Arbeitsrecht

Festsetzung des Gegenstandswerts für das PKH-Beschwerdeverfahren

Aktenzeichen  5 C 18.1236

Datum:
11.12.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
JurBüro – 2019, 190
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
RVG § 16 Nr. 2, § 18 Nr. 3, § 23, § 33 Abs. 1, 2, 4 S. 3, 9
Nrn. 3335, 3500 VV-RVG
GKG § 3 Abs. 2

 

Leitsatz

Maßgeblich für die Wertbestimmung im Prozesskostenhilfe-Beschwerdeverfahren ist das Interesse, durch die Bewilligung von Prozesskostenhilfe von den Gerichtskosten und den Kosten für den beigeordneten Rechtsanwalt im erstinstanzlichen Verfahren entlastet zu werden, und nicht der für die Hauptsache anzusetzende Streitwert (BayVGH BeckRS 2010, 53452 u.a.). (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 14 E 18.00487 2018-05-09 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit im Prozesskostenhilfe-Beschwerdeverfahren wird auf 642,38 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Im Beschwerdeverfahren gegen die erstinstanzliche Versagung von Prozesskostenhilfe hat der Senat mit Beschluss vom 21. August 2018 dem Antragsteller Prozesskostenhilfe bewilligt und den entgegenstehenden Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach aufgehoben. Eine Streitwertfestsetzung ist dabei im Hinblick auf die nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) anfallende Festgebühr von 60,- Euro unterblieben.
Der Bevollmächtigte des Antragsgegners beantragt nunmehr, den Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren festzusetzen.
II.
Da im Prozesskostenhilfebeschwerdeverfahren als Gerichtsgebühr eine Festgebühr anfällt (vgl. Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses in Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) und es somit an einem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Streitwert fehlt, auf dessen Grundlage die Gebühren des Rechtsanwalts ermittelt werden können, setzt das Gericht des Rechtszugs den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf Antrag durch Beschluss fest (§ 33 Abs. 1 und 2 RVG). Das Antragsrecht steht dabei allen Beteiligten zu, deren Rechte und Pflichten sich nach dem für die Berechnung der Anwaltsgebühren maßgebenden Gegenstandswert bestimmt (Mayer in Gerold/Schmidt/Mayer, 23. Aufl. 2017, RVG § 33 Rn. 10). Über den Antrag entscheidet der Verwaltungsgerichtshof durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin (vgl. § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG).
Nach § 23 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 2 RVG ist der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens unter Berücksichtigung des Interesses des Beschwerdeführers nach billigem Ermessen zu bestimmen. Eine ausdrückliche Regelung für die Bestimmung des Gegenstandswerts gibt es für das Prozesskostenhilfebeschwerdeverfahren nicht. Der für das Prozesskostenhilfeverfahren vorgesehene Gebührentatbestand Nr. 3335 des Vergütungsverzeichnisses in der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (VV-RVG), für den als Gegenstandswert ausdrücklich der für die Hauptsache maßgebende (Streit-)Wert bestimmt ist (vgl. auch § 23a RVG), findet für das Beschwerdeverfahren keine Anwendung. Dieses Verfahren ist, anders als das dem Hauptsacheverfahren zugeordnete Verfahren über deren Bewilligung (§ 16 Nr. 2 RVG), eine besondere Angelegenheit (§ 18 Nr. 3 RVG), bei der eine besondere Verfahrensgebühr nach Nr. 3500 VV-RVG anfällt (BayVGH, B.v. 16.7.2009 – 10 C 09.874 – juris Rn. 5; B.v. 23.2.2006 – 9 C 04.3335 – NJW 2007, 861; Hartmann, Kostengesetze, 48. Aufl. 2018, Rn. 7 zu Nr. 3335 VV-RVG).
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist das nach § 23 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 2 RVG heranzuziehende Interesse des Beschwerdeführers nur darauf gerichtet, durch die Bewilligung von Prozesskostenhilfe von den Gerichtskosten und den Kosten für den beigeordneten Rechtsanwalt im erstinstanzlichen Verfahren entlastet zu werden (§ 122 ZPO). Maßgeblich für die Wertbestimmung im Prozesskostenhilfe-Beschwerdeverfahren ist daher dieses Kostenrisiko und nicht der für die Hauptsache anzusetzende Streitwert (BayVGH, B.v. 16.7.2009 – 10 C 09.874 – juris; SächsOVG, B.v. 3.12.2010 – 3 E 124/06 – juris Rn. 3; VGH BW, B.v. 12.3.2009 – 9 S 2832/08 – NJW 2009, 1692; a.A. ohne nähere Begründung BayVGH, B.v. 23.2.2006 – 9 C 04.3335 – NJW 2007, 861). Nur aus diesem Gegenstandswert ergibt sich die in Nr. 3500 des RVG-Vergütungsverzeichnisses bestimmte halbe Gebühr.
