnahme ist insbesondere nach der Schwere des Dienstvergehens, der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit, dem Persönlichkeitsbild und dem bisherigen dienstlichen Verhalten zu bemessen (§ 13 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 BDG). Beamte, die durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren haben, sind gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 BDG aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Aus § 13 Abs. 1 BDG folgt die Verpflichtung des Gerichts, über die erforderliche Disziplinarmaßnahme aufgrund einer prognostischen Würdigung unter Berücksichtigung aller im Einzelfall belastenden und entlastenden Gesichtspunkte zu entscheiden. Gegenstand der disziplinarrechtlichen Bewertung ist die Frage, welche Disziplinarmaßnahme in Ansehung der Persönlichkeit des Beamten geboten ist, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und die Integrität des Berufsbeamtentums möglichst ungeschmälert aufrecht zu erhalten (stRspr BVerwG, U.v. 23.2.2012 – 2 C 38.10; BayVGH, U.v. 12.3.2014 – 16a D 11.2657 – jeweils juris).
Höchstrichterlich ist geklärt, dass unentschuldigtes Fernbleiben vom Dienst im Sinne von § 96 Abs. 1 Satz 1 BBG über einen Zeitraum von mehreren Monaten regelmäßig geeignet ist, das für das Beamtenverhältnis erforderliche Vertrauensverhältnis zwischen dem Dienstherrn und dem Beamten zu zerstören. Das Gebot, überhaupt zum Dienst zu erscheinen, ist Grundpflicht eines jeden Beamten. Ohne die pflichtgemäß zu erbringende Dienstleistung ihrer Mitarbeiter wäre die Verwaltung nicht imstande, die ihr gegenüber der Allgemeinheit obliegenden Aufgaben zu erfüllen. Deshalb kann einem Beamten, der ohne triftigen Grund nicht zum vorgeschriebenen Dienst erscheint, nicht mehr das Vertrauen entgegengebracht werden, das für eine gedeihliche Zusammenarbeit unerlässlich ist. Aufgrund der Bedeutung und der leichten Einsehbarkeit der Pflicht, überhaupt zum Dienst zu erscheinen, offenbart das Fernbleiben über einen derart langen Zeitraum ein besonders hohes Maß an Verantwortungslosigkeit und Pflichtvergessenheit. Daher ist in diesen Fällen die Entfernung aus dem Dienst grundsätzlich Ausgangspunkt der Bestimmung der angemessenen Disziplinarmaßnahme (BVerwG, B.v. 31.7.2019 – 2 B 56.18 – juris Rn. 11; U.v. 7.11.1990 – 1 D 33.90 – juris Rn. 31 m.w.N.; U.v. 22.4.1991 – 1 D 62.90 – juris Rn. 97 ff.; U.v. 6.5.2003 – 1 D 26.02 – juris Rn. 54 f.). Dies gilt auch im vorliegenden Fall des Fernbleibens vom Dienst im Wege der „Selbsthilfe“ (vgl. BVerwG, U.v. 10.6.1998 – 1 D 39.96 – juris Rn. 27 und 30 zu einer Fehlzeit von mehr als 15 Wochen). Die von der Schwere des Dienstvergehens ausgehende Indizwirkung entfällt nur dann, wenn im Einzelfall gewichtige Entlastungsgründe zugunsten des Beamten zu berücksichtigen sind (BVerwG, B.v. 31.7.2019 – 2 B 56.18 – juris Rn. 11; U.v. 12.10.2006 – 1 D 2.05 – juris Rn. 51; U.v. 25.1.2007 – 2 A 3.05 – juris Rn. 42; B.v. 23.1.2013 – 2 B 63.12 – juris Rn. 11; B.v. 31.7.2017 – 2 B 30.17 – juris Rn. 13). Dabei zählen Beeinträchtigungen der Persönlichkeit durch Mobbing zu den subjektiven Beweggründen, die in die Zumessungsentscheidung nach § 13 Abs. 1 BDG zugunsten des Beamten einzustellen sind (B.v. 29.7.2009 – 2 B 15.09 – juris Rn. 9).
2.1 Die von der Beklagten vorgetragenen Mobbing-Vorwürfe berechtigten sie jedoch nicht, eigenmächtig vom Dienst fernzubleiben. Sie sind auch nicht geeignet, das Gewicht der Pflichtverletzungen als weniger schwerwiegend darzustellen und eine mildere Maßnahme als die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu rechtfertigen.
