Arbeitsrecht

Festsetzung des Streitwertes in Verfahren wegen handwerksrechtlicher Prüfungen

Aktenzeichen  22 C 20.1588

Datum:
5.8.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BayVBl – 2020, 782
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GKG § 52 Abs. 2
HwO § 18 Abs. 1 S. 1, § 19

 

Leitsatz

1. Bei Verfahren wegen handwerksrechtlicher Prüfungen wird bei der Festsetzung des Streitwertes danach differenziert, ob es um eine berufseröffnende Prüfung geht oder um eine andere Prüfung. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2. Prüfungen, die nicht eine subjektive Berufszulassungsschranke aufheben, sondern nur z.B. bestimmte Befähigungen bescheinigen (wie die Prüfung zum Geprüften Industriemeister – Fachrichtung Elektrotechnik gemäß § 1 Abs. 2 der Verordnung über die Prüfung zum anerkannten Abschluss Geprüfter Industriemeister/Geprüfte Industriemeisterin – Fachrichtung Elektrotechnik vom 30.11.2004) werden als „sonstige Prüfungen“ im Sinn des Streitwertkatalogs Nr. 36.4 gesehen und im Klageverfahren wegen solcher Prüfungen mit einem Streitwert von 5.000 € bewertet. (Rn. 10 – 11) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Meisterprüfung im Kosmetik-Gewerbe gehört zu den handwerksähnlichen Gewerben. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 5 K 19.1445 2020-05-29 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 29. Mai 2020 wird geändert, der Streitwert wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Beklagte begehrt mit ihrer Beschwerde die Herabsetzung des vom Verwaltungsgericht festgesetzten Streitwerts (15.000 €) auf 5.000 €.
Die Klägerin begehrte mit ihrer Klage die Aufhebung eines Bescheids der Beklagten, demzufolge sie den Teil I der Meisterprüfung im Kosmetik-Gewerbe nicht bestanden habe, sowie die Verpflichtung der Beklagten zur Neubewertung des Prüfungsergebnisses, hilfsweise zur Zulassung der Klägerin zur Wiederholung dieser Prüfung.
In der mündlichen Verhandlung vom 28. Mai 2020 vor der Kammer des Verwaltungsgerichts, an der der damalige Bevollmächtigte der Klägerin teilnahm, schlossen die Beteiligten zur Erledigung des Rechtsstreits einen vom Gericht protokollierten Vergleich, der auch eine Kostenvereinbarung umfasst, derzufolge die Klägerin 1/10 und die Beklagte 9/10 der Kosten des Verfahrens tragen. Mit Beschluss vom 29. Mai 2020 setzte die Kammer des Verwaltungsgerichts den Streitwert auf 15.000 € fest.
Am 3. Juli 2020 legte die Beklagte gegen die Streitwertfestsetzung Beschwerde ein und machte geltend, die Meisterprüfung im Kosmetik-Gewerbe sei keine Prüfung, die erforderlich sei, um den Zugang zum angestrebten Beruf zu eröffnen. Sie könne vielmehr freiwillig abgelegt werden, um zusätzliche Befähigungsnachweise zu erwerben. Für derartige Prüfungen sei nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs und den Empfehlungen des Streitwertkatalogs nicht ein Streitwert von 15.000 €, sondern der Auffangwert von 5.000 € (§ 52 Abs. 2 GKG) angemessen.
Das Verwaltungsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (B.v. 6.7.2020).
Die nicht mehr anwaltlich vertretene Klägerin hat im Beschwerdeverfahren persönlich ihr Einverständnis mit einem Streitwert von 5.000 € erklärt (Schriftsatz vom 24.7.2020).
II.
