Arbeitsrecht

Erinnerung gegen Kostenfestsetzungsbeschluss, Kosten für privat in Auftrag gegebene Sachverständigenleistungen, Erstattungsfähigkeit eines vorprozessualen Gutachtens (abgelehnt), Erstattungsfähigkeit einer schalltechnischen Stellungnahme im Verfahren (bejaht), Höhe der Sachverständigenaufwendungen (Kürzung orientiert an JVEG)

Aktenzeichen  M 1 M 17.2136

Datum:
17.8.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 25082
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 151, § 162 Abs. 1, § 165

 

Leitsatz

Tenor

I. Auf die Erinnerung des Klägers wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 3. Mai 2017 im Verfahren M 1 K 12.1566 insoweit aufgehoben, als darin Sachverständigenkosten für die Erstellung der schallschutztechnischen Stellungnahme vom 4. Juli 2012 in Höhe von EUR 1.099,56 nicht anerkannt worden sind.
Im Übrigen wird die Erinnerung zurückgewiesen.
II. Die abschließende Kostenfestsetzung wird auf den Urkundsbeamten des Verwaltungsgerichts übertragen.
III. Der Kläger hat 6/7, der Beklagte 1/7 des Erinnerungsverfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich im Wege der Erinnerung gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss, mit dem seinem Kostenfestsetzungsantrag nicht entsprochen worden ist.
Die Beigeladene, die u.a. einen Supermarkt betreibt, hatte unter dem 15. September 2011 eine Baugenehmigung beantragt und eine schalltechnische Untersuchung der Handwerkskammer für München und Oberbayern (HWK) vom 20. Januar 2012 vorgelegt. Hiernach ergebe sich nach Verwirklichung des Vorhabens auf dem Grundstück des Klägers im 1. Obergeschoss ein Beurteilungspegel von tags 54,4 dB(A).
Der Beklagte erteilte der Beigeladenen eine Baugenehmigung vom 29. Februar 2012. Mit diesem Bescheid hatte der Beklagte der Beigeladenen eine Baugenehmigung für einen Carport erteilt, sämtliche Regelungen zu den bisherigen Betriebsdaten eines Supermarktes (u.a. Betriebszeiten, Fahrbewegungen), die in einer vormaligen Baugenehmigung getroffen worden waren, aufgehoben und durch eine andere Betriebsbeschreibung ersetzt sowie andere Auflagen aufgehoben und unter Erteilung einer Befreiung vom Bebauungsplan sechs Mitarbeiterstellplätze genehmigt.
Mit Urteil vom 31. Juli 2012 (M 1 K 12.1566) hat die Kammer der Klage gegen den Bescheid vom 29. Februar 2012 stattgegeben. Die Kosten des Verfahrens sind dem Beklagten auferlegt worden, die Beigeladenen hatte ihre Kosten selbst zu tragen. Das Urteil ist rechtskräftig.
Der Bevollmächtigte des Klägers hat am … August 2012 einen Kostenfestsetzungsantrag in Höhe von 1.316,14 EUR gestellt, dabei wurden die Verfahrensgebühr, die Terminsgebühr, eine Auslagenpauschale, Fahrtkosten, Abwesenheitsgeld und Mehrwertsteuer veranschlagt. Dem Kostenfestsetzungsantrag ist mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 30. August 2012 entsprochen worden.