Es ist bereits nicht im Ansatz erkennbar, dass ein Verhalten der Kolleginnen oder Vorgesetzten vorliegt, das mit einem systematischen, gegen die Beklagte gerichteten, sie schikanierenden oder diskriminierenden Handeln gleichzusetzen oder Teil eines solchen sei (vgl. zum Begriff des „Mobbing“: BVerwG‚ U.v. 11.6.2002 – 2 WD 38.01 – juris Rn. 21; BayVGH, B.v. 14.3.2014 – 6 ZB 12.470 – juris Rn. 9 f. m.w.N.).
Die von der Beklagten in der Berufungsbegründung als „zwischenmenschliche Probleme“ bezeichneten Vorfälle gehen unter Berücksichtigung der polizei- und staatsanwaltlichen Ermittlungsergebnissen nicht über das hinaus, was gewöhnliche‚ von jedermann zu bewältigende berufliche Schwierigkeiten übersteigen würde. Eine in einem bestimmten Gesamtverhalten liegende Verletzungshandlung oder fortgesetzte‚ aufeinander aufbauende und ineinander übergreifende Verhaltensweisen, welche charakterisierend für eine als „Mobbing“ bezeichnete tatsächliche Erscheinung wäre, sind nicht erkennbar. Vielmehr drängt sich in der Gesamtschau der sich seit ihrer Versetzung an das DPMA in verschiedenen Organisationseinheiten ereigneten Vorkommnisse der Eindruck auf, dass die Beklagte überwiegend die Ursache für die innerbehördlichen und interkollegialen Auseinandersetzungen setzte, jedenfalls aber maßgeblichen Anteil an den jeweiligen Konfliktsituationen hatte. Bei den klar voneinander abgrenzbaren Kontroversen mit teilweise unterschiedlichen Vorgesetzten und Kollegen/-innen aus verschiedenen Sachgebieten fehlt es schon an der notwendigen systematischen Vorgehensweise sowie einem bestehenden Fortsetzungszusammenhang. Der in der Berufungsbegründung zentral im Raum stehende Vorwurf, die Beklagte sei als „Spion“ bzw. „chinesische Spionin“ bezeichnet worden, erwies sich als haltlos. Die Beklagte konnte schon nicht sagen, wann diese Äußerung gefallen sei (Vermerk vom 23.1.2014). Nach den Angaben des angeschuldigten Kollegen der Beklagten habe er allenfalls im Zuge eines Besuchs einer chinesischen Delegation in einer Gesprächsrunde mit der Beklagten Ende Juli 2012 allgemein und ohne dies auf die Beklagte bezogen zu haben von der Problematik der Industriespionage gesprochen. Gegen eine ernsthafte psychische Belastungssituation aufgrund der Vorkommnisse in den Jahren 2012 und 2013 spricht ferner nicht nur die weitere Dienstverrichtung der Beklagten, sondern auch die trotz anwaltlicher Vertretung unterlassene Einleitung weiterer rechtlicher Schritte der sich ansonsten, unter anderem mit zwei Strafanzeigen, mit Nachdruck zur Wehr setzenden Beklagten. Darüber hinaus wurde zur Lösung der interkollegialen Schwierigkeiten rund um die Beklagte eine Vielzahl personalwirtschaftlicher und -rechtlicher Maßnahmen durch den Dienstherrn ergriffen. Die Dienstvorgesetzten waren ernsthaft und nachhaltig bemüht, die von der Beklagten als „zwischenmenschliche Probleme“ bezeichneten innerbehördlichen atmosphärischen Störungen zu beseitigen. Konkret reagierten sowohl die direkten und übergeordneten Vorgesetzten als auch die Personalabteilung auf die sich im Nachhinein als im Wesentlichen haltlos erwiesenen Anschuldigungen der Beklagten mit zahlreichen Personalgesprächen, Aufforderungen an Kollegen/-innen zur Abgabe eidesstattlicher Versicherungen, einer mit zwei externen Mediatorinnen durchgeführten Mediation (14.2.2013), der im Einverständnis der Beklagten erfolgten Umsetzung (ab 27.2.2013 von Sachgebiet 2.4.3.c zu 2.4.3.b), der Zuweisung eines anderen Büros und klaren Aufgabenabgrenzungen. Der Vertreter der Klägerin hob in der mündlichen Verhandlung am 23. Oktober 2019 hervor, dass jederzeit für die Beklagte die Möglichkeit zum Gespräch bestanden habe. Darüber hinaus habe sie weder den Personalrat noch die Gleichstellungsbeauftragte oder die Sozialbetreuung aufgesucht. Gegenüber der Personalverwaltung habe sich die Beklagte nicht als hilfesuchend dargestellt. Unter Berücksichtigung der mangels Mitwirkungsbereitschaft der Beklagten vergeblichen Bemühungen des Dienstherrn, die Dienstfähigkeit der Beklagten untersuchen zu lassen, ist bereits nicht im Ansatz erkennbar, dass die Klägerin ihrer Fürsorgepflicht hinsichtlich des gesundheitlichen Zustandes der Beklagten nicht nachgekommen wäre. Die richtige Antwort der Beklagten auf eine negative gesundheitliche Entwicklung im Zusammenhang mit den von ihr als Schikane und übergreifende Verhaltensweisen von Kollegen/-innen und Vorgesetzten empfundenen Ereignisse hätte in einer ärztlichen Untersuchung und Behandlung sowie einer Meldung der Geschehnisse an die Hausspitze bzw. Personalabteilung bestanden. Die „selbstständige“ Freistellung von jeglicher Arbeitsleistung gehört nicht dazu.