1. Die Beschwerde ist zulässig. Der Beschwerdewert (d.h. gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG eine vom Beschwerdeführer angestrebte Minderung seiner Kostenlast um mehr als 200 €) wird erreicht, weil die (nicht anwaltlich vertretene) Beklagte gemäß der Kostenvereinbarung in dem gerichtlichen Vergleich vom 28. Mai 2020 nicht nur 9/10 der einfachen Gerichtsgebühr zu tragen hat (diese fällt gemäß Nr. 5111.3 der Anlage 1 – zu § 3 Abs. 2 – GKG [„Kostenverzeichnis“] bei einem gerichtlichen Vergleich anstelle der sonst zu erhebenden dreifachen Gebühr an und beträgt gemäß der Anlage 2 – zu § 34 Abs. 1 Satz 3 GKG – 146 € bei einem Streitwert von 5.000 € und 293 € bei einem Streitwert von 15.000 €; die Differenz sind somit 147 €). Sie trägt vielmehr auch 9/10 der Gebühren des Rechtsanwalts, der die Klägerin erstinstanzlich vertreten hat. Bereits die Differenz der ihm zu zahlenden Gebühren bei einem Gegenstandswert bis 5.000 € einerseits und 15.000 € andererseits beträgt schon mehr als 200 € (vgl. Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte – Rechtsanwaltsvergütungsgesetz [RVG], Anlage 1 – zu § 2 Abs. 2 – RVG, Nrn. 3100 bis 3106; Anlage 2 – zu § 13 Abs. 1 – RVG: einfache Gebühr 303 € bei einem Gegenstandswert bis 5.000 €, dagegen 650 € bei einem Gegenstandswert von 15.000 €).
2. Die Beschwerde ist auch begründet, weil die Klage nicht eine solche Meisterprüfung betroffen hat, die Zugangsvoraussetzung für den angestrebten Beruf ist.
2.1. Der beschließende, für das Recht der berufsbezogenen Prüfungen zuständige Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs differenziert bei der Festsetzung des Streitwertes in Verfahren wegen handwerksrechtlicher Prüfungen danach, ob es um eine berufseröffnende Prüfung geht oder um eine andere Prüfung. Er orientiert sich hierbei am Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der zuletzt am 18. Juli 2013 beschlossenen Änderungen (Streitwertkatalog 2013). Dieser trägt mit den Empfehlungen Nr. 36 (Nrn. 36.1 bis 36.4) und Nr. 54.3.2 und 54.3.3 der verschiedenen Bedeutung der genannten Prüfungen Rechnung (BayVGH, B.v. 8.5.2014 – 22 C 14.1018 – juris; Rn. 6). Eine berufszugangseröffnende Prüfung ist bei zulassungspflichtigen Handwerken in der Regel die Meisterprüfung, da diese Prüfung bei derartigen Handwerken regelmäßig notwendig ist, um in die Handwerksrolle eingetragen und also den Beruf ausüben zu dürfen (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, § 6 Abs. 1, § 7 Abs. 1a i.V.m. Anlage A zur HwO). Die Meisterprüfung ist eine subjektive Berufszulassungsschranke; das Bestehen dieser Prüfung eröffnet den Zugang zu einem zulassungspflichtigen Beruf. Eine „weniger bedeutsame“ Prüfung ist als Vorstufe zur Meisterprüfung die Gesellenprüfung, da sie in der Regel bestanden werden muss, um zur Meisterprüfung zugelassen zu werden (vgl. § 49 Abs. 1 HwO). Der Verwaltungsgerichtshof bewertet folglich Klageverfahren wegen einer Meisterprüfung mit einem Streitwert von 15.000 €, Klageverfahren wegen einer Gesellenprüfung dagegen mit einem Streitwert von 7.500 €; wie Meisterprüfungen bewertet der Verwaltungsgerichtshof zudem regelmäßig nach der Empfehlung Nr. 36.3 des Streitwertkatalogs 2013 als „sonstige berufseröffnende Prüfungen“ andere Prüfungen außer der Meisterprüfung, die gleichfalls eine öffentlich-rechtliche subjektive Zulassungsschranke für die Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit sind (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 23.5.2012 – 22 C 12.791 – juris Rn. 2; B.v. 16.12.2015 – 22 ZB 15.2189 – juris Rn. 21; B.v. 17.11.2014 – 22 ZB 14.1633 – juris Rn. 29).