Mit Schriftsatz vom … November 2016, eingegangen am 28. November 2016, hat der Klägerbevollmächtigte einen weiteren Kostenfestsetzungsantrag gestellt, mit dem die Kosten des Klägers für die Anfertigung eines schalltechnischen Gutachtens und einer schalltechnischen Stellungnahme durch einen Sachverständigen für Immissionsschutz und Akustik verzinslich festgesetzt werden sollten. Im Einzelnen handelt es sich um eine (Teil-)Rechnung vom 22. März 2011 über 1.475,60 EUR, eine Rechnung vom 11. August 2011 über 4.628,21 EUR sowie eine Rechnung vom 2. Oktober 2012 über 1.243,25 EUR, mithin einem Gesamtbetrag von 7347,06 EUR. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Beauftragung eines Privatgutachtens durch den Kläger sei nötig gewesen, um die Beurteilung der schalltechnischen Untersuchung durch die HWK München widerlegen und so das Klagebegehren begründen zu können. Mangels eigener genügender Sachkenntnis sei er hierzu nicht in der Lage gewesen. Der Kläger sehe den Amtsermittlungsgrundsatz der Bauaufsicht als verletzt an und sich in einer verfahrensbedingten Notlage. Seinerzeit sei die Existenz eines nachbarschützenden Baugenehmigungsbescheids fälschlich negiert worden, am 21. Februar 2011 habe es beim Landratsamt geheißen, dass kein Handlungsbedarf bestehe. Auch von der Obersten Baubehörde seien mit Schreiben vom 14. März 2011 immissionsrechtliche Auflagen und die Notwendigkeit zum Einschreiten verneint worden. Zur Vorbereitung der erforderlichen Klage hätten Privatgutachten beauftragt werden müssen, die der Kläger dann in den Prozess eingeführt und seinen Vortrag darauf gestützt habe. Ohne diese Messprotokolle hätte das Landratsamt die immissionsrechtliche Relevanz nicht erkannt und den anfangs negierten Baugenehmigungsbescheid vom 5. September 2003 gar nicht erst aufgefunden. Die fachlichen Mängel der Begutachtung durch die HWK seien damit offengelegt worden. Der dezidierte Klagevortrag zum Lärmschutz wäre ohne die Begutachtung nicht möglich gewesen, schließlich habe der behördlichen Einschätzung mit Nachweisen begegnet werden müssen, was ansonsten nicht möglich gewesen sei. Die Kosten seien also durch behördliche Versäumnisse und prozessualen Zwang entstanden.
Der Beklagte trat dem Kostenfestsetzungsantrag des Klägers entgegen und verwies darauf, dass nach seiner Auffassung die Kosten des privaten Lärmgutachtens nicht erstattungsfähig seien. Der Kläger habe sich nicht in einer prozessualen Notlage befunden, die die Einholung eines schalltechnischen Gutachtens unumgänglich gemacht hätte. Der Kläger habe dem Landratsamt im Zuge eines Antrags auf bauaufsichtliches Einschreiten bereits unter dem 21. Juli 2011, noch vor Einreichung des Bauantrags durch die Beigeladene, ein schalltechnisches Gutachten der … Ingenieure zugeleitet. Der Umstand allein, dass die Baugenehmigungsunterlagen eine schalltechnische Begutachtung der HWK beinhalteten, führe noch nicht zu einer prozessualen Notlage, vielmehr wäre es dem Kläger zuzumuten gewesen, einen Beweisbeschluss abzuwarten. Die Höhe der Aufwendungen für das Gutachten sei nicht nachvollziehbar. Der Kläger habe offensichtlich drei Teilaufträge erteilt, die drei Teil- bzw. Abschlagsrechnungen nach sich gezogen hätten. Die Teilrechnungen vom 22. März 2011 und vom 1. August 2011 bezögen sich offensichtlich auf Gutachterleistungen, die – lange vor Einreichung des Bauantrags durch die Beigeladene – zur Stützung des Antrags auf bauaufsichtliches Einschreiten getätigt worden seien. Sie stünden damit nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Nachbarklage und könnten daher nicht anerkannt werden. Die enthaltenen Aufwendungen für schalltechnische Messungen und Auswertung von Messdaten seien ohnehin nicht zielführend, weil Baugenehmigungen auf schalltechnischen Prognosen beruhten, sodass es nicht wirtschaftlicher Prozessführung entspräche, umfangreiche schalltechnischen Messungen vornehmen zu lassen.
