Arbeitsrecht

Erinnerung gegen Kostenfestsetzungsbeschluss

Aktenzeichen  W 6 M 20.30588

Datum:
10.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 13843
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 151, § 162 Abs. 1, § 165
RVG § 23,§ 30 Abs. 1, § 56 Abs. 2 S. 2
AsylG § 77 Abs. 2
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Erinnerung (Antrag auf gerichtliche Entscheidung) gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 23. April 2020 wird zurückgewiesen.
II. Die Antragsteller (Erinnerungsführer) haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Das Verfahren des Gerichts ist gebührenfrei.

Gründe

I.
Der Bevollmächtigte der Antragsteller, Kläger des Ausgangsverfahrens (Az.: W 6 K 20.30040), wendet sich gegen den Vergütungsfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 23. April 2020.
1. Die Erinnerungsführer hatten unter dem Az.: W 6 K 19.30096 Klage gegen den ablehnenden Asylbescheid des Bundesamtes für Asyl, Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) erhoben und beantragt, ihnen die Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen, weiter hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen. Aufgrund der mündlichen Verhandlung am 8. Januar 2020 wurde die Klage im Verfahren W 6 K 19.30096 abgewiesen, soweit es um die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzstatus ging, und die Kläger zur Tragung der Kosten des Verfahrens verpflichtet. Da sich das Bundesamt zu wesentlichen Aspekten hinsichtlich der Feststellung von Abschiebungsverboten bis dahin nicht geäußert hatte und auch nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen war, war das Verfahren hinsichtlich dieses Teils noch nicht entscheidungsreif und wurde vom Ursprungsverfahren W 6 K 19.30096 abgetrennt und unter Az.: W 6 K 20.30096 fortgeführt. Ohne weitere mündliche Verhandlung gab das Gericht mit Urteil vom 23. März 2020 der Klage auf Feststellung des Bestehens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 AufenthG statt und legte die Kosten des Verfahrens W 6 K 20.30040 der Beklagten auf, § 154 Abs. 1 VwGO.
Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 9. April 2020 beantragte der Bevollmächtigte im Verfahren W 6 K 20.30040 u.a. die folgenden Kosten gegen den Verfahrensgegner festzusetzen: Aus einem Gegenstandswert von 6000,00 EUR gemäß § 30 Abs. 1 RVG eine 1,3 -fache Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 RVG-VV i.H.v. 460,20 EUR sowie eine 1,2-fache Terminsgebühr gemäß Nr. 3104 RVG-VV i. H. v. 424,80 EUR. Als Reisekosten (gefahrene Strecke: 279,6 km) wurden gemäß Nr. 7003 RVG-VV ein Betrag i.H.v. 83,88 EUR beantragt. Mit den weiteren geltend gemachten Gebühren und Auslagen wurde in der Summe (incl. Umsatzsteuer) ein Betrag von 1.224,37 EUR geltend gemacht.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 23. April 2020 setzte die Urkundsbeamtin die außergerichtlichen Aufwendungen des Bevollmächtigten auf insgesamt 401,03 EUR fest (Ziffer 1). Zur Begründung wurde ausgeführt, dass zunächst lediglich fiktive Reisekosten als notwendig i.S.d. § 162 Abs. 1 VwGO i.H.v. 66,00 EUR anerkannt würden. Im Übrigen könnten die geltend gemachten Aufwendungen nur zu einem Drittel festgesetzt werden, denn mit Urteil vom 10. Januar 2020 sei die Klage im ursprünglichen Verfahren W 6 K 19.30096 hinsichtlich der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzes abgewiesen und den Klägern die Kostentragungspflicht auferlegt worden. Folglich habe die Beklagte nur eine Kostentragungspflicht bezüglich des erfolgreichen Teils der Klage hinsichtlich der Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG.
Der Kostenfestsetzungsbeschluss wurde dem Bevollmächtigten am 4. Mai 2020 zugestellt.
2. Mit Schriftsatz vom 18. Mai 2020 legte der Bevollmächtigte der Antragsteller Erinnerung ein und beantragte die Entscheidung des Gerichts gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 23. April 2020.
