Arbeitsrecht

Erfolglose Erinnerung gegen Kostenfestsetzungsbeschluss in einem Asylverfahren (Verfahrensabtrennung, Fahrtkosten)

Aktenzeichen  W 3 M 18.32375

Datum:
20.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 317
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
RVG § 15 Abs. 2, § 30 Abs. 1
VwGO § 161, § 162 Abs. 3, § 165

 

Leitsatz

1. In Klageverfahren nach dem Asylgesetz hat der Rechtsanwalt bei der Abtrennung von Verfahren kein Wahlrecht, ob er die Festsetzung der (niedrigeren) Verfahrensgebühr aus dem anteiligen Gesamtstreitwert oder der (höheren) Verfahrensgebühr aus dem Einzelstreitwert nach der Abtrennung geltend macht. (Rn. 12 – 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Höhere Fahrtkosten, die dadurch entstehen, dass der Rechtsanwalt seine Kanzlei weder am Wohnsitz des Mandanten noch im Gerichtsbezirk hat, können nur aus besonderen Gründen erstattet werden, etwa bei besonderen Fachkenntnissen des Rechtsanwalts oder bei einem besonderen Vertrauensverhältnis zwischen ihm und dem Mandanten. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Erinnerung (Antrag auf gerichtliche Entscheidung) gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 12. Juni 2018 wird zurückgewiesen.
II. Die Antragsteller (Erinnerungsführer) haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Der Klägerbevollmächtigte des Ausgangsverfahrens wendet sich gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 12. Juni 2018 im Verfahren W 3 K 17.31651 (Ausgangsverfahren).
Die Kläger des Ausgangsverfahrens sind die Ehefrau und das Kind eines eritreischen Staatsangehörigen, dessen Verfahren (W 3 K 16.30686) am 30. März 2017 mit einem Verpflichtungsurteil endete. Die Kläger des Ausgangsverfahrens wurden zunächst als Kläger zu 2) und 3) im Verfahren W 3 K 16.30686 geführt. Mit Beschluss vom 12. April 2017 wurden die Klagen der Kläger abgetrennt und unter dem Aktenzeichen des Ausgangsverfahrens weitergeführt.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erkannte den Klägern mit Bescheid vom 22. August 2017 die Flüchtlingseigenschaft zu. Daraufhin wurde der Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt und mit Beschluss vom 11. September 2017 das Verfahren eingestellt und die Kosten des Verfahrens der Beklagten auferlegt.
Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 17. Mai 2018 beantragte der Kläger die Festsetzung der Kosten aus einem Gegenstandswert von 6.000,00 EUR und machte hierbei eine 1,3-fache Verfahrensgebühr in Höhe von 460,00 EUR, eine 1,2-fache Terminsgebühr von 363,60 EUR für die mündliche Verhandlung, eine Pauschale für Post und Telekommunikation in Höhe von 20,00 EUR, Fahrtkosten in Höhe von 47,60 EUR (für 238 km) sowie ein Tages- und Abwesenheitsgeld in Höhe von 26,67 EUR geltend, insgesamt (inclusive Mehrwertsteuer) einen Betrag von 1.092,26 EUR.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 12. Juni 2018 setzte die Urkundsbeamtin des Gerichts die außergerichtlichen Aufwendungen der Kläger auf 903,22 EUR fest. Dabei legte die Urkundsbeamtin einen Gegenstandswert von 7.000,00 EUR zugrunde und errechnete festzusetzende Kosten in Höhe von 1.354,82 EUR. Hiervon entfällt ein Anteil von 2/3, das sind 903,22 EUR, auf die Kläger. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, Gebühren und Auslagen seien vor der Abtrennung des vorliegenden Verfahrens W 3 K 17.31651 von dem Verfahren W 3 K 16.30686 entstanden, sodass die zunächst entstandenen außergerichtlichen Aufwendungen für drei Kläger zu berechnen seien. Die außergerichtlichen Aufwendungen des Klägers im Verfahren W 3 K 16.30686 seien bereits mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 10. August 2017 mit 1/3 des Gesamtanspruches aus beiden Verfahren festgesetzt worden. Deshalb könnten im Falle der Kläger die Aufwendungen entsprechend dem Anteil am Verfahren vor der Abtrennung zu 2/3 festgesetzt werden. Als notwendige Reisekosten hätten nur die fiktiven Reisekosten eines Anwalts von dem am weitesten vom Gericht entfernten Wohnort im Gerichtsbezirk (Fl.) als notwendig anerkannt werden.
