Arbeitsrecht

Fahrtkosten und Verdienstausfall des Ehemanns der Antragstellerin als erstattungsfähige Kosten nach § 162 Abs. 1 VwGO

Aktenzeichen  9 M 21.547

Datum:
8.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BayVBl – 2021, 343
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 151, § 162, § 165

 

Leitsatz

1. Die Notwendigkeit einer Aufwendung i.S.d. § 162 Abs. 1 VwGO muss aus der Sicht einer verständigen Partei beurteilt werden. Dabei ist jeder Beteiligte aus dem prozessrechtlichen Verhältnis heraus verpflichtet, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Dritter wird nicht schon dadurch Verfahrensbeteiligter, dass er einem verfahrensbeendenden Vergleich als von seinen Regelungen betroffener Dritter zugestimmt hat. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
3. Selbst im Fall anwaltlicher Vertretung ist die Anordung des persönlichen Erscheinens des Beteiligten keine Voraussetzung dafür, dessen persönliche Beteiligtenaufwendungen im Zusammenhang mit der Teilnahme an der mündlichen Verhandlung geltend machen zu können. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Erinnerung wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Erinnerungsverfahrens.

Gründe

I.
Der Antragsgegner wendet sich gegen die Festsetzung von Parteiauslagen in einem Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs.
Das zugrundeliegende Normenkontrollverfahren endete durch einen gerichtlichen Vergleich, nach dessen Nr. 3 der Antragsgegner die Kosten des Verfahrens trägt (s. B.v. 9.11.2020 und 25.11.2020 – 9 N 20.2242). Auf den Antrag des Bevollmächtigten der Antragstellerin vom 16. Dezember 2020 setzte der Urkundsbeamte des Verwaltungsgerichtshofs mit Beschluss vom 13. Januar 2021 die vom Antragsgegner an die Antragstellerin im Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu erstattenden notwendigen Aufwendungen auf insgesamt 3.717,62 Euro fest. In diesem Betrag enthalten sind als Parteiauslagen Fahrtkosten von 85,50 Euro und ein Verdienstausfall von 105,00 Euro jeweils des Ehemanns der Antragstellerin anlässlich seiner Teilnahme an der mündlichen Verhandlung am 21. Oktober 2019.
Hiergegen richtet sich das als Beschwerde bezeichnete Rechtsmittel des Antragsgegners. Die als Parteiauslagen geltend gemachten Fahrtkosten und der Verdienstausfall des geschiedenen Ehemanns der Antragstellerin seien nicht erstattungsfähig. Ein persönliches Erscheinen der Antragstellerin sei nicht angeordnet gewesen. Diese sei zum Termin auch nicht erschienen. Der Ehemann der Antragstellerin sei weder Partei noch als Zeuge geladen oder vernommen worden.
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichtshofs half der Erinnerung nicht ab und legte sie dem Gericht zur Entscheidung vor.
II.
Über den hier sinngemäß gestellten Antrag auf Entscheidung des Gerichts (Erinnerung) entscheidet nach § 165 Satz 2, § 151 Satz 1 VwGO das Gericht des ersten Rechtszuges durch Beschluss (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 165 Rn. 7; Olbertz in Schoch/Schneider, VwGO, Stand Juli 2020, § 165 Rn. 9; Neumann/Schaks in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 165 Rn. 22).
Die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 13. Januar 2021 hat keinen Erfolg.
Nach § 162 Abs. 1 VwGO zählen zu den erstattungsfähigen Kosten die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten. Die Notwendigkeit einer Aufwendung muss dabei aus der Sicht einer verständigen Partei beurteilt werden. Dabei ist jeder Beteiligte aus dem prozessrechtlichen Verhältnis heraus verpflichtet, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten (vgl. BVerwG, B.v. 20.8.2014 – 9 KSt 3.14 – juris Rn. 2).