Prüfungen dagegen, die nicht eine subjektive Berufszulassungsschranke aufheben, sondern nur z.B. bestimmte Befähigungen bescheinigen (wie die Prüfung zum Geprüften Industriemeister – Fachrichtung Elektrotechnik gemäß § 1 Abs. 2 der Verordnung über die Prüfung zum anerkannten Abschluss Geprüfter Industriemeister/Geprüfte Industriemeisterin – Fachrichtung Elektrotechnik vom 30.11.2004, BGBl I S. 3133; vgl. hierzu BayVGH, B.v. 3.7.2008 – 22 ZB 07.1674 – juri Rn. 13; B.v. 29.1.2013 – 22 ZB12.2181 – juris Rn. 29), und Fortbildungsprüfungen (vgl. hierzu z.B. BayVGH, B.v. 4.6.2019 – 22 ZB 19.453 – juris Rn. 29; B.v. 4.3.2019 – 22 C 19.455 – juris; B.v. 27.12.2018 – 22 CE 18.2381; B.v. 20.12.2018 – 22 B 18.1340; B.v. 27.6.2018 – 22 CE 18.1073 – juris Rn. 24; B.v. 6.6.2016 – 22 B 16.611 – juris Rn. 35; B.v. 12.5.2016 – 22 ZB 16.549 – juris Rn. 26; B.v. 29.4.2016 – 22 C 16.439 – juris) sieht der Verwaltungsgerichthof als „sonstige Prüfungen“ im Sinn des Streitwertkatalogs Nr. 36.4 an und bewertet Klageverfahren wegen solcher Prüfungen also mit einem Streitwert von 5.000 €.
Das Kriterium der durch die Prüfung bewirkten Aufhebung einer öffentlich-rechtlichen Berufszugangsschranke erlaubt eine eindeutige Abgrenzung zwischen den Anwendungsbereichen der Nummern 36.3 und 36.4 des Streitwertkatalogs; den Rechtsschutzsuchenden und ihren anwaltlichen Beratern wird auf diese Weise eine zuverlässige Prognose des mit dem Beschreiten des Rechtswegs einhergehenden Kostenrisikos ermöglicht (BayVGH, B.v. 4.3.2019 – 22 C 19.455 – juris Rn. 8); eine darüberhinausgehende Differenzierung ist nicht geboten und wäre kaum praktikabel (BayVGH, B.v. 29.4.2016 – 22 C 16.530 – juris Rn. 6-11).
2.2. Vorliegend betraf der Rechtsstreit die Meisterprüfung im Kosmetik-Gewerbe. Dieses gehört zu den handwerksähnlichen Gewerben und ist unter Nr. 48 der Anlage B Abschnitt 2 aufgeführt. Anlage B zur Handwerksordnung enthält – im Gegensatz zur Anlage A – diejenigen Gewerbe, die gemäß § 18 Abs. 2 HwO zulassungsfrei, nämlich als „zulassungsfreie Handwerke“ oder „handwerksähnliche Gewerbe“ betrieben werden können. Die Aufnahme eines solchen selbständig geführten Betriebs ist zwar der Handwerkskammer anzuzeigen (§ 18 Abs. 1 Satz 1 HwO) und für diese Betriebe gibt es gleichfalls ein Verzeichnis (§ 19 HwO). Das Recht, ein solches Handwerk bzw. handwerksähnliches Gewerbe ausüben zu dürfen, setzt aber nicht eine bestandene Meisterprüfung voraus, wie dies für zulassungspflichtige Handwerke der Fall wäre (§ 7 Abs. 1a HwO). Die Meisterprüfung kann in einem zulassungsfreien Handwerk oder einem handwerksähnlichen Gewerbe vielmehr freiwillig abgelegt werden und bescheinigt, wenn sie bestanden ist, dass der Meister / die Meisterin eine besondere Befähigung erworben hat und Lehrlinge ordnungsgemäß ausbilden kann (vgl. § 51a Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 HwO, vorliegend i.V.m. § 2 der Verordnung über die Meisterprüfung in den Teilen I und II im Kosmetiker-Gewerbe – Kosmetikermeisterverordnung – vom 16.1.2015, BGBl I, S. 17); es handelt sich also um zusätzliche nützliche Befähigungsnachweise, ähnlich denjenigen, die mit der Prüfung zum Geprüften Industriemeister erworben werden (siehe oben BayVGH, B.v. 3.7.2008 – 22 ZB 07.1674 – juris Rn. 13).
Sachgerecht ist daher nicht der vom Verwaltungsgericht festgesetzte Streitwert gemäß Nr. 54.3.2 Streitwertkatalog 2013 (15.000 €), sondern der Auffangwert gemäß Nr. 36.4 (5.000 €). Der Beschluss des Verwaltungsgerichts war dementsprechend zu ändern.
3. Eine Entscheidung über die Kosten und den Streitwert ist entbehrlich. Denn das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei und Kosten werden nicht erstattet (§ 68 Abs. 3 GKG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG; § 152 Abs. 1 VwGO).


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