Mit Schriftsatz vom 20. Juni 2018 legte der Klägerbevollmächtigte “Beschwerde” gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss ein und beantragte gerichtliche Entscheidung. Zur Begründung wurde im Wesentlichen angeführt, es ergebe sich ein Wahlrecht des Bevollmächtigten, ob er die Festsetzung der niedrigeren Verfahrensgebühr aus dem anteiligen Gesamtstreitwert fordere oder die höhere Verfahrensgebühr aus dem Einzelstreitwert nach der Verfahrenstrennung. Außerdem könne nicht nachvollzogen werden, warum nur Reisekosten unter Berücksichtigung des Ortes Fl. nach W. festgesetzt worden seien, obwohl Fahrtkosten von F. nach W. geltend gemacht worden seien. Die Kanzlei des Bevollmächtigten sei auf das Herkunftsland Eritrea spezialisiert, weshalb dieser über genaue Kenntnisse der politischen Situation in dem Land verfüge. Aus diesem Grund vertrete er eritreische Mandanten im gesamten Bundesgebiet gerichtlich und außergerichtlich. Aufgrund dieser Kenntnisse bestehe zwischen den Klägern und dem Bevollmächtigten auch ein besonderes Vertrauensverhältnis.
Die Urkundsbeamtin half der Erinnerung nicht ab. Zur Begründung verwies sie auf die Ausführungen im angefochtenen Beschluss sowie auf die Ausführungen in der aktuellen Literatur und Rechtsprechung.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und zum Vorbringen der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die Akten der Verfahren W 3 K 17.31671, W 3 K 16.30686 und W 3 M 17.33677 verwiesen.
II.
Das Gericht legt die vom Kläger erhobene Beschwerde sachgerecht (§ 88 VwGO) als Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 12. Juni 2018 aus. Das Gericht entscheidet über die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss in der Besetzung, in der die zugrundeliegende Kostenentscheidung getroffen wurde, somit vorliegend durch den Einzelrichter.
Die erhobene Erinnerung ist zulässig (§§ 165, 151 VwGO), insbesondere fristgerecht erhoben. Die Erinnerung ist jedoch nicht begründet. Die außergerichtlichen Aufwendungen der Kläger sind zutreffend festgesetzt worden.
Das Gericht nimmt zur Vermeidung überflüssiger Wiederholungen Bezug auf die Ausführungen der Urkundsbeamtin im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 12. Juni 2018 sowie auf deren Entscheidung vom 21. November 2018, der Erinnerung nicht abzuhelfen, die dem Klägerbevollmächtigten mit der Gelegenheit zur Stellungnahme zugeleitet worden war und sieht von einer weiteren Darstellung der Gründe insoweit ab (§ 77 Abs. 2 AsylG analog).
Insbesondere ist nicht zu beanstanden, dass die Urkundsbeamtin unter Zugrundelegung eines Gegenstandswertes von 7.000,00 EUR die Verfahrensgebühr und die Termingebühr berechnet hat und diese anteilig (2/3) für die beiden Kläger festgesetzt hat. Zwar ist im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (B.v. 8.2.2017 – 4 C 17.559 – juris) in “klassischen” Verfahren davon auszugehen, dass bei durch Abtrennung verselbständigten Verfahren der Rechtsanwalt ein Wahlrecht hat, ob er der Festsetzung der (niedrigeren) Verfahrensgebühr aus dem anteiligen Gesamtstreitwert oder der (höheren) Verfahrensgebühr aus dem Einzelstreitwert nach der Trennung geltend macht (vgl. hierzu z.B. VG Würzburg – W 5 M 17.1421 – juris).