Der Urkundsbeamte hat am 3. Mai 2017, dem Klägerbevollmächtigten am 5. Mai 2017 zugestellt, den Kostenfestsetzungsantrag abgelehnt und die Kosten als nicht erstattungsfähig angesehen. Zu den notwendigen Aufwendungen eines Beteiligten gehörten die Kosten für ein Privatgutachten nur ausnahmsweise. Es sei der Untersuchungs- und Amtsermittlungsgrundsatz zu berücksichtigen, des Weiteren der jeweilige Verfahrensstand. Die prozessuale Situation müsse das Gutachten herausfordern, und dessen Inhalt müsse auf die Verfahrensförderung zugeschnitten sein. An die Notwendigkeit eines während des Prozesses eingeholten Gutachtens seien strenge Anforderungen zu stellen, weil davon auszugehen sei, dass das Gericht notwendige Gutachten von sich aus anfordere. Eine danach geforderte prozessuale Notlage sei hier nicht ersichtlich. Gutachterliche Feststellungen wären gegebenenfalls vom Gericht durch Beweiserhebung in Auftrag gegeben worden, wenn dies als notwendig erachtet worden wäre. Die Rechnungen vom 22. März 2011 und 1. August 2011 beruhten auf einer Auftragserteilung zu einem Zeitpunkt, noch bevor der Bauantrag gestellt worden sei. Von einem beabsichtigten oder konkret drohenden Prozess habe zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht ausgegangen werden können.
Der Bevollmächtigte des Klägers beantragt am … Mai 2017 gegen den Beschluss vom 3. Mai 2017
Entscheidung des Gerichts.
Der Kläger habe zur Substantiierung seines Vortrags wegen der mit der Klage mit angefochtenen fachlichen Begutachtung das eigene Privatgutachten in Auftrag geben, welches auch in den Prozess eingeführt worden sei. Darauf, ob dies letztlich streitentscheidend gewesen sei, komme es dann nicht an. Eine prozessuale Notlage sei nicht erforderlich. Das Zuwarten eines gerichtlichen Beweisbeschlusses sei nicht zumutbar gewesen. Auf der Gegenseite habe es fachbehördliche und gutachterliche Stellungnahmen gegeben, denen der Kläger auf Augenhöhe habe begegnen müssen. Die Parteien müssten auch ihre prozessuale Mitwirkungspflicht erfüllen. In technischen Fragen bedürfe es für substantielle Angriffe mehr als bloße Behauptungen. Insoweit sei die Amtsermittlung begrenzt auf Tatsachen, die das Gericht mit den zur Verfügung stehenden Aufklärungsmitteln, etwa bloße Parteianhörung, nicht herausfinden oder nachprüfen könne. Daher sollten die Beteiligten Beweis über das Strittige antreten, was hier nur nach Auswertung und unter Bezugnahme auf das Privatgutachten möglich gewesen sei.
Der Beklagte beantragt,
den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zum Kostenfestsetzungsbeschluss vom 3. Mai 2017 abzulehnen.
Es werde auf die bisherigen Ausführungen und die Beschlussbegründung Bezug genommen. Zum Zeitpunkt der Beauftragung des Gutachtens habe eine prozessuale Notlage nicht vorgelegen; die Teilrechnungen vom 22. März und 1. August 2011 beträfen Gutachterleistungen, die in Auftrag gegeben worden seien, um ein bauaufsichtliches Einschreiten zu erwirken und stünden damit nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der später erhobenen Nachbaranfechtungsklage.
Die Beigeladene hat sich im Verfahren nicht geäußert.
Der Kostenbeamte des Verwaltungsgerichts hat dem Antrag nicht abgeholfen und der Kammer mit Schreiben vom 12. Mai 2017 den Vorgang vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, insbesondere die Kostenakte, verwiesen.
II.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist als Kostenerinnerung teilweise erfolgreich.
1. Die Erinnerung des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten vom 3. Mai 2017 ist gemäß § 165 i.V.m. § 151 VwGO statthaft und insbesondere fristgerecht innerhalb von zwei Wochen erhoben worden.