Aber auch das Geschehen am 5. August 2015 (Türgerangel mit dem Vorgesetzten Dr. R.) bot keinen Anlass, dem Dienst ab 11. September 2015 im Wege der „Selbsthilfe“ fernzubleiben. Ausweislich der vorliegenden Stellungnahmen der die Klägerin behandelnden Ärzte erfolgte – wie dargestellt – eine Krankschreibung aufgrund einer akuten Belastungsreaktion der Beklagten lediglich bis zum 21. August 2015 (VG-Akte S. 120), so dass nicht zuletzt wegen der nachfolgend genommenen Gleit- und Urlaubstage davon ausgegangen werden muss, dass die psychischen Beeinträchtigungen der Beklagten als Folge der Auseinandersetzung am 5. August 2015 jedenfalls ab dem 22. August 2015 überwunden waren. Aber auch die Einlassungen der Beklagten während ihres Fernbleibens (E-Mails vom 24.9.16, 5./20.12.16) und in ihrer Klageerwiderung (S.7 „Zutreffend ist, dass die Beklagte sich im Urlaub gegeben [gemeint: in Urlaub begeben] hat, ohne die schriftliche Bestätigung einer Beurlaubung unter Fortzahlung der Bezüge erhalten zu haben“) lassen den Schluss zu, dass die Beklagte nicht aufgrund einer Erkrankung, sondern wegen ihres Antrags auf Sonderurlaub – genehmigt oder nicht – ab dem 11. September 2015 nicht mehr zum Dienst erschien. Entsprechend kündigte die Beklagte bereits vor und unabhängig von dem Ereignis am 5. August 2015 mit E-Mail vom 17. Juli 2015 gegenüber der Personalabteilung an, ab Mitte August nicht mehr im Dienst zu sein. Sie erhalte keine Dienstbezüge und sei ein freier Mensch. In Gesamtschau der Verhaltensweisen der Beklagte drängt sich damit die Annahme auf, ihr Fernbleiben vom Dienst seit Mitte August 2015 habe bereits mit Stellung ihres Sonderurlaubsantrags festgestanden.
2.2 Weitere entlastende Umstände von erheblichem Gewicht, die zu einer anderen Disziplinarmaßnahme als zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis führen müssten, greifen nicht durch. Die in der Rechtsprechung entwickelten sogenannten „anerkannten“ Milderungsgründe (hierzu BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 25 bis 36) kommen der Beklagten nicht zugute. Solche können teilweise zu einer Disziplinarmaßnahme führen, die um eine Stufe niedriger liegt als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Maßnahme, es sei denn, es liegen gegenläufige belastende Umstände vor (vgl. BVerwG, B.v. 15.6.2016 – 2 B 49.15 – juris Rn. 13). Über die sogenannten „anerkannten“ Milderungsgründe hinaus ergibt auch die Gesamtwürdigung aller be- und entlastenden Umstände, dass die Beklagte wegen des endgültigen Verlustes des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen ist.
Wie bereits dargelegt, bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte ab dem 11. September 2015 dienstunfähig gewesen wäre, geschweige denn im Zustand der erheblich verminderten Schuldfähigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB gehandelt hätte, sodass weder das Erstgericht noch der Senat dem im Rahmen der Amtsermittlung nachgehen musste (vgl. BVerwG, B.v. 7.11.2014 – 2 B 45/14 – BayVBl 2015, 423 – juris Rn. 16). Dies gilt erst recht unter dem Aspekt, dass im Disziplinarrecht die von den Verwaltungsgerichten vorzunehmende Beurteilung der Erheblichkeit im Sinne von § 21 StGB von der Bedeutung und Einsehbarkeit der verletzten Dienstpflichten abhängt. Eine maßnahmemindernde Wirkung verminderter Schuldfähigkeit kommt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht in Betracht, wenn das Dienstvergehen in der Verletzung einer elementaren, selbstverständlichen und einfach zu befolgenden Pflicht besteht. Dies ist bei der Dienstleistungspflicht als primäre und leicht einsehbare Pflicht eines jeden Beamten der Fall (BVerwG U.v. 6.5.2003 – 1 D 26.02 – juris Rn. 63; U.v. 31.8.1999 – 1 D 12/98 – juris Rn. 47; Zängl. MatR/II Rn. 219).