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass das gegenständliche Verfahren W 6 K 20.30040 am 10. Januar 2020 vom Gericht vom Verfahren W 6 K 19.30096 abgetrennt und unter neuem Aktenzeichen selbstständig weitergeführt worden sei. Nach dem Tenor des Urteils vom 23. März 2020 seien die Kosten in vollem Umfang der Beklagten als unterliegenden Teil auferlegt worden. Ein Anteil von einem Drittel wie im angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzt, widerspreche der Kostengrundentscheidung. Es sei höchstrichterlich entschieden, dass in durch Trennung verselbstständigten Verfahren wie vorliegend trotzdem entsprechende Gebühren aus den jeweiligen Streitwerten mit der Trennung erneut anfallen.
Die Urkundsbeamtin half der Erinnerung am 29. Mai 2020 nicht ab und legte sie dem Gericht zur Entscheidung vor. Sie führte begründend aus, dass dem teilweisen Unterliegen im Verfahren W 6 K 19.30096 und Kostentragungspflicht der Kläger durch die Quotelung der (bereits vor der Abtrennung) entstandenen Vergütung Rechnung getragen worden sei. Die Quotelung entspreche von der Gewichtung her der ständigen Rechtsprechung der 6. Kammer. Im Falle einer Entscheidung durch einheitliches Urteil insgesamt hätte das Gericht entsprechend dem Verhältnis des Obsiegens zum Unterliegen eine Quotelung von zwei Drittel und ein Drittel vorgenommen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten verwiesen.
II.
Über die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 23. April 2020 entscheidet der funktionell zuständige Einzelrichter, weil auch die dem Kostenfestsetzungsverfahren zugrundeliegende Kostengrundentscheidung in entsprechender Besetzung (vgl. § 76 Abs. 4 Satz 1 AsylG) ergangen ist. Das Kostenfestsetzungsverfahren ist insoweit ein von der Kostengrundentscheidung in der Hauptsache abhängiges Nebenverfahren (vgl. BVerwG, B.v. 29.12.2004 – 9 KSt 6/04 – juris; Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 165 Rn. 3).
Die erhobene Erinnerung ist zulässig (§§ 165, 151 VwGO), jedoch nicht begründet, da die dem Bevollmächtigten der Antragsteller zustehende Vergütung zutreffend berechnet worden ist.
Das Gericht nimmt zur Vermeidung überflüssiger Wiederholungen Bezug auf die Ausführungen der Urkundsbeamtin im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 23. April 2020 (W 6 K 20.30040) sowie auf deren Entscheidung, der Erinnerung nicht abzuhelfen, vom 29. Mai 2020 und sieht von einer weiteren Darstellung der Gründe insoweit ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die Urkundsbeamtin im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 23. April 2020 zu Recht einen Gegenstandswert von 6.000,00 EUR entsprechend der Regelung des § 30 Abs. 1 RVG zugrunde gelegt und die Vergütung des Rechtsanwalts entsprechend des Umfangs des Unterliegens mit einem Anteil von 1/3 festgesetzt hat. Die vom Bevollmächtigten insoweit angeführte Rechtsauffassung, wonach allein nach der Kostenentscheidung im Urteil vom 23. März 2020 zu entscheiden und daher die Gebühren ohne Einschränkungen festzusetzen seien, kann jedenfalls in dem hier zu entscheidenden Fall keine Geltung beanspruchen. Insbesondere geht seine Auffassung fehl, bei dem Verfahren W 6 K 20.30040 handele es sich um ein vollkommen selbstständiges Verfahren, das kostenrechtlich unabhängig vom Ursprungsverfahren W 6 K 19.30096 zu behandeln sei.
Zwar wird in der Rechtsprechung in „klassischen“ Verfahren angenommen, dass in den durch eine Trennung verselbstständigten Verfahren Gebühren aus den jeweiligen Gegenstandswerten erneut anfallen würden; dies gelte für das unter dem alten Aktenzeichen weitergeführte Verfahren in gleicher Weise wie für das mit neuem Aktenzeichen versehene „abgetrennte“ Verfahren (vgl. BVerwG, B.v. 4.9.2009 – 9 KSt 10/99 u. a. -, Buchholz 310 § 164 VwGO Nr. 4, m.w.N.; OVG LSA, B.v. 1.7.2010 – 2 O 154/09, juris, Rn. 58; BayVGH, B.v. 8.8.2017 – 14 C 17.559, juris, Rn. 19; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 10.11.2016 – OVG 3 K 97.16, juris, Rn. 4; VG Würzburg, B.v. 4.9.2017 – W 2 M 17.405, juris, Rn. 14). Der Rechtsanwalt habe daher ein Wahlrecht, ob er die Gebühren vor der Trennung (aus dem höheren Streitwert) oder nach der Trennung (jeweils aus den geringeren Streitwerten) geltend mache, solange er nicht beide Gebühren verlange (§ 15 Abs. 2 RVG).