2. Die Erinnerung ist teilweise begründet.
Der Beschluss des Urkundsbeamten vom 3. Mai 2017, mit dem der Antrag auf Festsetzung zu erstattender Gutachterkosten in Höhe von 7.347,06 EUR abgelehnt wurde, ist insoweit zu Unrecht ergangen, als Kosten für die schalltechnische Stellungnahme vom 4. Juli 2012 in Höhe von 1.099,56 EUR erstattungsfähig sind. Im Übrigen besteht kein Erstattungsanspruch.
Zu den erstattungsfähigen Kosten gehören nach § 162 Abs. 1 VwGO neben den Gerichtskosten auch die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen einschließlich der Kosten des Vorverfahrens. Aufwendungen für private, d. h. nicht vom Gericht in Auftrag gegebene, Gutachten und Stellungnahmen von Sachverständigen können im Verwaltungsprozess lediglich in engen Grenzen als notwendig im Sinne des § 162 Abs. 1 VwGO anerkannt werden. Nach dem herrschenden Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) ist der Sachverhalt grundsätzlich vom Verwaltungsgericht zu erforschen und der Umfang der Beweisaufnahme zu bestimmen. Die Einholung eines Privatgutachtens durch einen Beteiligten kann daher nur ausnahmsweise als notwendig anerkannt werden, wenn dieser mangels genügender eigener Sachkunde sein Vorbringen tragende Behauptungen nur mit Hilfe eines solchen Gutachtens darlegen oder unter Beweis stellen kann, die Prozesssituation dies erfordert und der Inhalt des Gutachtens auf die Verfahrensförderung zugeschnitten ist (BVerwG, B.v. 11.4.2001 – 9 KSt 2/01, 11 A 13/97 – juris Rn. 3). Ob diese Voraussetzungen vorliegen, bestimmt sich danach, wie ein verständiger Beteiligter, der bemüht ist, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten, in gleicher Weise seine Interessen wahrgenommen hätte. Die Prozesssituation muss aus einer „ex ante“-Sicht die Einholung des Gutachtens herausfordern (sogenannte „prozessuale Notlage“). Auch Vorbereitungskosten – einschließlich der Kosten für Privatgutachten – können ausnahmsweise zu den Aufwendungen gehören, die für eine effektive und rechtzeitige Rechtsverfolgung notwendig sind, wenn sie im Blick auf einen bestimmten Rechtsstreit und in zeitlichem Zusammenhang mit diesem entstanden sind und in einem angemessenen Verhältnis zum Sach- und Streitstoff des Prozesses stehen. „Zweckentsprechend“ bedeutet, dass die Aufwendungen mit dem Beginn, der Durchführung oder dem Abschluss des Verfahrens in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen (Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 162 Rn. 4). Die Notwendigkeit solcher Kosten ist ebenfalls aus der Sicht einer verständigen, das Gebot der Kostenminimierung berücksichtigenden Partei zu beurteilen. Da auf den Zeitpunkt der die Aufwendungen verursachenden Handlung abgestellt werden muss, ist einerseits ohne Belang, wenn sich diese Handlung im Nachhinein als unnötig herausstellt, andererseits sind die Aufwendungen für ein Privatgutachten, das ohne das Bestehen einer „prozessualen Notlage“ eingeholt und in den Prozess eingeführt wurde, auch dann nicht erstattungsfähig, wenn der Prozessgegner und das Gericht auf das Gutachten eingehen, es sich also nachträglich als nützlich erweist oder gar weitere Beweiserhebungen erübrigt (zum Ganzen: BayVGH, B.v. 12.11.2013 – 8 C 13.313 – juris Rn. 12 m.w.N., vgl. auch Hug in Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 163 Rn. 8 ff.).
a) Nach diesen Grundsätzen erweisen sich die Kosten für das vorprozessuale Gutachten der … ingenieure vom 21. Juli 2011 in Höhe von 4.628,21 EUR als nicht erstattungsfähig.