Eine weitere Milderung der disziplinarrechtlich gebotenen Maßnahme ist nicht sachgerecht. Dies gilt auch bei Berücksichtigung der Umstände, dass die Beklagte bislang disziplinarrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist und sich im Laufe ihrer Dienstzeit stellenweise durchaus leistungsbereit gezeigt hat.
2.3 Zu Lasten der Beamtin ist zu berücksichtigen, dass sie über einen sehr langen Zeitraum, d.h. für über 19 Monate bis zur Disziplinarklage bzw. über vier Jahre bis zur Entscheidung des Senats vorsätzlich und ohne anerkennbaren Grund dem Dienst ferngeblieben ist. Darüber hinaus belastet die Beamtin, dass sie wiederholt ungenehmigt dem Dienst ferngeblieben ist. Indem Sie bereits am 3. Februar 2015 sowie am 2. und 3. Juli 2015 ohne die Genehmigung ihres Gleitzeitantrags nicht zum Dienst erschienen ist, setzt sich dieses systematische Verhaltensmuster auch bei dem Fernbleiben ab dem 11. September 2015 fort. Diese Dienstpflichtverletzungen wurden vorsätzlich begangen, obwohl bereits ein Disziplinarverfahren gegen sie eingeleitet und ihr durch wiederholte Mahnungen und Hinweise durch die Personalverwaltung (E-Mails vom 26.8.15, 27.8.15, 21.9.15) ihre Verpflichtung zur Dienstverrichtung mehr als deutlich vor Augen geführt worden war (vgl. BVerwG, U.v. 31.8.1999 – 1 D 12.98 – juris Rn. 41, 45). Die Beamtin hat sich damit hinsichtlich der Befolgung ihrer Dienstleistungspflicht als völlig unbelehrbar gezeigt. Erschwerend wirken zudem die weiteren mehrfachen Verstöße gegen dienstliche Anordnungen (§ 62 Abs. 1 Satz 2 BBG) und die Wohlverhaltenspflicht (§ 61 Abs. 1 Satz 3 BBG). Insoweit wird auf die Ausführungen des Erstgerichts Bezug genommen (§ 125 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 117 Abs. 5 VwGO).
3. Angesichts des von der Beklagten begangenen Dienstvergehens und der aufgezeigten Gesamtwürdigung ist die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nicht unverhältnismäßig. Die Beklagte hat ein besonders schweres Fehlverhalten gezeigt. Sie hat die Vertrauensgrundlage für die Fortsetzung des Beamtenverhältnisses endgültig zerstört. Ihre Entfernung aus dem Dienst ist die einzige Möglichkeit, das durch den Dienstherrn sonst nicht lösbare Beamtenverhältnis einseitig zu beenden. Eine anderweitige Verwendung der Beklagten kommt nicht als „mildere Maßnahme“ in Betracht. Wenn – wie hier – das Vertrauensverhältnis des Dienstherrn zu dem Beamten endgültig zerstört ist, weil er als Beamter „nicht mehr tragbar ist“ und es dem Dienstherr nicht zumutbar ist, das Beamtenverhältnis mit dem Beklagten fortzusetzen, muss der Frage, ob der Beamte anderweitig eingesetzt werden kann, nicht nachgegangen werden (vgl. BayVGH, U.v. 24.5.2017 – 16a D 15.2267 – juris Rn. 192). Die darin liegende Härte für den Beamten ist nicht unverhältnismäßig oder unvereinbar mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise. Sie beruht auf dem vorangegangenen Fehlverhalten der für ihr Handeln verantwortlichen Beklagten, die sich bewusst gewesen sein muss, dass sie hiermit ihre berufliche Existenz aufs Spiel setzt (BayVGH, U.v. 24.5.2017 – 16a D 15.2267 – juris Rn. 193).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs. 1 BDG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.
5. Die Revision wird nicht zugelassen, da kein Zulassungsgrund vorliegt (§ 69 BDG, § 132 Abs. 2 VwGO, § 191 Abs. 2 VwGO, § 127 BRRG).


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