Diese Auffassung ist jedoch nicht auf Klageverfahren nach dem Asylgesetz nicht übertragbar. Denn zur Überzeugung des Gerichts ist ein solches Wahlrecht für Klageverfahren nach dem Asylgesetz nicht gegeben. Im Asylverfahren findet schon keine Streitwertfestsetzung statt. Vielmehr hat der Gesetzgeber in § 30 Abs. 1 RVG bestimmt, dass der Gegenstandswert personenbezogen 5.000,00 EUR und für jede weitere Person 1.000,00 EUR beträgt. Dies zeigt, dass sich der Gesetzgeber insoweit nicht – wie ansonsten gemäß § 23 RVG – nach Einzel-Streitwerten richten wollte, sondern ein Gesamtinteresse für Klageverfahren nach dem AsylG mittels eines Festwerts spezifisch festgelegt hat. Angesichts dessen ist für Angelegenheiten nach dem AsylG einem Rechtsanwalt kein Wahlrecht im obigen Sinne zuzugestehen, da dem Gericht eine entsprechende einzelne Festsetzung des Gegenstandswerts für das ursprüngliche und das abgetrennte Verfahren aufgrund der Regelung in § 30 Abs. 1 RVG verwehrt bleibt (so auch VG Würzburg, B.v. 20.01.2020 – W 3 M 18.32375 – juris; B.v. 15.6.2018 – W 3 M 17.33677 – im Verfahren des Ehemannes bzw. Vaters der Kläger; VG Würzburg, B.v. 21.3.2018 – W 5 M 17.1421 – juris Rn. 20; VG Würzburg, B.v. 31.10.2019 – W 7 M 18.30792 – n.v.).
So würde sich bei einer Abtrennung eines einzelnen Streitgegenstandes, wie etwa vorliegend hinsichtlich der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzes, die Gebühr – anders als bei den o.g. „klassischen“ Verfahren – in beiden Verfahren gerade nicht aus einem jeweils geringeren Streitwert bilden, sondern aufgrund der Regelung des Festwerts in § 30 Abs. 1 RVG stets aus 5.000,00 EUR, zzgl. 1.000,00 EUR für jede weitere Person im Verfahren. Nur durch die von der Urkundsbeamtin vorgenommene Quotelung der geltend gemachten Rechtsanwaltsgebühren – in der vorliegenden Konstellation korrekterweise die Herabsetzung auf ein Drittel – wird angemessen berücksichtigt, dass im Hinblick auf das ursprünglich bei Gericht anhängig gemachte Gesamtklageinteresse die Kläger zu zwei Dritteln (nämlich hinsichtlich der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie des subsidiären Schutzes) unterlegen sind. Dass die Kläger mit diesen Begehren erfolglos geblieben sind, muss sich auch bei der Gewährung der Vergütung widerspiegeln. Es drängt sich geradezu auf, dass die Vergütung hier nicht in der gleichen Höhe gewährt werden kann, als wenn den Klägern die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiären Schutzstatus zuerkannt worden wären. Andernfalls würde auch die Beklagte in sachlich nicht gerechtfertigter Höhe mit der Tragung der außergerichtlichen Anwaltskosten belastet. Die vom Klägerbevollmächtigten angestrebte Verfahrensweise würde schließlich auch zu einer ungerechtfertigten Privilegierung eines Klägers führen, der Streitgegenstände anhängig macht, denen von vornherein die hinreichende Aussicht auf Erfolg fehlt. Denn er würde die gleiche Vergütung erhalten wie ein Kläger, der sich darauf beschränkt, nur die erfolgversprechenden Streitgegenstände bei Gericht anhängig zu machen. Damit entfiele jeglicher Anreiz für einen Kläger, selbst vorab zu prüfen, welcher Streitgegenstand von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hat und die Klage auf diejenigen Streitgegenstände zu beschränken, bei denen dies der Fall ist.
Die Erinnerung war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO zurückzuweisen. Das Verfahren ist nach § 56 Abs. 2 Satz 2 RVG gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 66 Abs. 8 GKG entsprechend); eine Streitwertfestsetzung ist deshalb nicht erforderlich.


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