Arbeitsrecht

erhöhte Betreuervergütung – Erwerb betreuungsrelevanter Kenntnisse durch praktische Berufsausbildung

Aktenzeichen  52 T 168/19

Datum:
31.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 38965
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
VBVG aF § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 5 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 4
VBVG § 12
BGB § 1836

 

Leitsatz

Erhöhe Betreuervergütung, wenn praktischer Teil der Lehre betreuungsrelevante Kenntnisse vermittelt.
1. Die Ausbildung zur Kauffrau für Büromanagement, die jedenfalls im praktischen Teil in einem Betreuungsbüro absolviert wurde, rechtfertigt eine erhöhte Vergütung nach § 4 Absatz 1 Nummer 1 VBVG in der bis zum 26. Juli 2019 geltenden Fassung. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Maßgeblich für den Anspruch des Betreuers auf eine erhöhte Vergütung ist die vorliegende Qualifikation zum Zeitpunkt der Leistungserbringung nicht zum Zeitpunkt der Einreichung des Antrages. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

3 XVII 182/09 2019-06-17 Bes AGBAYREUTH AG Bayreuth

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Staatskasse wird der Beschluss des Amtsgerichts Bayreuth vom 17.06.2019, Az. 3 XVII 182/09, abgeändert wie folgt:
Die Vergütung der Betreuerin L. S. wird für ihre Tätigkeit in der Zeit vom 28.03.2018 bis 27.03.2019 gemäß § 1836 BGB, §§ 1 Abs. 2 Satz 2, 4 ff. VBVG a.F. aus der Staatskasse in Höhe von
677,88 Euro
festgesetzt.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
2. Von einer Kostenentscheidung wird abgesehen.
3. Soweit die Beschwerde zurückgewiesen wurde, wird die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof zugelassen.