Der hiervon abweichenden Ansicht, wonach sich der Gegenstandswert auch im Prozesskostenhilfebeschwerdeverfahren nach dem Wert der Hauptsache bestimmt – zumindest dann, wenn Prozesskostenhilfe wegen mangelnder Erfolgsaussichten versagt wurde (so z.B. OLG Stuttgart, B.v. 30.6.2010 – 7 W 25/10 – juris m.w.N.) – wird nicht gefolgt. Die für Beschwerdeverfahren einschlägige Nr. 3500 VV-RVG verweist gerade nicht auf die Anmerkung zu Nr. 3335 VV-RVG, die auf den Wert der Hauptsache abstellt. Die Festsetzung des Gegenstandswerts enthält für das Beschwerdeverfahren in § 23 Abs. 2 RVG eine andere Regelungssystematik, indem der Gegenstandswert nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung der Interessen des Beschwerdeführers im Beschwerdeverfahren ermittelt wird. Dieses Interesse ist bei der Beschwerde gegen die Ablehnung der Prozesskostenhilfe darauf gerichtet, unter Aufhebung der Ablehnungsentscheidung von den Gerichts- und Rechtsanwaltskosten im erstinstanzlichen Verfahren entlastet zu werden. Die unterschiedliche Behandlung des Ausgangs- und des Beschwerdeverfahrens zeigt sich auch darin, dass die Tätigkeit im Prozesskostenhilfeverfahren mit den Gebühren des Hauptsacheverfahrens abgegolten wird (Rohn in Mayer/Kroiß, RVG, 7. Aufl. 2018, § 16 Rn. 4). Demgegenüber stellt das Beschwerdeverfahren eine besondere Angelegenheit i.S.v. § 18 Nr. 3 RVG dar, bei dem eine eigene Verfahrensgebühr – ohne Verrechnung – anfällt. Die rein fiskalische Ausrichtung des Prozesskostenhilfebeschwerdeverfahrens ist auch daran zu erkennen, dass das Gesetz dem (künftigen) Prozessgegner gegen die Bewilligung der Prozesskostenhilfe kein Rechtsmittel zur Verfügung stellt – und zwar auch dann nicht, wenn die Prozesskostenhilfe wegen hinreichender Erfolgsaussichten der Klage/des Antrags bewilligt wurde. In § 127 Abs. 3 ZPO wird lediglich der Staatskasse ein fiskalisch motiviertes, beschränktes Rechtsmittel zugebilligt. Sonstige Rechtsmittel gegen die Prozesskostenhilfebewilligung sind ausnahmslos nicht statthaft.
Vorliegend wurde Prozesskostenhilfe zur Vorbereitung eines Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz mit dem Ziel der Unterlassung einer Äußerung beantragt. Für dieses Verfahren ist mangels anderweitiger Anhaltspunkte nach § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG von einem Streitwert von 5.000 Euro (Auffangstreitwert) auszugehen. Da der geltend gemachte Unterlassungsanspruch im Ergebnis die Hauptsache bereits vorwegnimmt, ist es sachgerecht, den vollen Streitwert anzusetzen (Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i.d.F. vom 18. Juli 2013). Das Interesse des Antragstellers an der Freistellung von den Prozesskosten für das Hauptsacheverfahren bestimmt sich danach ausgehend vom Auffangstreitwert in Höhe von 5.000 Euro unter Berücksichtigung der Rechtsanwaltsvergütung (§ 49 RVG) und den Gerichtskosten folgendermaßen:
1. Rechtsanwaltsvergütung:
1,3 Verfahrensgebühr aus 257 Euro (Nr. 3100 VV-RVG) = 334,10 Euro
Auslagenpauschale (VV-RVG Nr. 7002) 20,00 Euro
zzgl. 19% MwSt aus 354,10 Euro (VV-RVG Nr. 7008) 67,28 Euro
= 423,38 Euro.
2. Gerichtskosten:
1,5 Verfahrensgebühr (Nr. 5210 KV-GKG) aus 146 Euro = 219,00 Euro
Prozesskosten gesamt: 642,38 Euro
Da die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nur zur Folge hat, dass die Gerichtskosten und die Kosten des beigeordneten Rechtsanwalts von der Staatskasse übernommen werden (§ 122 ZPO), jedoch auf die Verpflichtung, die dem Prozessgegner entstandenen Kosten zu erstatten, keinen Einfluss hat (§ 123 ZPO), waren diese Kosten bei der Berechnung des Gegenstandswerts nicht einzustellen.
Eine Kostenentscheidung und die Streitwertfestsetzung für das vorliegende Verfahren sind nach § 33 Abs. 9 RVG entbehrlich.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).


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