Die Kosten für das Gutachten vom 21. Juli 2011 sind nicht erstattungsfähig, weil dieses nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Rechtsstreit erstellt worden ist und es damit an seinem zweckentsprechenden Merkmal fehlt. Gegenstand des in Frage stehenden schalltechnischen Gutachtens ist die Messung, Prognose und Beurteilung von Lärmimmissionen verursacht durch den damals tatsächlich bestehenden Betrieb der Beigeladenen. Hingegen ist Streitgegenstand des Klageverfahrens die erst später erteilte Baugenehmigung für den Betrieb der Beigeladenen. Bei Beauftragung des Gutachtens am 17. März 2011 war nicht einmal der für den Rechtstreit im Verfahren M 1 K 12.1566 maßgebliche Bauantrag gestellt worden; dies erfolgte vielmehr erst am 15. September 2011. Die für das Baugenehmigungsverfahren als maßgeblich erachtete schalltechnische Untersuchung der HWK datiert vom 20. Januar 2012, und der streitgegenständliche Genehmigungsbescheid wurde erst unter dem 29. Februar 2012 erteilt. Durch den Bauantrag und den erkennbaren Betriebszuschnitt einschließlich des HWK-Gutachtens wurde das Vorhaben erst konkretisiert. Selbst zu diesem Zeitpunkt war nicht einmal absehbar, ob und ggf. mit welchen Auflagen die Baugenehmigung erteilt würde. Damit handelt es sich um einen anderen Streitgegenstand als der eines möglicherweise vormals beabsichtigten Antrags auf bauaufsichtliches Einschreiten, der unter Umständen durch das Gutachten aus dem Jahr 2011 hätte gestützt werden sollen. Durch die Änderung der Sachlage infolge der Erteilung einer Baugenehmigung sah sich der Kläger gerade veranlasst, eine neue schalltechnische Stellungnahme anfertigen zu lassen, die sich mit dem Klagegegenstand und speziell dem HWK-Gutachten beschäftigt. Dieser Umstand unterstreicht, dass es sich um zwei unterschiedliche Sachverhalte handelt. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Kläger sich, wie vorgetragen, in einer „verfahrensrechtlichen Notlage“ befunden habe. Selbst wenn es zuträfe, dass das hier in Rede stehende Gutachten erst die Bauaufsichtsbehörde dazu veranlasst hätte, tätig zu werden, fehlt der unmittelbare Zusammenhang zum Klageverfahren. Die Zäsur bilden insoweit der Bauantrag und der die Prüfung abschließende Bescheid. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Anfertigung des vorherigen Gutachtens unabdingbar für die Anfertigung der Stellungnahme gewesen wäre. Zwar mag das vorangehende Gutachten der Stellungnahme nützlich gewesen sein, wenn etwa in der Stellungnahme auf die im Gutachten ermittelten Teilleistungspegel von Kühlaggregaten Bezug genommen wird (S. 4 der Stellungnahme) und sie ein bei einem Ortstermin für das Gutachten angefertigtes Lichtbild zur Illustration eines grenzständig aufgestellten Containers enthält. Dieser gegebene innere Zusammenhang reicht aber nicht für eine – ohnehin nur ausnahmsweise – zu gewährende Erstattungsfähigkeit, weil die Stellungnahme fachlich selbständig trägt. Ferner ist das Gutachten nicht ins Verfahren eingeführt worden. In der Klagebegründung vom … Juli 2012 wird lediglich die Stellungnahme des Büros … Ingenieure vom 4. Juli 2012 zum Gutachten der HWK vorgelegt. Der Behörde ist es mit Anschreiben des Klägers vom 27. September 2011 im Verfahren auch nur in geringen Auszügen vorgelegt worden (vgl. S. 16-19 des Behördenakts).
b) Hingegen sind die Aufwendungen für die schalltechnische Stellungnahme des Büros … ingenieure vom 4. Juli 2012 ausnahmsweise dem Grunde nach erstattungsfähig (vgl. sogleich unter aa)), jedoch nicht in der geltend gemachten Höhe (vgl. unter bb)).