Der (geschiedene) Ehemann der Antragstellerin, dessen Fahrtkosten und Verdienstausfall die Antragstellerin als erstattungsfähige Kosten geltend gemacht hat, ist selbst nicht Beteiligter (s. § 63 VwGO; Olbertz in Schoch/Schneider, Stand Juli 2020, § 162 Rn. 13). Hierzu ist er insbesondere auch nicht durch den Umstand geworden, dass er dem verfahrensbeendenden Vergleich als von seinen Regelungen betroffener Dritter zugestimmt hat (vgl. Fehling in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, VwGO § 106 Rn. 15; Brüning in BeckOK VwGO, Stand Januar 2020, § 106 Rn. 5).
Vorliegend ist die Teilnahme des Ehemanns der Antragstellerin an der mündlichen Verhandlung am 21. Oktober 2019 als eines mit dem Sachverhalt vertrauten Sachbeistands an der mündlichen Verhandlung als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig und sind die hierdurch entstandenen Aufwendungen als erstattungsfähige Kosten der Antragstellerin anzusehen (vgl. BVerwG, B.v 24.10.2011 – 9 KSt 5.11 – juris Rn. 2; Kunze in BeckOK VwGO, Stand Januar 2021, § 162 Rn. 60a). Der Ehemann der Antragstellerin hat sich als solcher gegenüber dem Gericht in der mündlichen Verhandlung zu erkennen gegeben und stand als Auskunftsperson zur weiteren Sachaufklärung für das Gericht tatsächlich zur Verfügung (vgl. BVerwG, B.v 24.10.2011 – 9 KSt 5.11 – a.a.O.; OVG NW, B.v. 28.3.2017 – 9 E 572/16 – juris Rn. 85). Dies ergibt sich aus seiner Aufnahme in das Protokoll als neben dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin für diese erschienen (vgl. § 105 VwGO i.V.m. § 160 Abs. 1 Nr. 4 ZPO; vgl. auch NdsOVG, B.v. 26.3.2015 – 7 OB 62/14 – juris Rn. 21). Die Antragstellerin war in der mündlichen Verhandlung dagegen abwesend, sodass die Anwesenheit des hier mit den tatsächlichen Umständen ebenfalls vertrauten Ehemannes unter den Aspekten der Prozessökonomie und Waffengleichheit ex ante als geboten angesehen werden durfte (vgl. Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 162 Rn. 5). Dagegen kann auch nicht erfolgreich eingewandt werden, dass das Gericht das persönliche Erscheinen der Antragstellerin nicht angeordnet hat. Dies ist selbst im Fall anwaltlicher Vertretung keine Voraussetzung dafür, persönliche Beteiligtenaufwendungen im Zusammenhang mit der Teilnahme an der mündlichen Verhandlung geltend machen zu können (vgl. BVerwG, B.v. 27.6.2019 – 2 KSt 1.19 – juris Rn. 6; Kunze in BeckOK VwGO, a.a.O. Rn. 61).
Die Reisekosten und der Verdienstausfall des Ehemannes der Antragstellerin anlässlich der mündlichen Verhandlung des Gerichts sind als notwendige Beteiligtenaufwendungen somit erstattungsfähig (vgl. § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 91 Abs. 1 ZPO i.V.m. §§ 5, 20 und 22 JVEG). Dass die Höhe der jeweils festgesetzten Beträge zu beanstanden wäre, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Das Verfahren über die Erinnerung ist gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 66 Abs. 8 GKG entsprechend). Eine Streitwertfestsetzung ist deshalb entbehrlich.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


Ähnliche Artikel

Mobbing: Rechte und Ansprüche von Opfern

Ob in der Arbeitswelt, auf Schulhöfen oder im Internet – Mobbing tritt an vielen Stellen auf. Die körperlichen und psychischen Folgen müssen Mobbing-Opfer jedoch nicht einfach so hinnehmen. Wir klären Rechte und Ansprüche.
Mehr lesen

Das Arbeitszeugnis

Arbeitszeugnisse dienen dem beruflichen Fortkommen des Arbeitnehmers und helfen oft den Bewerbern in die engere Auswahl des Bewerberkreises zu gelangen.
Mehr lesen


Nach oben