Jedoch ist zur Überzeugung des Gerichts ein solches Wahlrecht für Klageverfahren nach dem Asylgesetz nicht gegeben. Im Asylverfahren findet keine Streitwertfestsetzung statt. Vielmehr hat der Gesetzgeber in § 30 Abs. 1 RVG bestimmt, dass der Gegenstandswert personenbezogen 5.000,00 EUR und für jede weitere Person 1.000,00 EUR beträgt. Nur in besonderen Einzelfällen kann das Gericht aus Gründen der Billigkeit einen höheren oder niedrigeren Wert festsetzen (§ 30 Abs. 2 RVG). Dies zeigt, dass sich der Gesetzgeber insoweit nicht nach Einzel-“Streitwerten” richten wollte, sondern ein Gesamtinteresse für Klageverfahren nach dem AsylG spezifisch festgelegt hat. Angesichts dessen ist für Klageverfahren nach dem AsylG dem Rechtsanwalt kein Wahlrecht im obigen Sinne zuzugestehen, da dem Gericht eine entsprechende einzelne Festsetzung des Gegenstandswerts für das ursprüngliche und das abgetrennte Verfahren aufgrund der Regelung in § 30 Abs. 1 RVG verwehrt bleibt (so auch VG Würzburg, B.v. 15.6.2018 – W 3 M 17.33677 – im Verfahren des Ehemannes bzw. Vaters der Kläger; VG Würzburg, B.v. 21.3.2018 – W 5 M 17.1421 – juris Rn. 20; VG Würzburg, B.v. 31.10.2019 – W 7 M 18.30792 – n.v.).
Hinsichtlich der Fahrtkosten ist auszuführen, dass nach § 162 Abs. 1 VwGO (nur) die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zur erstatten sind. Der daraus herzuleitende Grundsatz der Kostenminimierung ist bei der Anwaltswahl mit der Folge zu beachten, dass ohne nähere Prüfung Reisekosten eines Rechtsanwaltes nur dann voll zu erstatten sind, wenn er seine Kanzlei am Sitz oder im Bezirk des angerufenen Gerichts oder am Wohnsitz seines Mandanten oder in dessen Nähe hat. Mehrkosten, die dadurch entstehen, dass der beauftragte Rechtsanwalt seine Kanzlei weder am Wohnsitz des Mandanten noch am Gerichtssitz hat, sind grundsätzlich nur bei Vorliegen besonderer Gründe erstattungsfähig. Dies kann der Fall sein, wenn der beauftragte Anwalt etwa über Spezialkenntnisse verfügt und der Streitfall Fachfragen aus diesem Fachgebiet von solcher Schwierigkeit aufwirft, dass ein verständiger Beteiligter die Zuziehung eines solchen Anwalts für ratsam erachten wird. Ein anderer Grund, der die Beauftragung eines auswärtigen Rechtsanwaltes rechtfertigen kann, ist ein bestehendes besonderes Vertrauensverhältnis zwischen dem Mandanten und dem von ihm beauftragten Rechtsanwalt (vgl. BayVGH, B.v. 26.6.2015 – 4 M 15.1062 – juris Rn. 11; B.v. 10.10.2011 – 20 C 11.1173 – juris Rn. 3; B.v. 14.8.2014 – 15 C 13.1504 – juris Rn. 10: “Hausanwalt”; OVG Berlin-Bbg., B.v. 8.4.2013 – OVG 1 K 6.12 – juris Rn. 4). Auch wenn der Klägerbevollmächtigte angibt, sich auf das Land Eritrea spezialisiert zu haben, ist nichts dargelegt, was über vergleichbare Kenntnisse anderer im Asylrecht erfahrenen Anwälte hinausginge; insbesondere sind im Gerichtsbezirk mehrere erfahrene Asylanwälte tätig, die ebenfalls Kläger aus Eritrea vertreten. Ein besonderes Vertrauensverhältnis, das sich vom üblichen Mandantenverhältnis abhebt, ist von Seiten des Klägerbevollmächtigten nicht vorgetragen worden. Insbesondere ist nach Aktenlage auch eine Bevollmächtigung des Anwaltes erst im Klageverfahren erfolgt.
Die Erinnerung war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO zurückzuweisen. Das Verfahren ist nach § 56 Abs. 2 Satz 1 RVG gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 66 Abs. 8 GKG entsprechend); eine Streitwertfestsetzung ist deshalb nicht erforderlich.


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