aa) Der Kläger befand sich diesbezüglich in einer so genannten prozessualen Notlage, die ihn dazu veranlassen durfte, eine fachliche Stellungnahme zu dem von ihm angegriffenen Baugenehmigungsbescheid und der diesem zugrundeliegenden HWK-Gutachten einzuholen. Ein unmittelbarer Zusammenhang der eingeholten Stellungnahme mit der Klage liegt angesichts des Zeitablaufs vor. Denn die Beauftragung der Stellungnahme erfolgte am 5. Mai 2012 und damit einen Monat nach Klageerhebung am 2. April 2012. Die Stellungnahme wurde mit Klagebegründungsschriftsatz vom … Juli 2012 in das Verfahren eingeführt. Bei der Thematik der immissionsschutzfachlichen Verträglichkeit des Vorhabens auf der Grundlage des HWK-Gutachtens und dessen Tragfähigkeit handelte es sich um schwierige Fachfragen, zu denen selbst eine rechtlich beratene und vertretene Partei wie der Kläger weitere Sachkunde hinzuziehen konnte, um eingehend Stellung hierzu zu nehmen. Auf diesem Wege vermochte der Kläger seiner Obliegenheit zur Substantiierung der Klage nachkommen, um dem dem Vorhaben zugrundeliegenden HWK-Gutachten fachlich auf Augenhöhe entgegentreten zu können. Dies ist auch unter dem Aspekt der Waffengleichheit geboten, beschäftigte gleichermaßen die Beigeladene den sachverständigen Diplom-Ingenieur der HWK und verfügt der Beklagte über den technischen Sachverstand seines Fachbereichs Immissionsschutz. Die in der Stellungnahme behandelten Fragen konnten auch aus Sicht einer verständigen Partei entscheidungserheblich sein. Ohne dass es für die Frage der Erstattungsfähigkeit darauf ankommt, begründete die Kammer ihr Urteil vom 31. Juli 2012 im Übrigen auch mit denselben Erwägungen, die in der schalltechnischen Stellungnahme angestellt wurden (dort S. 4), nämlich, dass das Gutachten der HWK in ihrer Berechnung die den Lkw-Kühlaggregaten zuzurechnenden Immissionen nicht berücksichtigt hatte (UA S. 12).
bb) Die Kosten für die schalltechnische Stellungnahme sind allerdings nicht in der vom Kläger geltend gemachten vollen Höhe von 1.243,25 Euro erstattungsfähig, sondern nur in Höhe von 1.099,56 EUR.
Die Höhe der Vergütung orientiert sich am Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz (JVEG), und die Höhe des Stundenhonorars dabei nach der Zuordnung zu einer Honorargruppe (§ 9 Abs. 1 JVEG i.V.m. Anlage 1; vgl. VG München, B.v. 4. Juni 2018 – M 1 M 17.2314 – juris Rn. 21). Die Leistungen der schalltechnischen Stellungnahme sind solche von „Akustik, Lärmschutz“ und somit der Honorargruppe 4 zuzuordnen, vgl. Nr. 2 der Anlage 1 zu § 9 JVEG. Gemäß § 9 Abs. 1 JVEG ergäbe sich somit ein Stundensatz von 80 Euro, nicht wie geltend gemacht von 125 bzw. 85 Euro. Das Gericht hält es deswegen für angemessen, die Rechnung des Büros entsprechend zu kürzen. Damit ergibt sich für die Rechnung vom 2. Oktober 2012 ein anzuerkennender Betrag in Höhe von 1.099,56 EUR. Dieser setzt sich zusammen aus den Arbeitsstunden zu dem zugrunde zu legenden Stundensatz (11 x 80 EUR), einer Nebenkostenpauschale i.H.v. 5% hieraus (44 EUR) sowie der Mehrwertsteuer i.H.v. 19% (175,56 EUR).
3. Die Übertragung der abschließenden Kostenfestsetzung auf den Urkundsbeamten (Ziffer II. des Tenors) erfolgt nach § 173 VwGO i.V.m. § 572 Abs. 3 ZPO (vgl. Happ in Eyermann, 15. Aufl. 2019, VwGO § 165 Rn. 10).
4. Die quotale Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Etwaige außergerichtliche Kosten der Beigeladenen waren nicht aus Billigkeit für erstattungsfähig im Sinne von § 162 Abs. 3 VwGO zu erklären.


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