Gründe

I.
Die Bezirksrevisorin wendet sich als Vertreterin der Staatskasse gegen die Zubilligung eines erhöhten Stundensatzes von 33,50 Euro an eine Berufsbetreuerin.
Die Betroffene steht seit 06.04.2009 unter Betreuung. Mit Beschluss des Amtsgerichts Bayreuth vom 26.03.2018 wurde die Beteiligte zu 1) als Berufsbetreuerin bestellt (Bl. 202 ff. der Betreuungsakten).
Die Beteiligte zu 1) hat eine abgeschlossene Ausbildung als Verkäuferin. Im Zeitraum vom 01.02.2017 bis 31.01.2019 absolvierte sie eine Umschulung zur Kauffrau für Büromanagement. Ihre praktische Ausbildung leistete sie in einem Betreuungsbüro. Am 01.02.2019 wurde ihr von der Industrie- und Handelskammer für Oberfranken das Prüfungsergebnis bekannt gegeben und ein Prüfungszeugnis erteilt, wonach bestätigt wird, dass sie die Abschlussprüfung im Ausbildungsberuf Kauffrau für Büromanagement bestanden hat (Bl. 62 f., 79 des Vergütungsheftes). Am 29.03.2019 erhielt sie von ihrem Ausbilder, dem Inhaber des Betreuungsbüros, ein Umschulungszeugnis (Bl. 81 f. des Vergütungsheftes).
Die Beteiligte zu 1) beantragte mit Schreiben vom 23.04.2019 die Festsetzung der Vergütung für ihre Betreuertätigkeit für die Zeit vom 28.03.2018 bis 27.03.2019 unter Zugrundelegung eines Stundensatzes von 33,50 Euro in Höhe von 804,00 Euro aus der Staatskasse (Bl. 50 f. des Vergütungsheftes).
Das Amtsgericht Bayreuth hat mit Beschluss vom 17.06.2019, der Beschwerdeführerin zugestellt am 18.06.2019, die Vergütung antragsgemäß gegen die Staatskasse festgesetzt (Bl. 52 f. des Vergütungsheftes).
Gegen den Beschluss hat die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 19.06.2019, eingegangen am 21.06.2019, zunächst fristwahrend Beschwerde eingelegt (Bl. 54 des Vergütungsheftes). Mit weiterem Schreiben vom 22.07.2019 hat die Beschwerdeführerin die Beschwerde begründet (Bl. 56 ff. des Vergütungsheftes). Die Beschwerdeführerin wendet sich darin insbesondere gegen die Zubilligung eines höheren Stundensatzes als 27,00 Euro. Sie führt aus, dass in einem Parallelverfahren bzw. einer allgemeinen Anfrage betreffend die Beteiligte zu 1) von ihr Stellungnahmen zur Einstufung abgegeben worden seien, auf die sie Bezug nimmt. Die vorgelegten Ausbildungsunterlagen zur Ausbildung als Bürokauffrau und die erworbenen praktischen Fähigkeiten im Rahmen der an sich nicht betreuungsrelevanten Ausbildung in einem Betreuungsbüro rechtfertigten den erhöhten Stundensatz nicht.
In einer ergänzenden Stellungnahme vom 26.07.2019 hat die Beschwerdeführerin beantragt, ihre Beschwerde als Erinnerung auszulegen und die Beschwerde gegen den Beschluss zuzulassen (Bl. 84 f. des Vergütungsheftes).
Die Beteiligte zu 1) hat zu der Beschwerde mit Schreiben vom 07.08.2019 Stellung genommen (Bl. 86 f. des Vergütungsheftes).
Das Amtsgericht Bayreuth hat mit Beschluss vom 21.08.2019 die Beschwerde gegen den Beschluss vom 17.06.2019 zugelassen und der Beschwerde nicht abgeholfen (Bl. 101 f. des Vergütungsheftes).
Die Beschwerdeführerin hat sich ergänzend mit Schreiben vom 26.08.2019 geäußert (Bl. 104 des Vergütungsheftes), die Beteiligte zu 1) hat dazu mit Schreiben vom 25.09.2019 Stellung genommen (Bl. 105 f. des Vergütungsheftes).
II.
1. Die zulässige Beschwerde der Vertreterin der Staatskasse hat überwiegend Erfolg.
Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VBVG a.F., der hier nach § 12 VBVG Anwendung findet, erhält der Betreuer eine Vergütung von 33,50 Euro, wenn er über besondere Kenntnisse verfügt, die für die Betreuung nutzbar sind, falls diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Lehre oder durch eine abgeschlossene Ausbildung erworben sind.
a) Die Beschwerde ist begründet, soweit der Beteiligten zu 1) für die Zeit vor dem 01.02.2019 eine Vergütung unter Zugrundelegung eines Stundensatzes von 33,50 Euro gewährt wurde.
Die Beteiligte zu 1) befand sich vor dem 01.02.2019 in der Ausbildung zur Kauffrau für Büromanagement. Wie sich aus dem vorgelegten Ausbildungszeugnis vom 01.02.2019 ergibt, hat sie diese Ausbildung erst am 31.01.2019 abgeschlossen.
Für die Vergütungshöhe maßgebend ist die vorliegende Qualifikation zum Zeitpunkt der Leistungserbringung nicht zum Zeitpunkt der Einreichung des Antrages.
Vor 01.02.2019 hatte die Beteiligte zu 1) nur eine abgeschlossene Ausbildung als Verkäuferin, die eine Erhöhung des Stundensatzes nicht begründet.
Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 VBVG a.F. konnte für den Zeitraum vom 28.03.2018 bis 31.01.2019 daher nur eine Vergütung unter Zugrundelegung eines Stundensatzes von 27,00 Euro festgesetzt werden.
b) Die Beschwerde ist im Übrigen unbegründet.
Nach Abschluss der Ausbildung und damit für den Zeitraum vom 01.02.2019 bis 27.03.2019 stand der Beteiligten zu 1) der erhöhte Vergütungssatz von 33,50 Euro zu.
Die Voraussetzungen von § 4 Abs. 1 S. 2 Nr.1 VBVG a.F. liegen für die Zeit vom 01.02.2019 bis 27.03.2019 vor.
Die Kammer schließt sich insoweit der Begründung des Ausgangsgerichts an, dass die abgeschlossene Ausbildung als Kauffrau für Büromanagement hier jedenfalls aufgrund der im Rahmen der praktischen Berufsausbildung erworbenen Kenntnisse geeignet sind, die Erhöhung des Stundensatzes auf 33,50 Euro zu rechtfertigen.
Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist für eine Zubilligung des erhöhten Stundensatzes die Feststellung erforderlich, dass ein erheblicher Teil der Ausbildung auf die Vermittlung von für die Betreuung nutzbaren Wissens gerichtet ist und dass das dadurch erworbene Wissen über ein Grundwissen deutlich hinausgeht (BGH, FamRZ 2015, 1794 m.w.N.). Bei der Entscheidung über eine erhöhte Vergütung muss das Gericht eine konkrete Betrachtung des tatsächlichen Inhalts der Ausbildung vornehmen, insbesondere den Umfang der für die Betreuung nutzbaren Ausbildungsinhalte bzw. deren Anteil an der Gesamtausbildungszeit feststellen und in die Würdigung einbeziehen, inwieweit diese Kenntnisse selbständiger und maßgeblicher Teil der Abschlussprüfung sind (BGH, FamRZ 2015, 1794 m.w.N.). Der Umfang bzw. Anteil der Vermittlung für die Betreuung nutzbarer Kenntnisse muss dabei nicht so genau festgestellt werden, dass ein exakter Prozentanteil angegeben werden kann. Es genügt, wenn aufgrund des erkennbaren zeitlichen Aufwands oder anderer Anhaltspunkte feststeht, dass ein erheblicher Teil der Ausbildungszeit auf die Vermittlung solchen Wissens fällt (BGH, FamRZ 2015, 1794 m.w.N.).
Die Beteiligten zu 1) verfügt über besondere Kenntnisse, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind, welche sie durch eine abgeschlossene Ausbildung erworben hat. Allerdings sind diese Kenntnisse nicht als selbständiger oder maßgeblicher Teil der Abschlussprüfung dokumentiert, sondern wurden im Rahmen der verkürzten zweijährigen praktischen Ausbildung erworben, wie sich aus dem Umschulungszeugnis ergibt.
Ungeachtet der Frage, ob die Ausbildung zur Kauffrau für Büromanagement als solche geeignet ist, einen erhöhten Stundensatz zu rechtfertigen, begründet hier die Kombination mit der praktischen Ausbildung bei dem Betreuungsbüro eine Erhöhung des Stundensatzes. Da es den Ausbildungsberuf des Berufsbeteuers nicht gibt, wurde die Beteiligte zu 1) bei dem Betreuungsbüro zur Bürokauffrau ausgebildet. Aus dem Umschulungszeugnis vom 29.03.2019 ergibt sich nachvollziehbar, dass die Beteiligte zu 1) während ihrer zweijährigen Ausbildung vor allem im praktischen Teil Kenntnisse zu allen Aufgabengebieten, die im Zusammenhang mit einer rechtlichen Betreuung anfallen, erworben hat. Darin ist ausgeführt, dass die Beteiligte zu 1) im Rahmen ihrer Tätigkeit neben Postbearbeitung und Ablage mit der Übernahme von Aufgaben bei den Klienten (Außendienst, Kontrolle der organisierten Hilfen, Finanzmittelkontrolle), Rechnungslegung (Abrechnung der Betreuungen gegenüber der Staatskasse oder dem Klienten), Antragswesen (Beantragung von Sozialleistungen und Kostenübernahmen), schriftliche und telefonische Korrespondenz mit Klienten, Gerichten, Behörden, Gläubigern, Versicherungen und Sozialleistungsträgern sowie Planung und Einrichtung von Hilfesystemen befasst war.
Das Amtsgericht Bayreuth hat insoweit zutreffend festgestellt, dass die praktische Ausbildung zeitanteilig den größten Umfang der Gesamtausbildung einnahm. Die Beteiligte zu 1) hat unwidersprochen vorgetragen, dass sie sich im ersten halben Jahr der Ausbildung 1,5 Tage der Woche und in den folgenden eineinhalb Jahren nur einen Tag pro Woche in der Berufsschule befand. Unter Berücksichtigung der Ferienzeiten ergibt sich daraus, dass die theoretische Ausbildung an der Berufsschule mit der erfolgreich abgeschlossenen Prüfung nur einen sehr geringen Anteil der Gesamtausbildung eingenommen hat.
Nach Ansicht der Kammer ist zwar der erfolgreiche Abschluss des theoretischen Ausbildungsteils unabdingbare Voraussetzung für die Zubilligung des erhöhten Stundensatzes. Es wäre jedoch unbillig, wenn allein die Tatsache, dass in der Abschlussprüfung die praktisch bei der Ausbildung erworbenen Kenntnisse nicht abgeprüft werden, dazu führen müsste, dass ein erhöhter Stundensatz versagt würde, obwohl die gesamte Ausbildung der Beteiligten zu 1) darauf ausgerichtet war, die für die Betreuungsübernahme erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten zu erwerben.
Die Beschwerde ist daher insoweit begründet.
c) Demnach ergibt sich gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 1 VBVG a.F., § 5 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 4 VBVG a.F. ein Vergütungsanspruch in Höhe von 677,88 Euro.
Für die Zeit vom 28.03.2018 bis 27.01.2019 beträgt die Vergütung 540,00 Euro (für zehn Monate je zwei Stunden zu je 27,00 Euro).
Für die Zeit vom 28.01.2019 bis 31.01.2019 beträgt die Vergütung 7,56 Euro (2 Stunden: 30 Tage ergibt gerundet 0,07, x 4 Tage x 27,00 Euro). Denn insoweit ist taggenau abzurechnen der anteilige Stundenansatz auf volle Zehntel aufzurunden, § 5 Abs. 4 Satz 2 VBVG a.F. (vgl. Bohnert, in: BeckOGK, Stand: 01.09.2019, § 5 VBVG Rn. 54, 57).
Für die Zeit vom 01.02.2019 bis 27.02.2019 beträgt die Vergütung 63,32 Euro (0,07 x 27 Tage x 33,50 Euro).
Für die Zeit vom 28.02.2019 bis 27.03.2019 beträgt die Vergütung 67,00 Euro (2 x 33,50 Euro).
Insgesamt ergibt sich damit eine Vergütung in Höhe von 677,88 Euro, die auf die Beschwerde hin festzusetzen war.
Im Übrigen ist die Beschwerde unbegründet.
2. Die Revision zum Bundesgerichtshof war zuzulassen, soweit die Beschwerde zurückgewiesen wurde, da bislang höchstrichterlich ungeklärt ist, ob die praktische Ausbildung im Rahmen einer Lehre, insbesondere bei einem Betreuungsbüro, geeignet ist, eine Erhöhung des Stundensatzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VBVG a.F. zu rechtfertigen.


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